„Zusammengepfercht wie die Tiere“ – Der Einfluss medialer Berichterstattung auf die Entmenschlichung von Geflüchteten

Wie beeinflusst die Medienberichterstattung Einstellungen in einer Aufnahmegesellschaft gegenüber Geflüchteten? Welche – oftmals auch nicht beabsichtigten Wirkungen – haben Tier-Vergleiche wie „auf engstem Raum zusammengepfercht“? Der Beitrag geht diesen Fragen nach und verdeutlicht, dass derartige Mediendarstellungen Entmenschlichung von Geflüchteten begünstigen können, einen Prozess, bei dem Mitgliedern einer Fremdgruppe weniger Menschlichkeit zugeschrieben wird als Mitgliedern der Eigengruppe. Weiterhin werden Folgen der Entmenschlichung von Geflüchteten aufgezeigt sowie Strategien für eine Medienberichterstattung diskutiert, die einer Entmenschlichung entgegenwirken kann.

Ein Foto zeigt mehrere Personen – Männer, Frauen und Kinder –, die beengt in einem Transporter sitzen und ihre Gesichter von der Kamera abwenden. Unter der Überschrift „Zusammengepfercht wie die Schweine“ berichtet der dazugehörige Artikel auf dem Online-Portal der Hamburger Morgenpost MOPO24 (2015) über einen von der Polizei angehaltenen Transporter, in dem mehr als 20 syrische Geflüchtete von Schleusern nach Deutschland gebracht wurden. Die BILD (2015) beschreibt unter der Überschrift „Flüchtlinge werden wie Tiere im Käfig gefüttert“ die Zustände in ungarischen Unterkünften für Geflüchtete. Aber nicht nur Boulevardmedien verwenden Tier-Vergleiche, wenn es um Berichte über Geflüchtete geht: Auch in der taz („Flüchtlinge wie Vieh behandelt“, Braun, 2013), der FAZ („Letzte Station Neuer Dschungel“, Wiegel, 2015) und einer Reihe weiterer Qualitätszeitungen finden sich ähnliche Überschriften (siehe Abbildung 1). Ein Ziel dieser Medienbeiträge ist es vermutlich, auf die extrem belastenden Bedingungen während der Flucht Abbildung 1: Überschriften in verschiedenen deutschsprachigen Zeitungen. © Birte Siemaufmerksam zu machen und Emotionen wie Mitgefühl mit den Geflüchteten oder auch Ärger und Empörung über ihre Behandlung zu erzeugen. Aber sind es wirklich in erster Linie Empfindungen wie Mitgefühl und Mitleid, die solche Überschriften oder Beschreibungen in uns auslösen? In diesem Beitrag zeigen wir anhand aktueller sozialpsychologischer Forschungsergebnisse auf, dass derartige Überschriften und Beschreibungen eine Reihe negativer Prozesse anstoßen können. Dies liegt daran, dass Geflüchtete durch einen Vergleich mit Tieren dehumanisiert werden können, d.h. ihnen ihre Menschlichkeit abgesprochen werden kann. Folgen einer solchen Dehumanisierung können negative Einstellungen von Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft gegenüber Geflüchteten, die Ablehnung integrativer flüchtlingspolitischer Maßnahmen oder auch offene Aggression gegenüber Geflüchteten sein.

Was ist Dehumanisierung?

Dehumanisierung meint, dass man einer anderen Person oder einer anderen sozialen Gruppe ihre Menschlichkeit (gänzlich oder teilweise) abspricht (Haslam & Logan, 2014). In den Anfängen der Forschung zur Dehumanisierung wurde das Phänomen vor allem auf TäterInnen-Opfer-Beziehungen angewendet (Kelman, 1976): Indem TäterInnen den Opfern von Gewalt ihre Menschlichkeit absprechen, lassen sich Gräueltaten diesen gegenüber besser mit dem eigenen Gewissen vereinbaren und rechtfertigen. Ein eindrückliches Beispiel für diese Form der Dehumanisierung ist die Bezeichnung von Jüdinnen und Juden während des NS-Regimes als „Parasiten“ und „schädlicher Bazillus“. Dehumanisierung findet aber nicht nur in extremen Gewaltkontexten statt, sondern auch in alltäglichen Interaktionen. Wenn im Fußballstadion „afrikanische“ SpielerInnen mit Affenlauten „begrüßt“ werden oder Frauen zu Sexualobjekten degradiert werden, spricht man nach obiger Definition ebenso von Dehumanisierung.

Diesen „milderen“ Formen der Dehumanisierung werden neuere sozialpsychologische Ansätze gerecht, die zwischen zwei Formen der Dehumanisierung unterscheiden (Haslam & Logan, 2014). Die mechanistische Dehumanisierung beschreibt einen Prozess, bei dem Menschen durch das Absprechen von Eigenschaften wie Emotionalität, Vitalität und Wärme mit Maschinen, Automaten und leblosen Objekten gleichgemacht werden. Während diese Form der Dehumanisierung häufig in medizinischen Kontexten zu beobachten ist („PatientIn als Nummer“), ist die zweite Form, animalistische Dehumanisierung, für den Kontext von Flucht und Migration besonders relevant. Hierbei ist der Grundgedanke, dass es einzigartige menschliche Eigenschaften gibt, die uns von Tieren unterscheiden, wie unser kognitives Leistungsvermögen (z. B. unsere Erinnerungs-, Lern- oder Problemlösefähigkeiten), unsere Höflichkeit, unsere Kultiviertheit oder das Empfinden spezifischer Emotionen wie Stolz, Scham, Bewunderung oder Reue. Bei diesen Empfindungen handelt es sich um sogenannte sekundäre Emotionen. Primäre Emotionen (z. B. Freude, Wut oder Angst) werden unmittelbar und unkontrollierbar infolge eines Ereignisses erlebt, weisen eine starke biologische Basis auf und können auch von anderen Primaten erlebt werden. Sekundäre Emotionen hingegen sind länger anhaltende Gefühlszustände, die komplexer sind, weniger intensiv erlebt werden und zum Beispiel auch durch moralische Überlegungen beeinflusst werden (Leyens et al., 2001). Werden einer Gruppe von Menschen solche sekundären Emotionen abgesprochen, macht sie dies Tieren ähnlich.

Beide Formen der Dehumanisierung, die mechanistische und die animalistische, können auch als relativ verstanden werden: Um von Dehumanisierung zu sprechen, muss Personen oder sozialen Gruppen nicht unbedingt gänzlich ihre Menschlichkeit abgesprochen werden, sondern lediglich weniger Menschlichkeit zugesprochen werden als anderen Personen oder Gruppen. Dieser Gedanke ist zentraler Bestandteil des Infrahumanisierungsansatzes von Leyens und KollegInnen (2001), der auch als subtile Form der animalistischen Dehumanisierung verstanden werden kann. Ihrem Ansatz zufolge wird in vielen Fällen nicht eine völlige Gleichstellung einer anderen Person mit Tieren vorgenommen, sondern Menschen tendieren vielmehr dazu, Mitgliedern einer Fremdgruppe (z. B. „den Geflüchteten“) weniger Menschlichkeit – zum Beispiel weniger sekundäre (einzigartig menschliche) Emotionen – zuzusprechen als Mitgliedern ihrer sozialen Eigengruppe (z. B. „uns Deutschen“). Diese subtileren Formen der Dehumanisierung können auch völlig unbewusst (Goff, Eberhardt, Williams, & Jackson, 2008) und in Kontexten ohne Konflikten zwischen den Gruppen auftreten (Rohmann, Niedenthal, Brauer, Castano, & Leyens, 2009). Dehumanisierung kann sich also auf einem breiten Spektrum bewegen: Sie kann sehr offenkundig sein, indem beispielsweise absichtlich Tier-Vergleiche für die Beschreibung von Personen anderen ethnischen Hintergrunds verwendet werden; sie kann aber auch subtil sein und sich in der Zuschreibung weniger menschlicher Eigenschaften oder einer (unbewussten) gedanklichen Verbindung von Mitgliedern einer bestimmten Gruppe mit Tieren äußern. Sozialpsychologische Forschung zeigt, dass beide Formen der Dehumanisierung gegenüber Geflüchteten, MigrantInnen und Mitgliedern ethnischer Minderheiten existieren (offenkundig z. B. Kteily, Bruneau, Waytz, & Coterill, 2015; subtil z. B. Hodson & Costello, 2007).

An diesem Punkt mag sich die Frage stellen, ob Dehumanisierung nicht einfach als eine (sehr) negative Einstellung oder Antipathie gegenüber Mitgliedern einer Gruppe verstanden werden kann. Dass dem nicht so ist, lässt sich gut an der Forschung zum oben dargestellten Ansatz der Infrahumanisierung demonstrieren. Interessanterweise zeigen Studien, dass einer Fremdgruppe nicht nur weniger positive sekundäre Emotionen (z. B. Mitgefühl, Stolz) zugesprochen werden als einer Eigengruppe, sondern auch weniger negative (z. B. Resignation, Verwirrung; Leyens et al., 2001). Es geht bei Dehumanisierung also vor allem darum, den Mitgliedern der anderen Gruppe weniger Menschlichkeit zuzusprechen, auch wenn dies bedeutet, dass Mitglieder der Fremdgruppe positiver eingeschätzt werden als Mitglieder der Eigengruppe (z. B. weniger resigniert, weniger verwirrt).

Auswirkungen der Medienberichterstattung über Geflüchtete auf Dehumanisierung

Medien spielen für den Prozess der Dehumanisierung eine wesentliche Rolle, da sie unser Bild von Geflüchteten durch Sprache und Bilder in Zeitungsartikeln, Radiobeiträgen, Fernsehberichten und Internet-Nachrichtenportalen maßgeblich beeinflussen. Medienanalysen belegen, dass MigrantInnen und Geflüchtete in westlichen Nationen oftmals durch sprachliche Tier-Vergleiche (Santa Ana, 1999) oder Abbildungen dargestellt werden, die eine mehr oder weniger gesichtslose Masse zeigen (Bleiker, Campbell, Hutchison, & Nicholson, 2013; siehe Abbildung 2).

Eine Reihe sozialpsychologischer Studien zeigt zudem, dass derartige Darstellungen tatsächlich Dehumanisierungsprozesse fördern. Beispielhaft sei hier ein in Kanada durchgeführtes Experiment von Esses, Medianu Abbildung 2: Several thousand refugees are wandering into the direction of Deutschland, Urheber: Janossy Gergely via Shutterstock.com (https://www.shutterstock.com/de/image-photo/several-thousand-refugees-wandering-into-direction-331912505), Standardlizenz (https://www.shutterstock.com/license)und Lawson (2013) berichtet, das auf der häufig über die Medien vermittelten vermeintlichen Annahme aufbaut, Geflüchtete seien, ähnlich wie Tiere, ÜberträgerInnen verschiedener bedrohlicher Erkrankungen. Den Studienteilnehmenden wurde ein Artikel über die Biografie des Schauspielers Steve Martin mit der Bitte vorgelegt, diesen zu lesen. Unten rechts auf der Seite befand sich ein eigens für das Experiment gestalteter Cartoon, der nichts mit dem Artikel über Steve Martin zu tun hatte, und einen Geflüchteten zeigt, der sich mit einem Koffer in der Hand einem Stand der kanadischen Einwanderungsbehörde nähert. Bei der einen Hälfte der Teilnehmenden waren auf den Koffer die Bezeichnungen verschiedener Krankheiten gedruckt (z. B. AIDS, SARS), bei der anderen Hälfte fanden sich keine Aufschriften auf dem Koffer. Am Ende des Experiments wurden die Teilnehmenden gebeten, einige Fragen in Bezug auf Geflüchtete und MigrantInnen zu beantworten. Darunter waren auch einige Fragen zur Erfassung von Dehumanisierung. Beispielsweise gaben Teilnehmende an, inwieweit sie ihrer eigenen sozialen Gruppe (KanadierInnen) einzigartig menschliche Werte (z. B. Hilfsbereitschaft, Vergebungsbereitschaft) zuschreiben und inwieweit sie diese Werte der Fremdgruppe, also den Geflüchteten und MigrantInnen, zuschreiben. Je weniger diese Werte der Fremdgruppe im Vergleich zur Eigengruppe zugeschrieben werden, desto stärker ist die Dehumanisierung der Geflüchteten und MigrantInnen. Tatsächlich zeigte sich, dass die Variation in der Beschriftung des Koffers den erwarteten Effekt auf Dehumanisierung hatte: Teilnehmende, die den Cartoon mit dem beschrifteten Koffer gezeigt bekamen, dehumanisierten stärker als Teilnehmende, bei denen der Migrant nicht mit Krankheiten in Verbindung gebracht wurde. Diese Studie ist nicht frei von Kritik. So wird durch die Variation der Beschriftung des Koffers vermutlich nicht nur die Assoziationen von Geflüchteten mit Tieren beeinflusst, sondern auch die wahrgenommene Bedrohung durch Krankheiten. Als Folge lässt sich nicht eindeutig sagen, ob es nun die durch die Darstellung hervorgerufenen Tier-Assoziationen oder die hervorgerufene Bedrohung ist, die zu der stärkeren Dehumanisierungsbereitschaft der Teilnehmenden, die den Cartoon mit dem beschrifteten Koffer gezeigt bekamen, führte. Die Befunde wären daher aussagekräftiger gewesen, wenn eindeutig die Assoziation mit Tieren variiert worden wäre, also der Geflüchtete zum Beispiel in einer Version des Cartoons erkennbar affenartige Gesichtszüge hätte und in der anderen nicht. Dennoch ist das Ergebnis der Studie vor allem deshalb beeindruckend, da die Variation in der Berichterstattung recht subtil erfolgte und viele Teilnehmende angaben, den Cartoon gar nicht wahrgenommen zu haben.

Die bisherige Forschung konzentriert sich auf mediale Berichterstattung, die gezielt ein negatives Bild der jeweiligen Fremdgruppe vermitteln möchte (siehe auch Frischlich & Rieger, 2017). Die Frage, ob auch eigentlich wohlmeinende mediale Berichterstattung über Geflüchtete, in der eine Verbindung zwischen Geflüchteten und Tieren (oder allgemeiner „Nicht-Menschlichem“) hergestellt wird, Dehumanisierungsprozesse anstoßen kann, wurde bisher nicht systematisch untersucht, lässt sich unserer Meinung nach aber mit einem vorsichtigen „Ja“ beantworten. So legt zum Beispiel Forschung von Haslam, Loughnan und Sun (2011) nahe, dass die alleinige Bezeichnung von Menschen als „Tiere“ in der Regel kommuniziert, dass die bezeichnete Person oder Gruppe als unintelligent, unsympathisch und moralisch verdorben wahrgenommen wird und dass der beleidigende Charakter besonders stark ist, wenn sich der Tier-Vergleich auf Personen bezieht, die einer Fremdgruppe angehören. Ähnlich scheint allein die Beschreibung einer sozialen Gruppe mit Eigenschaften, die häufig Tieren zugeschrieben werden (z. B. irrational, athletisch, dichtes Haar), auszureichen, damit dieser weniger menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden (Loughnan, Haslam, & Kashima, 2009). Viki und KollegInnen (2006) konnten zudem zeigen, dass Personen Fremdgruppenmitglieder im Gegensatz zu Eigengruppenmitgliedern schneller mit Wörtern aus dem Tierreich (z. B. Instinkt, Nest oder Wildnis) in Verbindung bringen. Ein eindeutig negativer Fokus der Berichterstattung scheint demnach nicht unbedingt notwendig zu sein, um Dehumanisierung auszulösen.

Folgen der Dehumanisierung von Geflüchteten

Es gibt zahlreiche Befunde, dass Dehumanisierung in TäterInnen-Opfer-Kontexten aggressive Tendenzen und Gewaltbereitschaft (bis hin zur Befürwortung eines Krieges oder Folter) gegenüber einer anderen sozialen Gruppe fördern kann und die Bereitschaft für Wiedergutmachungen senkt (für einen Überblick siehe Haslam & Loughnan, 2014). Die Beziehungen zwischen Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft und Geflüchteten ist in der Regel weniger durch unmittelbare, heftige Konflikte gekennzeichnet, sondern vielmehr durch Unsicherheitsgefühle (sogenannte Intergruppenangst) und Bedrohungsgefühle in Bezug auf die eigenen kulturellen Werte und knappe Ressourcen (z. B. Arbeitsplätze, soziale Transferleistungen). Doch auch unter solchen „gemäßigteren“ Bedingungen sind negative Folgen von Dehumanisierung sehr wahrscheinlich. So kann Dehumanisierung durch das Absprechen der Menschlichkeit auch hier Verhalten rechtfertigen, das nicht im Einklang mit gesellschaftlich akzeptierten Normen und Werten und moralischen Überzeugungen steht und sich darin äußert, dass Mitgliedern dehumanisierter Gruppen weniger Mitgefühl entgegengebracht wird, ihnen weniger geholfen wird und ihnen häufiger mit offener Aggression begegnet wird (für einen Überblick siehe Schiffhauer, 2015). Studien zu Dehumanisierung im Kontext von Flucht und Migration konzentrieren sich vor allem auf die Effekte von Dehumanisierung auf Einstellungen. Eine Reihe von Studien zeigt beispielsweise, dass Dehumanisierung einen negativen Effekt auf die Einstellungen der Mitglieder der Aufnahmegesellschaft gegenüber Geflüchteten hat: Je stärker Personen Geflüchtete und MigrantInnen dehumanisieren, desto mehr negative Empfindungen haben sie ihnen gegenüber (Esses et al., 2013) und desto mehr stimmen sie Aussagen zu, die eine subtile Form fremdenfeindlicher Einstellungen widerspiegeln (z. B. „MigrantInnen werden zu fordernd in ihren Bemühungen um gleiche Rechte“, Hodson & Costello, 2007).

Weiterhin scheint Dehumanisierung einen Einfluss auf die Einstellungen gegenüber flüchtlingspolitischen Maßnahmen zu haben. Eine Reihe von Studien belegt, dass Dehumanisierung von Geflüchteten, MigrantInnen und Mitgliedern ethnischer Minoritäten mit einer stärkeren Ablehnung von integrativen politischen Maßnahmen und einer stärkeren Zustimmung mit restriktiven (beschränkenden) Maßnahmen einhergeht: Je stärker Mitglieder der Aufnahmegesellschaft Geflüchtete und MigrantInnen dehumanisieren, desto eher vertreten sie die Meinung, dass Geflüchtete und Asylsuchende abgeschreckt werden sollten, in das neue Land kommen zu wollen (Esses et al., 2013), dass ihr Heimatland weniger Geflüchtete oder Asylsuchende aufnehmen sollte (Esses et al., 2013; Kteily et al., 2015) oder dass Mitglieder ethnischer Minoritäten zurück in ihre Ursprungsländer geschickt werden sollten (Dalsklev & Kunst, 2015).

Eine weitere Reihe sozialpsychologischer Studien liefert zudem Hinweise darauf, dass Dehumanisierung nicht nur antisoziale Prozesse wie zum Beispiel fremdenfeindliche Einstellungen begünstigt, sondern gleichzeitig auch prosozialen Prozessen (z. B. dem Empfinden von Mitgefühl) und prosozialen Verhaltensintentionen (z. B. Hilfsbereitschaft) entgegenwirkt (für einen Überblick siehe Haslam & Loughnan, 2014). Zwar wurde unseres Wissens nach keine dieser Studien im Kontext von Migration und Flucht durchgeführt. Dennoch legt dieser Befund nahe, dass die eingangs dargestellte, eigentlich wohlmeinende mediale Berichterstattung über die belastenden Umstände vieler Geflüchteter gerade nicht dazu geeignet ist, Mitgefühl und Hilfeverhalten gegenüber den Betroffenen zu erzeugen, da die durch die verwendeten Tier-Vergleiche angestoßenen Dehumanisierungsprozesse diesen positiven Prozessen entgegenwirken.

Anzumerken ist an dieser Stelle, dass es bisher nur wenig Forschung zu der Frage gibt, was Dehumanisierung bei den dehumanisierten Personen selbst bewirkt. Die Ausnahme bildet eine Serie aktueller Studien von Kteily, Hodson und Bruneau (2016), die eine teufelskreisartige Dynamik nahelegen: Die wahrgenommene Dehumanisierung der Eigengruppe durch eine Fremdgruppe scheint dazu zu führen, dass man seinerseits die Fremdgruppe dehumanisiert, was wiederum negative Einstellungen und negatives Verhalten gegenüber der Fremdgruppe begünstigt.

Schlussfolgerungen für die Praxis

Was können Medienschaffende wie JournalistInnen oder RedakteurInnen und andere Personen, die über Geflüchtete berichten (z. B. Beschäftigte im Bildungswesen) tun, um dehumanisierenden Effekten von medialer Berichterstattung über Geflüchtete entgegenzuwirken? Nahe liegend ist eine stärkere Sensibilisierung für dehumanisierende Sprache und Bilder (z. B. explizite Vergleiche mit Tieren, Darstellung als KrankheitsüberträgerInnen, Darstellung als gesichtslose Masse) in der medialen Berichterstattung. Wie die eingangs zitierten Beispiele deutlich machen, werden dehumanisierende Vergleiche in den Medien nicht nur genutzt, um ganz bewusst ein negatives Bild von Geflüchteten zu kreieren, sondern auch, um auf Elend und extrem belastende Umstände von Geflüchteten aufmerksam zu machen. Werden Überschriften wie „Zusammengepfercht wie die Tiere“ durch Formulierungen wie „Leben auf engstem Raum“ ersetzt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Berichterstattung bei den Rezipierenden primär Mitgefühl und Hilfebereitschaft anstößt und Dehumanisierungsprozesse reduziert werden.

Darüber hinaus lassen sich aus der sozialpsychologischen Forschung eine Reihe weiterer Interventionsansätze zur Reduzierung von Dehumanisierung von Geflüchteten ableiten, die sich im Rahmen medialer Berichterstattung umsetzen ließen. Drei mögliche Ansätze sollen hier näher dargestellt werden. Zum einen sind dies Interventionen, die auf Kontakt zwischen Mitgliedern beider Gruppen basieren. So baten Vezzali, Capozza, Stathi, und Giovanni (2012) italienische ViertklässlerInnen, sich verschiedene positive Kontaktsituation mit einem unbekannten MigrantInnenkind vorzustellen. Diejenigen Kinder, die eine solche Anweisung bekommen hatten, zeigten in der nachfolgenden Befragung weniger Dehumanisierung gegenüber MigrantInnen als Kinder, die keine Anweisung erhalten hatten. Für die mediale Umsetzung ist vor allem eine weitere Variante von Kontakt, sogenannter stellvertretender Kontakt, geeignet, bei dem die Personen lediglich von einer positiven Kontakterfahrung zwischen einem Eigengruppenmitglied und einem Fremdgruppenmitglied lesen oder hören bzw. sie beobachten (Mazziotta, Mummendey, & Wright, 2011). Entsprechende Beschreibungen von positiven Kontakten zwischen Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft und Geflüchteten sollten ebenfalls zum Abbau von Dehumanisierung führen und daher (noch mehr als bisher) in die Berichterstattung über Geflüchtete aufgenommen werden.

Ein zweiter Interventionsansatz basiert auf dem Gedanken, dass Mitglieder der Aufnahmegesellschaft und Geflüchtete auch immer Mitglieder einer oder mehrerer gemeinsamer, übergeordneter Gruppen sind (Ansatz der „common ingroup identity“, Gaertner & Dovidio, 2000). Je nach Kontext können diese gemeinsamen übergeordneten Gruppen ganz unterschiedlich sein, zum Beispiel die Stadt, in der Mitglieder der Aufnahmegesellschaft und Geflüchtete zusammenleben oder ein gemeinsamer Sportverein. Es ist ein gut dokumentierter Befund, dass die Betonung einer solchen übergeordneten gemeinsamen Gruppe negative Einstellungen und Spannungen reduzieren kann, da Mitglieder der ehemaligen Fremdgruppe nun als Teil einer übergeordneten Eigengruppe angesehen werden. Dies scheint auf in Bezug auf Dehumanisierung der Fall zu sein: So konnten Albarello und Rubini (2012) zeigen, dass die Betonung der übergeordneten Gruppe „Menschen“ Dehumanisierung einer ethnischen Fremdgruppe reduzieren konnte. Die mediale Berichterstattung könnte sich diesen Effekt zunutze machen und mögliche gemeinsame Gruppen oder Identitäten von Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft und Geflüchteten stärker betonen.

Die Studie von Albarello und Rubini (2012) zeigt noch einen anderen Ansatzpunkt für Interventionen auf: Durch die Betonung der spezifischen übergeordneten Kategorie „Menschen“ wird die ehemalige Fremdgruppe nicht nur Teil einer neuen Eigengruppe, sondern die Mitglieder der Fremdgruppe werden auch gezielt „humanisiert“. Dieser Gedanke lässt sich gut auf die mediale Berichterstattung über Geflüchtete übertragen: Anstatt Geflüchtete durch die Verwendung von Tier-Vergleichen und Ähnlichem aus der Gruppe der Menschen auszuschließen, sollte ihre Zugehörigkeit zu dieser hervorgehoben werden. Dies kann explizit durch bestimmte Formulierungen erfolgen (z. B. „Wie allen Menschen, ist es Geflüchteten wichtig, ihren Kindern ein sicheres Zuhause bieten zu können.“). Es kann aber auch subtiler erfolgen, zum Beispiel indem in der medialen Berichterstattung Geflüchteten gezielt sekundäre, also einzigartig menschliche Emotionen zugeschrieben werden und gleichzeitig die Zuschreibung primärer Emotionen, die Menschen und Tiere gemeinsam haben, eher sparsamer erfolgt (siehe Abbildung 3). Ergebnisse einer Studie von Vaes, Paladino und Leyens (2002) legen nahe, dass durch eine solche Beschreibung prosoziale Reaktionen (Mitgefühl, Hilfsbereitschaft) von Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft gegenüber Geflüchteten gefördert werden können. Zusammengenommen können diese Interventionsansätze zu einer ausgewogeneren Berichterstattung über Flucht und Migration beitragen.

Abbildung 3: Typische primäre und sekundäre Emotionen. © Birte Siem

Fazit

Die gegenwärtige Geflüchtetensituation ist für viele europäische Länder eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen der jüngsten Geschichte. Insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Veränderung und Verunsicherung kann die Art der medialen Berichterstattung einen erheblichen Einfluss auf die Einstellungen und das Verhalten der Medienrezipierenden haben. Dieser Beitrag hat aufgezeigt, dass die Verwendung möglicherweise auch wohlmeinender Tier-Vergleiche zu einer Dehumanisierung von Geflüchteten sowie einer Reihe sich daraus ergebender negativer Folgen führen kann. Unterschiedliche Ansätze zur Reduzierung von Dehumanisierung wurden vorgestellt, die sich im Rahmen medialer Berichterstattung umsetzen ließen. Dabei ist uns bewusst, dass die Darstellung von Geflüchteten in den Medien von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhängt und eine weniger dehumanisierende bzw. stärker humanisierende und damit eventuell auch weniger aufsehenerregende Darstellung mit Zielen wie einer hohen Auflagenstärke in Konflikt stehen kann. Dennoch denken wir, dass eine Sensibilisierung für dehumanisierende Sprache und Bilder in der Medienberichterstattung von großer Bedeutung ist. Wir verbinden daher mit den skizzierten Interventionsansätzen die Hoffnung, dass Medien zu einem gelingenden Miteinander von Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft und Geflüchteten beitragen können.

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