Gregor S. D-DAY – 24 Stunden der Entscheidung: Mein Kampf gegen die Depression“

Scorpio Verlag / Preis: 18,95 Euro.

Das Konzept dieses Buches fand ich bereits vor dem Lesen spannend: Ein im Berufsleben erfolgreicher Mann durchschreitet das Tief einer depressiven Episode und berichtet von den 24 Stunden des schwersten Tages. Kapitelweise werden die einzelnen Stunden beschrieben.

Als ich das Buch dann in Händen hielt, war mein erster Eindruck zum Buchtitel, dass die Begriffe bzw. Phrasen „D-Day“ und „Mein Kampf ...“ ungünstig aufeinandertreffen.

Das Vorwort wurde verfasst von Siegfried Kasper, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Wien, der laut Wikipedia-Eintrag einmal Gegenstand einer öffentlichen Diskussion um die Beziehung zwischen Pharmaindustrie und akademischen Psychiatern war. Dieser Umstand hat im eigentlichen Sinne nichts mit dem hier zu besprechenden Buch zu tun, allerdings wollte ich diese Geschichte nicht unerwähnt lassen, da sie mir bei der Recherche untergekommen ist.

Zum Inhalt des Buches: D-Day fängt recht sperrig an. Das Problem ist hierbei, es ist kompliziert zu lesen, was nicht unbedingt dadurch aufgehoben wird, dass diese ungeordneten Aneinanderreihungen erwünscht sind, da sie den Zustand des Autors widerspiegeln. Zunächst finden sich Rückblicke bis in die Schulzeit hinein. Hier wird die Zeit als Austauschschüler in den USA angesprochen und allgemein ergab sich beim Lesen der Eindruck der Selbstbeweihräucherung auf Basis eigener Fähigkeiten und Leistungen bzw. Errungenschaften. Insgesamt ist die Welt bzw. eher das Weltbild, welches dargestellt wird, sehr egozentrisch.

Zur Schwere insbesondere der ersten 100 Seiten des Buches tragen unter anderem diese beiden Aspekte bei: Schriftarten wechseln mit der Zeitperspektive, die eben auch mit einem Wechsel des psychischen Zustands einhergeht. Mitunter sind ganze Abschnitte in kursiver Schrift gehalten. Der Autor bedient sich Sprachbilder, deren Zweck und Inhalt sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Ein Beispiel hierfür findet sich auf Seite 17: „Habe ich nicht überhaupt immer das Gefühl gehabt, auf die Butterseite des Lebens gefallen zu sein? Ja ich war glücklich, ...“ Manche Beschreibungen sind bereits wohlbekannt und wirken etwas abgedroschen: „Buchstäblich Leidenschaft, die Leiden schafft“ (Seite 24).

Der Vergleich mit einem kleinen Kind, das sich in die Hosen gemacht hat ist hingegen zunächst interessant. Genau wie ein solches Kind im Grunde weiß, dass es nichts dafür kann, schämt sich auch der Depressive für seinen Zustand und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen. Das rationale Wissen über die Grundlagen der Depression ist zwar vorhanden. Dies hilft aber nicht in der akuten Phase. Die Ausbreitung dieses Gedankens hätte allerdings nicht unbedingt so stark sein müssen.

Als ein großes Problem dieses Buches empfand ich die Generalisierungen auf alle Personen, die an einer Depression leiden. Sehr überspitzt formuliert könnte dies dann gefährlich werden, wenn Depressive nach der Lektüre der Auffassung sind, sie müssten doch so langsam mal den Drang entwickeln, sich umbringen zu wollen („Schwere unverzeihliche Schuld meint er auf sich geladen zu haben, der Depressive. Alles falsch gemacht zu haben. Endresultat: der unwiderstehliche Drang, seinem schuldhaften und sinnlosen Leben ein Ende setzen zu müssen.“ Seite 51). Angemessener und vereinzelt gar Perlen in der Wortkomposition sind die Formulierungen, mit denen sich der Autor auf sich selbst bezieht: „Ich will tot sein, aber ich möchte nicht sterben!“ (Seite 83).

Etwa nach den ersten 100 Seiten löst sich die Schwere des Beginns etwas. Die Berichte gewinnen an Klarheit und Struktur, etwa mit dem Erwachen der Partnerin Corinna, die den Autor mit seiner Situation konfrontiert. Die Klarheit des Textes erfreut umso mehr, da sich der Zustand des Protagonisten sukzessive verschlechtert. Der Autor entlarvt therapeutische Anweisungen, die in seinem spezifischen Fall einfach auch einmal keine positive Wirkung entfalten. So bringt ihm das Führen seines Tätigkeitstagebuches anscheinend einfach nichts.

Die eigene Übersensibilität wird schonungslos transparent gemacht. Allerdings ist sie auch in den Rückschauen vorhanden. Dies lässt sich allerdings leicht dadurch erklären, dass auch die Rückschauen aus der Perspektive desjenigen formuliert werden, der sich akut in der Depression befindet.

Zu Neid bei anderen Depressiven könnte es durch die Lektüre dieses Buches eventuell kommen, weil die Remission derart einfach daherkommt. Nicht für alle Depressiven löst sich eine Akutphase so simpel auf, wie in dem spezifischen Fall, der hier beschrieben wird.

Mein Fazit zu diesem D-Day lautet also: Wer gefestigt ist und sich aus einer Außenperspektive einen Überblick über das Erleben eines spezifischen Depressionspatienten verschaffen möchte, kann mithilfe dieses Buches über einen akuten Fall entsprechende Informationen erhalten. Wer allerdings vielleicht (temporär) psychisch etwas angeschlagen und eventuell gar auf der Suche nach Hilfe ist, sollte sich nicht zu viel von diesem „D-Day“ erhoffen.

Disclaimer: Der Rezension liegt ein durch den Verlag verschicktes Rezensionsexemplar zugrunde.

 

Autor*innen

Buchbewertung

overall
3 of 5
novelty
4 of 5
readability
2 of 5