Ist es schlecht, Gutes zu tun?

Ist es nicht schön, sich moralisch überlegen zu fühlen und entsprechend zu handeln? Lieber das Fahrrad zu nehmen anstatt das Auto? Lieber Bio statt Aldi? Urlaub in Paderborn statt Patagonien? Genau – aber wehe, wenn die Versuchung zuschlägt! 

Ein Flugzeug durch Palmenblätter hindurch betrachtet.leshapyx via pixabay (https://pixabay.com/photo-1244698/, CC:https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)Seit 15 Jahren VegetarierIn – wow, das fühlt sich gut an! Auto? Nee, Führerschein mit 18 gemacht, aber da war man ja auch dumm oder naiv oder beides. Plastikmüll? Alter, ich kauf doch alles im Unverpacktladen! Smartphone? Ja, naja, irgendwie muss man ja im Kontakt bleiben, nich? Fernreisen? *Hust*, hm, ja, na gut, irgendein Laster hat doch jedeR! Wie soll man auch anders nach Neuseeland kommen. Ich mein, immerhin bin ich ja seit 15 Jahren Veget…   

OK, ersparen wir uns an dieser Stelle Berechnungen, ob 15 Jahre Vegetarismus die 9.84 Tonnen CO2 aufwiegen, die durch einen Hin- und Rückflug ans andere Ende der Welt entstehen. Viel wichtiger ist doch die Frage: Neigen wir dazu, unsere positiven und moralisch wünschenswerten Verhaltensweisen als Legitimation dafür zu nutzen, auch mal über die Stränge zu schlagen?

Tatsächlich gibt es ein recht umfängliches Forschungsgebiet, das genau darauf hindeutet. Studien zum sogenannten „Moral Licensing“ zeigen, dass wir über eine Art moralisches Girokonto verfügen: Ist es gut gedeckt, da wir uns gut und moralisch sauber verhalten haben (etwa, indem wir Älteren über die Straße helfen, nur Pflanzen essen oder Discounter meiden), können wir auch mal was nicht so Dolles machen. So haben zum Beispiel Mazar und Zhang (2012) gezeigt, dass der vorige Konsum von Bioprodukten im Anschluss dazu führte, dass sich VersuchsteilnehmerInnen im Mittel weniger hilfsbereit zeigten und sogar dazu neigten, zu stehlen und zu mogeln! Mit anderen Worten: Da wird das gefüllte Moralkonto eben mal geplündert, bis zum Dispo ist es ja dank der eigenen moralischen Verdienste noch ein Stück.

Aber: Fürchtet Euch nicht! Es geht auch anders – neben dieser Lizenz zum Bösesein gibt es die Chance, sich konsequent zu verhalten.  Nämlich dann, wenn unsere Verhaltensweisen sehr stark mit unseren Werten überlappen. Verhalten wir uns also moralisch, weil wir von einer Sache überzeugt sind, dann wird es sehr viel wahrscheinlicher, dass wir das auch in Zukunft tun (Mullen & Monin, 2016).

Und sind wir mal ehrlich: Die 230 € für die C02-Kompensation unseres Neuseelandbesuchs sind doch bei den derzeitigen Zinsen zumindest auf unserem moralischen Konto gut angelegt. 

Quellen:

Mazar, N., & Zhong, C. B. (2010). Do green products make us better people? Psychological Science, 21(4), 494-498.

Mullen, E., & Monin, B. (2016). Consistency versus licensing effects of past moral behavior. Annual Review of Psychology, 67, 363-385.