Zeig‘ mir, wie Du spielst, und ich sag‘ Dir, wer Du bist - Wie Persönlichkeit mit dem Verhalten in Videospielen zusammenhängt

Die Persönlichkeit eines Menschen kommt in vielen Bereichen des Lebens zum Ausdruck und spiegelt sich unter anderem in seinem Verhalten wider. Seit einigen Jahren untersucht die Forschung, ob sich diese Zusammenhänge auch in der virtuellen Welt zeigen.

boy in front of PCDas auf Videospiele spezialisierte Marktforschungsunternehmen newzoo schätzt, dass es 2023 etwa drei Milliarden Videospielende auf der Welt geben wird (Wijman, 2020). In den letzten 40 Jahren ist das Spielen von Videospielen für viele Menschen zum Alltag geworden - sei es zum Zeitvertreib, als regelmäßige Freizeitaktivität oder sogar als Haupterwerbstätigkeit. Wie in der echten Welt sind wir jedoch auch hier selten ohne Gepäck unterwegs: Unsere Persönlichkeit bestimmt mit, wie wir uns in diesen virtuellen Welten repräsentiert sehen wollen und welchen Aktivitäten wir nachgehen. 

Unter Persönlichkeit werden die “[...] charakteristischen Verhaltensweisen und Interaktionsmuster [...]” (Fiedler, 2009, S. 2) eines Menschen verstanden, die ihn von anderen Menschen unterscheidbar machen und zeitlich relativ stabil sind (Guilford, 1959). Dabei sind nicht nur solche Eigenschaften gemeint, die von Außenstehenden wahrgenommen werden können, sondern auch jene, die diesen verborgen bleiben (Rammsayer & Weber, 2010). Die Beschreibung der Persönlichkeit eines Menschen unter Rückgriff auf Fünf-Faktoren-Modelle wie die sogenannten „Big Five“ (z.B. Goldberg, 1990) hat eine lange Tradition. Das zugrundeliegende Modell beschreibt die Persönlichkeit mit Hilfe von fünf breiten Faktoren, die wiederum mehrere kennzeichnende Persönlichkeitsmerkmale beinhalten (Rammsayer & Weber 2010). Diese fünf Faktoren entsprechen den Merkmalen „Offenheit für Erfahrungen“, „Gewissenhaftigkeit“, „Extraversion“, „Verträglichkeit“ und „Emotionale Instabilität“ (Costa & McCrae, 1985). Bisherige Forschung hat gezeigt, dass die Persönlichkeit eines Menschen mit vielen weiteren Merkmalen zusammenhängt und in den unterschiedlichsten Situationen zum Ausdruck kommt. Forschungsarbeiten des letzten Jahrzehnts wie beispielsweise die der Gruppe um Yee und KollegInnen (2011) haben diese Zusammenhänge im Rahmen der präferierten Aktivitäten in Videospielen genauer untersucht. 

In ihrer Studie untersuchten die Forschenden über vier Monate hinweg mehr als 1000 SpielerInnen des Online-Rollenspiels World of Warcraft –  mit zeitweilig bis zu 12 Millionen SpielerInnen eines der einflussreichsten Computerspiele des letzten Jahrzehnts. In der virtuellen Welt werden die Spielenden durch individuelle Avatare dargestellt, deren Gruppenzugehörigkeit, Beruf und äußerliche Merkmale sie selbst auswählen können. Diese Merkmale wiederum bestimmen die Spielerfahrung entscheidend mit, zum Beispiel dadurch, wie mit anderen Spielerinnen und Spielern interagiert werden kann bzw. muss. Die AutorInnen stellten beispielsweise fest, dass Teilnehmende, die auch in der physischen Welt gerne die Nähe von anderen suchen, im Spiel gruppenbasierte Aktivitäten präferierten, während Teilnehmende mit niedrigen Ausprägungen des Merkmals Extraversion individuelle Aktivitäten bevorzugten sowie ihre Online-Zeit eher mit tier-ähnlichen Gefährten statt realen SpielerInnen verbrachten. Teilnehmende, die im realen Leben eher als verträglich gelten, verbrachten ihre Spielzeit mit nicht-kampfbezogenen Aktivitäten wie beispielsweise Kochen oder Fischen. Weniger verträgliche Spieler lebten sich im kompetitiven Teil des Spiels aus und erzielten dort auch mehr Erfolge. Ebenfalls eine Präferenz für nicht-kampfbezogene Aktivitäten wiesen SpielerInnen mit höherer Gewissenhaftigkeit auf. Teilnehmende mit einer niedrigen Ausprägung dieses Merkmals erwiesen sich als eher unvorsichtig und starben häufiger durch einen Sturz aus großer Höhe. Eher emotional instabile SpielerInnen hatten ein stärkeres Interesse an Aktivitäten, bei denen sie direkt gegen andere Spielende kämpften. Im Hinblick auf Offenheit für Erfahrungen zeigte sich, dass Teilnehmende mit einer höheren Ausprägung dieses Merkmals ihre Zeit eher mit dem Erkunden der Welt verbrachten. Es zeigte sich ebenfalls ein interessanter Trend außerhalb der spielerischen Aktivitäten: Diese offeneren SpielerInnen hatten insgesamt mehr Avatare in verschiedenen Welten. Darüber hinaus wählten emotional stabilere Spielende häufiger Avatare eines anderen Geschlechts.   

Auch wenn die Persönlichkeit von SpielerInnen in ihrem Verhalten in der virtuellen Welt sehr intuitiv zum Ausdruck kommen kann, waren die in der Studie gefundenen Zusammenhänge zwar robust, aber eher klein. Dies deutet darauf hin, dass auch in einer eng definierten virtuellen Welt situative Faktoren einen großen Einfluss darauf haben können, wie unsere Persönlichkeit letztendlich zu Tage tritt - ganz wie im realen Leben.

 

Quellen:

Costa, P. T., & McCrae, R. R. (1985). The NEO Personality Inventory manual. Odessa, FL.:, Psychological Assessment Resources.

Fiedler, P. (2009). Persönlichkeitsstörungen. In J. Margraf & S. Schneider (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie (3. Ed., S. 516-531). Springer Medizin Verlag. 

Goldberg, L. R. (1990). An alternative “description of personality”: The Big-Five factor structure. Journal of Personality and Social Psychology, 59, 1216-1229. doi:10.1037/0022-3514.59.6.1216

Guilford, D. W. (1959). Consistency of the factorial structures of personality ratings from different source. Journal of Abnormal and Social Psychologie, 44, 329-344. doi: 10.1037/h0057198

Rammsayer, T., & Weber, H. (2010). Differentielle Persönlichkeitspsychologie - Persönlichkeitstheorien. Hogrefe. 

Wijman, T. (2020). Three Billion players by 2023: Engagement and revenues continue to thrive across the global games market. Newzoo. https://newzoo.com/insights/articles/games-market-engagement-revenues-tr...

Yee, N., Ducheneaut, N., Nelson, L., & Likarish, P. (2011). Introverted elves & conscientious gnomes: The expression of personality in World of Warcraft. Proceedings of the SIGCHI conference on human factors in computing systems (753-762). doi: 10.1145/1978942.1979052

Bildquelle:

Bokskapet via Pixabay

CC