John T. Cacioppo und William Patrick "Einsamkeit: Woher sie kommt, was sie bewirkt, wie man ihr entrinnt"

Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag
Deutsche Ausgabe von 2011, € 19.95

Englische Originalausgabe von 2008

Diese Rezension soll ein wenig einen Teil des Lebenswerks von John T. Cacioppo würdigen, da er Anfang März 2018 leider verstorben ist. Cacioppo war Sozialpsychologe und viele Forscherinnen und Forscher haben nach seinem Tod den Umstand betont, dass es ohne ihn den Forschungsbereich „Social Neuroscience“ heute nicht geben würde. Das Buch „Einsamkeit: Woher sie kommt, was sie bewirkt, wie man ihr entrinnt“ hat Cacioppo zusammen mit William Patrick geschrieben. Letzterer ist (bzw. war) Wissenschaftslektor bei dem Verlag Harvard University Press und ist daher (mutmaßlich) vor allem aus Gründen sprachlicher Verfeinerung Mitautor des Buches, das dieser Besprechung zugrunde liegt. So ist es eben auch eine Besonderheit dieses Buches, dass es zwar von einem Autorenduo geschrieben wurde, in den einzelnen Erzählungen und Verweisen auf Befunde eigener Forschung wird jedoch die Ich-Form verwendet und diese bezieht sich ausschließlich auf John Cacioppo. Das mag zu Beginn kurz irritieren, an sich ist dieser Umstand allerdings kein Hindernis, der sich negativ auf den Lesefluss auswirkt. Die deutsche Ausgabe, die ich gelesen habe, wurde von Jorunn Wissmann übersetzt.

Gegliedert ist dieses Buch in drei Teile, nämlich (1) Das einsame Herz, (2) Vom egoistischen Gen zum sozialen Wesen und schließlich (3) Wege in die Einbindung. In diesen drei Teilen finden sich insgesamt 14 Kapitel auf 344 Seiten, zusätzlich ausführliche Anmerkungen und Literaturhinweise.

Auf Seite 23 steht folgender Wunsch bzw. folgendes Ziel für dieses Buch: „In erster Linie aber möchte ich dazu beitragen, dass sich sozial zufriedene Menschen noch besser fühlen und einsame Menschen ihr Leben wieder in den Griff bekommen.“ Dies steht in einem gewissen Ausmaß im Widerspruch zu der Einschätzung, dass es sich bei „Einsamkeit: Woher sie kommt, was sie bewirkt, wie man ihr entrinnt“ um kein klassisches Selbsthilfebuch handelt.

Was dem Autorenduo aus meiner Sicht gerade zu Beginn des Buches gut gelingt, ist die Abgrenzung von Alleinsein und Einsamkeit: Nicht alle Menschen, die nicht alleine sind, sind nicht einsam. Diese Differenzierung betont die klare psychologische Dimension von Einsamkeit.

Eine persönliche Anekdote im zweiten Kapitel nutzt Cacioppo dazu in leicht verständlicher Sprache aufzuzeigen, wie fragil und situativ abhängig selbstwertdienliche und selbstwertgefährdende Attributionsstile sind. „Bitte was?“, mögen Sie sich fragen. Es geht hier - vereinfacht dargestellt - darum, dass Menschen in Situationen, in denen sie sich sozial eingebunden fühlen, den Grund für Erfolge auf ihre (stabilen) Fähigkeiten beziehen; in Situationen hingegen, in denen sie sich sozial einsam fühlen, schreiben Menschen Erfolge tendenziell eher dem Zufall oder anderen Gründen zu, die sie nicht beeinflussen können. Umgekehrt verhält es sich mit Erlebnissen, die Misserfolgen gleichkommen. In der persönlichen Anekdote ging es übrigens um eine Verwechselung bzw. Verkettung unglücklicher Umstände, durch die sich Cacioppo an einem anderen Ort wiederfand, als er dies eigentlich vorhatte: Er wollte für einen Vortrag nach Granada in Spanien fliegen, stieg allerdings in Grenada in der Karibik aus dem Flugzeug aus.

Vor allem im sechsten Kapitel zeigen die Autoren eindrücklich auf, „[w]ie Einsamkeit an uns zehrt“, was praktischerweise auch der Titel des Kapitels ist. Einsamkeit, so die Autoren, ist ein Risikofaktor schwerwiegender Erkrankungen und weiterer schlimmer Umstände, dessen Bedeutung mit bekannten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen und Übergewicht verglichen werden kann. Frühere Forschungsergebnisse verdeutlichen offenbar, dass es hier weniger um die Anzahl sozialer Kontakte geht, sondern vielmehr um die subjektiv beigemessene Qualität bzw. Bedeutung vorhandener sozialer Begegnungen. Die Vermittlung dieser Erkenntnisse halte ich für spannend und wichtig. Auch wenn die korrelative Natur dieser Befunde angesprochen wird („Die Korrelation zwischen sozialem Stress und negativen Folgen für die Gesundheit […]“, S. 124), hätte dieser Punkt nach meinem Dafürhalten noch etwas ausführlicher behandelt werden können.

Obwohl die Autoren ihre Sprache an ein breiteres Publikum im Vergleich zu rein wissenschaftlichen Artikeln angepasst haben, so kommt es mir gerade in den Beschreibungen physiologischer Prozesse so vor, als wären diese Passagen recht anspruchsvoll für fachfremde Leserinnen und Leser.

Die letzten drei Kapitel widmen sich dem Themenbereich, was man unter Umständen tun kann, um der Einsamkeit zu entrinnen. Eine klare Vorgabe, wie man sich exakt in welcher Situation verhalten müsste, um nicht mehr einsam zu sein, liefert das Buch hingegen nicht. Somit wären all diejenigen, die sich hier solche Schritte erhofften, von dem Buch enttäuscht. Allerdings findet sich in Kapitel 14 ab Seite 318 ein Unterkapitel namens „Sozialkapital“ mit einem Verweis auf das Buch „Bowling Alone“ von Robert Putnam. Im Internet kann man zum Beispiel danach suchen, was man tun kann, um Sozialkapital aufzubauen. Auch wenn dies kein Allheilrezept sein mag, ist es vielleicht ein Beginn.

Autor*innen

Buchbewertung

overall
4 of 5
novelty
3 of 5
readability
3 of 5