Editorial zur Themenausgabe: „Von der Basis zur Anwendung: Kognitionspsychologie und ihre Bedeutung für den Alltag. Teil 1: Wahrnehmung und Handlung“

Begriffe wie „kognitiv“ oder „Kognition“ sind heutzutage aus dem Wortschatz der wissenschaftlichen Psychologie und vieler angrenzender Bereiche nicht mehr wegzudenken und auch die Alltagssprache hat das Wort inzwischen erobert, etwa in Form von „kognitiven Trainings“, „kognitivem Altern“ oder „kognitiven Therapien“.

Die sogenannte Kognitionspsychologie befasst sich mit all denjenigen Inhalten, die gemeinhin unter dem Begriff Kognition zusammengefasst werden: das Wahrnehmen, Speichern, Abrufen und Anwenden von Informationen. Oft als bloße Grundlagenwissenschaft (miss)verstanden, liefert die Kognitionspsychologie jedoch diejenigen grundlegenden Ergebnisse und Theorien, die letztlich in vielfältigen Feldern zur Anwendung kommen. Im Rahmen dieser Themenausgaben des in-mind Magazins möchten wir die Vielfältigkeit der betrachteten Themen und Anwendungsgebiete der Kognitionspsychologie anhand aktueller Beispiele beleuchten. Insgesamt wurde eine beachtliche Anzahl von 15 Artikeln zu unterschiedlichsten Themen der Kognitionspsychologie beigesteuert – und doch können wir selbst damit nur einen kleinen Überblick über ausgewählte, aktuell beforschte Themen geben. Wir bedanken uns bei allen engagierten AutorInnen für das Engagement, an dieser Themenausgabe mitzuwirken.

Wir haben uns entschlossen, die Artikel auf zwei Ausgaben aufzuteilen. Die Artikel dieser Ausgabe „Wahrnehmung und Handlung“ widmen sich der Interaktion mit der Umwelt: Beständig muss der Mensch Informationen aus der Umwelt aufnehmen und gleichzeitig tut er vieles, um diese Umwelt seinen Wünschen entsprechend zu gestalten. Die Artikel der zweiten Ausgabe „Lernen und Gedächtnis“ (erscheint in den kommenden Monaten) widmen sich dann im Wesentlichen der Frage, wie Informationen im Gehirn erhalten bleiben und wie das Behalten optimiert werden kann.

Offensichtlich ist die Wahrnehmung der Umwelt nützlich, um erfolgreich mit der Umwelt zu interagieren. Die am besten erforschte Modalität ist dabei die visuelle Wahrnehmung, also das Sehen. Dabei ist es aber keineswegs so, dass alles, was das Verhalten letztlich beeinflusst, „bewusst“ wahrgenommen wird. Der Beitrag von Andreas Weber und Filipp Schmidt mit dem Titel „Das Potential unbewusster Wahrnehmung – Wer entscheidet, was wir (unbewusst) tun?“ thematisiert die Wahrnehmung und Wirkung von Dingen, derer Existenz eine Person sich nicht bewusst ist.

Wie oben erwähnt, bleibt die Kognitionspsychologie jedoch nicht bei der Erforschung der Grundlagen der Wahrnehmung stehen, sondern wendet einschlägige Forschungsergebnisse auch auf aktuelle Fragestellungen an. So können Erkenntnisse der kognitionspsychologischen Forschung dazu genutzt werden, um beispielsweise die Produktion von Filmen so zu gestalten, dass die dargestellten Inhalte optimal verstanden werden können. Genau diese Anwendung beschreibt Markus Huff in seinem Beitrag „Die wahrnehmungspsychologischen Grundlagen des Filmemachens oder warum Menschen Filme verstehen“.

An der Schnittstelle von Wahrnehmung und Handlung liegt die Frage, inwiefern Menschen sich Bewegungen mental vorstellen können und ob mentale Vorstellungen das tatsächliche Ausführen von Bewegungen verbessern können. Stephan Dahm und Martina Rieger gehen in „Gedanken in Bewegung: Über Handlungsvorstellungen“ dieser Frage nach und stellen dabei Konzepte wie mentales Training vor, die etwa im Kontext des Leistungssports Anwendung gefunden haben.

Eine weitere, in den letzten Jahren stark diskutierte Methode zum Training effizienter Handlungskontrolle, sind Computerspiele. Vor allem sogenannte Actionspiele haben hierbei eine breite Palette von positiven Effekten auf verschiedene Fähigkeiten, wie Tilo Strobach und Torsten Schubert in ihrem Beitrag „Erfahrung in Actionvideospielen und Effekte auf exekutive Funktionen“ beschreiben.

Handlungskontrolle ist dabei jedoch nicht nur ein Thema für LeistungssportlerInnen oder ComputerspielerInnen; schließlich führen wir alle in unserem Alltag ununterbrochen und ganz selbstverständlich eine Vielzahl von Bewegungen durch. Dabei machen wir uns selten Gedanken darüber, was wir eigentlich alles berücksichtigen (müssen), wenn wir uns erfolgreich bewegen wollen. Oliver Herbort nimmt sich in „Intelligente Bewegungen: Wie vorausschauendes Verhalten alltägliche Bewegungen einfacher macht“ dieser Frage an und verdeutlicht unter anderem, wie wir bei verschiedenen Arten von Greifbewegungen intuitiv bereits das Bewegungsende berücksichtigen und so unsere Bewegungsabläufe vorausschauend planen.

Über Greifbewegungen und andere Handbewegungen hinaus verwenden Menschen auch regelmäßig Sprache, um mit der Umwelt zu interagieren. Neben die gesprochene Sprache tritt spätestens mit der Einschulung auch das Schreiben, ein Aspekt, der in der psychologischen Forschung lange Zeit stiefmütterlich behandelt wurde. Joachim Grabowski zeigt in seinem Beitrag „Schreibkompetenz – Ein Thema der Kognitionspsychologie“, dass sich dies gewandelt hat und bespricht aktuelle Theorien und Befunde aus der Schreibforschung.

Natürlich hat der Mensch in der Regel „Größeres vor“, als nur eine Körperbewegung durchzuführen – und auf dem Weg zur Erreichung solcher Ziele liegen eine ganze Menge Hindernisse und Steine. Stephan Lau beschreibt diesen Weg in seinem Beitrag „‚Ich will was erreichen!‘ Die Psychologie erfolgreicher Handlungen“ und gibt einige Hinweise, wie dabei Steine aus dem Weg zu räumen sind.

Auf dem Weg zur erfolgreichen Durchführung einer Handlung sind wir jedoch nicht auf derartige Strategien alleine angewiesen. Vielmehr werden wir von automatischen und meist unmerklich ablaufenden Prozessen unterstützt, die uns helfen, in vielen Situationen schnell und gezielt die richtigen Verhaltensweisen auszuführen. Wie wir von derartigen Prozessen unterstützt werden, beschreiben Carina Giesen und Birte Möller in Von kleinen Helfern im Alltag: Wie Umgebungsreize unser Handeln beeinflussen".

An dieser Stelle bedanken wir uns schließlich auch recht herzlich bei allen Personen die als GutacherInnen zur Verfügung gestanden haben und somit ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass diese Themenausgabe zustande kommen konnte. Vielen Dank.

Ebenso freuen wir uns über Fragen, Kommentare und Rückmeldungen und wünschen viel Spaß bei der Lektüre der Beiträge,

Markus Janczyk (markus.janczyk@uni-wuerzburg.de)

Roland Pfister (roland.pfister@uni-wuerzburg.de)


 

 

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