IQ-Steigerung durch längere Schuldauer im Jugendalter?

Während einer Schulreform in den 1960er Jahren wurde die Schuldauer in Norwegen für die gesamte Bevölkerung von 7 auf 9 Jahre angehoben. Heute untersuchen Forscher/-innen die Folgen dieses „natürlichen Experimentes“

Die Kürzung der Gymnasialzeit von 9 auf 8 Jahre ist bereits in den meisten Bundesländern Deutschlands umgesetzt. Das Ziel der aktuellen Schulreform ist es, jungen Leuten einen frühen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen und nicht zuletzt die Zahl der Steuerzahler anzuheben. Die Kritik jedoch ist laut: Die Vorgabe, Lehrpläne und Anzahl Schullektionen konstant zu halten, führe zu einer Überlastung der Schüler/-innen – vor allem im letzten gymnasialen Schuljahr. Auch seitens der Universitäten wird Kritik laut: die Studierfähigkeit der Studienanfänger/-innen habe gelitten.

Kann ein zusätzliches Schuljahr Auswirkungen auf die Intelligenz haben? Aus bisheriger Forschung ist bekannt, dass zusätzliche schulische Förderung in der frühen Kindheit einen nachhaltigen positiven Effekt hat. Studien zur Schuldauer im Jugendalter litten bislang hingegen unter methodischen Unzulänglichkeiten. Stichwort „Selbstselektion“: Begabtere Schülerinnen und Schüler konnten in diesen Studien jeweils die Möglichkeit nutzen, länger zur Schule zu gehen. Die Schuldauer im Jugendalter kann somit auch als Folge anstatt als Ursache für bessere Leistungen in IQ-Tests interpretiert werden. Genau dieses Problem umgeht eine neulich publizierte Studie aus Norwegen indem sie die Folgen einer Schulreform in den 1960er Jahren als eine Art „natürliches Experiment“ untersucht (Brinch & Galloway, 2012). Vor 1960 dauerte die Schulzeit für die meisten jungen Norwegerinnen und Norweger 7 Jahre, was bis 1972 landesweit auf 9 Jahre angehoben wurde. Die Autor/-Innen untersuchten nun, wie sich die Schulreform auf den IQ von über 100’000 wehrpflichtigen Männern bei Eintritt ins Militär im Alter von 19 Jahren auswirkte. Das Ergebnis verblüfft: Jedes zusätzliche Jahr in der Schule führte zu einem Anstieg von ganzen 3.7 IQ-Punkten. Die Reform fand in allen Gemeinden Norwegens statt, jedoch an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten. Jugendliche, die in einem Jahr noch nicht von der Reform betroffen waren, konnten somit als Vergleichsgruppe dienen. Effekte einer Selbstselektion wurden ausgeschlossen indem zusätzliche Analysen mit Jugendlichen durchgeführt wurden, die während der Reformjahre umgezogen waren.

Können wir die Ergebnisse dieser Schulreform der 1960er Jahre auf die heutige Situation übertragen? Das bleibt schwer zu beurteilen. Ich zumindest bin gespannt auf ähnliche Studien zur aktuellen Schulreform!

 

Quelle: 

Brinch, C. & Galloway, T. (2012). Schooling in adolescence raises IQ scores. Proceedings of the National Academy of Science of the USA, 109, 425-430.