Der goldene Weg zum Glück: Wie können wir unser Geld sinnvoll ausgeben?

Geld kauft uns Nahrung, Unterkunft, Zugang zu Bildung und schützt uns vor Sorgen. Dennoch ist der Zusammenhang zwischen Geld und Glückserleben in den reichen Industrienationen keineswegs so hoch, wie man es erwarten würde. Wenn Geld doch alles kaufen kann, wieso sind wir nicht sehr viel glücklicher mit mehr Konsummöglichkeiten? Und wie können wir unser Geld doch glücksbringend einsetzen? Der folgende Beitrag versucht, mögliche Antworten auf diese Fragen zu finden.

„Da ist kein Ding zu hoch noch fest, das sich um Geld nicht kaufen lässt“, so ruft Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“, bevor er dem Tod selbst begegnet. Nehmen wir einmal an, Sie wären so reich wie Jedermann. Wären Sie der glücklichste Mensch auf der Welt? Oder stellen Sie sich vor, Sie gewännen heute eine Million Euro im Lotto. Würde sich Ihr Leben anschließend langfristig positiv verändern?

Bild von Janet WeßlerIn einer viel zitierten Studie aus den 1970ern fanden Brickman, Coates und Janoff-Bulman (1978), dass Personen einige Monate nach einem Lottogewinn nicht glücklicher waren als Durchschnittspersonen. Auch im Ländervergleich zeigt sich: Sobald das Einkommen unsere Grundbedürfnisse abdeckt, gibt es nur noch einen mäßigen Zusammenhang zwischen dem Kontostand und subjektivem Wohlbefinden (Diener & Biswas-Diener, 2002). Geld scheint nicht so viel Glück zu kaufen, wie wir es uns durch dieses erhoffen. Kann Geld trotzdem glücklich machen? Die psychologische Forschung findet hierauf eine einfache Antwort: Ja. Aber nur, wenn wir es richtig ausgeben. In Anlehnung an den Artikel „If money doesn’t make you happy, then you probably aren’t spending it right“ von Dunn, Gilbert und Wilson (2011) beschreibt der folgende Beitrag wichtige psychologische Theorien und Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Konsumverhalten und Glücksempfinden und liefert ein paar Tipps, wie wir unser Geld glücksbringend einsetzen können.

Hedonistische Adaptation

Positive Erfahrungen machen uns zwar kurzfristig glücklich, langfristig aber heben sie unseren Vergleichsstandard, und mit der Zeit setzt Gewöhnung an diesen neuen Standard ein (Sheldon & Lyubomirsky, 2012). Um unser Glück zu halten, müssen alle nachfolgenden Erfahrungen unseren neuen Ansprüchen gerecht werden. So hebt zum Beispiel ein Lottogewinn unseren Anspruch dermaßen, dass durchschnittliche alltägliche Dinge nicht mehr so belohnend sind wie ohne den Gewinn (z. B. mit Freunden reden; Brickman et al., 1978).

Aus diesem Grund ist ein erster wichtiger Grundsatz: Konsumieren Sie so, dass sich keine Gewöhnung einstellt! In einer Studie von Nelson und Meyvis (2008) erhielt eine Hälfte der Versuchspersonen eine Massageeinheit ohne Pause, eine andere Hälfte eine Massageeinheit in derselben Länge, nur unterbrochen durch eine 20-sekündige Pause. Welche Variante würden Sie vorziehen? Die Gruppe mit der Pause erlebte die Massage als angenehmer als die Gruppe ohne Pause und war bereit, mehr als doppelt so viel für eine Wiederholung zu zahlen! Die Pause unterbricht den Prozess der Gewöhnung und bewirkt, dass wir dem Genusserlebnis erneut Aufmerksamkeit schenken. Außerdem führt die Aufteilung dazu, dass jede Einheit selbst mehr hedonistisches Gewicht während des Erlebens erhält. Wenn Sie sich ein Stück Torte gönnen, ist die Freude beim ersten Bissen besonders groß. Ein zweites Stück Torte verdoppelt Ihre Freude allerdings nicht (Kahneman & Tversky, 1979). Teilen Sie sich die Torte ein: Wenn Sie jeden Tag ein Stückchen genießen, wird Sie dies viel zufriedener machen, als wenn Sie die ganze Torte auf einmal essen.

Bild von Janet WeßlerEine noch weitergehende Strategie ist es, Verzicht zu üben, bewusst geizig mit sich selbst zu sein und auf aktiven Konsum zu verzichten (Chancellor & Lyubomirsky, 2011). Dies hilft, einfache, kleine Dinge wieder wertzuschätzen und der Spirale immer höherer Standards zu entkommen. Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie bereits haben, und recyceln Sie es, um das positive Gefühl aus der Vergangenheit nicht zu verlieren (Sheldon & Lyubomirsky, 2012). Finden Sie zum Beispiel neue Funktionen für alte, scheinbar nutzlose Dinge. Schauen Sie sich schlicht die Fotos des letzten Urlaubs an, denn solche positiven Erlebnisse stimmen uns besonders freudig.

Van Boven und Gilovich (2003) zeigten, dass Studierende mit dem Kauf ihres letzten Erlebnisses (z. B. eines Urlaubs) zufriedener waren als andere Studierende mit dem Kauf eines materiellen Objekts (jeweils im Wert von ca. 100 US-Dollar). An materielle Gegenstände gewöhnen wir uns viel zu schnell, sie werden Teil des Alltags. Erlebnisse hingegen sind einzigartig und wir erinnern uns in Zukunft gerne an sie zurück. Zusätzlich sind sie Teil unserer eigenen Identität und haben einen hohen sozialen Wert, da wir sie meist mit anderen teilen. Und intakte soziale Beziehungen sind eine besonders wichtige Glücksquelle (Diener & Seligman, 2002). Vielleicht gönnen Sie sich statt eines neuen Fernsehers lieber einen Paragliding-Kurs mit ihren FreundInnen?

Bild von Janet WeßlerDein Glück ist mein Glück

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen am Morgen 20 Euro, die Sie entweder nur für sich selbst oder nur für andere ausgeben dürfen. Vielleicht denken Sie genau wie die Versuchspersonen von Dunn, Aknin und Norton (2008), dass Sie am zufriedensten wären, wenn Sie das Geld für sich selbst ausgäben? Die Forscherinnen und Forscher fanden ein anderes Ergebnis: Versuchspersonen, die ihr morgens erhaltenes Geld bis 17 Uhr für andere ausgeben hatten, waren am Ende des Tages glücklicher als solche, die es für sich selbst ausgegeben hatten.

Harbaugh, Mayr und Burghart (2007) zeigten, dass freiwilliges Geben an das Allgemeingut besondere Zufriedenheit verschafft und Belohnungsareale im Gehirn aktiviert. Nicht umsonst betrug das Spendenvolumen für mildtätige Zwecke in Deutschland im Jahr 2004 rund 3,3 Milliarden Euro (Buschle, 2008). Zahlen Sie beispielsweise den Jahresbeitrag für einen (Sport-)Verein, macht Sie dies gleich dreifach glücklich: Sie geben Ihr Geld für das Allgemeinwohl aus, investieren in eine schöne (sportliche) Erfahrung und stärken Ihre sozialen Beziehungen!

Abstraktes und konkretes Denken

Idylle, Friede, Glück. So stellen wir uns die Zukunft im Haus am See vor. Wenn wir dieses Haus dann tatsächlich besitzen, platzt die Glücksblase plötzlich: Hier muss renoviert, dort etwas repariert werden. Dass wir diese kleinen, lästigen Details missachten, ist ein Streich unserer Vorstellung. Die Construal-Level Theorie (Trope & Liberman, 2010) erklärt, warum: Je weiter etwas zeitlich entfernt liegt, desto abstrakter denken wir darüber nach. Es hilft daher, sich bei einer in der Zukunft liegenden Anschaffung konkret auszumalen, wie das tägliche Leben (und Glück) hiermit aussehen wird (Dunn et al., 2011). Würden Sie zum Beispiel das große Haus am See oder das kleine Haus in der Stadt bevorzugen, wenn beide denselben Preis hätten? Das große Haus am See mag abstrakt gesehen die bessere Alternative sein. Wenn Sie sich allerdings den konkreten Stress vorstellen, den Sie jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit in die Stadt hätten, ist dies vielleicht nicht mehr so! Hier steckt der Teufel im Detail.

Kreditkarten und Online-Shopping erlauben uns, unsere Wünsche sofort zu erfüllen und erst später dafür zu zahlen. Dieses kurzfristig glücklich machende Verhalten kann jedoch langfristig negative Konsequenzen haben, nicht nur in Form von Schulden (Dunn et al., 2011). Der sofortige Konsum ändert nämlich, was genau wir auswählen. Read und van Leeuwen (1998) fragten Versuchspersonen, ob sie eine Woche später ein Stück Obst oder einen Schokoriegel essen wollten. An dem entsprechenden Tag in der nächsten Woche nochmals befragt, revidierten viele Versuchspersonen ihre vorherige Obst-Wahl und entschlossen sich für den Schokoriegel. Wenn wir sofort konsumieren, treffen wir oft „ungesündere“ Entscheidungen, bessere hingegen, wenn wir den Konsum hinauszögern. Denn: Aus der zeitlichen oder räumlichen Distanz wenden wir eher unsere abstrakten moralischen Prinzipien auf Handlungen an als aus der psychologischen Nähe (Eyal, Liberman & Trope, 2008). Der Aufschub hat noch einen weiteren Vorteil: Wir erleben nicht nur die Freude des Augenblicks, sondern zusätzlich die Vorfreude auf das Ereignis (Dunn et al., 2011).

Kognitive Dissonanz

Die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957) geht davon aus, dass wir einen unangenehmen Spannungszustand erleben, wenn wir uns nach der Entscheidung zwischen zwei ähnlichen Alternativen unsicher sind, ob wir die richtige ausgewählt haben. Um diese Spannung zu reduzieren, werten wir die gewählte Alternative auf, die nicht gewählte jedoch ab. In einer Studie von Gilbert und Ebert (2002) musste sich eine Gruppe Versuchspersonen endgültig für eines von zwei Postern entscheiden, die andere Gruppe hatte ein Rückgaberecht. Die Gruppe mit Rückgaberecht bewertete das gewählte Poster nach ein paar Tagen schlechter als die andere Gruppe. Da sie sich jederzeit für eine andere Alternative hätten entscheiden können, war es für diese Gruppe nicht notwendig, Dissonanz zu reduzieren bzw. ihre Entscheidung zu rechtfertigen. Die andere Gruppe hingegen fand sich mit ihrer endgültigen Entscheidung ab und war letztendlich zufrieden hiermit. Da wir also unsere einmal getroffenen Kaufentscheidungen im Nachhinein aufwerten, sind zum Beispiel Garantieverlängerungen meist unnötig (vgl. Stiftung Warentest, 2012).

Zudem geht es uns besser, wenn wir das wählen, womit wir selbst zufrieden sind, ganz unabhängig von anderen Alternativen. Menschen, die stets versuchen, die beste Alternative unter allen finden zu wollen, sind weniger glücklich (Schwartz et al., 2002). Schauen Sie also eher auf Ihre ganz persönlichen Wünsche, statt stundenlang Produkte miteinander zu vergleichen (Dunn et al., 2011). Dies ist auch ein weiterer Vorteil beim Kauf von Erlebnissen: Man kann sie nicht miteinander vergleichen und ihren Kauf deshalb weniger stark bereuen (Dunn et al., 2011).
Die vorgestellten Theorien und Forschungsbefunde zusammenfassend lassen sich folgende Empfehlungen geben:

  1. Teilen Sie Ihren Konsum in kleine, zeitversetzte Einheiten ein.
  2. Üben Sie Verzicht.
  3. Investieren Sie in Erlebnisse anstatt in materielle Objekte.
  4. Geben Sie Geld für andere Menschen aus.
  5. Bedenken Sie die Details.
  6. Kaufen Sie jetzt und konsumieren Sie später.
  7. Treffen Sie endgültige und absolute statt relativer Entscheidungen.

Diese Empfehlungen liefern wichtige Hinweise darauf, wie wir unser Geld sinnvoller ausgeben können. Sicherlich können sie durch weitere ergänzt werden. Probieren Sie in der Praxis aus, was Sie glücklich macht, indem Sie zum Beispiel Ihr Glückempfinden nach bestimmten Käufen notieren. Es gibt viele Wege zum Glück, die nicht notwendigerweise mit Geld zu gehen sind. Aber eine kleine Gehstütze kann jeder Mensch einmal gebrauchen.

Literaturverzeichnis

Brickman, P., Coates, D. & Janoff-Bulman, R. (1978). Lottery winners and accident victims: Is happiness relative? Journal of Personality and Social Psychology, 36, 917- 927.
Buschle, N. (2008). Spenden - vom wem und wofür? Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. doi: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/FinanzenSteuern/2008_02/PDF2008_2.pdf?__blob=publicationFile
Chancellor, J. & Lyubomirsky, S. (2011). Happiness and thrift: When (spending) less is (hedonically) more. Journal of Consumer Psychology, 21, 131-138.
Diener, E. & Biswas-Diener, R. (2002). Will money increase subjective well-being? Social Indicators Research, 57, 119-169.
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Dunn, E. W., Gilbert, D. T. & Wilson, T. D. (2011). If money doesn't make you happy, then you probably aren't spending it right. Journal of Consumer Psychology, 21, 115-125.
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Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford, CA: Stanford University Press.
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Sheldon, K. M., & Lyubomirsky, S. (2012). The challenge of staying happier: Testing the hedonic adaptation prevention model. Personality and Social Psychology Bulletin, 38, 670-680.
Stiftung Warentest (2012). Garantie: Viel Hoffnung, wenig Schutz. Test 07/2012, 14-15. doi: http://www.test.de/Garantie-Viel-Hoffnung-wenig-Schutz-4406366-4406371/
Trope, Y. & Liberman, N. (2010). Construal-level theory of psychological distance. Psychological Review, 117, 440-463.
Van Boven, L. & Gilovich, T. (2003). To do or to have? That is the question. Journal of Personality and Social Psychology, 85, 1193-1202.

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