Lügen auf kurzen Beinen – wie sich prosoziales Lügen in der Kindheit entwickelt

Eine Freundin spielte neulich mit dem Gedanken, ihrer 11-jährigen Nichte Frida nicht die herzensgewünschte neue Puppe zu schenken, sondern eine Holzeisenbahn – weil Puppen kann ja jeder. Doch dann kamen ihr Zweifel: Wie würde Frida reagieren, wenn sie voller freudiger Puppenerwartung das Geschenkpapier aufreißt und das Drama realisiert? Forscherinnen der Universität Wisconsin-Madison und der Radboud Universität in Nijmegen würden sagen: es kommt ganz darauf an, welches T-Shirt der Schenkende anhat…

 

presentDas ungewünschte Geschenk oder die neue Friseur, die einfach nicht gut aussieht… oft greifen wir lieber zu Lügen, sogenannten prosozialen Lügen, als zur Wahrheit, um positive Beziehungen zu lieben Menschen nicht zu gefährden.

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass bereits 3-Jährige sozialverträglich lügen. Dieses Verhalten nimmt mit dem Alter zu. Aber passen Kinder ihr Lügenverhalten daran an, in welcher Beziehung sie zu ihrem Gegenüber stehen?

Um das herauszufinden, wurden über einhundertdreißig  Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren zunächst befragt, wie sehr sie bestimmte Spielzeuge mögen. Man gaukelte ihnen danach vor, über einen Computer mit einem anderen Kind zu spielen. Dieses trug entweder ein T-Shirt in der gleichen Farbe wie das Shirt des kleinen Probanden oder in einer anderen.  Eine gemeinsame T-Shirt-Farbe kann ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit auslösen, man fühlt sich diesen Menschen verbundener. Von einem Kind mit gleicher T-Shirt-Farbe (gleiche Gruppe) oder von einem Kind anderer T-Shirt-Farbe (andere Gruppe) bekamen die Kinder nun genau das Spielzeug geschenkt, das sie am wenigstens mochten.

Die Kinder sollten dem Schenker daraufhin mitteilen, wie gern sie ihr Geschenk mögen. War diese Bewertung des Spielzeugs nun höher als vor dem Versuch, werteten die Autoren dies als prosoziale Lüge.

Den 9-10-Jährigen war die T-Shirt-Farbe egal, sie logen in nur einem Drittel der Testsituationen. Die 11-12-Jährigen hingegen berücksichtigten die Farbe:  Trug das schenkende Kind eine andere Farbe, gehörte also nicht zur eigenen Gruppe, kam es auch hier nur zu etwa 30% Lügen. Trug das schenkende Kind allerdings die gleiche Farbe logen sie prosozial in über 80% der Testsituationen. Ältere Kinder reagierten also auf die Gruppenzugehörigkeit.

Das Ergebnis passt zu vorheriger Forschung: Jüngere Kinder berücksichtigen eher die eigenen Konsequenzen. Sie hatten vermutlich Angst, bestraft zu werden und entschieden sich generell gegen Lügen.

Bei Kindern ab etwa 10 Jahren wird das Gegenüber wichtiger. Sie möchten den anderen nicht verletzen und soziale Beziehungen aufrechterhalten, weswegen sie vermutlich gezielt bei Kindern der eigenen Gruppe logen.

Vielleicht würde sich Frida also über die Eisenbahn freuen; oder nur so tun, um die gute Beziehung zu ihrer Tante aufrecht zu erhalten. Diese würde sich wahrscheinlich noch verbessern, wenn sich hinter dem Geschenkpapier doch die Puppe befinden würde.

Quelle:

Sierksma, J., Spaltman, M., & Lansu, T. A. M. (2019). Children tell more prosocial lies in favor of in-group than out-group peers. Developmental Psychology, 55(7), 1428-1439.

http://dx.doi.org/10.1037/dev0000721

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