Employability statt Selbstverwirklichung: Studienziele und Wohlbefinden

Studienanfängerinnen und Studienanfänger nennen immer häufiger die Aussicht auf ein gutes Einkommen als wesentliches Motiv für ihre Entscheidung, ein Studium zu beginnen. Was zunächst nach einer pragmatischen Zielsetzung klingen mag, könnte die Studierenden am Ende ihre Lernfreude kosten.

Employability statt SelbstverwirklichungStudying von Steven S. via Flickr (https://www.flickr.com/photos/scubasteveo/296747958), cc (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)In einer aktuellen repräsentativen Studierendenbefragung gaben 37 Prozent der befragten Studienanfängerinnen und Studienanfänger an, dass sie die Aussicht auf ein hohes Einkommen zur Aufnahme ihres Studiums motiviert hat. Dieses Studienziel hat im Laufe des letzten Jahrzehnts stark an Bedeutung gewonnen. So gaben noch im Jahr 2001 lediglich knapp 26 Prozent der Studienanfängerinnen und Studienanfänger an, dass die Aussicht auf ein hohes Einkommen ihre Studienwahl beeinflusst hat (Bargel, Multrus, Ramm & Schmidt, 2013).

Der Wunsch nach einem hohen Einkommen und einem sicheren Arbeitsplatz, oft auch Employability genannt, wird in der psychologischen Fachsprache als materialistisches Studienziel bezeichnet. Zunächst mag es nun so erscheinen, als ob eine stärkere Zuwendung der Studienanfängerinnen und Studienanfänger zu solchen materialistischen Zielen einem gesunden Pragmatismus entspringt, doch solche Ziele haben leider auch Nebenwirkungen.

So zeigt die Forschung, dass materialistische Lebensziele in negativem Zusammenhang zum persönlichen Wohlbefinden stehen. Menschen, die sich eher materialistische Lebensziele setzen, klagen beispielsweise auch häufiger über Depressivität und Angstzustände (Kasser & Ryan, 1996). Wenn Menschen sich materialistischen Zielen zuwenden, scheint dies den Blick auf jene Aspekte des Lebens zu versperren, welche wirklich glücklich machen. Dies sind zum Beispiel das Führen einer tiefgehenden Beziehung oder Selbstverwirklichung.

Unter einer materialistischen Perspektive werden auch Bildungseinrichtungen wie Universitäten weniger als Orte der persönlichen Entwicklung wahrgenommen. Stattdessen werden sie zu Orten der Konkurrenz um die besten Noten. Denn nur wer die besten Noten bekommt, scheint auch gute Aussichten auf Employability zu haben. Eine Hinwendung zu materialistischen Zielen kann in der Folge Versagensängste schüren und nachweislich die Lernmotivation vermindern (Ku, Dittmar & Banerjee, 2012).

Ob die stärkere Hinwendung von Studierenden zur Employability auch mitverantwortlich für das in den letzten Jahren gestiegene Belastungserleben unter Studierenden ist, wurde noch nicht belegt. Entsprechende Risiken und Nebenwirkungen erscheinen im Hinblick auf die Forschung jedoch leider wahrscheinlich.

 

Quellen:

Bargel, T., Multrus, F.,  Ramm, M. & Schmidt, M. (2013). Studiensituation und studentische Orientierungen: 12. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Kasser, T., & Ryan, R. M. (1996). Further examining the American dream: Differential correlates of intrinsic and extrinsic goals. Personality and Social Psychology Bulletin, 22, 280-287.

Ku, L., Dittmar, H., & Banerjee, R. (2012). Are materialistic teenagers less motivated to learn? Cross-sectional and longitudinal evidence from the United Kingdom and Hong Kong. Journal of Educational Psychology, 104, 74-86.