Gieriger Betriebswirt, idealistischer Sozialwissenschaftler – alles nur Klischee?

Das eigene Studienfach verrät einiges über Persönlichkeit, Moralkodex und Aspirationen. So jedenfalls rechtfertigen zahlreiche Studierende ihre Vorurteile gegenüber den Kommilitoninnen und Kommilitonen anderer Fächer. Doch ist an solchen Vorbehalten tatsächlich etwas dran?

 

library hallZumindest hinsichtlich der Lebensziele zeigen sich tatsächlich Unterschiede zwischen Studierenden verschiedener Fächer. So schilderten BWL-Studierende in einer aktuellen Befragungsstudie (Janke & Dickhäuser, 2019) in stärkerem Ausmaß materialistische Lebensziele als Studierende in sozialwissenschaftlichen Studienfächern. Materialistische Lebensziele bezeichnen dabei das Streben danach, später einmal gut zu verdienen sowie Status und Einfluss zu erlangen. Im Gegensatz dazu schilderten Studierende in sozialwissenschaftlichen Studienfächern (Psychologie, Politikwissenschaft, Soziologie) wiederum stärker als BWL-Studierende das Ziel, sich in ihrem Leben selbst verwirklichen zu wollen.

Es ließ sich nicht nachweisen, dass dieser Unterschied zwischen den Studierendengruppen größer wird, je länger das Studium bereits andauert. Dies spricht dagegen, dass das Studienfach die Studierenden in ihren Lebenszielen beeinflusst. Vielmehr wählen sich Studieninteressierte ihr Studienfach wohl im Einklang mit ihren Lebenszielen aus. Dabei ist zu beachten, dass die Gründe, aus denen Studieninteressierte ihr Studium aufnehmen, auch mit ihrem Studienerfolg zusammenhängen.

Je stärker materialistische Gründe hinter der Studienwahl stehen, desto stärker schildern Studierende am Ende ihres ersten Jahres an der Universität Studienabbruchgedanken und desto geringer ist ihre Studienzufriedenheit (Janke, 2019). Ein Grund hierfür ist wahrscheinlich, dass materialistische Ziele häufig erst deutlich nach Studienende erreicht werden können. Diese späte Belohnung hilft wohl eher wenig im Umgang mit den aktuellen Herausforderungen des Studiums.

Nun davon auszugehen, dass BWL-Studierende zu niedriger Studienzufriedenheit verdammt sind, wäre jedoch ein unzulässiger Schluss. So zeigt ein genauerer Blick auf die Befragungsdaten, dass auch BWL-Studierende in deutlich stärkerem Ausmaß nach Selbstverwirklichung als nach materialistischen Lebenszielen streben. Für Studierende in sozialwissenschaftlichen Studienprogrammen ist der Unterschied in der Bedeutung dieser Ziele zwar wie oben beschrieben größer ausgeprägt - beide Gruppen sind sich jedoch zumindest in ihrer Prioritätensetzung einig: Selbstverwirklichung wird höher geschätzt als finanzieller Reichtum. Dieses Streben nach Selbstverwirklichung strahlt auch ins Studium aus. Je stärker Studierende Selbstverwirklichung als wichtiges Lebensziel begreifen, desto mehr streben sie auch danach, ihr Fach wirklich zu verstehen. Dies ist wiederum eine wichtige Voraussetzung für nachhaltigen Studienerfolg.

Das Studienfach mag also tatsächlich ein bisschen etwas über die Aspirationen von Studierenden verraten. Gleichzeitig verbindet Studierende unterschiedlicher Fächer allerdings wohl doch mehr, als sie sich selbst vielleicht gerne eingestehen möchten.

Quellen:

Janke, S. (2019). Prospective effects of motivation for enrollment on well-being and motivation at university. Studies in Higher Education. Advance online publication.

Janke, S. & Dickhäuser, O. (2019). Different major, different goals: University students studying economics differ in life aspirations and achievement goal orientations from social science students. Learning and Individual Differences, 73, 138-146.

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