"Beat the Prof" Quiz: Vorurteile

Fünf Personen stehen nebeneinanderRawpixel via unsplash (https://unsplash.com/photos/v1VB91uuyaE, CC: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/legalcode)„Beat the Prof“ Quiz: Haben intelligente Menschen weniger Vorurteile? Wie lernen Kinder die Vorurteile Anderer? Juliane Degner erläutert im In Mind Blog die 11 Fragen und Antworten ihres Quiz von ZEIT online zur Psychologie der Vorurteile.

Wenn Sie sich dem Quiz selbst noch stellen wollen, bevor Sie die Antworten lesen, können Sie es hier bei Zeit Campus aufrufen.

 

1) Wie wird in der Sozialpsychologie der Begriff „Vorurteil“ definiert?

  • Negative Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen
  • Vorverurteilungen von Menschen, die man nicht kennt
  • Gruppenbasierte Bewertung von Personen - positiv und negativ

Die Sozialpsychologie versucht, grundlegende Prozesse und Mechanismen zu verstehen, die Vorurteilen und Stereotypen zugrunde liegen. Dabei lag der Fokus in der Vergangenheit zum einen auf sozialen Identitätsprozessen – die vor allem mit positiven Einstellungen gegenüber eigenen Gruppen assoziiert sind und bei denen als Nebenprodukt relativ negativere Einstellungen gegenüber Fremdgruppen anfallen. Zum anderen lag und liegt der Fokus stark auf basalen kognitiven Prozessen wie sozialer Kategorisierung, Gedächtnisrepräsentationen und Abrufprozessen. Hierfür spielt es in der Forschung keine Rolle, ob gruppenbezogene Bewertungen positiv oder negativ sind. Ein dritter Fokus liegt auf dem Zusammenhang zwischen Bedrohungswahrnehmungen und Vorurteilen und Stereotypen; hier – wie auch in der stärker angewandten Forschung – liegt der Fokus jedoch klar auf negativen Vorurteilen. Es gilt zu bedenken, dass positive Vorurteile und Stereotype (z. B. „Frauen sind fairere und sozialere Führungskräfte.“) ebenso negative Konsequenzen für die betroffenen Gruppenmitglieder haben können – z. B. weil ihre individuellen Leistungen dann anhand anderer Maßstäbe bewertet werden. 

 

2) Der sog. Fremdgruppen-Homogenitätseffekt bewirkt, dass Mitglieder einer Fremdgruppe einander ähnlicher erscheinen als Mitglieder der Eigengruppe. Was hat das mit Vorurteilen zu tun?

  • Je höher die Vorurteile, desto stärker der Homogenitätseffekt
  • Je schwächer die Vorurteile, desto stärker der Homogenitätseffekt
  • Es ist kein systematischer Zusammenhang feststellbar

Tatsächlich weisen einzelne Studien einen Zusammenhang zwischen dem sog. Fremdgruppen-Homogenitätseffekt und individuellen Vorurteilen aus: Wer höhere Vorurteile hegt, scheint beispielsweise Individuen einer ethnischen Fremdgruppe schlechter auseinanderhalten und erinnern zu können. Allerdings konnte dieser Zusammenhang in vielen Studien nicht repliziert werden; in einigen Studien wurde sogar ein umgekehrter Zusammenhang beobachtet. Tatsächlich scheint dies eine noch offene Frage in der Forschung zum Fremdgruppen-Homogenitätseffekt zu sein. 

Meissner, C. A., & Brigham, J. C. (2001). Thirty years of investigating the own-race bias in memory for faces: A meta-analytic review. Psychology, Public Policy, and Law, 7(1), 3-35. doi:10.1037//1076-8971.7.1.3

 

3) Woraus lernen Kinder über die Vorurteile und Stereotype, die Erwachsene gegenüber Gruppen haben, am besten?

  • Aus verbalen Äußerungen ihrer Eltern
  • Aus eigenen Erfahrungen mit Mitgliedern anderer Gruppen
  • Aus Beobachtungen des nonverbalen Verhaltens von Erwachsenen

Zwei aktuelle Studien zeigen, dass Kinder sich stark an nonverbalem Verhalten orientieren, wenn sie eigene Präferenzen gegenüber unbekannten Individuen und Gruppen bilden. 

Castelli, L., Carraro, L., Pavan, G., Murelli, E., & Carraro, A. (2012). The power of the unsaid: The influence of nonverbal cues on implicit attitudes. Journal of Applied Social Psychology, 42, 1376-1393. doi:10.1111/j.1559-1816.2012.00903.x

Skinner, A. L., Meltzoff, A. N., & Olson, K. R. (2017). “Catching” social bias: Exposure to biased nonverbal signals creates social biases in preschool children. Psychological Science, 28, 216-224. doi:10.1177/0956797616678930

 

4) Was bezeichnet man als „implizites“ Vorurteil?

  • Bewusste Einstellungen über soziale Gruppen
  • Gesellschaftlich breit geteilte Einstellungen über soziale Gruppen
  • Automatisch aktivierbare Assoziationen zu sozialen Gruppen

Implizite Assoziationen als sozialkognitive Grundlagen von Stereotypen und Vorurteilen haben es mittlerweile auch in die populärwissenschaftliche Literatur geschafft. Oft werden sie als ‚unbewusste’ Einstellungen definiert. Der wissenschaftliche Nachweis von Unbewusstheit gestaltet sich jedoch sehr schwierig: Ist den Versuchspersonen tatsächlich nicht bewusst, dass sie negative Assoziationen zu anderen Gruppen haben, oder wollen sie diese nur nicht zugeben, um nicht als rassistisch zu erscheinen? Deshalb hat sich die Grundlagenforschung in den letzten Jahren stärker an Definitionskriterien automatischer Prozesse orientiert, die vor allem auf Spontaneität, Intentionalität, kognitive Effizienz und Kontrollierbarkeit fokussieren. 

De Houwer, J., & Moors, A. (2007). How to define and examine the implicitness of implicit measures. In B. Wittenbrink & N. Schwarz (Eds.), Implicit measures of attitudes: Procedures and controversies (pp. 179-194). New York, NY: Guilford Press.

 

5) Wenn Menschen an ihre eigene Sterblichkeit erinnert werden, ...

  • hat das keinen Einfluss auf ihre Vorurteile gegenüber Fremden
  • reagieren sie mit weniger Vorurteilen gegenüber Fremden
  • reagieren sie meist mit mehr Vorurteilen gegenüber Fremden

Die sog. Terror Management Theory (Greenberg et al., 1997) hat nichts mit Terrorismus zu tun, sondern mit starker Angst (engl. terror) beim Gedanken an den eigenen Tod oder die eigene Sterblichkeit. Studien zeigen, dass diese Angst oft dadurch bewältigt wird, dass Menschen sich an eigenen Werten, Normen und Gruppen orientieren. Dies gibt innere Sicherheit, führt jedoch auch dazu, dass Normen und Werte anderer Gruppen, die von denen der eigenen Gruppe(n) abweichen, als bedrohlich wahrgenommen und stärker abgelehnt werden. Das wiederum führt zu stärkerer Ablehnung dieser Gruppen.

Greenberg, J., & Kosloff, S. (2008). Terror management theory: Implications for understanding prejudice, stereotyping, intergroup conflict, and political attitudes. Social and Personality Psychology Compass, 2, 1881-1894.doi:10.1111/j.1751-9004.2008.00144.x

 

6) Als illusorische Korrelationen bezeichnet man die Wahrnehmung eines Zusammenhangs zwischen seltenen Merkmalen und Gruppenmitgliedschaften, der objektiv nicht vorhanden ist. Was ist eine häufige Folge?

  • Gruppen werden eher mit negativen Merkmalen assoziiert
  • Majoritäten werden eher mit negativen Merkmalen assoziiert
  • Minoritäten werden eher mit negativen Merkmalen assoziiert

Illusorische Korrelationen sind vor allem dann zu beobachten, wenn kleinere Gruppen und seltene Merkmale stärker mit einander assoziiert werden, als es die echte Auftrittshäufigkeit oder -wahrscheinlichkeit erlaubt.

Hat man beispielsweise den Eindruck unter Flüchtlingen gäbe es mehr Terroristen, assoziiert man zwei seltene Merkmale miteinander - es gibt deutlich weniger Flüchtlinge als Nicht-Flüchtlinge und es gibt deutlich weniger Terroristen als Nicht-Terroristen. (Tatsächlich sind diese Merkmale nicht nur unkorreliert, sondern entgegengesetzt korreliert, es gibt deutlich mehr Terroristen die keine Flüchtlinge sind.)

In der Sozialpsychologie wird noch diskutiert, ob dies ein Effekt gesteigerter Aufmerksamkeit durch doppelte Seltenheit ist oder ein Nebeneffekt unserer begrenzten Fähigkeit, Basisraten zu lernen bzw. zu verstehen. 

Mullen, B., & Johnson, C. (1990). Distinctiveness‐based illusory correlations and stereotyping: A meta‐analytic integration. British Journal of Social Psychology, 29, 11-28. doi:10.1111/j.2044-8309.1990.tb00883.x

Fiedler, K. (1991). The tricky nature of skewed frequency tables: An information loss account of distinctiveness-based illusory correlations. Journal of Personality and Social Psychology, 60, 24-36. doi:10.1037/0022-3514.60.1.24

 

7) Gibt es einen Zusammenhang zwischen Intelligenz und dem allgemeinen Hegen negativer Vorurteile?

  • Intelligentere Menschen äußern weniger negative Vorurteile
  • Intelligentere Menschen äußern mehr negative Vorurteile
  • Es ist kein systematischer Zusammenhang feststellbar

Tatsächlich hat sich wiederholt ein Zusammenhang nachweisen lassen zwischen Intelligenz und Vorurteilen gegenüber bestimmten sozialen Gruppen, z. B. ethnischen Minoritäten. Aktuelle Forschung weist jedoch darauf hin, dass dies vermutlich weniger an der Intelligenz liegt, sondern mehr an den bisher untersuchten Gruppen. Erfasst man Vorurteile als jegliche negative Bewertung sozialer Gruppen, zeigt sich, dass Menschen mit hoher Intelligenz genauso viele und negative Vorurteile aufweisen – allerdings gegenüber anderen sozialen Gruppen (z. B. gegenüber Konservativen, christlichen Fundamentalisten oder Business-Menschen). Dies weist darauf hin, dass Stereotype eher unabhängig von kognitiven Kapazitäten und Fähigkeiten sind und stärker durch soziale Identifikationsprozesse bestimmt werden.

Brandt, M. J., & Crawford, J. T. (2016). Answering unresolved questions about the relationship between cognitive ability and prejudice. Social Psychological and Personality Science, 7, 884-892. doi:10.1177/1948550616660592

De keersmaecker, J., Bostyn, D. H., Fontaine, J. R., Van Hiel, A., & Roets, A. (2017). Toward an integrated cognition perspective on ethnic prejudice: An investigation into the role of intelligence and need for cognitive closure. Social Psychological and Personality Science. doi:10.1177/1948550617722201

 

8) Welcher Zusammenhang besteht zwischen subjektiven Bedrohungswahrnehmungen und Vorurteilen gegenüber Fremdgruppen? Die meisten Vorurteile resultieren aus ...

  • wahrgenommener existentieller Bedrohung
  • wahrgenommener Bedrohung eigener Ressourcen
  • wahrgenommener symbolischer Bedrohung eigener Normen und Werte

Siehe Frage 5.

 

9) Welche Persönlichkeitseigenschaft sagt (teilweise) voraus, ob eine Person zu mehr oder weniger Vorurteilen neigt?

  • Das individuelle Ausmaß an fluider Intelligenz
  • Das individuelle Ausmaß von Ängstlichkeit
  • Das individuelle Ausmaß der sozialen Dominanzorientierung

Soziale Dominanzorientierung bezeichnet das Ausmaß an Akzeptanz von bzw. Zustimmung zur Bildung gruppenbasierter Hierarchien – in denen z. B. weiße über schwarze Menschen oder Männer über Frauen gestellt werden. Hierarchien lassen sich vor allem dann rechtfertigen, wenn man angeborene oder unveränderliche Unterschiede zwischen diesen Gruppen annimmt – z. B. wenn man annimmt, Männer seien aufgrund ihrer (angeborenen) größeren Durchsetzungsfähigkeit die besseren Führungskräfte. Daher sagt das Ausmaß, in dem eine Person hierarchische Beziehungen zwischen Gruppen bevorzugt oder ablehnt, auch vorher, wie stark status-niedrigere Gruppen abgelehnt werden. Eine weitere relevante Persönlichkeitsvariable ist die individuelle Tendenz zu autoritären Einstellungen.

Ekehammar, B., Akrami, N., Gylje, M., & Zakrisson, I. (2004). What matters most to prejudice: Big Five personality, Social Dominance Orientation, or Right‐Wing Authoritarianism? European Journal of Personality, 18, 463-482. doi:10.1002/per.526

 

10) Welcher Sprachstil weist indirekt darauf hin, dass eine Fremdgruppe vom Sprechenden negativ bewertet wird?

  • Wenn eher abstrakt über die Gruppe berichtet wird
  • Wenn eher konkret über die Gruppe berichtet wird
  • Wenn Positives konkret und Negatives abstrakt berichtet wird

Sprache übernimmt – oft ohne Absicht der sprechenden Person – die Funktion, indirekt über die Einstellungen der Person Auskunft zu geben. Das geschieht nicht nur darüber, was gesagt wird, sondern auch darüber, wie es gesagt wird. So zeigt sich zum Beispiel, dass erwartetes ( stereotyp-kongruentes) Verhalten abstrakter dargestellt wird als unerwartetes ( stereotyp-inkongruentes); erwünschtes Verhalten eines Mitglieds der eigenen Gruppe wird deshalb oft abstrakt präsentiert, unerwünschtes Verhalten dagegen eher konkret. Für eine Fremdgruppe nutzen wir oft den umgekehrten Sprachstil. So könnte es dazu kommen, dass beispielsweise eine deutsche Lehrerin nach der Beobachtung des gleichen Verhaltens notiert, dass Franzi ein anderes Kind an den Haaren zieht ( Eigengruppe – konkret), wogegen Aisha als aggressiv ( Fremdgruppe – abstrakt) beschrieben wird; oder dass Murat heute seine Hausaufgaben gemacht hat ( Fremdgruppe – konkret), wogegen Klaus als fleißig ( Eigengruppe – abstrakt) beschrieben wird.

Maass, A. (1999). Linguistic intergroup bias: Stereotype perpetuation through language. Advances in Experimental Social Psychology, 31, 79-121.

 

11) Wenn ich mir fest vornehme, vorurteilsbehaftete Gedanken im Umgang mit anderen Personen zu unterdrücken, ...

  • wird es mir leicht gelingen, vorurteilsfrei zu handeln
  • werde ich leicht ablenkbar
  • sind Vorurteile stärker aktiviert und schwer kontrollierbar

Leider funktioniert die Strategie der aktiven Gedankenunterdrückung nur sehr eingeschränkt und nur solange man sich gut konzentrieren kann und nicht abgelenkt wird. Und: In Folge lässt sich oft ein sogenannter Rebound-Effekt beobachten: Die unterdrückten Vorurteile und Stereotypen werden im Anschluss stärker aktiviert und beeinflussen das Verhalten deutlicher. Dies wird zum einen damit erklärt, dass die Unterdrückung eines Gedankens nur funktionieren kann, indem wir ihn sozusagen im Auge (und damit unterschwellig aktiviert) behalten und unser Bewusstsein ständig nach ihm absuchen. Das macht den Gedanken hyper-aktivierbar. Zum anderen könnte die wahrgenommene Schwierigkeit von Gedankenunterdrückung zu dem Schluss führen, dass wir diesen Gedanken unbedingt denken oder nutzen wollen – und das dann bei der nächsten Gelegenheit auch tun. Es mag also hilfreicher sein, sich vorurteilsbehafteter Assoziationen oder Stereotype bewusst zu sein und sie (zumindest sich selbst gegenüber) auszusprechen, statt sie zu unterdrücken. Das eigene Verhalten sollte man nach wie vor sorgfältig darauf überprüfen, ob es den eigenen Ansprüchen an Toleranz und Gleichbehandlung entspricht.

Macrae, C. N., Bodenhausen, G. V., Milne, A. B., & Jetten, J. (1994). Out of mind but back in sight: Stereotypes on the rebound. Journal of Personality and Social Psychology, 67, 808.