„Suche kochenden Betthasen – Was wir aus wissenschaftlichen Studien für die Liebe lernen können“
Hamburg: Rowohlt Verlag, € 8.99
Das Taschenbuch von Jule Specht zieht allein durch den Titel „Suche kochenden Betthasen“ Aufmerksamkeit auf sich. Und die Kapitelüberschriften sind ebenfalls so gewählt, dass sie die meisten Leserinnen und Leser neugierig machen: „Sex mit Superman“, „Liebst du mich?“, „Er liebt mich, er liebt mich nicht...“ oder „Ein Lächeln für mehr Liebe, Leben und Leidenschaft“. Liebe ist ein Thema, das die meisten Menschen anspricht, und die Autorin schafft es, das Thema auf eine humorvolle und interessante Weise wissenschaftlich zu beleuchten. Dieses Buch basiert auf einem Internetblog der Autorin (http://www.jule-schreibt.de), den sie betreibt, um eine Brücke zu schlagen zwischen Erkenntnissen aus der Wissenschaft und dem wirklichen Leben. Dies ist ein Anliegen, das sehr zu begrüßen ist, und besonders in der vorliegenden Form (als unterhaltsames Taschenbuch) in der Wissenschaft leider noch viel zu wenig verbreitet ist.
Das Buch deckt eine recht breite Palette von Themen ab und umfasst insgesamt 22 Kapitel. Die Kapitel sind recht kurz gehalten, die Autorin nimmt jedoch vorweg, dass bei einem Thema wie „Liebe“ ein Anspruch auf Vollständigkeit nicht erfüllt werden kann. Das Buch wird allerdings dem Anspruch gerecht, einen Einblick in die Wissenschaft zu geben, die Leserin bzw. der Leser wird unterhalten und auch überrascht. Zu jedem Kapitel werden etwa vier bis fünf Studien zitiert, die interessante Aspekte aufzeigen, jedoch das Thema nicht in seiner ganzen Breite beleuchten können. Zum Beispiel geht die Autorin in Kapitel 18 („Er liebt mich, er liebt mich nicht...“) der Frage nach, ob es sinnvoll ist, sich als Frau rar zu machen, um interessanter zu wirken. Viele Frauen scheinen diese Strategie zu verfolgen, aber wissenschaftliche Studien sprechen für die Wirksamkeit einer gegenteiligen Strategie. Jule Specht erläutert detailliert, wie ein Experiment zu dieser Frage durchgeführt wurde und zeigen konnte, dass diejenige Frau bevorzugt wurde, die besonderes Interesse an der männlichen Versuchsperson, nicht aber an anderen Männern zeigte. Sie stellt ein zweites Experiment vor, in dem gezeigt wurde, dass auch Frauen diejenigen Männer am attraktivsten fanden, die großes Interesse an ihnen zeigten. Die Autorin liefert eine mögliche Erklärung der Ergebnisse und empfiehlt, dass „sich rar machen“ keine empfehlenswerte Strategie ist. Obwohl kurz angerissen wird, dass eine gewisse Zurückhaltung manchmal durchaus Vorteile haben kann, wäre es noch interessant gewesen zu erfahren, woher der Glaube an das „Rarmachen“ stammt.
Man kann als Leserin oder Leser also einige Tipps herausziehen, sollte sich aber gleichzeitig darüber im Klaren sein, dass nur ein kleiner Ausschnitt von Studien und Erkenntnissen dargestellt werden kann. Als Wissenschaftlerin wünsche ich mir zwar ausführlichere Diskussionen der Studien und auch mehr Informationen zum Ursprung der gängigen Vorstellungen, aber ich habe diese Erwartung nicht an ein populärwissenschaftliches Buch. Als Leserin, die ein Taschenbuch über Liebe erwirbt, werde ich gut unterhalten und erhalte nebenbei Einblicke in den Elfenbeinturm der Wissenschaft. Jule Specht überzeugt mit einem angenehmen und unterhaltsamen Schreibstil, der neugierig macht und Wissenschaft anschaulich vermittelt. Ihr Steckenpferd ist dabei die Persönlichkeitsentwicklung, der sie sich in Kapitel 6 („Wie die Liebe unsere Persönlichkeit formt“) widmet.
Die Kapitel sind alle nach dem gleichen Schema aufgebaut und beginnen mit einem kurzen Einführungsabsatz, in dem zentrale Fragen aus dem Alltag gestellt werden (z. B. welche Anforderungen stelle ich an meinen Partner? Welche Rolle spielt die Attraktivität der Partnerin bzw. des Partners beim Sex? Wie anziehend finde ich mich selbst?) und eine knappe Antwort auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse gegeben wird. Im Hauptteil wird die Autorin dann konkreter, geht auf Alltagsvorstellungen, Vorurteile oder Sprichwörter ein, die das Bild der Liebe vieler Menschen prägen (z. B. „Gleich und gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“), aber nicht immer mit wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmen. Oft erzählt sie kleine Anekdoten, bedient sich gar der griechischen Mythologie, um diese Bilder anschaulicher darzustellen, um dann das Thema auf Grundlage von aktuellen Studien zu beleuchten. In jedem Kapitel gibt es noch ein oder zwei separate Absätze mit der Überschrift „Vom Elfenbeinturm zum wirklichen Leben“, in denen die Autorin aus den dargestellten Studienergebnissen Schlüsse zieht, um die ursprünglichen Fragen des Kapitels zu beantworten. Auch wenn das Buch sich an ein nicht-wissenschaftliches Publikum richtet, ist positiv zu bewerten, dass die Autorin am Ende jedes Kapitels die Originalquellen „zum Weiterlesen“ zitiert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Buch kein Ratgeber in Sachen Liebe ist, sondern ein lockeres populärwissenschaftliches Werk im Taschenbuchformat. Es bietet daher keine Hilfe für Beziehungsprobleme, sondern unterhaltsame Lektüre, die so manche Alltagsvorstellung verändern kann.
Jule Specht ist derzeit Juniorprofessorin für Psychologie an der Freien Universität Berlin. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der Entwicklung der Persönlichkeit im Erwachsenenalter. Ihr Buch, das 2014 erschienen ist, bezieht sich weniger auf ihre eigene Forschung, sondern vereint aktuelle Forschung verschiedenster Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den Themen Liebe, Leidenschaft und Partnerschaft.
Erklärung / Disclaimer: Der Besprechung liegt ein Rezensionsexemplar zugrunde (Taschenbuch, 208 Seiten).