Unser Smartphone – ein Produktivitätskiller?

Auf dem Weg zur Arbeit noch schnell die Mails checken, neben der Excel-Tabelle den Besuch der Eltern am Wochenende organisieren und zwischendurch die Nachfragen der KollegInnen im Teamchat beantworten – mit dem Smartphone in der Hand sind wir immer und überall produktiv. So scheint es zumindest. Denn neben den offensichtlichen Vorteilen beginnen PsychologInnen, mehr und mehr auch die Schattenseiten der Technologie zu verstehen.

woman at notebook with smartphoneDenken Sie einmal zurück: Wann waren Sie das letzte Mal so richtig produktiv? Wann waren Sie zuletzt so sehr in eine Tätigkeit vertieft, dass erst ein flüchtiger Blick aus dem Fenster Sie daran erinnert hat, wie schnell der Tag vergangen ist?

"Flow" nennen PsychologInnen diesen Zustand, das vollständige Aufgehen in einer fordernden, aber nicht überfordernden Tätigkeit (Nakamura & Csikszentmihalyi, 2009). Um in diesen produktiven Arbeitsfluss zu gelangen, brauchen wir allerdings ein wenig Anlaufzeit, also mehrere Minuten voller, ununterbrochener Konzentration auf eine Aufgabe – ganz ohne Ablenkung. Eine Voraussetzung, die laut Éilish Duke und Christian Montag (2017) durch das allgegenwärtige Smartphone in Gefahr gerät. Denn, so schreiben sie, schon eine nur wenige Sekunden lange Störung wie das Aufpoppen einer neuen Nachricht bei WhatsApp reicht aus, um uns aus unserer Konzentration herauszureißen und damit einen Flow zu verhindern.

Die PsychologInnen aus London und Ulm untersuchten in einer Onlinestudie den Zusammenhang zwischen Smartphone-Nutzung und Produktivität – eine Verbindung, über die oft spekuliert, die aber erst in den letzten Jahren empirisch überprüft wurde. Sie baten über 250 Personen um eine Selbsteinschätzung: Wie lang am Stück hatten sie in der vergangenen Woche im Durchschnitt ohne Unterbrechung durch das Smartphone gearbeitet? Wie stark war ihr Drang, immer wieder zum Smartphone zu greifen? Und wie schätzten sie ihre eigene Produktivität ein? Die Daten der ForscherInnen zeigen: Der Drang danach, das Smartphone zu checken, den die AutorInnen als smartphone addiction, also "Smartphone-Abhängigkeit", bezeichnen, mindert die eigene Produktivität am Arbeitsplatz und zu Hause. Eine Ursache für diesen negativen Zusammenhang zwischen Smartphone-Abhängigkeit und Produktivität sind die vielen kleinen Unterbrechungen, die der Griff zum Smartphone verursacht. Wir verlieren nicht nur dadurch (Arbeits-)Zeit, dass wir unserem Impuls nachgeben und tatsächlich einen Blick aufs Smartphone werfen – wir machen es uns auch schwer, überhaupt in einen produktiven Flow zu kommen.

Die Schlussfolgerungen von Duke und Montag basieren auf Selbsteinschätzungen, also der gefühlten Realität der Befragten. Interessant ist dabei zum einen, dass den Befragten der negative Einfluss ihres Smartphones auf ihren Alltag durchaus bewusst zu sein scheint. Zum anderen waren Duke und Montag überrascht, dass die Befragten angaben, in den letzten sieben Tagen im Schnitt bis zu etwa 2,5 Stunden ohne eine Smartphone-Unterbrechung gearbeitet zu haben. Aus anderen Studien war den ForscherInnen nämlich bekannt, dass viele Smartphone-NutzerInnen ihr Handy etwa alle 18 Minuten checken. Sie vermuten, dass viele Menschen bereits automatisch und unterbewusst zum Smartphone greifen und so die Zeit, die sie an dem kleinen Computer verbringen, unterschätzen.

Es sind aber nicht nur die tatsächlichen Unterbrechungen, die unsere Produktivität mindern. Schon die bloße Anwesenheit des eigenen Smartphones reicht aus, um unsere kognitive Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen, wie die Studie einer Forschendengruppe um den US-amerikanischen Psychologen Adrian F. Ward zeigt. Ward bat mehrere Studierende darum, in einem Testlabor verschiedene Denkaufgaben zu bearbeiten. Ein Teil der Studierenden sollte – natürlich unter einem Vorwand – das Smartphone während der Aufgabenbearbeitung neben sich auf den Schreibtisch legen, eine andere Gruppe wurde darum gebeten, das Smartphone in der Hand- oder Jackentasche zu verstauen, und eine dritte Gruppe musste alle persönlichen Gegenstände – also auch das Smartphone – vor dem Betreten des Testlabors abgeben. Alle Smartphones wurden vor dem Experiment lautlos gestellt. Das Ergebnis: Je näher das Smartphone, umso schlechter die Leistung. Obwohl keines der Geräte klingeln konnte und die Testpersonen ihre Smartphones während des Experiments nicht checkten, schnitten die Studierenden, deren Smartphones in Griffnähe auf dem Tisch liegen blieben, in den gestellten Aufgaben bedeutsam schlechter ab. Die Gruppe, deren Smartphones überhaupt nicht im Raum waren, zeigte hingegen die besten Leistungen. Selbst wenn wir es also schaffen, der Versuchung, zum Smartphone zu greifen, zu widerstehen, fordert das kleine Gerät seinen Tribut.

Ironischerweise macht uns also ausgerechnet jenes Gerät unproduktiver – und im Übrigen auch unsozialer (im In-Mind Blog dazu: Warum wir das Smartphone im Café lieber weglegen) –, das uns ständige Produktivität und Austausch mit anderen ermöglichen soll. Was aber sollen wir tun in einer Welt, in der alle Welt erwartet, dass wir ständig und überall erreichbar sind? Es aus unserem Alltag zu verbannen, ist keine wirklich realistische Option. Doch vielleicht sollten wir an der Erwartungshaltung der ständigen Erreichbarkeit ansetzen und diese auf ein paar wenige Stunden am Tag begrenzen. Probieren Sie es doch einmal aus: Schaffen Sie sich ganz bewusst Zeitfenster, um sich Ihrem Smartphone zu widmen und kommunizieren Sie die Zeiten, zu denen Sie erreichbar sind, an Ihre Mitmenschen. Lassen Sie es auf der Arbeit ruhig einmal im Rucksack verschwinden und zu Hause bestenfalls in einem anderen Raum liegen. Vielleicht greifen Sie dann automatisch zu dem Buch, das schon seit Wochen darauf wartet, in Ruhe gelesen zu werden. Und vielleicht sind Sie nach einigen Seiten schon so in die Geschichte vertieft, dass die Zeit dabei wie im Flug vergeht.

Quellen:

Montag, C. & Duke, E. (2017). Smartphone addiction, daily interruptions and self-reported productivity. Addictive Behaviors Reports, 6, 90-95.

Nakamura, J. & Csikszentmihalyi, M. (2009). Flow Theory and Research. In C. R. Snyder & S. J. Lopez (Hrsg.), Oxford Handbook of Positive Psychology (195-206). Oxford, MS: Oxford University Press.

Ward, A. F., Duke, K., Gneezy, A. & Bos, M. W. (2017). Brain Drain: The Mere Presence of One’s Own Smartphone Reduces Available Cognitive Capacity. Journal of the Association for Consumer Research, 2(2), 140-154.

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