Wird in unserer Kindheit der Grundstein für Untreue im Erwachsenenalter gelegt? Was der individuelle Bindungsstil über sexuelle Untreue verrät

Studien mit bevölkerungsrepräsentativen Stichproben kommen regelmäßig zu dem Schluss, dass mindestens jede vierte Person zumindest einmal in ihrem Leben sexuell untreu ist. Interessanterweise fordert aber eine überwältigende Mehrheit der Personen sexuell treues Verhalten von ihren PartnerInnen. Wie geht aber beides zusammen? Der folgende Artikel beschäftigt sich nach einer kurzen Einführung in die psychologische Bindungstheorie mit der Frage, inwieweit individuelle Unterschiede im Bindungsstil sexuell untreues Verhalten erklären können.

Obwohl sich über 90 % der Personen Treue von ihren PartnerInnen wünschen oder gar für deren wichtigste Eigenschaft halten (z. B. Schmidt, Matthiesen, Dekker & Starke, 2006), zeigen Studien mit großen Stichproben immer wieder, dass mindestens 25 % der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben sexuell untreu sind (für einen Überblick siehe Kröger, 2010). Warum werden aber so viele Menschen untreu, obwohl sie diese Eigenschaft doch für so wichtig halten? Ein Teilbereich der Psychologie, die Differentielle Psychologie, befasst sich im Kern mit genau solchen Themen: Sie versucht anhand von Eigenschaften oder Zuständen, hinsichtlich derer sich Personen unterscheiden, Unterschiede im Verhalten von Personen zu erklären. Der Bindungsstil, der von Person zu Person variiert, könnte eine solche Eigenschaft sein, die erklärt, warum manche Personen es schaffen, treu zu bleiben, während andere daran scheitern.

Vor der tiefergehenden Darstellung von Befunden aus der Paarforschung wird zunächst in die Ursprünge des Bindungsstils eingeführt.

Erfahrungen mit der ersten Bindungsperson beeinflussen unseren Bindungsstil im Erwachsenenalter

Bild von Nick Kenrick via Flickr (https://www.flickr.com/photos/zedzap/4586950460/in/photolist-89TzhR-9YQvut-8inp9g-bKYjy-6gEJa4-i2zHcp-nz6Ck3-94fP1U-8TdDtA-58ryzc-bLKvtB-5B9Y2t-7ZkjyL-gLRXp8-6FEMtt-haFZVH-53QZs4-Exa6E-4mEGMP-9FzpKx), CC (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/)

Im Normalfall ist ein Elternteil, meist die Mutter, die erste Bindungsperson eines Kindes. Zeigt ein Kind Bindungsverhalten, reagiert die Bindungsperson im Idealfall mit passendem Fürsorgeverhalten. Bindungsverhalten wäre beispielsweise, wenn das Kind im Fall einer kurzfristigen Trennung (z. B. die Mutter verlässt das Zimmer) zu weinen beginnt oder der Mutter nachläuft. Beispiele für Fürsorgeverhalten sind in oder auf den Arm nehmen, trösten, wiegen oder beruhigend auf das Kind einreden. Die Grundannahme dabei ist, dass das Kind durch das Fürsorgeverhalten vor Gefahren geschützt wird. Der Begründer der Bindungstheorie John Bowlby (1975) glaubte, Bindung gehöre wie Nahrung, Wärme und Schlaf zu den elementaren menschlichen Grundbedürfnissen.

Kinder machen unterschiedliche Erfahrungen mit ihren Bindungspersonen bzw. deren Reaktion auf das von ihnen gezeigte Bindungsverhalten. Man nimmt an, diese unterschiedlichen Erfahrungen spielen eine große Rolle dabei, welchen Bindungsstil sie entwickeln, wie sie sich also gegenüber ihnen emotional besonders nahen Personen verhalten und welche Ängste und Befürchtungen sie vielleicht haben. Insgesamt werden je nach Publikation und ForscherIn verschiedene Bindungsstile, in der Regel vier (z. B. Ainsworth, Blehar, Waters & Wall, 1978; Bartholomew & Horowitz, 1991; Main, Kaplan & Cassidy, 1985), unterschieden. Dabei unterscheiden sich die Konzepte der Stile häufig weniger in ihrer Bedeutung als vielmehr nur in ihrem konkreten Namen. Allgemein werden folgende Bindungsstile unterschieden:

  • sicher gebunden
  • unsicher-ambivalent gebunden
  • unsicher-vermeidend gebunden
  • unsicher-desorganisiert gebunden

Mit der „fremden Situation“, einem Experiment von Mary Ainsworth und KollegInnen (1978), gelang es erstmalig, die unterschiedlichen Bindungsstile bei Kindern nachzuweisen. Hierbei befanden sich die Mutter und das einjährige Kleinkind in einem Zimmer, das mit vielen Spielsachen kindgerecht eingerichtet war. Nachdem die beiden eine Zeit gemeinsam in dem Zimmer verbracht hatten, verließ die Mutter den Raum. Das vom Kleinkind gezeigte Verhalten, nachdem es von der Mutter verlassen wurde, sowie das Verhalten bei der Wiedervereinigung, unterschied sich mitunter deutlich zwischen den verschiedenen beobachteten Kindern: Diese Unterschiede nahmen die ForscherInnen zum Anlass, sie den verschiedenen Bindungsstilen zuzuordnen. Sicher gebundene Kinder beispielsweise spielten nach kurzer Irritation seelenruhig weiter, da sie das Vertrauen hatten, die Mutter würde schon zurückkehren. Unsicher-ambivalent gebundene Kinder hingegen reagierten beispielsweise sowohl ablehnend als auch zugewandt auf die Rückkehr der Mutter.

Abbildung 1. Die vier Bindungsstile lassen sich aus den Kombinationen der Dimensionen Angst und Vermeidung ableiten (Bild von Jane Hergert nach Bartholomew und Horowitz, 1991).

Die Erfahrungen mit der ersten Bindungsperson beeinflussen unser Denken und Verhalten auch im Erwachsenenalter. BindungsforscherInnen nehmen an, dass wir aufgrund unseres Bindungsstils bereits zu wissen glauben, wie andere auf uns reagieren, und uns entsprechend verhalten. Die Zugehörigkeit zu Bindungsstilen wird dabei als relativ stabil, das heißt auch über längere Zeiträume unveränderlich, angenommen. Laut Bindungstheorie muss der Einfluss neuer Erfahrungen schon sehr intensiv sein, um den Bindungsstil nachhaltig zu ändern.

Alternativ zu Bindungsstilen wird Bindung in manchen Studien auch anhand der beiden Dimensionen Angst und Vermeidung konzeptualisiert: Personen, die hoch vermeidend gebunden sind, fühlen sich in intimen Beziehungen schnell eingeengt und neigen dazu, sich von ihrem/r PartnerIn zu distanzieren. Personen, die auf der Angst-Dimension hohe Werte aufweisen, erleben Partnerschaften dagegen häufig ambivalent, da sie sich Nähe zwar wünschen, gleichzeitig aber die Zurückweisung fürchten (Fraley & Shaver, 2000). Diese beiden Dimensionen lassen sich aber durchaus auch in die oben genannten vier Bindungsstile überführen (siehe Abbildung 1). Zum Beispiel hätten Personen, die in Beziehungen wenig Angst und wenig Vermeidung berichten, einen sicheren Bindungsstil.

Wie sich der Bindungsstil auf die Beziehungsqualität auswirkt

Love von Moyan Brenn via Flickr (https://www.flickr.com/photos/aigle_dore/5237970063/in/photostream/), cc (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)Insgesamt lässt sich sagen, dass in Studien zum Zusammenhang zwischen Bindungsstilen und Beziehungsqualität die Partnerschaften von sicher gebundenen Personen positiver erscheinen als die von Personen mit anderem Bindungsstil (für einen Überblick, siehe Bierhoff & Grau, 1999). Beispielsweise bezeichnen sich sicher gebundene Personen als glücklicher und zufriedener als unsicher gebundene Personen, sie investieren viel in die Beziehung, haben eine positive Kommunikation und wenn sie streiten, dann auf wenig verletzende Art und Weise. Demgegenüber suchen ängstlich-ambivalent gebundene Personen ständig Nähe und verlieben sich schnell, vertrauen dem/r PartnerIn wenig und sind eifersüchtig. Gleichgültig-vermeidend gebundene Personen sind wenig bereit, sich zu binden, und möchten sich selbst genügen. Ängstlich-vermeidend Gebundene schließlich sind sich häufig über ihre Gefühle in der Partnerschaft nicht klar und haben wenig Vertrauen. Nach Bierhoff und Grau (1999) repräsentieren die vermeidenden Bindungsstile „eine Antihaltung der Liebe gegenüber“ (S. 37).

Der Zusammenhang von Bindungsstilen und Untreue

Zum Zusammenhang zwischen außerpartnerschaftlichen sexuellen Erfahrungen und Bindungsmustern führten Allen und Baucom (2004) eine Fragebogen-Studie durch. Bindung wurde entlang der zwei Dimensionen Angst (verlassen zu werden) und Vermeidung (von Nähe) abgetragen: Aus der Kombination ergaben sich die vier Bindungsmuster nach Bartholomew und Horowitz (1991), die weitestgehend den oben eingeführten vier Stilen entsprechen:

  • sicher,
  • ängstlich-ambivalent,
  • ängstlich-vermeidend und
  • gleichgültig-vermeidend.

Es wurden zwei Stichproben mit jeweils mehreren hundert TeilnehmerInnen untersucht: Eine bestand ausschließlich aus Studierenden, die zweite war bezüglich Alter und Bildungsstand deutlich heterogener. In der studentischen Stichprobe berichteten 69 %, in der zweiten Stichprobe 46 % mindestens eine Form der Untreue innerhalb der vergangenen zwei Jahre vor dem Befragungszeitpunkt. In beiden Stichproben berichteten gleichgültig-vermeidend Gebundene am häufigsten Untreue. Die wichtigste Motivation für die Untreue gleichgültig-vermeidend gebundener Personen war, sich dadurch mehr Raum und Freiheit zu sichern. Dagegen gaben ängstlich-ambivalent und ängstlich-vermeidend Gebundene eher das Gefühl, von dem/der primären PartnerIn vernachlässigt zu werden, Einsamkeit und die Empfindung, gebraucht zu werden, als wichtigste Motivationen an. Eine hohe Ausprägung auf der Angst-Dimension ging zudem mit der Begründung einher, mit der Untreue den Selbstwert und die gefühlte eigene Attraktivität zu steigern.

Abbildung 2. Der Einfluss vermeidender Bindung auf Untreue wird über das Commitment zur primären Partnerschaft vermittelt (Bild von Jane Hergert nach DeWall et al., 2011).

In ihren Forschungsarbeiten konzeptualisierten DeWall et al. (2011) Bindung anhand der Dimensionen Angst und Vermeidung, ohne die vier Stile konkreter zu betrachten. In einer Studie mit zwei Erhebungszeitpunkten im Abstand von sechs Wochen stellte sich heraus, dass vergangene Untreue und eine vermeidende Bindung die Untreue der TeilnehmerInnen zum zweiten Messzeitpunkt vorhersagen konnten. In einer weiteren, ähnlich angelegten Studie erweiterten die AutorInnen ihre Befunde: Sie konnten zeigen, dass der Einfluss von vermeidender Bindung auf Untreue nicht direkt ist, sondern über das Commitment vermittelt wird. Unter Commitment ist dabei die Bindung der Person an die Partnerschaft (nicht den/die PartnerIn!) und die Motivation zur Aufrechterhaltung derselben zu verstehen (Rusbult, Drigotas & Verette, 1994). Eine vermeidende Bindung verringert dabei das Commitment, was wiederum untreues Verhalten begünstigt (siehe Abbildung 2). Eine hohe Ausprägung auf der Angst-Dimension von Bindung hingegen hatte bei DeWall et al. überhaupt keinen Einfluss auf Untreue. Eine besondere Stärke der Arbeit von DeWall et al. ist, dass die AutorInnen über mehrere Studien hinweg ihre Ergebnisse bestätigen und erweitern konnten. Problematisch ist hier, dass es sich bei den Stichproben überwiegend um junge Studierende in Dating-Beziehungen (das sind Beziehungen, in denen die PartnerInnen regelmäßig miteinander ausgehen, aber bspw. nicht zusammenwohnen) handelte.

In einer anderen, etwas aktuelleren Studie wurden 207 frischverheiratete Paare über einen Zeitraum von mehreren Jahren begleitet und während dieser Zeit mehrfach von den WissenschaftlerInnen befragt (Russell, Baker & McNulty, 2013). Im betrachteten Zeitraum von ca. vier Jahren gaben insgesamt 22 TeilnehmerInnen an, untreu gewesen zu sein, was etwas mehr als 5 % entspricht. Insbesondere eine hohe Ausprägung auf der Angst-Dimension von Bindung sagte Untreue der TeilnehmerInnen vorher. Die AutorInnen erklären sich dieses Ergebnis so, dass bindungsängstliche Personen zwar das Bedürfnis nach Nähe haben, es in ihrer primären Partnerschaft aber nicht befriedigen können. Folglich versuchen sie, es in außerpartnerschaftlichem Sex zu stillen. Interessanterweise war aber nicht nur die eigene Bindungsangst, sondern auch die der PartnerInnen mit der eigenen Untreue assoziiert: Wenn die PartnerInnen der TeilnehmerInnen stark bindungsängstlich waren, sagte dies die Untreue der TeilnehmerInnen ebenfalls vorher. Ein Befund, mit dem die AutorInnen so nicht gerechnet hatten, war, dass PartnerInnen von Personen mit hohen Werten auf der Vermeidungsdimension von Bindung seltener untreu waren. Interessanterweise scheint also diese eigentlich dysfunktionale Art der Bindung bezüglich Untreue des/r romantischen Partners/In protektiv zu wirken. Die AutorInnen fanden zudem heraus, dass niedrig Bindungsängstliche nur dann seltener untreu waren, wenn ihr/e PartnerIn ebenfalls niedrig bindungsängstlich war.

Während DeWall et al. (2011) also einen scheinbar robusten Effekt der Vermeidungsdimension aufdecken, finden Russell et al. (2013) diesen nicht, dafür aber einen Effekt der Angstdimension auf Untreue. Letztere vermuten, dass die Stichproben diese Unterschiede erklären können: Während DeWall et al. Studierende Anfang 20 in Dating-Beziehungen untersuchten, basieren die Ergebnisse von Russell et al. auf Frisch-Verheirateten Mitte 20. Endgültig klar ist also noch nicht, ob nur eine Bindungsdimension (und wenn ja, welche) oder beide mit Untreue zusammenhängen.

Fazit

Die im Titel gestellte Frage lässt sich mit einem vorsichtigen Ja beantworten: Der Bindungsstil, dessen Grundlagen in der frühen Kindheit gelegt werden, hängt psychologischen Forschungsbefunden zufolge mit späterer Untreue im Erwachsenenalter zusammen.

Die Ergebnisse der oben vorgestellten Studien lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Sicher gebundene Personen sind am zufriedensten mit ihren Partnerschaften und  am seltensten untreu.
  • Unsicher gebundene Personen (ob ängstlich-ambivalent, ängstlich-vermeidend oder gleichgültig-vermeidend) sind tendenziell weniger glücklich in ihren Partnerschaften und  häufiger untreu.
  • Auch die Bindungsangst des/der romantischen Partners/Partnerin scheint die eigene Untreue zu beeinflussen
  • Inwieweit aber die verschiedenen unsicheren Bindungsdimensionen bzw. -stile unterschiedliche Zusammenhänge zu Untreue zeigen, wird zukünftige Forschung zeigen müssen.

Wichtig bei der Einordnung der oben aufgezeigten Befunde ist weiterhin, dass der Bindungsstil lediglich eine Variable aus einem ganzen Strauß verschiedener möglicher Variablen ist, die Untreue bis zu einem gewissen Anteil erklären können: So gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen Eigenschaften der Partnerschaft (z. B. Dauer, Zufriedenheit, Status: verheiratet vs. zusammenlebend vs. dating) und Untreue aufzeigen. Ebenso hängen manche Persönlichkeitseigenschaften mit Untreue zusammen. Andere Studien wiederum weisen den Einfluss gewisser situativer Faktoren („Gelegenheiten zu Untreue“) beim Auftreten von sexueller Untreue nach. Auch evolutionspsychologische und sogar genetische Einflüsse scheint es zu geben. Zudem werden immer wieder Unterschiede zwischen den Geschlechtern – Männer sind etwas häufiger untreu als Frauen – beobachtet. Schließlich sind auch interkulturelle Häufigkeitsunterschiede bekannt: Während in Nordamerika die Zahlen niedriger sind als in Mitteleuropa, liegen sie in Osteuropa mitunter deutlich höher. Es werden daher auch Geschlechterrollen und kulturelle Eigenheiten als mögliche Erklärungsvariablen diskutiert (für einen Überblick siehe Kröger, 2010).

Wie kann ich erfahren, welchen Bindungsstil ich habe?

Es gibt grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, den Bindungsstil bei Erwachsenen zu erfassen – die populärsten Methoden sind:

  • Interview-Verfahren sowie
  • Selbstbeurteilungs-Fragebogen-Verfahren.

Allen Verfahren gemein ist, dass ihre Anwendung und Auswertung meist auf ausgebildete PsychologInnen und TherapeutInnen zugeschnitten sind. Damit sind sie für LaiInnen im Selbsttest eher schwierig anzuwenden.

Eine Ausnahme bildet das ältere „Adult Attachment Styles“-Verfahren von Hazan und Shaver (1987), mit dem man sich einem der ursprünglichen drei Bindungsstile nach Ainsworth, Blehar, Waters und Wall (1978) zuordnen kann (Main, Kaplan und Cassidy erweiterten die drei Stile erst 1985 um den vierten Stil). Hier gibt es zwar lediglich einen vermeidenden Bindungsstil – neuere Verfahren splitten diesen Stil in 2 Stile: gleichgültig-vemeidend und ängstlich-vermeidend auf – als grobes Maß lässt sich dieses Verfahren aber dennoch einem schnellen Selbsttest anwenden.

Der Test

Es geht nachfolgend um Ihre Erfahrungen in festen Partnerschaften. Bitte lesen Sie zunächst die folgenden drei Beschreibungen aufmerksam durch und kreuzen Sie dann die Alternative an, die am ehesten beschreibt, wie Sie sich in romantischen Partnerschaften fühlen.

A.    Ich mag es nicht, anderen sehr nahe zu sein. Ich finde es schwierig, anderen vollkommen zu vertrauen und abhängig von anderen zu sein. Ich werde nervös, wenn jemand mir zu nahe kommt und oft wollen PartnerInnen intimere Beziehungen mit mir als mir lieb ist.

B.    Ich finde es relativ leicht, anderen nahe zu sein. Ich mag es, wenn ich von anderen abhänge und sie von mir. Ich mache mir keine Sorgen darüber, von anderen verlassen zu werden oder dass mir andere zu nahe kommen.

C.     Ich finde, dass andere zögern, mir so nahe zu kommen, wie ich es möchte. Ich mache mir oft Sorgen, dass mein/e PartnerIn mich nicht wirklich liebt oder nicht bei mir bleiben will. Ich möchte mit einer anderen Person vollkommen verschmelzen und dieser Wunsch verscheucht Leute manchmal.

Die Auswertung

Exam von Alberto G. via Flickr (https://www.flickr.com/photos/albertogp123/5843577306), CC (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Nun können Sie, abhängig davon, welche Alternative Sie gewählt haben, auf Ihren Bindungsstil schließen:

A = Sie haben einen vermeidenden Bindungsstil.

B = Sie haben einen sicheren Bindungsstil.

C = Sie haben einen ängstlich-ambivalenten Bindungsstil.

 

Bitte beachten Sie dabei, dass es sich bei diesem Verfahren zwar um ein sehr häufig (vor allem in den Jahren direkt nach seiner Entwicklung) eingesetztes Verfahren in der psychologischen Bindungsforschung handelt, es aber den heutigen methodischen Ansprüchen eigentlich nicht mehr gewachsen ist. Zum einen wird in der Formulierung recht deutlich, welche die „gute“ (Antwort B) und welche „schlechtere“ (Antworten A und C) Antworten sind. Das führt beispielsweise dazu, dass sich über dieses Verfahren weit mehr Personen als sicher gebunden einschätzen, als wenn ihr Bindungsstil mit einem anderen Verfahren erfasst wird (von Sydow, 2001).

Vielleicht ist es Ihnen ja sogar schwergefallen, sich einer Alternative zuzuordnen – das verwundert auch nicht, denn bei den Beschreibungen handelt es sich gewissermaßen um Bindungsprototypen in Reinform. Mischformen sind aber nach der Überzeugung mancher ForscherInnen genauso möglich – dies wiederum lässt sich besser mit Fragebogenverfahren erfassen, die aus mehr Fragen bestehen und Bindung nicht kategorial (d. h., es gibt vier eindeutig abgrenzbare Stile) sondern eher dimensional (d. h., Bindung lässt sich auf den beiden Dimensionen Angst und Vermeidung abbilden) auffassen. 

Eine, leider nur englischsprachig verfügbare, Alternative zum Kurztest von Hazan und Shaver (1987) ist die Online-Messung des Bindungsstils mittels des „Experiences in Close Relationships-Revised“-Verfahrens von Fraley, Waller und Brennan (2000). Dabei handelt es sich um das aktuell anerkannteste Selbstbeurteilungsverfahren in der Erwachsenen-Bindungsforschung. Sie beantworten direkt online einige Fragen und bekommen am Ende des Fragebogens eine Rückmeldung über Ihren individuellen Bindungsstil. Das Ausfüllen des Online-Fragebogens dauert lediglich fünf Minuten. Sie finden den Online-Fragebogen unter folgendem Link:

http://www.web-research-design.net/cgi-bin/crq/crq.pl

 

 

Literatur Artikel

Ainsworth, M. D. S., Blehar, M. S., Waters, S. & Wall, S. (1978). Patterns of attachment: A psychological study of the strange situation. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.

Allen, E. S. & Baucom, D. H. (2004). Adult attachment and patterns of extradyadic involvement. Family Process, 43, 467-488.

Bartholomew, K. & Horowitz, L. M. (1991). Attachment styles among young adults: A test of a four-category model. Journal of Personality and Social Psychology, 61, 226–244.

Bierhoff, H. W. & Grau, I. (1999). Romantische Beziehungen – Bindung, Liebe, Partnerschaft. Bern: Huber.

Bowlby, J. (1975). Bindung – Eine Analyse der Mutter-Kind- Beziehung. Frankfurt: Fischer.

DeWall, C. N., Lambert, N. M., Slotter, E. B., Pond, R. S., Deckman, T., Finkel, E. J., Luchies, Laura B. & Fincham, F. D. (2011). So far away from one’s partner, yet so close to romantic alternatives: Avoidant attachment, interest in alternatives, and infidelity. Journal of Personality and Social Psychology, 101, 1302-1316.

Fraley, R. C. & Shaver, P. R. (2000). Adult romantic attachment: Theoretical developments, emerging controversies, and unanswered questions. Review of General Psychology, 4, 132-154.

Kröger, C. (2010). Sexuelle Außenkontakte und -beziehungen in heterosexuellen Partnerschaften. Psychologische Rundschau, 61(3), 123-143.

Main, M., Kaplan, N. & Cassidy, J. (1985). Security in infancy, childhood, and adulthood: A move to the level of representation. Monographs of the Society for Research in Child Development, 50(1/2), 66-104.

Rusbult, C. E., Drigotas, S. M. & Verette, J. (1994). The investment model: An interdependence analysis of commitment processes and relationship maintenance phenomena. In D. Canary & L. Stafford (Eds.), Communication and relational maintenance (pp. 115-139). San Diego, CA: Academic Press.

Russell, V. M., Baker, L. R. & McNulty, J. K. (2013). Attachment insecurity and infidelity in marriage: Do studies of dating relationships really inform us about marriage? Journal of Family Psychology, 27, 242-251.

Schmidt, G., Matthiesen, S., Dekker, A. & Starke, K. (2006). Spätmoderne Beziehungswelten. Wiesbaden: VS.

 

Literatur Test

Ainsworth, M. D. S., Blehar, M. S., Waters, S. & Wall, S. (1978). Patterns of attachment: A psychological study of the strange situation. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.

Fraley, R. C., Waller, N. G. & Brennan, K. A. (2000). An item-response theory analysis of self-report measures of adult attachment. Journal of Personality and Social Psychology, 78, 350-365.

Hazan, C. & Shaver, P. R. (1987). Romantic love conceptualized as an attachment process. Journal of Personality and Social Psychology, 52, 511-524.

Main, M., Kaplan, N. & Cassidy, J. (1985). Security in infancy, childhood, and adulthood: A move to the level of representation. Monographs of the Society for Research in Child Development, 50(1/2), 66-104.

von Sydow, K. (2001). Forschungsmethoden zur Erhebung von Partnerschaftsbindung. In G. Gloger-Tippelt (Hrsg.), Bindung im Erwachsenenalter (S. 275-294). Bern: Huber.

Autor*innen