Das Fleischparadox: Warum es so schwerfällt, auf Fleisch zu verzichten

Schnitzel essen und Tiere streicheln – ist das nicht widersprüchlich? Wenn sich Menschen dieses Widerspruchs bewusst werden, empfinden sie das als unangenehm. Um dem zu entgehen, nutzen sie verschiedene Strategien, damit sie ohne Reue weiter Fleisch essen können. Unglücklicherweise halten diese Strategien aber auch jene Menschen davon ab, auf Fleisch zu verzichten, die damit ihren ökologischen Fußabdruck verringern möchten. Doch es gibt Möglichkeiten, diesen Strategien zu begegnen.

Eine der Hauptursachen für den menschengemachten Klimawandel und das Artensterben sind die Ernährungsentscheidungen, die wir jeden Tag treffen. Vor allem die hohe Nachfrage nach Fleisch belastet unsere Umwelt. So benötigt die Herstellung von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs enorme Ressourcen: Für die Produktion tierischer Lebensmittel werden ca. 83 % der globalen Landwirtschaftsflächen gebraucht, aber sie stellen nur etwa 18 % der weltweit verzehrten Kalorien zur Verfügung (Poore & Nemecek, 2018). Durch diesen extremen Ressourcenverbrauch geht die Viehwirtschaft mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt einher, wie Landnahme, Wasser- und Luftverschmutzung (Godfray et al., 2018). Insgesamt tragen fleischhaltige Ernährungsweisen stärker zum Klimawandel bei als viele andere Faktoren, einschließlich der globalen Transportsysteme (Steinfeld et al., 2006). Doch obwohl der Verzicht auf Fleisch unsere Umwelt schonen würde, steigt der weltweite Fleischkonsum an (Godfray et al., 2018); und auch die Lieblingsgerichte der Deutschen sind weiterhin oft fleischhaltig (z. B. nennen 33 % Braten, Schnitzel oder Gulasch; BMEL, 2019).

Das Fleischparadox entsteht, wenn Menschen sich bewusst werden, dass Sie gerne Fleisch essen, aber dadurch Tiere sterben.Das Fleischparadox entsteht, wenn Menschen sich bewusst werden, dass Sie gerne Fleisch essen, aber dadurch Tiere sterben.

Tatsächlich geben in Befragungen in Deutschland, Belgien, Portugal, Finnland, der Niederlande oder der USA nur 23-35 % der Menschen an, über den Zusammenhang zwischen Ernährung und ökologischen Problemen Bescheid zu wissen; und auch die Menschen, denen dieser Zusammenhang bewusst ist, glauben häufig, dass die Änderung ihrer Ernährung eine vergleichbar ineffektive Art sei, die Umwelt zu schützen (Sanchez-Sabate & Sabaté, 2019). Unabhängig vom Wissen über diesen Zusammenhang hat Fleisch allerdings auch negative Konsequenzen, die Menschen durchaus kennen. Schließlich weiß jede*r, dass für die Produktion von Fleisch Tiere sterben müssen. Wieso essen Menschen also trotzdem Fleisch, obwohl sie sich selbst als moralisch integrer ansehen möchten (Bastian & Loughnan, 2017) und sich mehrheitlich gegen Tierleid aussprechen (86 % in Deutschland; BMEL, 2019)?

Leroy und Praet (2015) nehmen an, dass Menschen gerne Fleisch essen, weil sie evolutionär gelernt haben, dass der Geschmack von Fleisch auf einen hohen Anteil an nahrhaften Proteinen hindeutet. Darüber hinaus argumentieren sie, dass die gemeinsame Mahlzeit Ausdruck von Zuneigung und geteilten Werten sei. In der Tat zeigen qualitative und quantitative Untersuchungen, dass Menschen häufig stigmatisiert und ausgegrenzt werden, wenn sie Mahlzeiten nicht beiwohnen, weil sie auf Fleisch verzichten (Markowski & Roxburgh, 2019; Rothgerber, 2019). Zusätzlich beschreiben Leroy und Praet (2015), dass Menschen über ihre Ernährung auch ihren sozialen Status und ihre Persönlichkeit ausdrücken können. So zeigen sozialpsychologische Studien eines Forscherteams aus Kanada etwa, dass Fleisch Männlichkeit symbolisiert und Menschen maskuliner eingeschätzt werden, wenn sie Fleisch essen (z. B. Ruby & Heine, 2011). All dies kommt an eher alltäglichen Grillabenden unter Freund*innen oder an Feiertagen mit speziellen Festtagsgerichten zum Ausdruck (Leroy & Praet, 2015).

Das Fleischparadox

Stellt man die positiven Aspekte von Fleischkonsum den negativen Aspekten gegenüber, wird deutlich, dass Menschen sich in einem Dilemma befinden. Dieses Dilemma bezeichnen die Sozialpsychologen Bastian und Loughnan (2017) als das Fleischparadox: Einerseits essen Menschen gerne Fleisch, weil es lecker schmeckt, weil es sie in ihrem sozialen Umfeld verankert und weil es ihre Persönlichkeit ausdrückt; andererseits möchten sie Tieren kein Leid zufügen und sie wissen, dass Tiere für Fleischkonsum sterben müssen. Dieser Widerspruch, der dem Fleischparadox zugrunde liegt, löst Dissonanz aus. Dissonanz ist ein unangenehmes Gefühl, das entsteht, wenn Menschen Gedanken haben, die nicht miteinander vereinbar sind (Harmon-Jones, Amodio & Harmon-Jones, 2009). Da das Gefühl unangenehm ist, streben Menschen danach, Dissonanz aufzulösen (Harmon-Jones et al., 2009). In Bezug auf das Fleischparadox könnten Menschen ihrer Dissonanz also entgehen, indem sie entweder aufhören Fleisch zu essen oder indem sie ihren Fleischkonsum so rechtfertigen, dass der Widerspruch sich auflöst und sie somit ihr Gewissen entlasten.

Dabei zeigen sozialpsychologische Studien, dass Menschen ihre Dissonanz zumeist auflösen, indem sie ihr Verhalten rechtfertigen, anstatt ihr Verhalten zu verändern (Harmon-Jones et al., 2009). Dies lässt sich auch statistisch erkennen, da sich vergleichsweise wenige Menschen vegetarisch ernähren (z. B. 6 % in Deutschland; BMEL, 2019). Offenbar nutzen also viele Menschen psychologische Strategien im Umgang mit dem Fleischparadox, anstatt auf Fleisch zu verzichten. Laut Bastian und Loughnan (2017) helfen diese Strategien zu vermeiden, dass das Fleischparadox bewusst wird; und falls es doch wahrgenommen wird, helfen andere Strategien dabei, resultierende Dissonanz zu reduzieren. Diese Strategien bewirken, dass es Menschen generell schwerfällt, auf Fleisch zu verzichten, unabhängig davon, ob sie damit Tiere oder die Umwelt schützen möchten.

Passive Dissonanzvermeidung

Tatsächlich nehmen Menschen das Fleischparadox im Alltag häufig nicht wahr, da sie passiv Dissonanz vermeiden (Rothgerber, 2019). Nach Bastian und Loughnan (2017) wird dies durch Gewohnheiten, soziale Normen und gesellschaftliche Praktiken ermöglicht: Gewohnheiten entstehen durch stetige Wiederholung von Verhalten in einem Kontext. Gewohnheiten sorgen so dafür, dass Verhalten nahezu automatisch ausgeführt wird, sobald man sich im entsprechenden Kontext befindet—zum Beispiel geht man, ohne darüber nachzudenken, immer zur Fleischtheke in der Mensa. Dies wird durch soziale Normen verstärkt, die dadurch entstehen, dass nahezu jede*r Fleisch isst—so gehen alle Kolleg*innen auch zur Fleischtheke. Diese Normen suggerieren, dass es gesellschaftlich akzeptiert ist, Fleisch zu essen.

Abbildung 1. Durch die Verarbeitung und Zubereitung von Fleisch ist dessen tierischer Ursprung im Alltag häufig nicht mehr erkennbar.Abbildung 1. Durch die Verarbeitung und Zubereitung von Fleisch ist dessen tierischer Ursprung im Alltag häufig nicht mehr erkennbar.Zusätzlich verhindern bestimmte gesellschaftliche Praktiken, dass Menschen ihren Fleischkonsum in Frage stellen. Ein Beispiel hierfür ist die Präsentation und Zubereitung von Fleisch, sodass dessen tierischer Ursprung nicht erkennbar ist (Abbildung 1). So zeigten Kunst und Hohle (2016) in einer Serie von Online-Studien unter anderem, dass Norweger*innen und US-Amerikaner*innen Fleisch ekliger fanden, wenn es mit anstatt ohne Knochen gezeigt wurde. Dies führte dazu, dass Teilnehmende eher eine vegetarische Alternative auswählten. Durch Gewohnheiten, Normen und gesellschaftliche Praktiken nehmen Menschen also überhaupt nicht wahr, dass sie Fleisch—und damit Tiere—essen. Somit wird Dissonanz von vorneherein vermieden (Bastian & Loughnan, 2017).

Aktive Dissonanzreduktion

Dennoch entsteht in manchen Situationen Dissonanz. Rothgerber (2019) beschreibt dazu fünf Kategorien von Auslösern: 1. Informationen zu Bedingungen der Massentierhaltung; 2. Hinweise auf den tierischen Ursprung von Fleisch; 3. das Eingeständnis, dass man Fleisch isst; 4. das Eingeständnis, dass Fleischkonsum Tieren schadet; und 5. die Anwesenheit einer Person, die kein Fleisch isst. Solche Auslöser triggern das Fleischparadox und Menschen versuchen, die resultierende Dissonanz aufzulösen. US-amerikanische Online-Studien zeigen etwa, dass Tieren weniger Fähigkeiten und Emotionen zugeschrieben wurden, wenn vorher eine Information über Vegetarier*innen gegeben wurde, und dass der eigene Fleischkonsum relativiert wurde (Rothgeber, 2014).

Um herauszufinden, ob Menschen wirklich das Fleischparadox auflösen, wenn sie einen Widerspruch empfinden, führten wir eine eigene Studie durch (Buttlar & Walther, 2018), in der wir versuchten, das Fleischparadox messbar zu machen. Dazu baten wir 32 Vegetarier*innen bzw. Veganer*Innen und 32 Fleischesser*innen in mehreren Durchgängen, pflanzliche und fleischliche Lebensmittel mit einer Computermaus als positiv oder als negativ zu bewerten. Alle Durchgänge begannen mit der Maus in der unteren Mitte des Bildschirms, wobei die Antwortoptionen oben rechts und oben links platziert waren (Abbildung 2). Durch die Aufzeichnung der Mausbewegungen maßen wir, inwieweit die Teilnehmenden einen Widerspruch bei der Bewertung der Lebensmittel empfanden: Führten sie eine gerade Bewegung zur Antwortoption aus, empfanden sie ein Bild als klar positiv oder negativ (Abbildung 2 rechts); führten sie eine eckige oder geschwungene Bewegung aus, empfanden sie einen Widerspruch, da sie zwischen der positiven und der negativen Option hin- und hergerissen waren (Abbildung 2 links). Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Menschen, die Fleisch essen, bei der Bewertung von Fleisch stärker zwischen den Antwortoptionen hin- und hergerissen sind als bei der Bewertung von pflanzlichem Essen. Interessanterweise glaubten die Teilnehmenden, die Fleisch essen, umso mehr, dass Tiere wenig Emotionen empfänden und Fähigkeiten besäßen, je stärker sie einen Widerspruch zu Fleisch empfanden.

Abbildung 2. Darstellung von zwei Durchgängen der Studie von Buttlar und Walther (2018; Bildnachweis: Blechert, Meule, Busch, & Ohla, 2014). Die gelben Punkte waren für die Teilnehmenden nicht sichtbar; sie sind zur Illustration der Mausbewegungen eingezeichnet.Abbildung 2. Darstellung von zwei Durchgängen der Studie von Buttlar und Walther (2018; Bildnachweis: Blechert, Meule, Busch, & Ohla, 2014). Die gelben Punkte waren für die Teilnehmenden nicht sichtbar; sie sind zur Illustration der Mausbewegungen eingezeichnet.

Das zeigt, dass Menschen aktiv versuchen, das Fleischparadox und die resultierende Dissonanz über psychologische Strategien aufzulösen. Dazu grenzen Bastian und Loughnan (2017) in einem Übersichtsartikel drei verschiedene Strategien ab, durch die das gelingt: 1. Menschen nehmen an, dass (Nutz-)Tiere wenig Emotionen und Fähigkeiten empfinden und verharmlosen damit das Leid, das Fleischkonsum verursacht; 2. Menschen rechtfertigen, dass sie Fleisch essen und geben dabei die Verantwortung für ihr Verhalten ab (zum Beispiel indem sie annehmen, dass Fleischkonsum notwendig, natürlich, normal und lecker sei; Piazza et al., 2014); 3. Menschen äußern, dass sie nur wenig Fleisch äßen und leugnen so die eigene Beteiligung an dem moralisch fragwürdigen Verhalten. Diese Strategien erlauben es, dass sie ihre Ernährungsweise beibehalten, auch wenn ihnen bewusst wird, dass dafür Tiere sterben.

Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Ernährung

Aufgrund der moralischen Implikationen von Fleischkonsum haben Menschen Strategien entwickelt, die ihnen helfen, ihre Ernährung aufrechtzuerhalten. Gewohnheiten, soziale Normen und gesellschaftliche Praktiken verhindern, dass Menschen Fleischkonsum als solchen wahrnehmen oder hinterfragen. Sind sich Menschen doch der Probleme bewusst, rechtfertigen sie oft, dass Fleischkonsum notwendig, natürlich und normal sei und dass sie sowieso auf den leckeren Geschmack nicht verzichten könnten (Piazza et al., 2014). Dadurch erschweren diese Strategien es auch, dass jene Menschen auf Fleisch verzichten, die eine ökologische statt einer tierethischen Motivation haben: Handeln Menschen aus Gewohnheit, wird Verhalten automatisch ausgeführt; so wird der Gang zur Fleischtheke gar nicht bewusst. Handeln dann auch noch alle anderen so, suggeriert uns diese Norm, dass das Verhalten akzeptabel ist. Und selbst wenn es zu einem Problembewusstsein kommt, werden Menschen durch ihre aktiven Rechtfertigungen davon abgehalten, ihr Verhalten zu ändern: Wer schützt schon die Umwelt durch Fleischverzicht, wenn man glaubt, dass man Fleisch essen muss, um gesund zu sein. Daher sollte man diese Strategien berücksichtigen, um nachhaltige Ernährung zu fördern.

Das Erzeugen einer Absicht

Zuerst ist es notwendig, eine Absicht zu erzeugen. Dazu muss das Problembewusstsein der Menschen geweckt und in ihnen Dissonanz ausgelöst werden; nur so können sie ihre Ernährung hinterfragen (Bastian & Loughnan, 2017). Ist das geschafft, sollten jene Strategien adressiert werden, die Menschen nutzen, um Dissonanz zu reduzieren und somit ihren Fleischkonsum aufrecht zu erhalten. Um diesen Prozess zu demonstrieren, stellten wir einen Katalog zusammen, der wissenschaftliche Argumente gegen die Verharmlosung des Leids, das Rechtfertigen von Fleischkonsum und das Leugnen eigener Beteiligung beinhaltet (Buttlar, Rothe, Kleinert, Hahn & Walther, 2020; Katalog verfügbar unter: https://osf.io/6nxap/).

Abbildung 3. Tierrechtsaktivist*innen von Animal Liberation Trier zeigen Videos über die Herstellungsbedingungen von Fleisch.Abbildung 3. Tierrechtsaktivist*innen von Animal Liberation Trier zeigen Videos über die Herstellungsbedingungen von Fleisch.Die Wirkung des Katalogs testeten wir in zwei Studien mit Tierrechtsaktivist*innen, die Videos zu Produktionsbedingungen von Fleisch in der Trierer Fußgängerzone zeigten (Abbildung 3). Nachdem sie so das Fleischparadox bewusstmachten und damit Dissonanz auslösten, sprachen die Aktivist*innen mit interessierten Passant*innen. Hierbei versuchten sie zu erkennen, welche Argumente zur Reduktion der Dissonanz genutzt wurden und entgegneten diesen mit den Argumenten aus dem Katalog. Zum Beispiel könnte auf Rechtfertigungen, dass Fleischkonsum gesundheitlich notwendig sei, erwidert werden, dass laut der Amerikanischen Ernährungsgesellschaft eine gut geplante vegane Ernährung in allen Phasen des Lebenszyklus angemessen und nahrhaft sei; erfolgen daraufhin Aussagen, dass vegane Menschen aber nicht genug Proteine für den Muskelaufbau bekämen, könnte erklärt werden, dass immer mehr professionelle Sportler auf eine vegane Ernährung umsteigen, wie etwa Patrick Baboumian—der stärkste Mann der Welt. Dabei erfassten wir entweder vor oder nach dem Gespräch, inwiefern die Teilnehmenden Tieren Emotionen und Fähigkeiten zusprachen und wie stark sie Rechtfertigungen für Fleischkonsum zustimmten. Personen, die nach dem Gespräch mit den Aktivist*innen befragt wurden, glaubten, dass Tiere eher zur Empfindung von Emotionen fähig sind als jene, die vor dem Gespräch befragt wurden. Dies führte zu einer stärkeren Absicht, auf Fleisch zu verzichten.

Von der Absicht zum Verhalten

Ist erst einmal die Absicht da, auf Fleisch zu verzichten, ist es wichtig, den Strukturen entgegenzuwirken, die verhindern, dass Menschen ihren Fleischkonsum überhaupt als Problem wahrnehmen. Einen guten Ansatzpunkt bieten dabei Gewohnheiten. Sie können bewirken, dass auf eine Absicht auch Taten folgen. Um eigenen Gewohnheiten im Alltag zu entkommen, helfen sogenannte Implementations-Intentionen. Diese wirken durch das Erstellen von Wenn-Dann-Plänen zu konkreten Situationen. So wird es möglich, in der festgelegten Situation nicht automatisch—also ohne nachzudenken—aus Gewohnheit zu handeln. Stattdessen wird nach dem Aufstellen eines solchen Plans in der konkretisierten Situation die Absicht bewusst, kein Fleisch zu essen, und eine vorgeplante Alternative kann stattdessen umgesetzt werden.

Um die Wirksamkeit von Implementations-Intentionen zu demonstrieren, führten Rees und Kolleg*innen (2018) eine Studie mit Menschen durch, die ihren Fleischkonsum reduzieren wollten. Einen zufällig ausgewählten Teil der Teilnehmenden baten sie, sich konkrete Situationen (inklusive Zeit und Ort) vorzustellen, in denen sie kein Fleisch essen möchten. Danach sollten sie sich vorstellen, was sie stattdessen essen würden, und dies als Wenn-Dann-Plan aufschreiben (z. B. „Wenn ich mittags in der Mensa bin, dann gehe ich zur vegetarischen Theke und esse einen Salat“). Der andere Teil der Teilnehmenden stellte keinen Plan auf. Es zeigte sich, dass Personen, die einen Wenn-Dann-Plan aufstellten, in der Woche darauf mehr über ihre Absicht nachdachten, weniger Fleisch zu essen. Dies führte dazu, dass sie tatsächlich weniger Fleisch aßen als Personen ohne Plan.

Die aufgeführten Studien legen nahe, dass mehrere Maßnahmen sinnvoll sind, um nachhaltige Ernährungsweisen zu fördern. Tatsächlich zeigte ein Forscher*innenteam aus Kanada (Amiot, Boutros, Sukhanova & Karelis, 2018) kürzlich die Wirksamkeit einer solchen Kombination aus Maßnahmen. Dazu vermittelten sie in einer Studie zunächst Informationen zu Fleisch bezüglich Gesundheit, Nachhaltigkeit und Tierleid. Aufbauend darauf wendeten sie weitere Komponenten an: so wurde die soziale Norm Fleisch zu essen in Frage gestellt, die Empfindsamkeit von Tieren verdeutlicht, geholfen spezifische Ziele zu setzen und die Zielerreichung mit täglichen Nachrichten (die die Vorteile von Fleischverzicht verdeutlichen und Tipps zu einer fleischlosen Ernährung geben) gefördert. Diese Methode half den 32 männlichen Teilnehmern Absichten zu erzeugen, weniger Fleisch zu essen, und diese zu erreichen. Die Teilnehmer gaben dabei an, dass mehrere Komponenten wichtig waren, um effektiv auf Fleisch verzichten zu können. Das verdeutlicht einmal mehr, dass Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Ernährung unterschiedlichste Komponenten beinhalten müssen, um erfolgreich zu sein.

Zusammenfassung

Durch die Forschung zum Fleischparadox wird deutlich, warum es Menschen so schwerfällt, auf Fleisch zu verzichten. Da Menschen sich als moralisch integre Personen sehen möchten, für ihren Fleischkonsum aber gleichzeitig Tiere sterben, haben Menschen Strategien entwickelt, diesen Widerspruch aufzulösen: Durch Gewohnheiten, Normen und gesellschaftliche Traditionen und Rituale kommt es häufig gar nicht erst dazu, dass das Fleischparadox bewusst wird. Kommt es doch dazu, verharmlosen Menschen das Leid der Tiere, streiten sie die Verantwortung für ihr Verhalten ab und leugnen sie ihre Beteiligung an dem Verhalten. Diese Strategien erlauben es Menschen, ohne Reue weiter Fleisch zu essen, obwohl sie wissen, dass Tiere dafür sterben. Sie stellen damit aber auch ein Hindernis für Menschen dar, die aus ökologischen Gründen motiviert sind, auf Fleisch zu verzichten. Dies sollte berücksichtigt werden, wenn man Fleischkonsum reduzieren und damit nachhaltige Ernährungsweisen fördern möchte.

Literaturverzeichnis

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Bildquellen

Bild 1: Ryan McGuire via Pixabay (https://pixabay.com/de/photos/kalb-kuh-maverick-nutztiere-362170/, Lizenz: https://pixabay.com/de/service/license/)

Bild 2: https://pixabay.com/de/photos/grill-fleisch-sommer-lecker-essen-804299/

Bild 3: Abbildung erstellt von Benjamin Buttlar. Bilder der Lebensmittel aus Blechert, Meule, Busch und Ohla (2014).

Bild 4: Fotograf und Rechteinhaber: Fabian Schönsiegel

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