Ian Robertson. „Macht – Wie Erfolge uns verändern“

Deutscher Taschenbuch Verlag / Preis: 19,95 Euro.

Hinweis: Der Rezension des Buches liegt ein Exemplar zugrunde, welches der Verlag für eine Besprechung verschickt hatte.

Ian Robertson ist Professor für Psychologie in Dublin und beschäftigt sich in dem vorliegenden Buch mit Forschung zur Macht. Was den Titel betrifft, hatte ich bereits meine ersten Schwierigkeiten, da der englische Begriff „Power“ aus meiner Sicht noch mehr beinhaltet als der deutsche Terminus Macht. Im Englischen stecken vielleicht noch mehr Kraft und Selbstwirksamkeitsüberzeugung in Power als in dem deutschen „Macht“. Etwas vereinfacht spricht Selbstwirksamkeitsüberzeugung das Wissen darüber an, dass die eigenen Handlungen zu dem erwünschten Ergebnis führen. Diese Aussage bezieht sich natürlich nur auf die Übersetzung des Titels und erhöht eher noch den Wert des Buchinhalts, da der Geltungsbereich einen größeren Umfang hat als auf den ersten Blick.

Alle auch mir bekannten Forschungsarbeiten zu Macht (Power) werden in dem Buch gut beschrieben und aufgearbeitet. Robertson kann auch (weitestgehend) nichts dafür, wie die Forschung zu Macht (Power) durchgeführt wird. Häufig sollen sich Versuchspersonen an eine Situation erinnern, in der sie viel oder wenig Macht empfunden haben. Es ist aber nicht immer klar, ob sich diese Personen nicht einfach irgendeinen Menschen vorstellen, die über viel oder wenig Macht verfügt. Wenn dann Auswirkungen auf irgendwelchen Urteilsdimensionen gefunden werden, kann man nicht unbedingt sagen, dass Macht XY verursacht. Dies ist aber ein Problem des Forschungsfeldes, keins von Robertson und seines Buches. Zumindest teilweise aufgelöst werden können solche Ungewissheiten, wenn physiologische Maße wie zum Beispiel Hormonmessungen herangezogen werden. Dies ist zum Beispiel in der Forschung von Dana Carney, Amy Cuddy und Andy Yap der Fall, die Robertson auch kurz anreißt. Carney, Cuddy und Yap haben über den Speichel ihrer Versuchspersonen zunächst eine Basismessung bestimmter Hormone vorgenommen. Anschließend nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für wenige Minuten Körperhaltungen ein, die entweder mit besonders viel oder mit besonders wenig Macht in Verbindung stehen. Im Anschluss daran zeigte sich, dass sich das Testosteron der machtvoll stehenden oder sitzenden Personen erhöhte, während ihr Stresshormonlevel abgesunken ist. Das umkehrte Muster fand sich bei denjenigen mit machtlosen Posen: Ihr Testosteron sank, während sich das Ausmaß des nachweisbaren Stresshormons stark erhöhte.

[Nachtrag:] Dieser Befund hat sich allerdings als wenig stabil erwiesen und konnte in nachfolgenden Untersuchungen nicht bestätigt werden. Damit beschäftigt sich auch folgender Blogeintrag bei In-Mind: http://de.in-mind.org/blog/post/mit-power-pose-zum-selbstsicheren-auftreten-und-bewerbungserfolg

Robertson schreibt aber nicht ausschließlich nur über die Forschung zu Macht. Er bezieht sogar Befunde zu anderen Feldern auf Macht und die Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Personen. So erklärt Robertson unter anderem, ohne es eindeutig so zu benennen, das Konstrukt „Bedrohung durch Stereotype“ (englisch: „stereotype threat“). Hier führt die Aktivierung eines Bereiches der eigenen Persönlichkeit, über die eine bestimmte (positive oder negative) Ansicht in der Gesellschaft vorherrscht, zu entsprechenden Ergebnissen in einer nachfolgenden Aufgabe. Erste Vorläuferstudien zu diesem Bereich erwähnt Robertson gekonnt und widmet sich diesem Thema mit außerordentlichem Fingerspitzengefühl.

Zu loben ist die Auflistung weiterführender Literatur. Soweit sie mir bekannt sind, werden hier die deutschen Übersetzungen englischer Originale benannt. Dies adressiert einen Umstand, den ich zuvor einmal angesprochen hatte, als es bei einem anderen Buch nicht der Fall gewesen war. Ebenfalls erfreulich sind die ausführlichen Anmerkungen, in denen sich die Literaturangaben der erwähnten Studien finden. Das sich daran anschließende Personenregister hilft bei der Suche nach bestimmten Studien.

Folgenden Hinweis möchte ich noch loswerden: Für künftige Besprechungen nehme ich mir vor, Lektorat wie auch die Übersetzung zu loben, wenn ich nicht auf Anhieb offensichtliche Punkte finde, von denen ich bereits beim ersten Lesen vermute, dass es sich um Übersetzungsfehler handelt. Prinzipiell finde ich in diesem Buch kaum Unklarheiten von Belang. Wenig von Belang ist auch folgende Unklarheit: Auf Seite 27 wird erwähnt, dass Balthazar Getty als Schauspieler kaum in Erscheinung getreten sei, außer durch eine Nebenrolle im Film >Natural Born Killers< oder Nebenrollen in Fernsehserien wie >Hawaii Fünf-Null<. Die Originalserie von Hawaii Five-O lief in der Tat in Deutschland mit dem übersetzten Titel. Das Remake von 2010 hingegen, in dem Balthazar Getty mitspielte, heißt auch in Deutschland wie das Original Hawaii Five-O. Insgesamt liest sich das Buch im Deutschen gut, wie ich finde. Für die Übersetzung ist dies ein schönes Kompliment.

 

Autor*innen

Buchbewertung

overall
3 of 5
novelty
4 of 5
readability
4 of 5