Hypnose in der Vernehmung: Königsweg oder Holzweg zu den Erinnerungen von Augenzeugen?

Nur wenige psychologische Themen schaffen es so oft in die Medien wie die Hypnose. Sie wird zur Raucherentwöhnung und zum Abnehmen eingesetzt und Polizeibeamte/innen schwärmen über die Wunderwirkung, die sie auf das Gedächtnis von Zeugen/innen habe. Wie erklärt sich diese Wunderwirkung aus rechtspsychologischer Sicht?

Betrachten wir einen Fall, in dem Hypnose eine Schlüsselrolle spielte: 1982 wurde Larry Mayes in den USA wegen Vergewaltigung zu 80 Jahren Haft verurteilt. Das hypnotisierte Opfer identifizierte ihn in einer Gegenüberstellung und war sich dabei sehr sicher. Ein klarer Fall, Akte geschlossen – könnte man denken. Nach 19 Jahren Haft wurde Mayes 2001 aufgrund entlastender Beweise freigesprochen. Zum einen stellte sich heraus, dass das Opfer Mayes in zwei vorangegangenen Gegenüberstellungen nicht erkannt hatte. Erst in der dritten Gegenüberstellung – unter Hypnose – identifizierte das Opfer den Verdächtigen. Zum anderen wurde Mayes mit Hilfe von DNA-Analysen entlastet.

Ein tragischer Einzelfall? Wohl kaum, denn Hypnose führt dazu, dass Zeugen/innen vermehrt falsche Details erinnern. Das kann soweit führen, dass Zeugen/innen unter Hypnose lebhafte, jedoch falsche Erinnerungen (sogenannte Pseudoerinnerungen) entwickeln. Hinzu kommt, dass falsche Erinnerungen unter Hypnose mit einer höheren Sicherheit vorgetragen werden. Dadurch erscheinen die Zeugen fälschlicherweise als besonders glaubwürdig. Diese vermehrten Erinnerungsfehler kommen zustande, weil wir im hypnotisierten Zustand tatsächlich erlebte von lediglich vorgestellten Ereignissen schlechter unterscheiden können. Psychologen/innen sprechen dann von erhöhter Suggestibilität.

Die Hypnose ist somit kein geeignetes Hilfsmittel für Vernehmungen. Wieso erfreut sie sich dann mancherorts nach wie vor großer Beliebtheit? Hypnose wird oft in Fällen eingesetzt, in denen die Ermittlungen stocken oder Zeugen/innen sich an Details nicht erinnern können. Unter Einfluss von Hypnose sinkt die Antwortschwelle, sodass in der Folge mehr Details berichtet werden – aber eben auch mehr falsche. Weil der Polizei objektiv wahre Informationen zur Identität des Täters bzw. der Täterin oder zum Tathergang nicht vorliegen, kann der Eindruck entstehen, dass Hypnose den gewünschten Effekt hat. In kontrollierten Laborstudien wird jedoch erkennbar, dass viele der berichteten Details falsch sind. Fazit: Hypnose = Holzweg. Wohlerprobte Vernehmungsmethoden, wie das Kognitive Interview, führen dagegen zu umfangreichen Aussagen, ohne die gesteigerte Gefahr von falschen Erinnerungen als Folge erhöhter Suggestibilität. Das ist der Königsweg. 

Quellen:

http://www.innocenceproject.org/Content/Larry_Mayes.php

Kebbell, M. R., & Wagstaff, G. F. (1998). Hypnotic interviewing: The best way to interview eyewitnesses? Behavioral Sciences and the Law, 16, 115-129. doi:10.1002/(SICI)1099-0798(199824)16:1<115::AID-BSL296>3.0.CO;2-I