Editorial zur Themenausgabe: „Von der Basis zur Anwendung: Kognitionspsychologie und ihre Bedeutung für den Alltag. Teil 2: Lernen und Gedächtnis“
Begriffe wie „kognitiv“ oder „Kognition“ sind heutzutage aus dem Wortschatz der wissenschaftlichen Psychologie und vieler angrenzender Bereiche nicht mehr wegzudenken und auch die Alltagssprache hat das Wort inzwischen erobert, etwa in Form von „kognitiven Trainings“, „kognitivem Altern“ oder „kognitiven Therapien“.
Die sogenannte Kognitionspsychologie befasst sich mit all denjenigen Inhalten, die gemeinhin unter dem Begriff Kognition zusammengefasst werden: das Wahrnehmen, Speichern, Abrufen und Anwenden von Informationen. Oft als bloße Grundlagenwissenschaft (miss)verstanden, liefert die Kognitionspsychologie jedoch diejenigen grundlegenden Ergebnisse und Theorien, die letztlich in vielfältigen Feldern zur Anwendung kommen. Im Rahmen dieser Themenausgaben des In-mind Magazins möchten wir die Vielfältigkeit der betrachteten Themen und Anwendungsgebiete der Kognitionspsychologie anhand aktueller Beispiele beleuchten.
In einer ersten Ausgabe haben wir diejenigen Artikel zusammengestellt, die sich unter dem Thema „Wahrnehmung und Handlung“ zusammenfassen lassen. In dieser zweiten Ausgabe befassen wir uns mit dem Thema „Lernen und Gedächtnis“, also im Wesentlichen mit der Frage, wie Informationen im Gehirn erhalten bleiben und wie das Behalten optimiert werden kann.
Oft müssen wir eine kleinere Anzahl von Informationen für einen überschaubaren Zeitraum präsent haben, beispielsweise wenn wir eine mündliche Wegbeschreibung erhalten und uns nun entsprechend orientieren müssen. Ganz ähnlich wie der Arbeitsspeicher eines Computers wird hierzu ein Arbeitsgedächtnis angenommen, welches in der psychologischen Gedächtnisforschung eine zentrale Rolle eingenommen hat. Entsprechend vielfältig sind auch die Beiträge zu Aspekten des Arbeitsgedächtnisses.
So geht Frank Papenmeier in „Einfluss der Lernsituation und gleichzeitig memorierter Inhalte auf die Speicherung im Arbeitsgedächtnis“ der Frage nach, ob das Arbeitsgedächtnis nur Objekte an sich oder auch Beziehungen der Objekte untereinander abspeichern kann.
Ein gut funktionierendes Arbeitsgedächtnis ist ebenfalls wichtig in vielerlei Bildungskontexten und ist beispielsweise förderlich für das Lernen von Rechnen und Lesen. In ihrem Beitrag „Mit Gedächtnistraining zum Schulerfolg? Wie Mathematik- und Leseleistung mit dem Arbeitsgedächtnis zusammenhängen und was ein kognitives Training bewirken kann“ zeigen Julia Karbach und Cora Titz diese Zusammenhänge und untersuchen ferner, inwieweit die Funktion des Arbeitsgedächtnisses trainiert werden kann.
Natürlich ist die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses nicht nur in schulischen Zusammenhängen wichtig, sondern auch im fortgeschrittenen Alter. Hier kommt es allerdings zu altersbedingten Leistungseinbußen. Katrin Göthe stellt daher die Fragen „Einfach unvergesslich? Was können Gedächtnistrainings leisten?“ und befasst sich mit dem Training vom Arbeitsgedächtnis zur Vorbeugung eines altersbedingten Leistungsabbaus.
Neben der Fähigkeit zur kurzfristigen Speicherung und der Veränderung von Informationen ist für die psychologische Forschung natürlich auch das langfristige Behalten von neu Gelerntem von großem Interesse. Carolina Küpper-Tetzel beschreibt daher in „Erfolgreich Lernen: Effektive Lernstrategien frisch aus der kognitionspsychologischen Forschung“ Maßnahmen, die hierbei besonders vielversprechend zu sein scheinen.
Doch auch wenn man noch so viele Informationen im Gedächtnis gespeichert hat, auf manche Fragen kann man (eigentlich) keine Antwort geben, da man die Antwort schlicht nicht im Gedächtnis gespeichert hat. Wir können aber selbst dann oft einen „best guess“ abgeben, indem wir bestimmte „Heuristiken“ benutzen – und in der Regel liegen wir damit gar nicht falsch. „Wie Heuristiken uns helfen, Entscheidungen zu treffen“ erklärt Martha Michalkiewicz in ihrem Beitrag.
Es gibt Dinge, die wir über einen relativ langen Zeitraum gelernt haben: Zum Beispiel die Reihenfolge der Buchstaben – und dann kommen technische Neuerungen, die das bereits Gelernte über den Haufen werden. Am Beispiel des Tastaturschreibens geht Julia Kozlik in ihrem Beitrag „QWERTZ-Mania: Wie das digitale Zeitalter die Verarbeitung von Buchstaben beeinflusst“ der Frage nach, inwieweit technische Veränderungen nachhaltige Spuren in unserem kognitiven System hinterlassen.
Woher wissen wir eigentlich, in welcher Reihenfolge bestimmte Buchstaben ein Wort ergeben? Oder was hat dafür gesorgt, dass Sie Artikel üblicherweise von Anfang bis Ende lesen und nicht rückwärts? Wie schafft es unser Gehirn überhaupt, Dinge in einer geordneten Reihenfolge zu speichern oder abzurufen? Antworten auf diese Fragen geben Robert Gaschler und Nicolas Schuck in ihrem Beitrag „Bitte drängeln, dann geht alles schön der Reihe nach – wie wir Reihenfolgen abspeichern und wiedergeben“.
Auch an dieser Stelle bedanken wir uns nochmals recht herzlich bei allen Personen, die als GutacherInnen zur Verfügung gestanden haben und somit ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass diese Themenausgabe zustande kommen konnte. Vielen Dank.
Ebenso freuen wir uns über Fragen, Kommentare und Rückmeldungen und wünschen viel Spaß bei der Lektüre der Beiträge,
Markus Janczyk (markus.janczyk@uni-tuebingen.de)
Roland Pfister (roland.pfister@uni-wuerzburg.de)