Warum sich Frauen und Männer in Verhandlungen unterscheiden

In vielen Ländern verdienen Frauen weniger als Männer und sind seltener in Führungspositionen zu finden. Da in der Praxis Entscheidungen über Gehälter und die Karriere oftmals verhandelt werden, greifen wir auf die Verhandlungsforschung zurück, um diese Ungleichheiten zu erklären. Wir betrachten u. a., ob Frauen seltener Verhandlungen führen als Männer, ob sie schlechter in Verhandlungen abschneiden und warum  Geschlechtsunterschiede in Verhandlungen entstehen.

Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern sind noch immer verbreitet. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern: Im Jahr 2017 verdienten Frauen im Vergleich zu Männern in Deutschland laut Statistischem Bundesamt ein um 21 % niedrigeres Gehalt. Interessanterweise hat sich die Lohnlücke in den letzten 10 Jahren nur geringfügig verändert, denn im Jahre 2007 lag sie bei 23 %. Einen Beitrag zur Erklärung solcher Ungleichheiten liefert die Forschung zu Geschlechtsunterschiedenen in Verhandlungen (Stuhlmacher & Linnabery, 2013).
Tatsächlich begegnen uns im Alltag vielfältige Möglichkeiten, Verhandlungen zu führen. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Morgens im Büro angekommen, steht ein wichtiges Gespräch an, um das Sie gebeten hatten. Sie möchten über eine Gehaltserhöhung verhandeln. Am Nachmittag nehmen Sie an einem Meeting teil, in dem Projekte verteilt werden. Diese Verteilung müssen Sie mit ihren KollegInnen verhandeln. Dass wir häufig verhandeln, zeigen auch die Ergebnisse einer Befragungsstudie unter Berufstätigen von Babcock, Gelfand, Small und Stayn (2006): 42 % der Befragten hatten innerhalb der vorherigen Woche—oder sogar am selben Tag bzw. Vortag—zuletzt eine Verhandlung geführt.
Welche Konsequenzen hätte es demnach, wenn sich verschiedene Personengruppen—wie Frauen versus Männer—in ihrem Verhandlungserfolg systematisch voneinander unterscheiden? Während die Gehälter der einen Personengruppe steigen, würden sie für die andere möglicherweise stagnieren. Während die eine Gruppe auf der Karriereleiter aufsteigt, würde die andere auf der gleichen Stufe verharren. Wir beschreiben daher in diesem Beitrag, ob und warum Geschlechtsunterschiede in Verhandlungen existieren.

Was sind Geschlechterrollen und welche Rolle spielen sie in Verhandlungen?

Der derzeit wissenschaftlich am besten bestätigte Erklärungsansatz für Geschlechtsunterschiede in Verhandlungen ist die Theorie der Geschlechterrollen (Eagly, 1987). Geschlechterrollen sind soziale Erwartungen, welche Eigenschaften typisch und wünschenswert für Männer versus Frauen sind (Eagly, 1987; Eagly & Karau, 2002). In vielen Kulturen wird von Frauen erwartet, dass sie fürsorglich und emotional sind, von Männern hingegen, dass sie dominant und durchsetzungsstark sind (Eagly, 1987; Eagly & Karau, 2002).
Diese sozialen Erwartungen spielen eine wichtige Rolle für unser Erleben und Verhalten. Und zwar deswegen, weil Geschlechterrollen eine Art „Vorschrift“ darstellen—sie geben auch vor, wie sich Männer und Frauen verhalten sollten (Eagly, 1987; Eagly & Karau, 2002). Dadurch entsteht ein Risiko: Wenn Personen von den Erwartungen abweichen, die an sie und ihr Verhalten gerichtet werden, brechen sie mit einer sozialen Vorschrift, wofür sie von anderen Personen negativ bewertet werden (Amanatullah & Tinsley, 2013; Bowles, Babcock & Lai, 2007). Zu dominante Frauen gelten etwa als „schwierig“ oder „Mannsweib“, zu emotionale Männer als „schwach“ oder „Weichei“.
Aber was haben solche Erwartungen mit Verhandlungen zu tun? In vielen Verhandlungen ist es hilfreich, durchsetzungsstarkes und dominantes Verhalten zu zeigen, um ein gutes ökonomisches Ergebnis zu erzielen (bspw. ein hohes Gehalt). Diese Verhaltensweisen passen somit genau zu den Erwartungen, die an Männer gestellt werden, widersprechen aber den Erwartungen, die an Frauen gestellt werden (Abbildung 1; Stuhlmacher & Linnabery, 2013; vgl. Eagly & Karau, 2002).

Abbildung 1. Die Zwickmühle für Frauen, sich entscheiden zu müssen: Ein/e gute/r Verhandler/in sein und Dominanz oder Durchsetzungsstärke zeigen, was zu guten ökonomischen Ergebnisse verhilft, aber auch eine negative Bewertung durch Andere erzeugt, oder eine gute Frau sein und Fürsorglichkeit oder Emotionalität zeigen, was eine negative Bewertung durch Andere verhindert, aber zu schlechteren ökonomischen Ergebnisse führt (Bowles und Babcock, 2013; Stuhlmacher und Linnabery, 2013)Abbildung 1. Die Zwickmühle für Frauen, sich entscheiden zu müssen: „Eine gute Verhandlerin sein“ und Dominanz oder Durchsetzungsstärke zeigen, was zu guten ökonomischen Ergebnisse verhilft, aber auch eine negative Bewertung durch Andere erzeugt, oder „eine gute Frau sein“ und Fürsorglichkeit oder Emotionalität zeigen, was eine negative Bewertung durch Andere verhindert, aber zu schlechteren ökonomischen Ergebnisse führt (Bowles und Babcock, 2013; Stuhlmacher und Linnabery, 2013)

Verhandlungssituationen sind daher für Frauen oft eine Zwickmühle—sie müssen sich zwischen „eine gute Frau sein“ und „ein/e gute/r Verhandler/in sein“ entscheiden (Bowles & Babcock, 2013; Stuhlmacher & Linnabery, 2013): Einerseits könnten sie Verhaltensweisen zeigen, die ihnen in Verhandlungen nützen (bspw. Durchsetzungsstärke), würden dann aber von ihrer Geschlechterrolle abweichen, was von Anderen negativ bewertet wird (Amanatullah & Tinsley, 2013; Bowles et al., 2007). Andererseits könnten sie ihrer Geschlechterrolle treu bleiben (sich bspw. kooperativ verhalten), um einer negativen Bewertung zu entgehen, zeigen damit aber auch weniger Verhaltensweisen, die ihnen zum Verhandlungserfolg verhelfen (Amanatullah & Morris, 2010).

Inwiefern unterscheiden sich Frauen und Männer in Verhandlungen?

Frauen und Männer unterscheiden sich voneinander in verschiedenen Phasen der Verhandlungsführung (Stuhlmacher & Linnabery, 2013). Eine Übersicht zu diesen Unterschieden ist in Tabelle 1 gegeben.

Ist das verhandelbar für mich?

Vor einer Verhandlung stellt sich die grundsätzliche Frage: Ist diese Ressource oder dieser Sachverhalt überhaupt verhandelbar? Manchmal ist die „Verhandelbarkeit“ offensichtlich: In vielen Berufen ist bekannt, dass Gehälter verhandelt werden. Nicht selten ist aber unklar, ob vermeintlich feststehende Entscheidungen (bspw. über Budgets oder Urlaubsregelungen) noch durch eine Verhandlung verändert werden können. Interessanterweise zeigten Babcock et al. (2006), dass Frauen seltener davon ausgehen, dass etwas prinzipiell verhandelt werden kann. Dieser Befund passt gut zu der Theorie der Geschlechterrollen: Frauen setzen sich möglicherweise weniger mit Möglichkeiten zur Verhandlungsführung auseinander, weil sie befürchten, negativ bewertet zu werden, wenn sie verhandeln (Bowles et al., 2007).

Soll ich eine Verhandlung beginnen?

Geschlechter. Bild:adman_eu via Pixabay (https://pixabay.com/en/equality-gender-woman-duality-sky-2110561/; CC:https://pixabay.com/de/service/license/).Geschlechter. Bild:adman_eu via Pixabay (https://pixabay.com/en/equality-gender-woman-duality-sky-2110561/; CC:https://pixabay.com/de/service/license/).Angenommen, ein Gegenstand oder eine Entscheidung ist verhandelbar: Nutzen Frauen und Männer gleichermaßen die Möglichkeit, eine Verhandlung zu beginnen? Eine Meta-Analyse von Kugler, Reif, Kaschner und Brodbeck (2018) zeigte, dass Frauen seltener Verhandlungen initiieren als Männer. Dieser Befund steht wiederum in Einklang mit der Theorie der Geschlechterrollen, denn eine Verhandlung zu beginnen, wird als durchsetzungsstarkes Verhalten interpretiert, was der weiblichen Rolle widerspricht.
Wenn Frauen aber nun versuchen, Verhandlungen zu initiieren, hat dies negative Konsequenzen. So haben Bowles et al. (2007) herausgefunden, dass andere Personen weniger gewillt waren, mit Frauen zusammenzuarbeiten, die eine Verhandlung initiiert hatten. Auch diese Ergebnisse stützen die Theorie, denn Abweichungen von Geschlechterrollen werden als Bruch mit einer sozialen Vorschrift wahrgenommen, was negative Bewertungen hervorruft.

 

Wie verhalte ich mich während einer Verhandlung?

Auch im Verlauf von Verhandlungen verhalten sich Männer und Frauen unterschiedlich (Stuhlmacher & Linnabery, 2013). In einer Studie von Amanatullah und Morris (2010) wurden Männer und Frauen gebeten, an einer Simulation einer Gehaltsverhandlung teilzunehmen. Männer zeigten mehr durchsetzungsstarkes Verhalten, wenn es darum ging, das eigene Gehalt zu verhandeln: Sie forderten zu Beginn der Verhandlung bspw. ein um ganze $6.441 höheres Jahresgehalt. Amanatullah und Morris (2010) zeigten zudem, dass soziale Befürchtungen für dieses Ergebnis eine wichtige Rolle spielen: Frauen gingen davon aus, dass bereits relativ niedrige Forderungen von ihnen von anderen Personen als zu anspruchsvoll wahrgenommen werden würden. Männer hingegen dachten, mehr fordern zu können, bevor es als unangemessen gelten würde. Auch dieser Befund stützt die Theorie, denn durchsetzungsstarkes Verhalten widerspricht nur der weiblichen Rolle—zu starke Forderungen von Frauen können also negativ bewertet werden, was Frauen verständlicherweise fürchten (Amanatullah & Morris, 2010).
Tatsächlich fand eine Folgestudie, dass die Befürchtungen gerechtfertigt sind: Amanatullah und Tinsley (2013) wiesen nach, dass Frauen, die bei einer Verhandlung über ihr eigenes Gehalt durchsetzungsstarkes Verhalten zeigten, besonders negativ von anderen Personen bewertet wurden.
Doch auch Männer sind dem Einfluss von Geschlechterrollen ausgesetzt. Netchaeva, Kouchaki und Sheppard (2015) untersuchten, wie sich Männer und Frauen verhalten, wenn sie eine Frau als Vorgesetzte haben. Sie fanden heraus, dass sich Männer bedroht fühlten, wenn sie mit einer weiblichen Vorgesetzten oder Personalverantwortlichen verhandelten, was zu vermehrtem durchsetzungsstarken Verhalten der Männer führte. Bei Frauen traten diese Effekte hingegen nicht auf—sie fühlten sich durch eine weibliche Personalverantwortliche nicht bedroht. Auch diese Befunde passen zur Theorie, denn die Domäne „Arbeitswelt“ war lange Zeit männlich geprägt, so dass Männer ihre traditionelle Rolle in der Gesellschaft in Frage gestellt sehen könnten.
Diese Ergebnisse werfen die Frage auf, ob es einen Unterschied für Männer und Frauen macht, welches Geschlecht ihr Gegenüber in Verhandlungen hat. Obwohl diese Frage für zuverlässige Schlussfolgerungen bislang noch nicht ausreichend untersucht worden ist, zeichnen sich erste Tendenzen ab: Wie erwähnt fanden Netchaeva et al. (2015) heraus, dass sich Männer insbesondere in gegengeschlechtlichen Verhandlungssituationen mit weiblichen Vorgesetzten bedroht fühlen, was ihr Verhandlungsverhalten beeinflusst. Ähnliche Ergebnisse für Frauen beobachteten Bowles et al. (2007): Frauen initiierten nur dann seltener Verhandlungen als Männer, wenn die Person, die sie später bewerten könnte, ein Mann war.
In der Forschung kristallisiert sich zunehmend ein weiterer Geschlechtsunterschied im Verhandlungsverhalten heraus: Kray und Haselhuhn (2012) zeigten, dass Männer eher zu unethischen Taktiken (bspw. wichtige Informationen vorenthalten) in Verhandlungen neigen. Dieser Befund ist auch für die Praxis bedeutsam, da unethische Taktiken erheblichen Schaden verursachen können.

Wie gut sind meine Verhandlungsergebnisse?

Männer und Frauen unterscheiden sich letztendlich auch in ihrem Verhandlungserfolg, da es in vielen Verhandlungssituationen von Vorteil ist, bspw. Durchsetzungsstärke zu zeigen: Mazei, Hüffmeier, Freund, Stuhlmacher, Bilke und Hertel (2015) zeigten in ihrer Meta-Analyse, dass Männer im Durchschnitt bessere ökonomische Verhandlungsergebnisse erzielten als Frauen.

Wann unterscheiden sich die Geschlechter nicht?

Die geschilderten Befunde könnten den Anschein erwecken, dass Frauen in Verhandlungen stets benachteiligt sind. Doch diese Schlussfolgerung ist nicht zutreffend: Tatsächlich schwanken Geschlechtsunterschiede in Verhandlungen stark, so dass sie in vielen Situationen auch nicht bestehen (Bowles, Babcock & McGinn, 2005). In den letzten Jahren wurden zahlreiche Rahmenbedingungen aufgedeckt, die beeinflussen, ob sich die Geschlechter unterscheiden oder nicht (Stuhlmacher & Linnabery, 2013). Letztlich liegen diesen Rahmenbedingungen zwei Prinzipien zu Grunde: die „Stärke“ einer Verhandlungssituation und die Passung der Verhandlungssituation zur jeweiligen Geschlechterrolle (Bowles et al., 2005).

Die „Stärke“ der Verhandlungssituation

Dem Psychologen Walter Mischel (1977) zufolge unterscheiden sich Situationen in ihrer „Stärke“: Situationen sind dann „stark“, wenn allen Personen klar ist, welches Verhalten in dieser Situation angemessen ist und gezeigt werden sollte. Mit steigender „Stärke“ einer Situation werden andere Einflussfaktoren wie bspw. Geschlechterrollen irrelevant. Bowles et al. (2005) haben diese Idee auf Verhandlungen übertragen: Sie fanden heraus, dass Geschlechtsunterschiede in Verhandlungen und Verdiensten dann nicht mehr auftreten, wenn Männern und Frauen neben Vorgaben über ihre Schmerzgrenze auch ein klarer Zielwert vorgelegt wurde oder wenn ihnen die Gehaltsspannen bzw. ähnliche Standards bekannt waren (also wenn die Situation „stark“ war).

Die Passung der Verhandlungssituation zur Geschlechterrolle

In manchen Situationen passen die weibliche Geschlechterrolle und die Rolle des effektiven Verhandlers doch zusammen, was die Entstehung von Geschlechtsunterschieden beeinflusst (Amanatullah & Morris, 2010; Stuhlmacher & Linnabery, 2013). Ein erstes Beispiel dafür: Bear und Babcock (2012) zeigten, dass Männer zwar in einer Verhandlung über ein eher männliches Thema (Preis von Motorradlampen) besser abschnitten als Frauen, dieser Geschlechtsunterschied aber verschwand, wenn es in der Verhandlung um ein eher weibliches Thema ging (Preis von Glasperlen, mit denen Schmuck hergestellt wird).
Ein zweites Beispiel dafür: Es hat sich gezeigt, dass Frauen mehr durchsetzungsstarkes Verhalten zeigen (Amanatullah & Morris, 2010), besser abschneiden (Bowles et al., 2005) und auch besser bewertet werden (Amanatullah & Tinsley, 2013), wenn sie nicht für sich selbst, sondern für Andere verhandeln. Diese Befunde stützen das Grundprinzip der Passung der Verhandlungssituation zur Geschlechterrolle, denn sich für Andere einzusetzen wird als fürsorglich, und damit weiblich, verstanden (Stuhlmacher & Linnabery, 2013). Die Befunde verdeutlichen zudem, dass sich die Geschlechter nicht in ihrem grundlegenden Verhandlungsgeschick unterscheiden.

Arbeitsplatz. Bild: rawpixel via Pixabay (https://pixabay.com/en/paper-business-finance-document-3139127/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/).Arbeitsplatz. Bild: rawpixel via Pixabay (https://pixabay.com/en/paper-business-finance-document-3139127/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/).

Empfehlungen für die Praxis

Aus der Verhandlungsforschung können Empfehlungen abgeleitet werden, die helfen, Geschlechtsunterschiede in Verhandlungen zu reduzieren. Im Vordergrund sollten dabei Interventionen stehen, die die Verantwortung für Veränderungen nicht einfach an Frauen abgeben. Daher betrachten wir hier vornehmlich Interventionen, die die Rahmenbedingungen für gleichberechtigtes Verhandeln verbessern.
Eine erste beispielhafte Empfehlung folgt dem Grundprinzip, dass Situationen „gestärkt“ werden können. Um bspw. Gehaltsunterschiede zu reduzieren, können Firmen Informationen über das Entgelt vergleichbarer Anderer zugänglich machen (vgl. Bowles et al., 2005). Diese Idee wurde bereits in der Politik berücksichtigt, denn das in Deutschland in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz entspricht dieser Logik.
Weiterhin sollten sich VerhandlungspartnerInnen ihre eigenen Bewertungstendenzen bewusst machen und versuchen, diese aktiv zu vermeiden. Personalverantwortliche bei Gehaltsverhandlungen können dazu gezielt geschult werden. Zudem können Organisationen ihre Personalauswahl und ihre Beförderungspraktiken nach Möglichkeit standardisieren, um Männer und Frauen nach einheitlichen Regeln zu beurteilen und somit verzerrenden Bewertungstendenzen entgegenzuwirken.
Falls Frauen jedoch einer Verhandlungssituation gegenüberstehen, in der die Rahmenbedingungen noch nicht verbessert wurden, können sie das Grundprinzip nutzen, dass effektives Verhandlungsverhalten nicht immer der weiblichen Geschlechterrolle widersprechen muss (Amanatullah & Morris, 2010). Bear und Babcock (2017) zeigten bspw., dass Geschlechtsunterschiede in den Verhandlungsergebnissen auch verschwinden, wenn sich die StudienteilnehmerInnen vorgestellt hatten, dass sie für einen Freund verhandeln oder wenn sie sich Beispiele für vergangene Situationen in Erinnerung gerufen hatten, in denen sie sich durchsetzungsstark verhalten hatten. Letztlich wäre aber natürlich ein gesellschaftlicher Wandel wünschenswert, im Zuge dessen Rollenbilder langfristig verändert werden. Der Widerspruch zwischen „ein/e gute/r Verhandler/in sein“ und „eine gute Frau sein“ (Stuhlmacher & Linnabery, 2013) sollte damit zumindest abgemildert werden.

Fazit

Frauen verdienen weniger als Männer und sind seltener in Führungspositionen zu finden. Wir erklären diese Ungleichheiten mit Erkenntnissen zu Geschlechtsunterschieden in Verhandlungen (z. B. Stuhlmacher & Linnabery, 2013). Obwohl sich die Geschlechter tatsächlich häufig unterscheiden (Tabelle 1), sind Frauen in ihren Verhandlungsfähigkeiten—wenn die Rahmenbedingungen stimmen—nicht grundsätzlich benachteiligt (Bowles et al., 2005). Diese Erkenntnis ermöglicht es Organisationen, der Politik und der Gesellschaft als Ganzes, die Rahmenbedingungen zu verbessern, so dass Ungleichheiten verringert werden und sich Rollenbilder langfristig verändern können.

Literaturverzeichnis

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