Wie Koalitionsverhandlungen den Blutdruck von Merkel, Steinbrück, Özdemir und Kollegen beeinflussen - Physiologische Reaktionen in Konflikten über Werte.

Die Bundestagswahl ist vorbei, nun beginnen die Koalitionsverhandlungen. Die Union um die Bundeskanzlerin sucht einen Verbündeten. Für die SPD wie auch für die Grünen gilt es, in den Koalitionsverhandlungen die eigenen Werte und Überzeugungen zu verteidigen. Dabei zeigt aktuelle Forschung, dass insbesondere solche Werte-Konflikte die Verhandlungsführer in physiologisches Stressmuster versetzen, welche gütliche Einigungen besonders schwierig machen.

Konflikte und Verhandlungen drehen sich zumeist entweder um bestimmte Ressourcen (z.B. Autokauf, Gehaltsverhandlung) oder wie in dem einleitenden Beispiel um Ideologien und Werte. Die Union hat andere Überzeugungen in ihrem Wahlprogramm verankert als die SPD und die Grünen (z.B. Betreuungsgeld, Spitzensteuersätze, Mindestlohn, etc.). In Koalitionsverhandlungen werden nicht nur begrenzte Ressourcen wie beispielsweise die Anzahl der jeweiligen Ministerposten, sondern eben auch der Umgang mit diesen politischen Überzeugungen verhandelt. Aber worin unterscheiden sich solche Verhandlungen eigentlich? Und reagieren die (Verhandlungs-)parteien mit unterschiedlichen, körperlichen Reaktionen in diesen Konflikten?

Ein niederländisches Forscher-Team um Marina Kouzakova (Kouzakova et al., 2013) ist dieser Frage nachgegangen. Laut AutorInnen sollten konträre Positionen in Verhandlungen über Werte eine Bedrohung für die jeweilige Identität der Verhandlungsparteien darstellen. Anschaulich gesprochen stellt womöglich die Abschaffung des Betreuungsgeldes eine Identitätsbedrohung für Unionspolitiker dar, der Verzicht auf einen flächendeckenden Mindestlohn bedroht wiederum die SPD-Identität. Gleichzeitig sollten sich diese wahrgenommenen Bedrohungen auch physiologisch in einer niedrigeren Herzaktivität (gepumptes Blut in Litern pro min.) und erhöhtem Gefäßwiderstand (threat profile; Blascovich & Mendes, 2010) niederschlagen. Im Gegensatz zu Werte-Konflikten gehen klassische Verhandlungen über begrenzte Ressourcen hingegen nicht mit einer Bedrohung sondern mit einer wahrgenommen Herausforderung einher. Physiologisch sollte hier ein erhöhte Herzaktivität mit wiederum niedrigerem Gefäßwiderstand („challenge profile“) zu beobachten sein.

Die niederländischen Forscher testeten diese Vorhersagen, indem Sie Studierende im Labor entweder über Ressourcen oder Werte verhandeln ließen und die physiologischen Reaktionen der Probanden aufzeichneten. Entsprechend der Hypothesen führten Wertekonflikte zu einem höheren Gefäßwiderstand und einer niedrigeren Herzaktivität – also einem physiologischen Bedrohungsmuster. Ressourcenkonflikte hingegen gingen mit einer physiologischen Herausforderung einher (geringerer Gefäßwiderstand, erhöhte Herzaktivität).

Was bedeuten diese Forschungsergebnisse nun für die möglicherweise langwierigen Koalitionsverhandlungen? Zum Einen ist in Verhandlungen über Werte eine Einigung zumeist schwieriger zu erzielen als in Verhandlungen über Ressourcen. Zum Anderen reagieren die Verhandlungsparteien um Merkel, Steinbrück und Özdemir auch physiologisch auf die wahrgenommene Bedrohung ihrer Partei-Identitäten. Aus Rücksicht auf die eigene Gesundheit gilt es, nicht zu viel Kaffee zu trinken und häufiger mal einen gemeinsamen Spaziergang durchs grüne Berlin einzulegen – Von Letzterem würden vermutlich auch die folgenden Koalitionsjahre erheblich profitieren.

Quellen:

Blascovich, J., & Mendes, W. B. (2010). Social psychophysiology and embodiment. In S. T. Fiske & D. T. Gilbert (Eds.), Handbook of social psychology (5th ed.). New York, NY: John Wiley.

Kouzakova, M., Harinck, F., Ellemers, N., & Scheepers, D. (in press). At the heart of a conflict: Cardiovascular and self-Regulation responses to value versus resource conflicts. Social Psychological and Personality Science. DOI:10.1177/1948550613486673