Erfahrung in Actionvideospielen und Effekte auf exekutive Funktionen
Actionvideospiele sind sehr schnell, komplex, variabel und können ein intensiver Zeitvertreib sein. Können diese Spiele deshalb vielleicht auch grundlegende kognitive Funktionen (d. h. exekutive Kontrollfunktionen der Handlungskontrolle) optimieren? Die Forschungsliteratur zeigt, dass diese Optimierung vor allem in Transfersituationen mit verschiedenen gleichzeitigen oder nacheinander wechselnden Aufgaben außerhalb des Spielkontextes gezeigt werden kann. Anwendungsoptionen dieser
Transfereffekte werden im Bereich des normalen Alterns, im klinischen Kontext und beim Bedienen technischer Systeme illustriert.
Die Videospielindustrie ist auf Wachstumskurs, da die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten ständig größer wird. Umfragen zeigen, dass etwa 58 % der US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner Videospiele nutzen und auch in Deutschland 25 Millionen Erwachsene mehrere Male im Monat spielen; diese häufige Nutzung resultiert in einer intensiven Erfahrung mit Videospielen. Unabhängig vom Geschlecht, der Bildung und dem Einkommen (z. B. BIU, 2012) hat also ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland intensive Spielerfahrung. Viele Politikerinnen und Politiker – und mit ihnen die populären Medien – äußern sich darüber besorgt und sprechen von möglichen negativen sozialen Verhaltenseffekten (die aber wissenschaftlich nicht abschließend nachgewiesen sind). Im Gegensatz dazu konnte die Kognitionsforschung in den letzten Jahren Hinweise darauf liefern, dass sich erfahrene Videospielerinnen und Videospieler durchaus bei ausgewählten kognitiven Leistungen verbessern. Dieser positive Effekt ist Anlass, Videospiele auch aus der Perspektive der Anwendungsforschung zu betrachten (Strobach & Schubert, in Druck). Der vorliegende Text enthält zunächst eine Beschreibung der Forschung mit Fokus auf Erfahrung mit Actionvideospielen und Effekten dieser Erfahrung auf sogenannte „exekutive Funktionen“, um danach auf die Anwendungsmöglichkeiten einzugehen.
Man definiert in der kognitiven Forschung „exekutive Funktionen“ als eine Reihe mentaler Mechanismen, mit denen Menschen ihr Verhalten unter Berücksichtigung von Umweltbedingungen und komplexen Situationen steuern, das heißt, diese Funktionen unterstützen beispielsweise das Festlegen von Zielen und Planen von Handlungen. Für dieses Verhalten modulieren und regulieren exekutive Funktionen die Informationsverarbeitung und verschiedene untergeordnete Teilprozesse (Miyake, Friedman, Emerson, Witzki & Howerter, 2000). Zwei dominierende Aspekte dieser Funktionen sind der Wechsel (Shifting) zwischen verschiedenen Informationen und die Aktualisierung (Updating) von Informationen.
Es zeigt sich, dass diese beiden Aspekte zentral für eine Reihe von Alltagssituationen sind. Ein Beispiel für solche Situationen sind die modernen Anforderungen in der Büroarbeit mit vielen verschiedenen, unter Zeitdruck auszuführenden Aufgaben. Diese Aufgaben müssen zum Teil schnell nacheinander wechselnd und simultan realisiert werden. Sie erfordern die schnelle Aufnahme, Verarbeitung und Aktualisierung von relevanten Informationen sowie adäquate Entscheidungen. Ganz ähnliche Aspekte wie in diesem Alltagsbeispiel finden sich auch in Actionvideospielen. In ihnen müssen die Spielerinnen und Spieler schnell, unter irrelevanten Reizen auf die relevanten Reize reagieren. Sie müssen viele bewegende Objekte verfolgen und multiple, gleichzeitige Aufgaben mit hoher Geschwindigkeit kontrollieren und ausführen. Dabei gilt es, verschiedene spielrelevante Informationen, wie Zwischenziele und Aufgaben im Spielverlauf, ständig zu aktualisieren (Spence & Feng, 2010). Die prominentesten Vertreter der Actionvideospiele sind Ego-Shooter (auch First-Person-Shooter), wie World of Warcraft, Medal of Honor, Counter Strike oder Call of Duty, und Third-Person-Shooter, beispielsweise Grand Theft Auto. In diesen Spielen agieren die Spielerinnen und Spieler in einer frei begehbaren Spielwelt mit Animationen aus einer Ich-Perspektive beziehungsweise einer Perspektive hinter einer Hauptfigur. Spielrelevante Aufgaben können in diesen Spielgenres die Bekämpfung von Feindinnen und Feinden, das Auffinden von Proviant oder die Navigation durch Spielwelten sein.
In den folgenden Ausführungen wird hinterfragt, ob es einen Zusammenhang zwischen der Erfahrung in Actionspielen und der Optimierung von exekutiven Funktionen gibt.
Actionvideospiele und die exekutive Funktion „Wechsel“
Welche Befunde liegen nun in der Forschungsliteratur zu Actionvideospielen und ihren Effekten im Bereich des Wechselns zwischen verschiedenen Informationen vor? Die Literatur zeigt ziemlich deutlich, dass Videospielerinnen und Videospieler mit intensiven Erfahrungen in Actionspielen eine Optimierung dieser exekutiven Funktion zeigen (Colzato, van Leeuwen, van den Wildenberg & Hommel, 2010; Glass, Maddox & Love, 2013; Schubert & Strobach, 2012; Strobach, Frensch & Schubert, 2012). Dabei wird üblicherweise in der Forschung als Kriterium für Videospielerinnen und Videospieler mit intensiver Erfahrung eine wöchentliche Spieldauer von sechs und mehr Stunden angesetzt.
Die Untersuchung von exekutiven Funktionen für einen Wechsel zwischen Informationen wurde mit dem experimentellen Paradigma des Aufgabenwechsels durchgeführt (Abbildung 1). In diesem Paradigma wird ein Set von Reizen präsentiert, das mit unterschiedlichen Teilaufgaben belegt ist (z. B. Zahlen-Buchstabenpaare werden entweder mit einer Zahlenaufgaben [gerade vs. ungerade] oder mit einer Buchstabenaufgabe [Konsonant vs. Vokal] bearbeitet; Rogers & Monsell, 1995). Eine sequentielle und gemischte Präsentation dieser Teilaufgaben führt zu Durchgängen mit Wiederholungen derselben Aufgabe sowie zu Durchgängen mit Wechseln zwischen den verschiedenen Aufgaben. Ein Vergleich der Leistung in diesen beiden Situationen zeigt sogenannte Wechselkosten (Abbildung 1): Die Reaktionszeiten sind höher beim Wechsel zwischen den Aufgaben als bei Wiederholungen. Die Videospielerinnen und Videospieler zeigen aber im Vergleich zu den Nichtspielerinnen und Nichtspielern geringere Wechselkosten (z. B. Strobach, Frensch & Schubert, 2012), was ein erster Hinweis auf optimierte exekutive Funktionen für einen besseren Wechsel zwischen verschiedenen Informationen ist.
Lassen aber solche Vorteile bei Videospielerinnen und Videospielern die Aussage zu, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Spielerfahrung und optimierten exekutiven Funktionen gibt? Die Antwort lautet: leider nein, nicht ohne Weiteres (siehe dazu auch Green, Strobach & Schubert, in Druck). Vorteile von Videospielerinnen und Videospielern müssen kein Resultat von Videospielerfahrung sein, sondern können auch auf angeborene oder andere vorgegebene Eigenschaften zurückgehen, die bereits vor dem Videospielen angelegt sind. Alternativ wären diese Vorteile also unabhängig von der Spielerfahrung.
Um wirklich Aussagen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Actionspielerfahrung und optimierten exekutiven Funktionen machen zu können, werden in der Videospielforschung vermehrt Trainingsexperimente mit Nichtspielerinnen und Nichtspielern realisiert. So wurden mit ihnen unterschiedliche Trainings durchgeführt, um vor und nach dem Training Unterschiede in exekutiven Funktionen im Kontext des Aufgabenwechselparadigmas untersuchen zu können. Im Beispiel von Strobach, Frensch und Schubert (2012) bestand das Training aus 15 einstündigen Sitzungen, in denen zwei Gruppen von Nichtspielerinnen und Nichtspielern mit unterschiedlichen Spielen arbeiteten. Die erste Gruppe hatte ein Puzzle-Spiel (Tetris) mit nur einer Hauptaufgabe und geringen Anforderungen an exekutive Funktionen zu bearbeiten, die zweite Gruppe spielte ein Actionspiel (Medal of Honor) mit hohen exekutiven Anforderungen. Die Aufgabenwechselkosten unterschieden sich für beide Gruppen vor dem Training nicht. Die Ergebnisse danach aber demonstrierten, dass die Gruppe mit Actionspieltraining geringere Aufgabenwechselkosten im Vergleich zur Puzzle-Gruppe aufwies. Diese Trainingsstudie zeigt also, dass Wechselkosten speziell durch Actionvideospieltraining reduziert werden können und diese Reduktion nicht auf angeborene oder erworbene Eigenschaften vor dem Training zurückzuführen ist. Die Befunde der Studie deuten also daraufhin, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Videospielerfahrung und optimierten exekutiven Funktionen beim Wechseln zwischen verschiedenen Aufgaben gibt.
Gibt es aber auch Vorteile für Videospielerinnen und Videospieler, wenn sie verschiedene Aufgaben gleichzeitig (statt nacheinander) ausführen? Gibt es in dieser Gruppe somit Hinweise auf optimierte exekutive Funktionen in solchen sogenannten Doppelaufgabensituationen (eine exemplarische Doppelaufgabensituation ist in Abbildung 2 illustriert)? In Doppelaufgabensituationen koordinieren exekutive Funktionen verschiedene Aufgaben und Aufgabeninformationen. Diese Koordination führt erwartungsgemäß im Vergleich zur separaten Ausführung von Aufgaben in Einzelaufgabensituationen zu längeren Reaktionszeiten im Kontext dieser Doppelaufgaben. Beispielsweise muss reguliert werden, welche Aufgabe zuerst ausgeführt und welche Aufgabe dafür unterbrochen wird. Analog dazu ist in Actionspielen eine effiziente, gleichzeitige Ausführung verschiedener Aufgaben wichtig, um in diesen Spielen erfolgreich zu sein. Deshalb ist die Annahme plausibel, dass Erfahrung in Actionspielen zu einer Optimierung von exekutiven Funktionen zur Koordination gleichzeitiger Aufgaben führt.
Erste Hinweise, dass diese Annahme zutrifft, gibt eine Studie von Strobach, Frensch und Schubert (2012). In dieser Studie wird die Leistung (z. B. in Form von Reaktionszeiten) von Videospielerinnen und Videospielern mit denen der Nichtspielerinnen und Nichtspieler in Doppelaufgaben- und Einzelaufgabensituationen verglichen. Bei Reaktionszeiten in Einzelaufgabensituationen gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Anders dagegen zeigten Videospielerinnen und Videospieler in Doppelaufgabensituationen schnellere Reaktionszeiten und damit eine bessere Leistung als die Nichtspielerinnen und Nichtspieler. Das Ergebnis spricht für eine Optimierung exekutiver Funktionen zur Koordination von zwei gleichzeitigen Aufgaben. Diese Schlussfolgerung wird noch durch eine Aufgabensituation unterstützt, bei der eine Gruppe von Nichtspielerinnen und Nichtspielern nach einem Actionspieltraining im Vergleich zu einer Gruppe von Nichtspielerinnen und Nichtspielern nach einem Puzzle-Training einen ähnlichen Vorteil demonstrierte. Damit wird ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Videospielerfahrung und optimierten exekutiven Funktionen im Doppelaufgabenkontext nahegelegt (siehe auch Chiappe, Conger, Liao, Caldwell & Vu, 2013).
Actionvideospiele und die exekutive Funktion „Aktualisierung“
Lassen sich nun die bisher dargestellten Befunde auf die exekutive Funktion Aktualisierung von Informationen ausweiten? Das heißt, führt das fortlaufende Aktualisieren von Informationen in Actionvideospielen (z. B. Zwischenziele) zu optimierter Funktionalität bei der Aktualisierung von Informationen in Transfersituationen außerhalb der Spielsituation? Auf diese Frage gibt die Forschungsliteratur eher ein heterogenes Bild. Die Funktion Aktualisierung wird vor allem in Situationen getestet, in denen fortlaufend neue Informationen aufgenommen und mit anderen Informationen abgeglichen werden müssen. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte „n-Back-Paradigma“ (Abbildung 3). Hier wird eine fortlaufende Sequenz von verschiedenen Buchstaben gezeigt und die Versuchspersonen bekommen die Aufgabe, kontinuierlich den aktuellen Buchstaben der Sequenz mit dem Buchstaben n Schritte (z. B. ein oder zwei Schritte) zurück zu vergleichen und bei einer Übereinstimmung eine Taste zu drücken. Im Kontext des n-Back-Paradigmas zeigen Actionvideospielerinnen und -spieler mehr korrekte Entdeckungen einer Übereinstimmung als Nichtspielerinnen und Nichtspieler (Colzato, van den Wildenberg, Zmigrod & Hommel, 2013). Dieses Resultat bei Videospielerinnen und Videospielern deutet auf eine optimierte Funktionalität der (exekutiven Funktion) Aktualisierung von Informationen hin. Allerdings konnte nach einem Actionspieltraining bei Gruppem von Nichtspielerinnen und Nichtspielern keine Erhöhung der Korrektheit im n-Back-Paradigma (Boot, Kramer, Simons, Fabiani & Gratton, 2008) registriert werden. Somit bleibt unklar, ob zwischen Spielerfahrung und der exekutiven Funktion Aktualisierung wirklich ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Actionvideospiele, exekutive Funktionen und ihre potentiellen Anwendungen
Nachdem die Grundlagenforschung einen Zusammenhang zwischen den exekutiven Funktionen Wechsel und möglicherweise auch Aktualisierung mit Erfahrung in Actionspielen zeigt, muss gefragt werden, ob dieses Grundlagenwissen in realen Situationen angewendet werden kann. Wenn dem so ist, dann muss weiter gefragt werden, wie die Anwendung realisiert wird. Eine Möglichkeit ergibt sich aus einem Fokus auf normales, nicht durch Krankheiten oder neurologische Defizite bedingtes, kognitives Altern. Hier kann der Einsatz von Actionvideospielen eine plausible Möglichkeit zur Optimierung von exekutiven Funktionen sein. Diese Möglichkeit ist essentiell, da exekutive Funktionen alterssensibel sind, das heißt, ihre Funktionalität nimmt mit dem Alter ab. Dies gilt vor allem für die exekutive Funktion Wechsel und die entsprechenden Paradigmen Aufgabenwechsel und Doppelaufgaben (Verhaeghen, 2011). Konkret bedeutet dies, dass Erfahrung in Actionspielen altersbedingte Defizite in Situationen mit Anforderungen an die exekutive Wechsel-Funktion verzögern und kompensieren könnte.
Die altersbedingten Funktionalitätseinbußen der exekutiven Funktionen erklären auch die Defizite in einer Vielzahl von Aufgaben, wie Reaktionsaufgaben mit Wahlentscheidungen, Aufgaben des episodischen Zeitgedächtnisses oder mit visueller Aufmerksamkeit. Actionspiele können daher Instrumente sein, um altersbedingte Defizite in dieser Vielzahl von Situationen und Aufgaben mit Anforderungen an exekutive Funktionen zu verzögern oder zu kompensieren: Ein effizienter Leistungsstand würde gegebenenfalls durch Videospieltraining in einer Vielzahl von Aufgaben bis in ein höheres Alter aufrechterhalten bleiben. Im Kontext einer alternden Gesellschaft und eines späteren Verrentungsalters ist dieses Aufrechterhalten besonders für Aufgabenwechsel und Doppelaufgaben relevant, denn Arbeitskontexte wie die Büroarbeit werden mehr und mehr durch den schnellen Wechsel und die gleichzeitige Ausführung von Anforderungen dominiert. Weiterhin kann die Erfahrung mit Actionspielen im Alterskontext dazu beitragen, dass Autofahren als komplexe und „exekutive“ Tätigkeit länger ausgeführt werden kann (Anguera et al., 2013).
Zusätzlich können Anwendungen dieser Spiele in einem klinischen Kontext auf alternde Personen mit Defiziten und Dysfunktionen in exekutiven Funktionen zielen (Strobach & Schubert, in Druck). Diese Defizite können bei Gehirnverletzungen und Aufmerksamkeitsdefiziten entstehen. Aktuelle Innovationen könnten in der Lage sein, kommerziell erhältliche Actionspiele optimal zu adaptieren, um (1) in diesen klinischen Kontexten ein hohes Maß an Entertainment zu bewahren ohne (2) ihre „exekutiven“ Anforderungen zu reduzieren (Glass et al., 2013).
Erste positive Hinweise auf eine Verzögerung und Optimierung altersbedingter Defizite in exekutiven Funktionen gab ein Training von älteren Erwachsenen (Alter: 60 – 85 Jahre) mit einem Autorennspiel. Das Spiel wurde (1) in einer Doppelaufgabensituation mit einer zweiten Aufgabe (Erkennen von Straßenschildern) und (2) ohne diese zusätzliche Aufgabe als Einzelaufgabensituation trainiert (Anguera et al., 2013; siehe auch Strobach, Frensch, Soutschek & Schubert, 2012). Nach beiden Trainingsarten (d.h. Training in Doppelaufgaben- und Einzelaufgabensituationen) wurde die Leistung in einer Doppelaufgabensituation überprüft. In dieser Doppelaufgabensituation zeigten Personen nach Doppelaufgabentraining im Vergleich zu Einzelaufgabentraining einen Leistungsvorteil. Training führt also bei älteren Erwachsenen zu einer Optimierung in Situationen, die Anforderungen an exekutive Funktionen im Kontext von Doppelaufgaben stellen. Allerdings bleibt offen, ob (1) diese Optimierung auch als Resultat von Training mit Actionvideospielen möglich ist und (2) sich diese Optimierung auch auf neue, nicht trainierte Situationen außerhalb des Spielkontextes transferieren lassen (Strobach & Schubert, in Druck). Unklar ist ebenfalls, ob diese trainingsbedingte Optimierung in älteren Erwachsenen auch für andere Aspekte exekutiver Funktionen gilt und wieweit ein Training für Personen mit Defiziten und Dysfunktionen in exekutiven Funktionen realisiert werden kann.
Die moderne Arbeitswelt mit ihren komplexer werdenden technischen Systemen stellt immer höhere Anforderungen an die Beschäftigten aller Altersgruppen. Das gilt vor allem für die Bereiche der Verkehrs- und der Flugsicherung, der Kontrolle von Kraftwerken und Industrieanlagen und allgemein für die Überwachung von technischen Geräten (Chiappe et al., 2013). Das Bedienpersonal benötigt eine effiziente Koordination von verschiedenen Aufgaben zur Steuerung dieser Technologien. Die Verkehrssicherung wird beispielsweise zukünftig vermehrt Überwachungskameras einsetzen, die von nur wenigen Personen kontrolliert werden. Diese neuen Technologien reduzieren zwar die körperliche Arbeitsbelastung, verstärken aber die kognitive Belastung. In solchen Fällen können Actionspiele und ihre Anwendung exekutive Funktionen optimieren, um die gestiegenen kognitiven Belastungen zu kompensieren. Ein empirischer Test dieser Annahme steht allerdings noch aus.
Zusammenfassung
Videospielerinnen und Videospieler zeigen im Vergleich zu Nichtvideospielerinnen und -spielern vor allem Vorteile von exekutiven Funktionen in Situationen mit Aufgabenwechseln und gleichzeitigen Aufgaben in Doppelaufgabensituationen. Trainingsstudien zeigen weiter, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Actionspielerfahrung und Vorteilen in exekutiven Funktionen gibt. Anwendungsoptionen wurden im Bereich des normalen Alterns, im klinischen Kontext und für das Bedienen technischer Systeme illustriert.
Autorenkommentar
Korrespondenz zu diesem Artikel kann adressiert werden an Tilo Strobach oder Torsten Schubert, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Psychologie, Rudower Chaussee 18, 12489 Berlin, Deutschland. Emails werden gesendet an tilo.strobach@hu-berlin.de oder torsten.schubert@hu-berlin.de.
Referenzen
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