Immer mehr entscheiden sich für nachhaltige Kaffeebecher, und du? — Wie soziale Normen nachhaltigen Konsum fördern können

Für viele ist Kaffee ein täglicher Begleiter: die Tasse zum Frühstück, der Muntermacher am Nachmittag oder das Genussmittel in einer ruhigen Minute. Dabei trifft jeder einzelne—vermutlich sogar mehrfach am Tag—die Entscheidung: To-Go-Becher oder doch besser eine nachhaltige Alternative? Die folgenden Studien untersuchen, wie soziale Normen diese Entscheidung beeinflussen können.

coffee cupDie Einflüsse sozialer Normen auf nachhaltiges Verhalten wurden zunächst anhand einer nicht unbedeutenden Frage untersucht: Wie bekommt man Hotelgäste dazu, ihre Handtücher wiederzuwenden? Hierfür wurde für einen Zeitraum von 80 Tagen in den Zimmern eines Hotels ein einfaches Schild angebracht mit der Information: „Fast 75% der Gäste, die gebeten werden, an unserem neuen Einsparungsprogramm teilzunehmen, helfen, indem sie ihre Handtücher mehr als einmal benutzen.“ Im Vergleich zu einem Schild, das lediglich die Schonung der Umwelt betonte, führte diese zusätzliche soziale Norm dazu, dass sich die Rate der wiederbenutzten Handtücher von 35.1% auf 44.1% erhöhte.

Diese Studie von Goldstein und Kollegen (2008) gilt als ein Indiz dafür, dass soziale Normen nachhaltiges Verhalten fördern können. Dennoch führten Versuche, diesen Effekt erneut zu zeigen, zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Sparkman und Walton (2017) schlugen daraufhin den Einsatz dynamischer Normen vor. Laut den Autoren ist für ein nachhaltiges Verhalten, das noch nicht allzu stark etabliert ist - beispielsweise die Reduzierung des Fleischkonsums - die Information, dass „immer mehr“ Personen dieses Verhalten an den Tag legen, besonders wirksam.

Loschelder und Kollegen (2019) untersuchten dynamische Normen hinsichtlich der Verwendung von nachhaltigen Kaffeebechern. In einem Café der Universität Lüneburg dokumentierten sie für 10 Wochen, wie viele nachhaltige Kaffeebecher grundsätzlich verwendet werden. Anschließend montierten sie dort für 4 Wochen Schilder mit der Information: „Unsere Gäste ändern Ihr Verhalten: Immer mehr wechseln vom To-Go-Becher zu einer nachhaltigen Alternative“. Als nachhaltige Alternative konnte entweder selbst ein Becher mitgebracht oder für 1€ Pfand eine Tasse ausgeliehen werden. Auch für diese 4 Wochen wurden die Entscheidungen für To-Go-Becher oder nachhaltige Kaffeebecher aufgezeichnet.

Im Zeitraum der Studie wurden in Summe 23.946 Heißgetränke verkauft. Und tatsächlich: die Entscheidung für nachhaltige Kaffeebecher stieg von 23.70% auf 27.77%. In absoluten Zahlen gesprochen entschieden sich Konsumierende nun wöchentlich 84 Mal häufiger für die nachhaltige Alternative. Um zu überprüfen, ob diese Unterschiede tatsächlich auf die dynamischen Normen zurückführen sind, wurden im selben Zeitraum fünf weitere Cafés untersucht, in denen gar keine Schilder angebracht wurden. Hier fand sich zwar ein leichter Anstieg um 0.06% bezüglich der Entscheidung für nachhaltige Kaffeebecher, dieser Anstieg war allerdings statistisch nicht bedeutsam.

In einer Online-Studie untersuchte dasselbe Autorenteam zusätzlich zum Vergleich keiner und dynamischer Normen drei weitere Formen sozialer Normen: injunktive Normen („Wähle den nachhaltigen Kaffeebecher.“), statische Normen („25% unserer Kunden nutzen nachhaltige Kaffeebecher.“) sowie eine Kombination dieser beiden. Den 271 Studienteilnehmenden wurde zufällig eines dieser fünf Schilder gezeigt. Auf die Frage „Welchen Kaffeebecher würdest du eher wählen?“ zeigte sich, dass auch hier die dynamischen Normen zur höchsten Verwendung nachhaltiger Kaffeebecher führte. Für die statischen Normen zeigte sich eine ähnlich geringe Quote wie für die Bedingung ganz ohne Schild.

Die Ineffektivität der statischen Normen wird von den Autoren darauf zurückgrführt, dass die Verwendung der nachhaltigen Kaffeebecher derzeit (noch) kontranormativ ist—bisher verhalten sich nur 25% der Menschen nachhaltig. Im Gegensatz zur Handtuch-Studie können sich die Personen hier deshalb durch eine Verhaltensänderung (noch) keiner Mehrheit anschließen. Dafür sind hier die dynamischen Normen besonders effektiv, da sich Personen dem zunehmenden Trend, dem „immer mehr“, anschließen können.

Fun Fact: Kurz nach Beendigung der Studie wurden die To-Go-Becher in jenem Café ganz abgeschafft. Die Effektivität dieser Intervention: eine Reduktion der Verwendung von To-Go-Bechern um 100%.

Quellen:

Goldstein, N. J., Cialdini, R. B., & Griskevicius, V. (2008). A room with a viewpoint: Using social norms to motivate environmental conservation in hotels. Journal of Consumer Research, 35, 472-482.

Loschelder, D. D., Siepelmeyer, H., Fischer, D., & Rubel, J. A. (2019). Dynamic norms drive sustainable consumption: Norm-based nudging helps café customers to avoid disposable to-go-cups. Journal of Economic Psychology.

Sparkman, G., & Walton, G. M. (2017). Dynamic norms promote sustainable behavior, even if it is counternormative. Psychological Science, 28, 1663-1674.

Bildquelle:

Photo by Braden Collum on Unsplash: https://unsplash.com/photos/dBJ28xaaN-M

CC: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de