Welche Karriere passt zu mir? Wie Selbststereotypisierung Karriereentscheidungen beeinflussen kann

Männer und Frauen haben nicht nur stereotype Annahmen über andere, sondern schreiben sich auch selbst stereotype Eigenschaften zu. Diese sogenannten Selbststereotype haben wichtige Konsequenzen für Entscheidungen und das Verhalten von Männern und Frauen – vor allem im Karrierekontext. Wir erklären, wie Selbststereotype entstehen und wie sie Karriereentscheidungen, Verhalten und Leistung beeinflussen können. Abschließend geben wir praktische Tipps, wie Einzelpersonen und Unternehmen den Einfluss von Selbststereotypen minimieren können und dabei einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis näher kommen können.

„We must reject not only the stereotypes that others have of us but also those we have of ourselves.“ Shirley Chisholm, 1970, erste afroamerikanische Abgeordnete im US Repräsentantenhaus. 

Was sind Selbststereotype?

Wenn wir Menschen befragen, wie sie sich selbst sehen und beschreiben, haben diese meist ein klares Bild von sich: Frauen beschreiben sich – mehr als Männer – mit sogenannten „kommunalen“ (von engl. communal) Eigenschaften. Diese stehen für Beziehungs- und Gemeinschaftsorientierung wie beispielsweise hilfsbereit, empathisch oder emotional. Männer beschreiben sich – mehr als Frauen – mit sogenannten „agentischen“ (von engl. agency) Eigenschaften. Diese stehen für Aufgaben- und Leistungsorientierung wie beispielsweise dominant, durchsetzungsstark oder führungskompetent (Hentschel, Heilman & Peus, 2013). 

Diese Unterschiede in der Selbstwahrnehmung von Männern und Frauen werden als Selbststereotype bezeichnet, da es sich um geschlechtskonforme Annahmen, die Männer und Frauen in ihrem Selbstbild verinnerlicht haben, handelt. Selbststereotype sind allgemein und insbesondere auch im Arbeitskontext von Bedeutung. Die unterschiedlichen Selbststereotype von Männern und Frauen wirken sich unterschiedlich auf wichtige Lebensentscheidungen aus, da Frauen und Männer sich passend zu ihren Selbststereotypen verhalten. Besonders daraus resultierende verschiedene Karriereentscheidungen sind mitverantwortlich für das bestehende Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in unserer Arbeitswelt: die ungleiche Verteilung von Frauen und Männer in unterschiedliche Arbeitsfelder (horizontale Segregation der Geschlechter) und die stärkere Vertretung von Männern in Macht- und Führungspositionen (hierarchische Segregation der Geschlechter). 

In anderen Beiträgen dieser Ausgabe des In-Mind Magazins wurde bereits detailliert über Geschlechtsstereotype – verallgemeinernde Annahmen über Männer und Frauen – sowie deren Folgen berichtet. In diesem Artikel möchten wir uns damit beschäftigen, wie Selbststereotype unsere Karriereentscheidungen beeinflussen können. Unter Karriereentscheidungen verstehen wir dabei sowohl die Wahl für einen bestimmten Berufsweg (z. B. Studienfeld, Arbeitssektor) als auch die Wahl eine Führungskarriere anzustreben oder nicht.

Wie entstehen Selbststereotype?

Männer und Frauen handeln und entscheiden teilweise unterschiedlich. Häufig wird argumentiert, dass Verhaltensunterschiede der Geschlechter biologisch bedingt – und damit nicht veränderbar – sind. Als Beispiel wird oft genannt, dass sich schon kleine Kinder für unterschiedliche Spiele und Spielsachen interessieren. Obwohl es in der Tat Unterschiede im Gehirn und Hirnaktivitäten von Jungen und Mädchen gibt, gehen WissenschaftlerInnen heute davon aus, dass Geschlechtsunterschiede – und demnach auch Selbststereotype – in großen Anteilen sozial bedingt sind. So zeigt eine Studie, dass es im Alter von 12 Monaten noch keine Präferenz von Autos bei Jungen und Puppen bei Mädchen gibt, diese sich aber mit 18 Monaten herausgebildet hat (Serbin, Poulin-Dubois, Colburne, Sen & Eichstedt, 2001). Wenn wir uns agentisches und kommunales Verhalten anschauen, gibt es bei 13 bis 14 Monate alten Kleinkindern noch keine Geschlechtsunterschiede. Allerdings verstärken Erwachsene ( stereotyp konformes) agentisches Verhalten von Jungen und zurückhaltendes Kommunikationsverhalten von Mädchen. Nur 11 Monate später – im Alter von zwei Jahren – haben Kinder gelernt, welche Verhaltensweisen für sie am erfolgversprechendsten sind. Ab etwa diesem Alter verhalten sich Jungen im Durchschnitt agentischer als Mädchen und Mädchen kommunizieren mehr mit KindergärtnerInnen als Jungen (Fagot, Hagan, Leinbach & Kronsberg, 1985). 

Informationen über stereotype Eigenschaften von Männern und Frauen sind allgegenwertig und verstärken stereotype Bilder. Obwohl es viele Initiativen gibt, Stereotype und traditionelle Rollenverteilungen aufzulösen, um mehr Gleichstellung zwischen den Geschlechtern zu ermöglichen, ist dieses Ziel noch in weiter Entfernung. Zwar gibt es heute deutlich mehr Frauen in der Erwerbsarbeit als vor einigen Jahrzehnten, doch sind Männer und Frauen auch heute häufig in unterschiedlichen sozialen Rollen konzentriert: Frauen übernehmen noch immer mehr Haushalts- und Familienarbeit, sind häufiger in Teilzeit beschäftigt und verbringen mehr

Es ist noch immer selten Frauen in traditionell männlichen Rollen wie Handwerkerin oder Männer in traditionell weiblichen Rollen wie Kindergärtner zu sehen. Die Beobachtung von Männern und Frauen in traditionellen Rollen trägt zur Entwicklung von Selbststereotypen bei. Bild von whitesession via pixabay (https://pixabay.com/de/photos/frau-bauhelm-werkzeug-bauarbeiter-2759503/, CC: https://pixabay.com/de/service/license/)Es ist noch immer selten Frauen in traditionell männlichen Rollen wie Handwerkerin oder Männer in traditionell weiblichen Rollen wie Kindergärtner zu sehen. Die Beobachtung von Männern und Frauen in traditionellen Rollen trägt zur Entwicklung von Selbststereotypen bei. Bild von whitesession via pixabay (https://pixabay.com/de/photos/frau-bauhelm-werkzeug-bauarbeiter-2759503/, CC: https://pixabay.com/de/service/license/)

Zeit mit Kindererziehung als Männer. In vielen technischen Berufen und in gesellschaftlichen Machtpositionen sind Frauen hingegen stark unterrepräsentiert. So lernen Kinder Geschlechterstereotype beispielsweise über die Beobachtung, dass es eher Frauen sind, die als Kindergärtnerinnen oder Pflegerinnen arbeiten und kommunale, fürsorgliche Tätigkeiten übernehmen. Sie lernen Geschlechterstereotype auch über die Beobachtung, dass es eher Männer sind, die als Bauarbeiter oder Installateure arbeiten und agentische, lösungsorientierte Tätigkeiten ausführen. Durch diese Beobachtung von Männern und Frauen in traditionellen Rollen lernen Kinder, wie Frauen und Männer „sind“. 

Durch die Beobachtung von geschlechtskonformem Verhalten von Erwachsenen sowie anderen Kindern und von Reaktionen anderer auf dieses Verhalten (siehe Studie oben: geschlechterrollenkonformes Verhalten wird eher belohnt und verstärkt), lernen Kinder wie Frauen und Männer „sein sollten“. Sobald Kinder erkannt haben, dass sie einer der Geschlechtergruppen angehören, sind sie bestrebt, ähnlich wie andere in dieser Gruppe zu sein und sich ähnlich zu verhalten. Sie übernehmen (unbewusst) typische Eigenschaften des jeweiligen Geschlechts in ihr Selbstbild (Martin & Ruble, 2004). 

Wie wirken Selbststereotype?

Selbststereotype können unser Verhalten stark beeinflussen – meist ohne dass wir ihre Präsenz oder ihren Einfluss überhaupt bemerken. Wie genau Selbststereotype Karriereentscheidungen und Verhalten beeinflussen ist vielseitig. Hier werden drei wichtige Mechanismen erklärt: (1) die Theorie der mangelnden Passung, (2) Bedrohung durch Stereotype, sowie (3) das Abwertungs-Vermeidungs-Modell.

1) Theorie der mangelnden Passung. Bei der Studien- oder Berufswahl gibt es eine starke Selbstselektion: Männer entscheiden sich eher für sogenannte MINT-Felder (Mathematik, Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften, Technik). Frauen entscheiden sich eher für soziale Studien- und Berufsfelder (z. B. Pädagogik, Pflegeberufe) und streben seltener Führungspositionen an. Warum ist das so?

Madeline Heilman geht in ihrer Theorie der mangelnden Passung (Heilman, 1983, 2012) davon aus, dass wir bei Karriereentscheidungen unsere Passung auf bestimmte Berufsfelder abschätzen, indem wir unsere eigenen Eigenschaften mit den wahrgenommenen Anforderungen von Berufsfeldern abgleichen. Durch diesen Vergleich schätzen wir (teilweise unbewusst) ein, wie gut unsere Leistung in einem Beruf sein könnte. Ein Beispiel: Führungspositionen werden in vielen Fällen als stark agentisch wahrgenommen („Führungskräfte sollten durchsetzungsstark, dominant und führungskompetent sein!“). Schätzt eine Frau, die sich selbst als sehr kommunal und weniger agentisch wahrnimmt, die Passung ihrer Eigenschaften zu denen der Führungsposition ein, wird sie nur eine geringe Passung wahrnehmen (Powell & Butterfield, 2015). Daraus könnte sie schließen, nicht die notwendigen Kompetenzen für die Position mitzubringen – auch wenn dem vielleicht gar nicht so ist. 

Die Wahrnehmung einer fehlenden Passung entsteht nicht allein auf Basis von Kompetenzen. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist, ob wir uns in einem Feld oder Beruf wohlfühlen würden. Wir schätzen also auch unsere Passung in Bezug darauf ein, ob wir in diesem Feld dazugehören würden. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit ist höher, wenn wir erwarten, dass andere Personen aus diesem Beruf oder Studium uns besonders ähnlich sind. 

Wenn Personen ihre Passung in Hinblick auf Kompetenz oder Zugehörigkeit als gering wahrnehmen, kann es zu einer geschlechterstereotypen Selbstselektion kommen, indem sich Personen gegen einen Beruf oder eine Tätigkeit entscheiden. Einige Berufe wie beispielsweise IngenieurIn oder SoldatIn werden mit agentischen Eigenschaften in Verbindung gebracht; andere Berufe wie KindergärtnerIn oder KommunikationspsychologIn mit kommunalen Eigenschaften. Durch agentische und kommunale Selbststereotype nehmen Männer im Schnitt eher eine Passung mit den erstgenannten und Frauen mit den zweitgenannten Berufsfeldern wahr. Auch Versorgung und Erziehung von Kindern erfordert hohe Kommunalität. So kann die wahrgenommene fehlende Passung von Männern auf kommunale Rollen ebenfalls dazu führen, dass sich Männer seltener für lange Elternzeiten entscheiden (neben anderen Faktoren, wie einem häufig höherem Gehalt oder der Befürchtung von sozialem Unverständnis im Umfeld). Diese Selbstselektionsprozesse tragen zum Geschlechterungleichgewicht in Berufen und Karrierestufen bei (neben stereotypen Auswahlentscheidungen von Unternehmensseite, siehe andere In-Mind Artikel in dieser Sonderausgabe). 

Die Wahrnehmung von Passung wirkt sich auch auf andere karriererelevante Entscheidungen aus: 

a) Welche Aufgaben trauen wir uns zu? Frauen verinnerlichen den Selbststereotyp, dass sie in bestimmten Bereichen weniger kompetent sind als Männer und haben zum Teil ein geringeres Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten. Daher wählen sie unter Leistungsdruck eher weniger herausfordernde Aufgaben – herausfordernde Aufgaben wirken sich allerdings oft sehr positiv auf Karrierechancen aus (De Pater, Van Vianen, Fischer & Van Ginkel, 2009). 

b) Entscheiden wir uns allein oder im Team zu arbeiten? Frauen erwarten (unbewusst) weniger erfolgreich zu sein bei der Erledigung traditionell maskuliner Aufgaben (z. B. Motoröl wechseln) während Männer weniger Erfolg bei traditionell femininen Aufgaben (z. B. Schaufenster gestalten) erwarten. Dies führt dazu, dass sich Männer und Frauen bei Aufgaben, die jeweils für das andere Geschlecht traditionell sind, eher für Teamarbeit (als alleine zu arbeiten) entscheiden; sie hoffen im Team erfolgreicher zu sein als alleine (Vancouver & Ilgen, 1989).

c) Wie beurteilen Frauen ihren Beitrag zu einer Teamarbeit? Frauen, die gemeinsam mit einem Mann an einer agentischen, traditionell maskulinen, Aufgabe gearbeitet haben und positives Teamfeedback („Das Team hat exzellent gearbeitet!“) erhalten haben, schreiben ihrem Teampartner den Hauptanteil an Arbeit und Erfolg zu (und sich selbst dementsprechend weniger). Wenn Frauen aber Einzelfeedback („Sie haben exzellent gearbeitet!“) erhalten, beurteilen sie ihren Anteil am Erfolg genauso wichtig, wie den des Teampartners (Haynes & Heilman, 2013). 

2) Bedrohung durch Stereotype ( Stereotype Threat). Geschlechterstereotype über Fähigkeiten und Kompetenzen (z. B. „Mädchen sind schlechter in Mathe und Jungen in Sprachen.“) können uns beeinflussen (Roberson & Bedrohung durch Stereotype kann durch Aktivierung von Selbststereotypen zu schlechterer Matheleistung von Mädchen und Frauen führen. Bild von geralt via pixabay (https://pixabay.com/de/illustrations/m%C3%A4dchen-schule-tafel-mathematik-1044150/, CC: https://pixabay.com/de/service/license/)Bedrohung durch Stereotype kann durch Aktivierung von Selbststereotypen zu schlechterer Matheleistung von Mädchen und Frauen führen. Bild von geralt via pixabay (https://pixabay.com/de/illustrations/m%C3%A4dchen-schule-tafel-mathematik-1044150/, CC: https://pixabay.com/de/service/license/)Kulik, 2007). Ein Beispiel: Wenn Frauen vor einem Mathematiktest ihr Geschlecht ankreuzen müssen, und so unbewusst ihr Wissen um diese Stereotype aktiviert wird, schneiden sie tatsächlich schlechter als Männer ab (nicht aber, wenn das Geschlecht erst nach dem Test angekreuzt werden muss). Ähnliches zeigt sich für Männer, wenn in einer Situation emotionale Sensibilität gefordert ist. Auch subtilere Stereotypensignale können diese Effekte hervorrufen: So zeigen Ingenieurinnen schlechtere Leistung, wenn sie mit sexistischen Männern Kontakt hatten (Logel et al., 2009) und Frauen zeigen geringere Ambitionen eine Führungsrolle zu übernehmen, wenn sie zuvor Werbeclips mit traditionellen Geschlechterrollen gesehen hatten – nicht aber mit neutralen Werbeclips (Davies, Spencer & Steele, 2005).

3) Abwertungs-Vermeidungs-Modell. In vielen Fällen können Frauen und Männer recht akkurat abschätzen, wie andere auf sie reagieren, wenn sie bestimmte Verhaltensweisen zeigen. Unter Umständen passen sie dadurch aktiv ihr Verhalten an, um Rollenerwartungen an ihr Geschlecht zu erfüllen. Beispielsweise werden sich stark selbstvermarktende Frauen im Jobinterview weniger gemocht als Männer, was sich auf ihre Einstellungschancen auswirken kann. Das Abwertungs-Vermeidungs-Modell (Moss-Racusin & Rudman, 2010) geht davon aus, dass diese potentielle Abwertung Frauen bewusst ist und sie sich absichtlich mehr zurücknehmen um soziale Abwertung zu vermeiden. In einer anderen Studie verhandelten Frauen fast US$8000 Jahresgehalt weniger als Männer. Auch hier war der Grund für ihr zurückhaltendes Verhalten, dass sie Angst vor negativen Bewertungen und sozialer Zurückweisung hatten (Amanatullah & Morris, 2010).

Praktische Tipps zur Verringerung des Einflusses von Selbststereotypen

Was können Personen selbst tun? 

Mit Hilfe von Selbstreflexion (z. B. in Coachings) können sich Männer und Frauen ihrer selbst bewusster werden: „Was sind meine Stärken?“ oder „Welche Stärken nehmen andere Personen wie KollegInnen oder Vorgesetzte an mir wahr?“. Die resultierende bessere Selbsteinschätzung basiert dann weniger auf Stereotypen und kann zu einer akkurateren Passungsabschätzung mit Berufen und Tätigkeiten führen. Auch kann ein Bewusstsein dafür hilfreich sein, dass ein erster Eindruck von Berufsfeldern oder Jobs nicht immer richtig ist. Viele traditionell maskuline Bereiche erfordern neben den offensichtlich agentischen Eigenschaften wie Lösungs- und Aufgabenorientierung auch weniger offensichtliche kommunale Eigenschaften wie Konfliktfähigkeit und Kooperation (und umgekehrt). Oft lohnt daher die Einholung von mehr Informationen, um diverse Aspekte von unterschiedlichen Tätigkeiten zu erkennen. Eine weitere Möglichkeit, Selbststereotype zu verringern und die Führungsmotivation von Frauen zu stärken, sind Trainings wie beispielsweise Kompetenz- oder Führungstrainings (z. B. Knipfer, Shaughnessy, Hentschel & Schmid, 2017).

In Verhandlungssituationen stecken Frauen oft in einer Zwickmühle: Verhandeln sie zurückhaltender, müssen sie sich mit schlechteren Ergebnissen (wie weniger Gehalt) zufrieden geben; verhandeln sie fordernder, werden sie womöglich weniger gemocht oder als penetrant wahrgenommen. Studien zeigen, dass Frauen nicht negativ bewertet werden, wenn sie für andere (anstatt für sich selbst) verhandeln (Amanatullah & Morris, 2010). Manch agentisches Verhalten von Frauen wird sehr positiv bewertet, sofern es in einer Situation erwartet oder als angebracht angesehen wird, beispielsweise bei Führungskräften (Hentschel, Braun, Peus & Frey, 2018). Weiterhin profitieren Frauen, wenn es eindeutige Verhandlungsregeln und -standards gibt (und dadurch Ambiguität minimiert ist), wenn sie ihr Verhalten an das der anderen Verhandlungspartei anpassen (z. B. Level an Beharrlichkeit), oder wenn sie in Verhandlungen deutlich machen, warum ihre Forderungen legitim sind (Bowles, 2013). Frauen können teilweise negative Bewertungen abschwächen, wenn sie neben agentischem Verhalten auch kommunales Verhalten wie femininen Charme einsetzen (Kray, Locke & Van Zant, 2012). Männer, die kommunales Small Talk Verhalten vor Verhandlungen zeigen, profitieren aber noch mehr als Frauen (Shaughnessy, Mislin & Hentschel, 2015). Dabei ist zentral, dass Frauen nicht die alleinige Verantwortung gegeben wird, Selbststereotype zu hinterfragen oder gar zu ändern; jede und jeder ist angehalten sich immer wieder zu fragen „Hätte ich einen Mann (respektive Frau) in der Situation anders bewertet?“. 

Was können Management und Organisationen tun?

Die wahrgenommene Passung von Frauen auf Führungspositionen wird beeinflusst durch die Wortwahl in Stellenanzeigen. (Quelle: Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement, Technische Universität München)Die wahrgenommene Passung von Frauen auf Führungspositionen wird beeinflusst durch die Wortwahl in Stellenanzeigen. (Quelle: Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement, Technische Universität München)

Für Organisationen ist es wichtig, (vakante) Positionen realistisch und gleichzeitig ausgeglichen in Bezug auf kommunale und agentische Anforderungen darzustellen. Führungspositionen werden aktuell überwiegend mit agentischen Begriffen ausgeschrieben, obwohl einige der effektivsten Führungsverhaltensweisen auf Kommunalität basieren (z. B. Mitarbeitende individuell fördern). Kommunales Führungsverhalten kann sogar die Aufstiegschancen von Führungskräften selbst erhöhen (Hentschel, Braun et al., 2018). Wenn Führungspositionen mit kommunalen (anstelle von agentischen) Begriffen in Stellenanzeigen beworben werden, steigt die Bewerbungsabsicht von Frauen. Die Bewerbungsabsicht von Männern bleibt dabei gleich hoch (für ein Übersichtskapitel zur geschlechtergerechten Gestaltung von Stellenanzeigen siehe Hentschel & Horvath, 2015). Eine Liste kommunaler und agentischer Begriffe, die in Stellenanzeigen vorkommen können, zeigt Tabelle 1.


 

Auch entscheiden sich Frauen eher für traditionell maskuline Bereiche (z. B. Unternehmenstum), wenn Ausschreibungen auf stereotyp maskuline Sprache („Unternehmer“) und Bilder verzichten und stattdessen geschlechtergerechte Sprache („Unternehmer und Unternehmerin“) verwendet wird (Hentschel, Horvath, Sczesny & Peus, 2018).

Workshops zu fairer Rekrutierung und Personalauswahl oder auch Gender-Sensibilisierungsworkshops können den Einfluss von Selbststereotypen in Organisationen verringern. 

Literaturverzeichnis

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