Bist du ein „ganzer Mann“? Wie Männer ihren Männlichkeitsstatus verdienen und beweisen.
Dieser Beitrag wurde zunächst in englischer Sprache in der englischsprachigen Ausgabe (10/2010, Ausgabe 11) des In-Mind Magazins veröffentlicht.
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Der Alltag ist voller Beispiele von der Angst des Mannes, gegen ihre Geschlechterrolle zu verstoßen. Freunde und Ehemänner weigern sich, „Frauenfilme“ im Kino zu sehen; Pop-Musik-Fans halten ihre Vorliebe für bestimmte Künstler geheim („Ich habe viele männliche Freunde, die Adam Lambert mögen, aber sie wollen nicht, dass die Leute denken, sie seien homosexuell.“). Warum ist das so? Tatsächlich scheint die männliche Neigung „Unsicherheit in ihrer Männlichkeit“ zu befürchten, eine zwischenmenschliche Sorge darüber zu sein, ihren sozialen Status zu verlieren.
Wenn ein Mann zögert, seine männlichen Freunde in der Öffentlichkeit zu umarmen, oder sich gegen die Idee sperrt, die Handtasche einer Freundin für sie zu tragen, verdrehen wir vielleicht die Augen und werfen ihm (zumindest still) vor, „unsicher in seiner Männlichkeit“ zu sein. Denn wenn er sich voll und ganz sicher über seinen Status als Mann wäre, sollte die öffentliche Inszenierung eines stereotypisch weiblichen Verhaltens keinerlei Ängste verursachen. Aber was, wenn Männer wirklich einen Grund zur Sorge hätten, was die Sicherheit ihrer Männlichkeit angeht? Nicht im wortwörtlichen Sinne, sondern in dem Sinne, dass es für Männer relativ leicht ist, in den Augen anderer ihren Status als „echten Mann“ zu verlieren. Wenn ja, dann leiden sogar Männer, die sich persönlich in ihrer Geschlechtsidentität – ihrem Sinn für sich selbst als Mann und das Ausmaß, in dem sie sich mit ihrem männlichen Geschlecht identifizieren, – ziemlich sicher fühlen, an Bedenken hinsichtlich der sozialen Auswirkungen, die ein stereotypisch weibliches Verhalten haben könnte. Das heißt, dass die männliche Neigung, „unsicher in ihrer Männlichkeit“ zu wirken, keine individuelle Unzulänglichkeit, sondern eher eine zwischenmenschliche Sorge über den Verlust des sozialen Status widerspiegelt.
Mein Team und ich haben vor kurzem begonnen zu erforschen, wie Menschen über Männlichkeit denken. Wir schlagen vor, dass Männlichkeit, verglichen mit Weiblichkeit, geschichtlich gesehen sowohl als schwer fassbar als auch als vergänglich gesehen wurde. Mit „schwer fassbar“ meinen wir, dass Männlichkeit nicht als sich entwickelnde Selbstverständlichkeit angesehen wird, sondern sich durch entsprechende Maßnahmen erst verdient werden muss. Mit „vergänglich“ meinen wir, dass der einmal verdiente männliche Status mit einer Reihe von sozialen Unzulänglichkeiten relativ leicht wieder aberkannt werden kann. Obwohl diese Ansichten über Männlichkeit für diejenigen, die ein weltgewandteres Verständnis über Geschlechterrollen besitzen, veraltet erscheinen, tauchen im Alltag weiterhin Unsicherheiten über die männliche Geschlechterrolle auf.
Man betrachte einmal, wie der amerikanische Eisläufer Johnny Weir während der Olympischen Spiele in Vancouver 2010 behandelt wurde. Die Sportmoderatoren Claude Mailhot und Alain Goldberg kommentierten Weirs „weibliches“ Auftreten – Weir trug ein Kostüm mit glitzernden schwarzen Schulterpolstern, geschmückt mit rosa Pailletten und einer rosa Quaste – und witzelten „Wir sollten ihn (Weir) dazu bringen, einen Geschlechtstest zu bestehen“, und schlugen vor, dass Weir lieber bei den weiblichen anstatt den männlichen Olympischen Spielen antreten solle (Garcia, 2010). Folglich wird ein Mann, der als unzureichend maskulin erachtet wird – das heißt, jemand, dem stereotypisch männliche Eigenschaften fehlen und/oder der stereotypisch weibliche Eigenschaften zeigt, – nicht länger von allen als Mann angesehen wird.
In diesem Artikel fasse ich einige der Forschungsergebnisse zusammen, die aus unserer Arbeit hervorgegangen sind, und hebe die Auswirkungen von verunsicherten Überzeugungen bezüglich Männlichkeit hervor. Insbesondere glauben wir, dass Erinnerungen an den unsicheren Männlichkeitsstatus körperliche Aggressivität unter Männern fördert. Kulturelle Überzeugungen über die Vergänglichkeit der Männlichkeit können als solche einen sozialen Faktor darstellen, der mit biologischen Faktoren interagiert (z. B. Testosteronspiegel, Gene), und so die Anwendung von körperlicher Aggression bei Männern beeinflusst.
Männlichkeit als schwer zu erreichen
Viele Kulturen auf der ganzen Welt erachten Männlichkeit als einen erzielten Status oder als etwas, das durch entsprechende Maßnahmen verdient werden muss. Wie vom Kulturanthropologen David Gilmore (1990) dokumentiert wurde, ritualisieren einige Kulturen den Übergang zur Männerwelt damit, dass von jungen Männern erwartet wird, Riten zu bestehen, die Risiko, Unsicherheit und Verletzungsgefahr mit sich bringen. Diejenigen, die diese Übergangsriten nicht erfolgreich bestehen, werden Erwachsene im biologischen Sinn, aber keine „echten Männer“ im sozialen Verständnis. Dagegen wird Weiblichkeit in den meisten Kulturen als zugeschriebener Zustand angesehen oder als etwas, das zugeordnet anstatt erreicht werden muss. Wie Gilmore anmerkt, der Übergang von Mädchenzeit zu Weiblichkeit „involviert nur selten Tests oder Beweishandlungen oder Konfrontationen mit gefährlichen Gegnern“ (S. 12).
Natürlich sind formale Männlichkeitsrituale in Industrienationen wie der USA selten. Daher haben wir uns gefragt, ob US-BürgerInnen die Meinung teilen, dass Männlichkeit ein schwer zu erreichender Status ist, der im Gegensatz zur Weiblichkeit erst verdient werden muss. Zur Beantwortung der Frage baten wir US-College-StudentInnen anzugeben, wie sehr sie eine Reihe von Redewendungen, bestehend aus mehreren Aussagen über den Übergang von Kindheit zum Erwachsenenalter und mehreren gängigen Sprichwörtern, die irrelevant für die Fragestellungen waren (Vandello, Vosson, Cohen, Burnaford & Weaver, 2008), mochten, mit ihnen einverstanden waren und sie nachvollziehen konnten. Die Hälfte der StudienteilnehmerInnen erhielten Redewendungen, die sich auf schwer erreichbare Männlichkeit bezogen (z. B. „Ein Junge muss sich das Recht, als ‚Mann’ bezeichnet zu werden, erst verdienen“, „Es ist ein steiniger Weg vom Jungen zum Mann“). Die andere Hälfte erhielt Redewendungen in Bezug auf schwer erreichbare Weiblichkeit (z. B. „Ein Mädchen muss sich das Recht als ‚Frau’ bezeichnet zu werden erst verdienen“, „Es ist ein steiniger Weg vom Mädchen zur Frau“). TeilnehmerInnen mochten, befürworteten und konnten Redewendungen über schwer erreichbare Männlichkeit eher nachvollziehen als Redewendungen über schwer erreichbare Weiblichkeit, unabhängig vom Geschlecht der TeilnehmerInnen.
Wir untersuchten auch die Überzeugungen der Menschen über die zugrunde liegenden Ursachen vom Übergang der Kindheit zum Erwachsenenalter. Wenn Menschen die Männlichkeit als zu erreichenden Status ansehen, sollten im Übergang zwischen Jungenzeit und Männlichkeit soziale Faktoren eine größere Rolle als biologische Faktoren spielen. US-StudentInnen bewerteten, wie sehr sie mit zwei Statements über entweder Männlichkeit oder Weiblichkeit übereinstimmten: „Der Übergang zwischen Jungenzeit (Mädchenzeit) zu Männlichkeit (Weiblichkeit) entsteht aus körperlichen Gründen (z. B. hormonelle Veränderungen)“ und „Der Übergang zwischen Jungenzeit (Mädchenzeit) zu Männlichkeit (Weiblichkeit) entsteht aus sozialen Gründen (z. B. das Erreichen von sozialen Meilensteinen). Wie erwartet, sahen TeilnehmerInnen Männlichkeit eher begründet in sozialen als in biologischen Veränderungen. Außerdem sahen sie den Übergang zur Männlichkeit, verglichen mit dem Übergang zur Weiblichkeit, stärker begründet in sozialen Veränderungen. Gemeinsam unterstützen die Ergebnisse die erste Komponente unserer als unsicher/nicht etabliert geltenden Männlichkeitshypothese („precarious manhood hypothesis“), die besagt, dass Männlichkeit als schwerer erreichbar angesehen wird als Weiblichkeit.
Männlichkeit als vergänglich
Als nächstes wandten wir unsere Aufmerksamkeit der zweiten Komponente von unsicherer Männlichkeit zu, dem Glauben, dass Männlichkeit schneller verloren werden kann als Weiblichkeit. Wir gaben US-CollegestudentInnenen zweideutige Aussagen, die angeblich einem längeren, autobiografischen Bericht entnommen worden waren (Vandello et al., 2008). Die Hälfte der TeilnehmerInnen las: „Mein Leben ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Früher war ich ein Mann. Nun bin ich kein Mann mehr“. Die andere Hälfte las: „Mein Leben ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Früher war ich eine Frau. Nun bin ich keine Frau mehr“. Nach dem Lesen der Statements schrieben die TeilnehmerInnen auf, wie sie interpretieren würden, was der Autor gemeint hat, und sie bewerteten, wie schwierig es war, den Text zu interpretieren. Wir kodierten die Interpretationen der TeilnehmerInnen nach sozialem versus körperlichem Inhalt. Zum Beispiel wurde ein Statement wie „Sie ist alt und kann nicht mehr alle Dingen tun, die sie sonst getan hat“ als körperlich kodiert, wohingegen ein Statement wie „Er versagte bei etwas Wichtigem“ als sozial kodiert wurde. Im Einklang mit der Idee, dass Männlichkeit durch soziale Defizite verloren werden kann, spiegelten fast 50 % der Interpretationen von verlorener Männlichkeit soziales Versagen wider (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes, Unfähigkeit die Familie zu ernähren) und nur 11 % interpretierten die Aussagen als körperlich (z. B. Alter, operative Geschlechtsumwandlung). Ein umgekehrtes Muster entstand in den Interpretationen von verlorener Weiblichkeit: Während fast 50 % der Interpretationen körperliche Veränderungen widerspiegelten, waren nur 30 % auf soziale Aspekte bezogen. Darüber hinaus gaben die TeilnehmerInnen an, dass es viel schwieriger war, Statements über verlorene Weiblichkeit zu interpretieren als über verlorene Männlichkeit, was darauf hindeutet, dass verlorene Männlichkeit ein Thema ist, das vertrauter und verständlich für die meisten Menschen ist.
Dennoch gibt es wenigstens ein paar Bereiche, in denen auch Weiblichkeit verloren werden kann? Elternschaft scheint ein möglicher Bereich zu sein. Laut dem Mutterschaftsauftrag (Russo, 1976) tragen Frauen Kinder aus und ziehen sie groß, eine Erwartung, die über historische Epochen und Kulturgrenzen hinweg gleich ist. Daher haben wir uns gefragt, ob eine Frau, die keine Kinder hat, ihre Weiblichkeit in den Augen anderer verlieren kann – in der gleichen Weise, wie Männer ihre Männlichkeit verlieren können.
Um diese Frage zu beantworten, haben wir US-CollegestudentInnen gebeten auszuwählen, welches von mehreren visuellen Bildern am besten das psychologische Profil eines Erwachsenen, der keine Kinder haben kann, darstellt (Vandello et al., 2008). Die Hälfte unserer TeilnehmerInnen las zuerst die Beschreibung einer Frau, Anne, die nicht schwanger werden konnte. Die andere Hälfte las über einen Mann, John, der nicht zeugungsfähig war. Nach dem Lesen der Beschreibung wählten die TeilnehmerInnen ein Bild aus, das Anne oder John darstellen sollte. Die Menge der möglichen Bilder enthielt einen attraktiven und einen unattraktiven Erwachsenen, so wie ein Kind; alle hatten das gleiche Geschlecht wie die/der zuvor beschriebene Erwachsene (Anne oder John). Die anderen Bilder waren abstrakt und in beiden Bedingungen gleich. Unser hauptsächliches Interesse galt der Häufigkeit, mit der die Menschen das Bild des Kindes auswählten, um die unfruchtbare Frau zu repräsentieren. Das heißt, wenn eine Frau ihren Mutterschaftsauftrag nicht erfüllen kann und somit keine echte Frau mehr ist, sollte sie von anderen als ein Mädchen charakterisiert werden. Im Gegenteil, der größte Prozentsatz der TeilnehmerInnen (28 %), die das Profil von Anne gelesen hatten, repräsentierten sie mit dem Bild einer unattraktiven Frau. Nur 16 % wählten das Bild des Mädchens. Bei denen, die das Profil von John gelesen hatten, wählte hingegen der größte Prozentsatz (40 %) das Bild eines Jungens aus, um ihn zu repräsentieren. Dies deutet darauf hin, dass Frauen, die ihren Mutterschaftsauftrag verletzen, womöglich als mit Makeln behaftet angesehen werden – das heißt, körperlich unattraktiv, – aber sie werden trotzdem noch als Frauen anerkannt. Zu beachten ist, dass es interessant ist, dass die TeilnehmerInnen das Bild einer unattraktiven Frau wählten, um eine unfruchtbare Frau darzustellen. Dieser Trend könnte eine implizite Tendenz widerspiegeln, nämlich körperliche Schönheit von Frauen als Anzeichen für Fruchtbarkeit zu interpretieren (Buss, 1989), oder eine generelle Tendenz, das Auftreten von Frauen mit ihrem Gesamtwert und ihrer Würde gleichzusetzen (Fredrickson & Roberts, 1997). Unabhängig davon sind unsere Befunde mit der Vorstellung vereinbar, dass der Weiblichkeitsstatus nicht so mühsam ist wie der Status des Mannes, selbst wenn es um Bereiche geht, die als sehr wichtig für Frauen betrachtet werden.
Auswirkungen auf aggressive Verhaltensweisen
Egal, von welcher Seite man es betrachtet – Morde, Rate der Gewaltverbrechen, im Labor erzeugte Aggression, – Männer sind körperlich aggressiver als Frauen (Bettencourt & Miller, 1996; Eagly & Steffen, 1986). Obwohl die Gründe für diese Disparität komplex und mannigfaltig sind, nehmen wir an, dass Männer bisweilen körperliche Aggressivität nutzen, um ihre Männlichkeit wiederherzustellen. Um diese Annahme zu testen, bedrohten wir die Männlichkeit einiger Männer, indem wir sie dabei filmten, wie sie eine typisch weibliche Tätigkeit, das Flechten des Haares einer Schaufensterpuppe, ausübten (Bosson, Vandello, Burnaford, Weaver & Wasti, 2009). Andere männliche Studienteilnehmer wurden bei ähnlichen, nicht die Männlichkeit in Frage stellenden Tätigkeiten gefilmt (Flechten von drei Seilsträngen). Danach gaben wir ihnen die Möglichkeit, eine Aktivität ihrer Wahl auszuüben – entweder eine Denksportaufgabe zu lösen oder auf ein Schlagpolster einzuschlagen. Falls Männer Aggressivität zeigen, um ihre bedrohte Männlichkeit zu schützen, sollten Männer, die Haare geflochten haben, häufiger das Schlagpolster wählen als Männer, die ein Seil geflochten haben. Das ist exakt das, was wir beobachteten. Während 50 % der Männer, die das Haarstyling ausübten, als Folgeaufgabe das Schlagpolster wählten, entschieden sich nur 22 % von denen, die das Seil geflochten hatten, für die Schlagtätigkeit.
Eine bedrohte Männlichkeit motivierte Männer nicht nur zu körperlich aggressiven Verhaltensweisen. In einem Folgeexperiment schlugen Männer tatsächlich härter auf das Schlagpolster ein, wenn dies auf die Männlichkeitsbedrohung (Hairstyling-Aufgabe) folgte, verglichen zu einer nicht bedrohlichen vorhergegangenen Aufgabe. In einer weiteren Studie ließen wir US-Collegestudenten die Hairstyling-Aufgabe durchführen und die Hälfte von ihnen auf ein Schlagpolster einschlagen. Die andere Hälfte machte die Hairstyling-Aufgabe und wartete dann mehrere Minuten ohne eine weitere Aufgabe. Schließlich füllten alle Männer einen Fragebogen zur Erfassung von Ängsten aus. Die Ergebnisse zeigten, dass Männer, die das Schlagkissen nach der Männlichkeitsbedrohung hauen durften, geringere Werte auf der Angst-Skala hatten als diejenigen, die nicht schlagen durften. Dies deutet darauf hin, dass körperlich aggressives Verhalten die Angst bezüglich des Verlusts der Männlichkeit, resultierend aus der Ausübung femininer Tätigkeiten, lindern kann. Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass körperlich aggressive Verhaltensweisen ein wirksames Mittel sind, um verletzte Männlichkeit wiederherzustellen. Natürlich gibt es zahlreiche andere potenzielle Gründe für männliche körperliche Aggressivität, wie biologische Faktoren, gesellschaftliche Gründe und anderer situativer Druck. Dennoch, die Erinnerung daran, dass Männlichkeit zuweilen unsicher ist, könnte Männer dazu motivieren, körperlich aggressiv zu werden, selbst wenn keine anderen Gründe dazu verleiten.
Schließlich ist es wichtig zu beachten, dass die Studienteilnehmer in all unseren Studien eine ziemlich homogene Gruppe darstellten. Sie waren in der Regel im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, und fast 90 % von ihnen identifizierten sich als „ausschließlich heterosexuell“. Darüber hinaus waren 60 % weiß (etwa 15 % schwarz, 15 % lateinamerikanisch und 5 % asiatisch-amerikanisch). Wenn möglich, haben wir die Antworten von Männern verglichen, die sich in Alter, sexueller Ausrichtung und ethnischer Zugehörigkeit unterschieden und fanden nur wenige Abweichungen zwischen den Gruppen. Es ist jedoch möglich, dass unsere Studienteilnehmer einfach zu homogen waren, um wirkliche Unterschiede erkennen zu können. Deshalb können wir weder mit Sicherheit sagen, dass die Überzeugung, dass Männlichkeit unsicher ist, universell ist – noch wissen wir, wie Männer mit unterschiedlichem Alter, Sexualität, Rasse/ethnischen Gruppen auf Bedrohungen ihrer Männlichkeit, wie wir sie nutzten, reagieren. Mit dieser Frage muss sich weitere Forschung beschäftigen.
Einige Erklärungen
Bis jetzt bin ich davon ausgegangen, dass Männlichkeit prekärer als Weiblichkeit ist, aber ich vermag keine Erklärung dafür zu liefern, warum dies der Fall sein könnte. Leider ist das eine sehr komplizierte Frage, die meine MitarbeiterInnen und ich nicht beantworten können und zu der wir nur Vermutungen anstellen können. Eine Möglichkeit ist, dass Überzeugungen über Männlichkeit Anpassungen an ein früheres soziales Umfeld widerspiegeln, in dem Männer miteinander um fruchtbare weibliche Partnerinnen konkurrierten (Buss & Schmitt, 1993; Trivers, 1972). Evolutionstheorien postulieren, dass der Reproduktionserfolg unserer Ahnen eng mit ihrem sozialen Status in der Gruppe zusammenhing, aber dieser Status konnte leicht durch stärkere und besser qualifizierte KonkurrentInnen angezweifelt werden. Daher entwickelten Männer einen Hang zur intensiven Beschäftigung mit dem Erreichen und Erhalten des sozialen Status, weil die Vorfahren, die besonders achtsam mit ihrem sozialen Status waren, erfolgreicher attraktive GeschlechtspartnerInnen anwarben. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Wurzeln der unsicheren Männlichkeit in der traditionsreichen geschlechtlichen Arbeitsteilung liegt (Eagly & Wood, 1999). Da Männer geschichtlich gesehen soziale Rollen belegen, die Statusstreben und Ressourcenakquise involvieren, neigen Menschen dazu, Männlichkeit mit Fähigkeiten wie Konkurrenzdenken, Verteidigung und Bemühungen, ihren Status „zu beweisen“, zu verbinden. Das heißt, der Status der Männlichkeit wird erfüllt, wenn Männer Fähigkeiten verkörpern, die sie benötigen, um die ihnen zugewiesenen gesellschaftlichen Rollen zu erfüllen. Natürlich rechtfertigen diese Perspektiven nicht die Legitimität der Überzeugung, dass Männlichkeit unsicher ist. Wenn überhaupt geben sie nur eine mögliche Erklärung dafür, warum wir als Kultur weiterhin Jungen und Männer lehren, dass sie dafür kämpfen müssen, ein Mann zu werden und ebenso darum, ein „echtes“ Mitglied ihres Geschlechts zu bleiben.
Fazit
Der Alltag ist voller Beispiele für die Angst der Männer, ihre männliche Geschlechterrolle zu verletzen. Freunde und Ehemänner weigern sich, „Frauenfilme“ im Kino zu sehen; Pop-Musik-Fans verheimlichen ihre Vorliebe für bestimmte Künstler („Ich habe viele männliche Freunde, die Adam Lambert mögen, aber sie wollen nicht, dass Leute denken, sie seien homosexuell“); und viele Männer vermeiden entschieden Hobbys und Berufe wie Stricken, Backen und Mode. Wenn wir mit diesen Alltagsbeispielen konfrontiert werden, kann es verlockend sein, die einzelnen Menschen für ihre Ängste verantwortlich zu machen. Aber wie der Artikel hier nahelegt, könnte es jedoch sein, dass uns der Blick auf das große Ganze dabei fehlt. Männer – sogar diejenigen, die sich in ihrer Männlichkeit „sicher“ fühlen, – wissen, dass Männlichkeit unsicher ist und dass sie ihren Männlichkeitsstatus zu jedem Zeitpunkt in den Augen anderer verlieren können. Bis der weitverbreitete Glaube, dass Männlichkeit schwer zu halten und vergänglich ist, sich ändert, ist es unrealistisch zu erwarten, dass der durchschnittliche Mann Geschlechtsrollennormen ohne Sorge verletzen wird.
Referenzen
Bettencourt, B. A., & Miller, N. (1996). Gender differences in aggression as a function of provocation: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 119, 422-447.
Bosson, J. K., Vandello, J. A., Burnaford, R. M., Weaver, J. R., & Wasti, S. A. (2009). Precarious manhood and displays of physical aggression. Personality and Social Psychology Bulletin, 35, 623-634.
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Buss, D. M., & Schmitt, D. P. (1993). Sexual strategies theory: An evolutionary perspective on human mating. Psychological Review, 100, 204-232.
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Gilmore, D. D. (1990). Manhood in the making. New Haven: Yale University Press.
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Trivers, R. (1972). Parental investment and sexual selection. In B. Campbell (Ed.) Sexual selection and the descent of man (pp. 136-179). Chicago: Aldine de Gruyter.
Vandello, J. A., Bosson, J. K., Cohen, D., Burnaford, R. M., & Weaver, J. R. (2008). Precarious manhood. Journal of Personality and Social Psychology, 95, 1325-1339.