Von kleinen Helfern im Alltag: Wie Umgebungsreize unser Handeln beeinflussen

Wir sind umgeben von einer Flut von Objekten, Personen und Ereignissen, die auf unsere Sinne einwirken. Tatsächlich müssen wir nicht nur ständig neue Umweltinformationen verarbeiten, sondern zeitgleich auch unsere Handlungen planen, ausführen und überprüfen. Dabei ist bemerkenswert, dass keiner von uns diese Anforderungen als belastend erlebt; ganz im Gegenteil, in der Regel ist uns gar nicht bewusst, was unser Gehirn in jeder Sekunde leistet. Wie kann das sein? Welche Prozesse ermöglichen es uns, in einer Welt voller Ablenkungen dennoch effizient und zielgerichtet zu handeln, ohne dass wir es merken?

Ich bin spät dran. Hastig greife ich nach meinem Mantel und Schlüssel und laufe die Institutstreppen herunter. Entschlossen eile ich auf die Türe zu, meine Hand ist schon auf dem Türgriff; ich ziehe kräftig - verdammt. Falsche Richtung. ,Türen in öffentlichen Gebäuden gehen immer nach außen auf; das ist eine Brandschutzauflage' geht es mir durch den Kopf, und ,Warum passiert mir das immer an dieser Tür?' Ist ja auch egal; schnell zum Auto. Es ist kurz vor Ladenschluss, und ich muss noch einkaufen. Oh nein, den Einkaufszettel hab ich auch vergessen. Ich fahre los und überlege, was ich brauche. Kaffee, Milch, Joghurt, wie immer eigentlich. Außerdem noch Wasser, Äpfel, Eier, und die Zwiebeln waren doch auch alle. Noch 20 Minuten, hm, wird wirklich knapp - was, warum bremst der Depp[1] denn jetzt, gibt doch gar keinen Grund?! Oh Mann, war das knapp…

Abbildung 1: Entstehung und Abruf einer Reiz-Reaktions-Episode: (a) Der Türgriff und die zeitgleich ausgeführte „Ziehen“ Reaktion werden als gemeinsame Instanz im Gedächtnis gespeichert. (b) Begegnet man demselben (oder einem ähnlichen) Reiz später erneut, ruft dieser automatisch die frühere Verarbeitungsepisode aus dem Gedächtnis ab. Dadurch wird auch die damals gezeigte Reaktion aktiviert und kann schneller wieder ausgeführt werden als eine Reaktion, die erst bewusst geplant werden muss.Situationen wie diese sind alltäglich und jeder von uns hat sie in ähnlicher Weise sicherlich schon einmal erlebt. Eigentlich sind sie aufgrund ihrer Alltäglichkeit schon wieder unspektakulär: triviale Routine. Aber haben Sie sich schon mal gefragt, wieso Sie zum Beispiel Auto fahren und sich gleichzeitig Gedanken über Wichtigeres, wie beispielsweise ihren Einkauf, machen können? Und wie gelingt es, dass Sie dennoch rechtzeitig reagieren können, wenn etwas Unerwartetes passiert (wie das plötzliche Abbremsen Ihres Vordermanns)? Viele, wenn nicht die meisten unserer alltäglichen Handlungen verrichten wir quasi auf Autopilot, das heißt, ohne groß darüber nachzudenken, was wir gerade machen. Und das funktioniert erstaunlich gut: Selten kommt es zu Problemen oder Fehlern. Die Tatsache, dass wir dies können, verdanken wir einer Vielzahl sehr effizienter kognitiver Prozesse, die unser Verhalten automatisch steuern. Aber welche Prozesse sind das genau, und wie funktionieren sie? Darum soll es im Folgenden gehen.

Prozesse der Verhaltensautomatisierung

 Abbildung 2: Türen in englischsprachigen Ländern (hier ein Beispiel aus Großbritannien) verhindern den Abruf einer „falschen“ Reaktion, da nur auf der Seite Griffe sind, auf der sich die Tür auch tatsächlich durch ziehen öffnen lässt (Bild: R. Bode)Ein einflussreiches Modell zur Erklärung von Prozessen der Verhaltensautomatisierung stammt von Logan (1988). Logan geht davon aus, dass jede Begegnung mit einem bestimmten Reiz (z. B. ein Türgriff) als einzelne Episode oder „Instanz“ (im Sinne einer abgeschlossenen Einheit) im Gedächtnis gespeichert wird. So eine Instanz enthält nicht nur Informationen über den Reiz, sondern auch über aktuelle Handlungsziele (z. B. „den Raum verlassen“) und die ausgeführte Reaktion („ziehen“). Zentral ist nun Folgendes: Sobald man dem gleichen Reiz später noch einmal begegnet, ruft dieser automatisch die frühere Verarbeitungsepisode aus dem Gedächtnis ab (siehe Abb. 1): Man erinnert sich quasi an die früher gezeigte Reaktion—auch wenn einem dies nicht unbedingt bewusst sein muss— und kann diese schnell noch einmal ausführen. Reaktionen, die als Teil von Instanzen automatisch aus dem Gedächtnis abgerufen werden, können deutlich schneller ausgeführt werden als Reaktionen, die erst bewusst überlegt und geplant werden müssen. Typischerweise stellen sich automatische Abrufprozesse aber erst ein, wenn man häufig und in immer gleicher Weise auf einen Reiz reagiert; die Verknüpfung zwischen Reiz und Reaktion muss geübt werden (wenn Sie gelernt haben, ein Musikinstrument nach Noten zu spielen, kommt Ihnen dies sicherlich bekannt vor). Laut Logan ist Verhalten vollständig automatisch, wenn es nur noch auf direktem Gedächtnisabruf basiert. Dies bedeutet, dass das Verhalten nicht mehr bewusst geplant werden muss, sondern einzig durch die Wahrnehmung eines Reizes ausgelöst werden kann. So laufen Tätigkeiten, die häufig in einer immer ähnlichen Umgebung stattfinden, automatisch ab, ohne dass wir sie bewusst initiieren. Automatisierte Verhaltensweisen haben jedoch auch ihre Nachteile: Es kann zum Beispiel sein, dass die abgerufene Reaktion in einer bestimmten Situation nicht passt: Im oben skizzierten Beispiel ist es nötig zu drücken, um die Tür zu öffnen; der Türgriff verleitet hier aber (aufgrund der Lerngeschichte oder seiner Ähnlichkeit zu einem anderen Türgriff, bei dem diese Handlung korrekt wäre) zur Ausführung der Ziehen Reaktion. In so einem Fall führt der automatische Reaktionsabruf zu Fehlern oder Verzögerungen. Bedauerlicherweise hat sich die angelsächsische Lösung dieses Problems noch nicht unter deutschen Ingenieuren durchgesetzt (z. B. haben Türen in Großbritannien oder in den USA nur auf der Seite Griffe, wo auch wirklich gezogen werden muss; siehe Abb. 2).

Abbildung 3: Der automatische Abruf von Reiz-Reaktions-Assoziationen aus dem Gedächtnis ist nicht immer von Vorteil: Im dichten Verkehr ist von einer plötzlichen Bremsreaktion auf die aufleuchtenden Bremslichter des Vordermanns unter Umständen abzuraten (z.B. wenn man dadurch einen Auffahrunfall durch den Hintermann riskiert; Bild: B. Moeller).Während Logan (1988) noch davon ausging, dass es viele Wiederholungen der Reiz-Reaktions-Kopplung braucht, bis diese automatisiert wird, konnte zehn Jahre später gezeigt werden, dass Reiz-Reaktions-Episoden bereits nach einmaliger Reaktion auf einen Stimulus automatisch aus dem Gedächtnis abgerufen werden können (Hommel, 1998). Bei derartigen Verarbeitungsepisoden, sogenannten event files, handelt es sich um Assoziationen zwischen einem wahrgenommenen Reiz und einer zeitgleich ausgeführten Reaktion, die typischerweise nur für kurze Zeit bestehen bleiben (ca. sechs Sekunden, Herwig & Waszak, 2012). Manchmal können diese Assoziationen nach einmaliger Paarung von Reiz und Reaktion aber auch deutlich länger (bis zu 15 Minuten) erhalten bleiben (z. B. Horner & Henson, 2009). Solange ein event file besteht, kann es automatisch abgerufen und reaktiviert werden, sobald eines der in ihm enthaltenen Elemente wiederholt wird. Diese Logik lässt sich auf das oben beschriebene Beispiel anwenden: Wenn wir eine Kollision mit einem bremsenden Fahrzeug vor uns verhindern wollen, reicht es, einen Umweltreiz (z. B. die Bremslichter des Vordermanns) wahrzunehmen und darauf eine Reaktion (z. B. bremsen) auszuführen, damit unser Gehirn diese miteinander verbindet und in Form einer Reiz-Reaktions-Assoziation kurzfristig im Gedächtnis speichert[2]. Im weiteren Verlauf können diese Assoziationen die Interaktion mit unserer Umgebung erleichtern: Erscheint der gleiche Reiz noch einmal, wird die gleiche Reaktion automatisch abgerufen und ist damit schnell verfügbar. Gerade im Straßenverkehr kann eine derartige Bremslicht-bremsen-Assoziation von großem Vorteil sein, da hier schnelle Reaktionen von großer Bedeutung sind. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmesituationen, in denen der Abruf kurzfristiger Reiz-Reaktions-Assoziationen mit Nachteilen verbunden ist: Im dichten Verkehr ist von einem plötzlichen Bremsen als Reaktion auf die aufleuchtenden Bremslichter des Vordermanns abzuraten, da Sie dadurch das Risiko eines Auffahrunfalls durch Ihren Hintermann eingehen (Abb. 3). Ein Spurwechsel wäre hier unter Umständen die deutlich adäquatere Reaktion. Glücklicherweise wird unser Verhalten nicht ausschließlich durch den Abruf automatischer Reiz-Reaktions-Assoziationen bestimmt, sondern kann in der Regel immer auch durch übergeordnete kognitive Prozesse kontrolliert und korrigiert werden (Logan, 1989).

Welche Reize können Teil von kurzfristigen Reiz-Reaktions-Episoden werden?

Die vorangegangenen Abschnitte haben aufgezeigt, dass einfache, alltägliche Umweltreize einen großen Einfluss auf unser Verhalten haben können, sobald sie Teil einer Reiz-Reaktions-Episode sind. Vor diesem Hintergrund ist es angebracht zu fragen, welche Reize denn nun in einem event file mit Reaktionen integriert werden können. Ursprünglich wurde angenommen, dass ausschließlich aufgabenrelevante Reize (sprich die Reize, auf die man auch tatsächlich reagiert, wie z. B. der Türgriff aus dem ersten Beispiel) Teil von Reiz-Reaktions-Episoden werden (Hommel, 1998). Neuere Befunde sprechen allerdings dafür, dass auch zusätzliche, für die Reaktion irrelevante Reize, die gemeinsam mit dem relevanten Reiz auftreten (z. B. die Farbe des Türgriffs), in Reiz-Reaktions-Episoden integriert werden und bei wiederholter Darbietung einen automatischen Reaktionsabruf auslösen können (Rothermund, Wentura & De Houwer, 2005; siehe auch Frings, Rothermund & Wentura, 2007). In unserer Umwelt treten handlungsrelevante und –irrelevante Reize häufig gemeinsam auf, zum Beispiel weil sie Teil desselben Objektes sind. Unser Gehirn ist sehr empfänglich für die Entdeckung derartiger Zusammenhänge und Regelmäßigkeiten, weil sich dadurch die Komplexität unserer Umgebung reduzieren lässt und sie als zusätzliche Hinweise für korrekte Verhaltensweisen genutzt werden können (Garner & Felfoldy, 1970). Insofern ist es adaptiv für uns, selbst irrelevante Reize mit bestimmten Reaktionen zu assoziieren: Dadurch wird diese Regelmäßigkeit ausgenutzt und für die automatische Verhaltenssteuerung benutzt. So ist es ist zum Beispiel einfacher, auf eine grüne Ampel zu reagieren, wenn das grüne Licht immer an einer unteren Position erscheint. Vielleicht sind auch Sie schon einmal versehentlich an einer grünen Rechtsabbiegerampel stehen geblieben, die zwar bei Bedarf einen grünen, aber keine roten oder gelben Pfeile anzeigen kann, weswegen die Farbe Grün nicht an dem üblichen Ort „unten“ auftritt.

Abbildung 4: (a) Irrelevante Reize (wie die Hintergrundfarbe der Aufkleber) sind informativ für Verhalten, weil sie oft gemeinsam mit relevanten Reizen (hier z.B. die Wörter „drücken“ oder „ziehen“) auftreten. Die Hintergrundfarbe wird dadurch ebenfalls mit der geforderten Reaktion assoziiert, was eine Aktivierung der benötigten Reaktion zusätzlich fördert. (b) Jedoch sind irrelevante Reize nicht die zuverlässigsten Garanten für adäquates Verhalten: Ein rotes Schild mit der Aufschrift „Ausgang“ verleitet zur falschen Reaktion (ziehen), obwohl die Tür durch Drücken zu öffnen ist.Beispiele für solche Regelmäßigkeiten finden sich natürlich auch außerhalb des Straßenverkehrs. In unserem Alltag begegnen uns häufig Aufkleber auf Türen mit der Inschrift ziehen/ Eingang oder drücken/ Ausgang, die uns dazu anleiten sollen, die richtige Reaktion auszuführen. Typischerweise sind diese Inschriften auf bestimmten Hintergrundfarben gedruckt (Eingang und ziehen sind oft rot hinterlegt; Ausgang und drücken dagegen sind grün hinterlegt, siehe Abb. 4a). Die Hintergrundfarbe des Aufklebers wird dann ebenfalls mit der instruierten Reaktion assoziiert, was eine Aktivierung der geforderten Reaktion zusätzlich befördert. An dieser Stelle ist jedoch zu sagen, dass irrelevante Reize unzuverlässige Hinweisreize für korrektes Verhalten sind. Entsprechend konnte gezeigt werden, dass der durch irrelevante Reize ausgelöste automatische Reaktionsabruf auch zu Fehlern oder verlangsamten Reaktionen führen kann, nämlich immer dann, wenn die abgerufene Reaktion in der aktuellen Situation unpassend ist (Rothermund et al., 2005). Würden Sie beispielsweise Ihre Handlungen allein durch die reaktionsirrelevante Farbe eines Hinweisschildes an einer Tür lenken lassen, würde ein rotes Schild mit der Aufschrift „Ausgang die falsche Reaktion (an der Türe zu ziehen) auslösen (siehe Abb. 4b).

Exkurs: Implikationen von Reiz-Reaktions-Assoziationen für die Gestaltung von Fahrassistenzsystemen

Die aktuelle Befundlage spricht dafür, dass die Integration von irrelevanten Reizen in Reiz-Reaktions-Episoden ein fundamentaler Mechanismus der automatischen Verhaltenssteuerung ist, der für irrelevante Reize von unterschiedlicher Art gilt. Beispielsweise wurden Einflüsse irrelevanter Reize auf menschliches Verhalten bereits für visuelle Reize (z. B. Buchstaben: Frings et al., 2007; Wörter: Giesen & Rothermund, 2011), Geräusche und Töne (Mayr & Buchner, 2006; Moeller, Rothermund & Frings, 2012) und taktile Reize (z. B. Vibrationen: Moeller & Frings, 2011) gezeigt. Besonders im Hinblick auf Warn- und Hinweissysteme im Straßenverkehr, aber auch für die Gestaltung von Computern, (Haushalts-)Geräten, oder (industriellen) Maschinen sind diese Befunde von Bedeutung: Nicht nur die reaktionsrelevanten Bestandteile solcher Hinweise (wie z. B. ein Pfeil, durch den das Navigationssystem auf das anstehende Verlassen der Autobahn hinweist), sondern auch zusätzliche Reize (wie ein Signalton oder die Hintergrundfarbe der Abbiegeinformation) können einen Einfluss auf unsere Reaktion haben.

Am Beispiel des Straßenverkehrs lassen sich Vor- und Nachteile automatisch gebildeter Reiz-Reaktions-Assoziationen gut illustrieren. Visuelle (z. B. Geschwindigkeitsinformation), auditive (z. B. Hinweistöne) und taktile (z. B. Spurabweichungshinweise durch eine Vibration des Lenkrads) Hinweisreize sind in modernen Fahrzeugen üblich und fast schon im Überfluss vorhanden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass während des Fahrens ständig kurzfristige Assoziationen zwischen diesen Reizen und den eigenen Handlungen gebildet werden, die spätere Reaktionen beeinflussen können. Für das Design von Fahrassistenzsystemen ist es ratsam, diesen Mechanismus im Hinterkopf zu behalten. Zum Beispiel bietet sich hier die Möglichkeit, diese Prozesse gezielt zu nutzen, um angebrachtes Verhalten zu erleichtern. Nehmen Sie einmal an, Ihr Auto informiert Sie über verschiedene Situationen, gibt dabei aber jedes Mal den gleichen Warnton von sich: Mal handelt es sich um eine Glättewarnung, mal ist es ein Hinweis auf einen vorausliegenden Stau, mal ein Abbiegehinweis, mal der Hinweis darauf, dass Sie ab jetzt mit der Kraftstoffreserve fahren. In vielen dieser Fälle (Glätte, Stau, Abbiegen) ist eine angemessene Reaktion auf den Hinweis zuerst einmal den Fuß vom Gas zu nehmen. Wenn der zusätzliche Hinweiston bereits bei der letzten Information mit dieser Reaktion verbunden wurde, erleichtert er eine zügige und angemessene Handlung.

Schwierig wird es immer dann, wenn der gleiche Warnton je nach Situation unterschiedliche Reaktionen erfordert: Angenommen, Ihr Auto weist Sie zusätzlich zu den Bremslichtern des vorausfahrenden Fahrzeugs mit einem Warnton darauf hin, dass Sie schleunigst bremsen sollten, um einen Auffahrunfall zu vermeiden. Der Warnton wird in diesem Fall mit der Bremsreaktion assoziiert; erscheint er bei der nächsten Gelegenheit erneut, kann dies zu einer noch schnelleren Bremsreaktion führen, weil diese nur noch abgerufen und nicht erneut geplant werden muss. Problematisch ist das, wenn der derselbe Warnton auch in anderen Gefahrensituationen erscheint (z. B. bei Glatteis), in denen ein Abruf der Bremsreaktion unangebracht ist. Für die Gestaltung von Fahrassistenzsystemen lässt sich also festhalten, dass (visuelle, auditive und taktile) Hinweisreize, die meist mit einer bestimmten Reaktion auftreten (z. B. Bremsen), nicht als Hinweise verwendet werden sollten, wenn diese Reaktion unangebracht ist (z. B. plötzliches Bremsen in dichtem Verkehr oder bei Glatteis). Umgekehrt ist es sinnvoll, Hinweise, bei denen immer eine bestimmte Reaktion angebracht ist (z. B. bei Glätte, hohem Verkehrsaufkommen, oder Abbiegehinweisen den rechten Fuß vom Gas nehmen), um einen immer gleichen zusätzlichen Reiz (bspw. einen bestimmten Hinweiston) zu ergänzen. Ähnliches lässt sich für Hinweise von anderen Geräten und Maschinen annehmen. Die konkreten Reize und Reaktionen mögen sich von denen einer Fahrsituation unterscheiden, mit einem automatischen Abruf von Reaktionen durch das Auftreten eines bestimmten Reizes kann aber auch hier gerechnet werden.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine ganze Reihe von alltäglichen Reizen einen direkten Einfluss auf unsere Handlungen haben können. Sowohl Reize, die wir als relevant betrachten, weil sie uns eine Handlung vorgeben (das Wort „drücken“ an der Tür, durch die wir ein Gebäude verlassen), als auch Reize, die für unsere Handlungen irrelevant sind (die Farbe des Aufklebers auf der Tür), können unsere alltäglichen Reaktionen beeinflussen. Dies kann sogar dann passieren, wenn wir diese irrelevanten Reize absichtlich ignorieren (Giesen, Frings & Rothermund, 2012). Meist führt das dazu, dass wir ohne größere Anstrengung automatisch das Richtige tun. Aber manchmal kann eben auch die Form eines Türgriffs oder die Farbe eines Aufklebers dazu führen, dass wir an dieser Tür den immer gleichen Fehler machen. Vielleicht finden Sie in Zukunft an der einen oder anderen Stelle eine einfache Erklärung für eine Ihrer spontanen Reaktionen.

Literatur

Frings, C., Rothermund, K. & Wentura, D. (2007). Distractor repetitions retrieve previous responses to targets. The Quarterly Journal of Experimental Psychology, 60, 1367–1377. doi:10.1080/17470210600955645 

Garner, W. R. & Felfoldy, G. L. (1970). Integrality of stimulus dimensions in various types of information processing. Cognitive Psychology, 1, 225–241. doi:10.1016/0010-0285(70)90016-2 

Giesen, C., Frings, C. & Rothermund, K. (2012). Differences in the strength of distractor inhibition do not affect distractor-response bindings. Memory and Cognition, 40, 373–387. doi:10.3758/s13421-011-0157-1

Giesen, C. & Rothermund, K. (2011). Affective matching moderates S-R binding. Cognition and Emotion, 25, 342–350. doi:10.1080/02699931.2010.482765 

Herwig, A. & Waszak, F. (2012). Action-effect bindings and ideomotor learning in intention- and stimulus-based actions. Frontiers in Psychology, 3, 1–18. doi:10.3389/fpsyg.2012.00444 

Hommel, B. (1998). Event files: Evidence for automatic integration of stimulus-response episodes. Visual Cognition, 5, 183–216. doi:10.1080/713756773 

Horner, A. & Henson, R. (2009). Bindings between stimuli and multiple response codes dominate long-lag repetition priming in speeded classification tasks. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 35, 757-779.

Logan, G. D. (1988). Toward an instance theory of automatization. Psychological Review, 95, 492–527. doi:10.1037/0033-295X.95.4.492 

Logan, G. D. (1989). Automaticity and cognitive control. In J. S. Uleman & J. A. Bargh (Eds.), Unintended thought (pp. 52–74). New York, NY: Guilford Press.

Mayr, S. & Buchner, A. (2006). Evidence for episodic retrieval of inadequate prime responses in auditory negative priming. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 32, 932–943. doi:10.1037/0096-1523.32.4.932 

Moeller, B. & Frings, C. (2011). Remember the touch: Tactile distractors retrieve previous responses to targets. Experimental Brain Research, 214, 121–130. doi:10.1007/s00221-011-2814-9 

Moeller, B., Rothermund, K. & Frings, C. (2012). Integrating the irrelevant sound: Grouping modulates the integration of irrelevant auditory stimuli into event files. Experimental Psychology, 59, 258–264. doi:10.1027/1618-3169/a000151 

Rothermund, K., Wentura, D. & De Houwer, J. (2005). Retrieval of incidental stimulus-response associations as a source of negative priming. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 31, 482–495. doi:10.1037/0278-7393.31.3.482 


[1]Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Die männliche Form gilt im Sinne des generischen Maskulinums grundsätzlich für beide Geschlechter.

[2]Je nach Erfahrung des Fahrers kann es natürlich auch bereits gelernte Assoziationen zwischen Bremslichtern und Reaktionen geben. In diesem Beispiel geht es aber um die kurzfristige Bindung nach einer konkreten Situation.

 

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