TherapeutInnen der Zukunft? Wie virtuelle Figuren Selbstoffenbarung fördern

Virtuelle Figuren mit sozialen Fähigkeiten bieten als innovative Schnittstelle in der Interaktion zwischen Mensch und Computer eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten im therapeutischen Kontext – z.B. bei der Burnout-Reintegration. Könnten sie in Zukunft menschliche TherapeutInnen ersetzen?

Wie geht es weiter nach einem Burnout, wenn die Therapie vorbei ist? Mit wem kann man reden? Virtuelle Figuren mit sozialen Fähigkeiten könnten helfen, wenn Therapieplätze knapp sind (siehe Abbildung; Gebhard, Schneeberger, Dietz, André, & Bajwa, 2019). Sie sind in der Lage, eine positive Beziehung zum menschlichen Gegenüber aufzubauen, indem sie sowohl nonverbale (Lächeln, Nicken, Mimikry) als auch verbale Techniken (Dialog, eigene Selbstoffenbarung) des aktiven Zuhörens umsetzen können. Gleichzeitig vermitteln sie ein Gefühl von Sicherheit und Anonymität.

Gale Lucas und ihr Forschungsteam zeigten, dass diese Eigenschaften von virtuellen Figuren die Selbstoffenbarung in klinischen Interviews erhöht. Eine Hälfte der Versuchspersonen dachte, sie interagiere mit einer computergesteuerten, voll automatisierten Figur, die andere Hälfte dachte, eine andere Person steuere die Figur im Nebenraum. Die Figur stellte zuerst Fragen zum Aufwärmen („Woher kommen Sie?“), dann zu klinischen Symptomen („Wie leicht fällt es Ihnen, nachts zu schlafen?“) und abschließend Fragen, die ein positives Gefühl erzeugen sollten („Worauf sind Sie besonders stolz?“). Die Figur war in der Lage, nonverbal empathisch zu reagieren, Rückfragen zu stellen („Können Sie mir mehr hierzu erzählen?“) und empathisches Feedback zu geben („Es tut mir leid, das zu hören.“).

Die Versuchspersonen, die dachten, dass sie mit einer computer- statt menschengesteuerten virtuellen Figur interagierten, berichteten weniger Angst vor Selbstoffenbarung und weniger Impression Management – sie waren also weniger besorgt, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Sie offenbarten außerdem mehr Trauer in ihren Gesichtsausdrücken – ein Gefühl, welches Menschen ausdrücken, wenn sie sich ihrem Gegenüber öffnen. In den Antworten auf besonders kritische Interviewfragen („Wie nahe stehen Sie Ihrer Familie?“) gaben diese Versuchspersonen auch mehr von sich selbst preis. Interessanterweise waren diese Ergebnisse unabhängig davon, ob die virtuelle Figur tatsächlich computer- oder menschengesteuert gewesen war.

Ob Online-Selbstscreenings oder Burnout-Reintegration – virtuelle Figuren könnten Therapien dort ergänzen, wo es Versorgungslücken gibt. Ob sie damit tatsächlich menschliche Therapeut*innen ersetzen können, das wird die Zukunft zeigen.

Quellen:

Gebhard, P., Schneeberger, T., Dietz, M., André, E., & Bajwa, N. (2019). Designing a mobile social and vocational reintegration assistant for burn-out outpatient treatment. In C. Pelachaud, & J.-C. Martin (Eds.), Proceedings of the 19th ACM International Conference on Intelligent Virtual Agents (pp. 13-15). New York, NY, USA: Association for Computing Machinery. 

Lucas, G. M., Gratch, J., King, A., & Morency, L. P. (2014). It’s only a computer: Virtual humans increase willingness to disclose. Computers in Human Behavior, 37, 94-100.

Abbildung:

Emma, eine virtuelle Assistentin für Burnout-Reintegration (Virtuelle Figur: Charamel GmbH)