Heutzutage können wir halt nicht mehr so lässig studieren! – Mythos Zeitdruck im Bachelorstudium

Bachelorstudierende stehen ständig unter Zeitdruck, haben keine Freizeit mehr und werden dadurch krank. Diese Meinung ist heute weit verbreitet, aber ist sie auch wirklich wahr?

Schon früh nach Einführung der ersten Bachelorstudiengänge begann das große mediale Wehklagen: Bachelorstudierende stünden unter hohem Zeitdruck, die Persönlichkeitsentwicklung käme zu kurz und schlussendlich mache der Bachelor sogar depressiv. Je schriller die Schlagzeile, desto besser. Dabei schien es wenig zu stören, dass sich gerade Behauptungen hinsichtlich gestiegenen Zeitdrucks kaum belegen ließen.

Tatsächlich gaben Bachelorstudierende in ersten bundesweiten Befragungen an, rund 35 Stunden pro Woche für ihr Studium aufzuwenden. Das war nur etwa eine Stunde mehr als Studierende in Diplom- und Magisterstudiengängen. Tagebuchstudien ergaben sogar einen noch niedrigeren Zeitaufwand zwischen 20 und 27 Stunden pro Woche. Gleichzeitig beklagten Bachelorstudierende allerdings tatsächlich in deutlich stärkerem Ausmaß das hohe Belastungserleben im Studium als Diplom- oder Magisterstudierende. Es wäre nun sehr nachvollziehbar, den schwarzen Peter den Medien zuzuschieben: So wäre es durchaus möglich, dass die Berichterstattung über Belastungserleben im Studium entsprechende Erwartungen unter den Studierenden geschürt hat, welche wiederum das Erleben der Studierenden negativ beeinflussen. Neuere Forschung zu Entscheidungsfreiräumen im Bachelorstudium zeigt jedoch, dass dieser Vorwurf vielleicht etwas zu kurz gedacht ist.

So ließ sich zeigen, dass das Ausmaß an Entscheidungsfreiräumen im Studium in direktem Zusammenhang zu erlebtem Studienstress steht. Je stärker Studierende ihr Studium als selbstbestimmt erleben, desto weniger Belastung schildern sie. Gleichzeitig war die Möglichkeit, das eigene Studium selbstständig zu gestalten, in alten Studienstrukturen häufig stärker gegeben. Bachelorprogramme scheinen straffer durchorganisiert und erlauben entsprechend weniger Wahlfreiheit. Im Gegensatz zu der „früher war alles besser“-Debatte um den studentischen Zeitdruck, bietet die Forschung um Entscheidungsfreiräume an Hochschulen auch einen möglichen positiven Ausblick: So konnten Bildungsforscher/innen zeigen, dass sich auch Bachelorstudiengänge hinsichtlich der gewährten Entscheidungsfreiräume unterscheiden. Erwartungsgemäß schilderten Bachelorstudierende in Programmen mit großen Freiräumen ein erhöhtes Wohlbefinden im Vergleich zu Studierenden, die ihr Studium kaum selbstbestimmen können.

Entgegen medial vermittelter Ressentiments scheint es also wichtiger, Bachelorstudierenden mehr Freiräume zu gewähren, als sie zeitlich zu entlasten.

 

Literatur

Bargel, T., Multrus, F., Ramm, M. & Bargel, H. (2009). Bachelor-Studierende -Erfahrungen in Studium und Lehre: Eine Zwischenbilanz. Bonn und Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Janke, S. & Dickhäuser, O. (2013). Strukturell verankerte Entscheidungsfreiheit im Bachelorstudium - Zur Bedeutsamkeit von Autonomie in den neuen Studienstrukturen. Das Hochschulwesen, 61, 102-109.

Metzger, C. & Schulmeister, R. (2011). Die tatsächliche Workload im Bachelorstudium. Eine empirische Untersuchung durch Zeitbudget-Analysen. In S. Nickel (Hrsg.), Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung Analysen und Impulse für die Praxis (S. 68-78). Gütersloh: Centrum für Hochschulentwicklung.

Sieverding, M., Schmidt, L. I., Obergfell, J. & Scheiter, F. (2013). Stress und Studienzufriedenheit bei Bachelor-und Diplom-Psychologiestudierenden im Vergleich. Psychologische Rundschau, 64, 94-100.