Was nützt „Gehirnjogging“? – Transfereffekte des Trainings exekutiver Funktionen in der Kindheit

Sind kognitive Funktionen überhaupt trainierbar? Und verbessern Kinder ihre kognitiven Leistungen auch in Aufgaben, in denen sie nicht direkt trainiert wurden? Also verbessern sich Kinder, die ein Arbeitsgedächtnistraining absolviert haben, beispielsweise in ihrer Fertigkeit, irrelevante Reize auszublenden oder in ihren schulischen Leistungen? Diese und ähnlich Fragen sind für Kinder, Eltern, LehrerInnen oder TrainerInnen durchaus relevant.

In cubrics Cubeder Entwicklungspsychologie beschäftigt sich ein großer Forschungsbereich mit der kognitiven Entwicklung im Verlauf der Kindheit (und des gesamten Lebens). Immer wieder sind dabei auch für andere Teilbereiche der Psychologie –  beispielsweise die Klinische -, die Pädagogische - oder die Sportpsychologie –  Fragen des Trainings relevant: Sind exekutive Funktionen nun trainierbar? Dies zu erforschen, kann eine wichtige empirische Grundlage darstellen, um Therapie-, Lehr- und-Lern- oder Trainingskonzepte zu entwickeln.

Eine aktuelle Metaanalyse von Kassai und KollegInnen (2019) ging daher der Frage nach, ob das Training exekutiver Funktionen positive Effekte auf die trainierte kognitive Fertigkeit („naher Transfer“/ near transfer) und/oder auf andere kognitive Fertigkeiten („weiter Transfer“/ far transfer) hat. Zu den exekutiven Funktionen zählen das Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitive Flexibilität – sogenannte Komplexe Kognitive Funktionen, die man benötigt, um komplexe Handlungen zu verfolgen, zu steuern, abzuschirmen und durchzuführen. Die ForscherInnen zeigten unterschiedliche Ergebnisse für nahen und weiten Transfer. Für nahen Transfer konnten mittlere Effekte nachgewiesen werden – die größten Effekte gab es beim Arbeitsgedächtnis, geringe bei Inhibition und kognitiver Flexibilität.
Für weiten Transfer konnten kleine, aber nicht signifikante Effekte abgeleitet werden.

Daher lautet das Fazit dieser Metaanalyse in Bezug auf den Transfer von Trainingseffekten derzeit: Jein. Teilweise ja, denn Kinder verbessern sich klar erkennbar in genau den exekutiven Funktionen, in denen sie trainiert wurden, d.h. ein sogenannter naher Transfer findet statt; und teilweise nein, denn für den sogenannten „weiten Transfer“ zeigt diese Metaanalyse deutlich, dass über Studien hinweg kein signifikanter Transfereffekt auf andere exekutive Funktionen festzustellen ist. Dies bedeutet, dass ein Arbeitsgedächtnistraining bei Kindern beispielsweise nicht zur Verbesserung ihrer Inhibition oder, noch weiter gefasst, ihrer schulischen Leistungen führt.

Für die Praxis in klinischen, akademischen oder sportbezogenen Settings bedeuten die Ergebnisse daher, dass entweder gezielt einzelne exekutive Funktionen trainiert werden („naher Transfer“) oder ein kombiniertes Trainingsprogramm, das verschiedene kognitive Komponenten beansprucht, durchgeführt werden sollte. Dadurch könnten dann auch andere kognitive Funktionen und eventuell noch „weitreichendere“ Effekte auf alltägliche kognitive, schulische oder sportliche Leistungen in komplexen Situationen erzielt werden.

Quelle:

Kassai, R., Futo, J., Demetrovics, Z., & Takacs, Z. K. (2019). A meta-analysis of the experimental evidence on the near-and far- transfer effects among children’s executive function skills. Psychological Bulletin, 145(2), 165.

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