Die Tragödie der Klimakrise: Ursachen und institutionelle Lösungen. Ein Appell für eine stärkere Berücksichtigung der Wechselwirkungen von Individualpsychologie und Institutionen

Die Klimakrise ist das vermutlich dramatischste Beispiel für die sogenannte „Tragödie der Gemeingüter“. Konsum- und Mobilitätsentscheidungen versus drohenden globalen Kollaps vergegenwärtigen tagtäglich den tiefen Widerspruch zwischen den kurzfristig rationalen Interessen einzelner Personen und den langfristig vernünftigen Interessen der gesamten Menschheit. Obwohl neue Regeln bzw. „Institutionen“ Kontrollen und Sanktionen beinhalten, sind sie zur Lösung notwendig. Die Herausforderung hierbei ist, möglichst viele Menschen von diesen institutionellen Lösungen zu überzeugen. Klimaclubs, basierend auf verhaltensökonomischen und psychologischen Einsichten, könnten auf dem Weg dahin unterstützen.

Mit der steigenden Anzahl von Meldungen über wetterbedingte Katastrophen weltweit und Kipp-Punkten des Weltklimas wird die Forderung nach Lösungen zur Klimakrise immer eindringlicher. Große Hoffnungen werden dabei auf technische Lösungen gelegt. Im Bereich der spieltheoretischen und verhaltensökonomischen Grundlagenforschung setzt sich jedoch eine weitere Erkenntnis durch: Lösungsansätze können auch in sozialen-Innovationen gefunden werden, welche vernünftigere Konsum- oder Mobilitätsentscheidungen begünstigen, obwohl damit auch Einschränkungen und Kontrolle dieser Einschränkungen verbunden sind. Ein unregulierter Markt jedenfalls löst die Probleme nicht, sondern trägt im Gegenteil dazu bei.

Der Markt als Lösung und Problem

Basis unseres marktwirtschaftlich-ökonomischen Denkens ist die von Adam Smith geprägte Vorstellung, dass jeder Akteur, der sich am Markt um sein persönliches Wohlergehen bemüht, gleichzeitig dafür sorgt, dass es allen bestmöglich geht. Nach dem Motto: „Was für den einzelnen gut ist, ist für alle gut“. Diese zunächst kontraintuitive und zu seiner Zeit geradezu unmoralische Behauptung wurde mit der Metapher der in einer marktwirtschaftlichen Ordnung versteckten „unsichtbaren Hand“ begründet und konnte in der Folge von prominenten Ökonomen mit mathematischer Evidenz bewiesen werden. Dieser Beweis gilt allerdings nur innerhalb eines mathematischen Modells und ist an die Erfüllung seiner Vorannahmen geknüpft: 

  • Erstens, der Mensch ist ein vollkommen rationales Wesen, d. h. ein homo oeconomicus. Er achtet nur auf seine eigenen Interessen und Bedürfnisse und versucht diese zu optimieren, unabhängig von Auswirkungen auf die Interessen und Bedürfnisse anderer.
  • Zweitens, die Märkte sind „vollkommen“, das heißt (u. a.), es gibt keine sogenannten „externen Effekte“ bzw. Auswirkungen des Konsums oder der Produktion auf unbeteiligte Dritte.

Diese beiden Vorannahmen wurden wenig hinterfragt, und so gewann dieses Narrativ der unsichtbaren Hand den Status eines Dogmas und galt für lange Zeit als geradezu unumstößlich. Eine Überprüfung der theoretisch gesetzten Vorannahmen in Studien und Experimenten erschien überflüssig, weil diese theoretischen Vorannahmen entweder per se evident schienen oder Abweichungen davon zu vernachlässigen seien.Bild 1: Eine Tragödie der Gemeingüter- KlimakriseBild 1: Eine Tragödie der Gemeingüter- Klimakrise

Empirische und theoretische Einwände zur unsichtbaren Hand 

Die Überprüfung dieser Vorannahmen zeigt jedoch, dass sie in zwei essenziellen Punkten falsch sind.

  1. Neuere verhaltensökonomische Experimente (vgl. dazu Kahneman et al., 2021) zeigen, dass die o. g. erste Annahme des rationalen Akteurs im Sinne des Menschenbildes „homo oeconomicus“ an empirischer Evidenz mangelt, d. h. die Annahmen sind zwar theoretisch plausibel, aber in Studien so nicht beobachtbar. Im Gegenteil: Probanden weichen in Experimenten vielfach systematisch von rationalen Lösungen ab und handeln gegen ihre eigenen rationalen Interessen, etwa zu Gunsten von hilfsbereitem Verhalten.
  2. Weiterhin war Ökonomen bereits sehr früh klar, dass die zweite o. g. Annahme „vollkommender Märkte“ bestenfalls für „private Güter“, wie alle z. B. im Supermarkt oder bei Amazon angeboten Produkte, nicht aber für „Gemeingüter“ wie etwa Luft, Wasser oder sonstige beim Konsum oder bei der Produktion uneingeschränkt nutzbare Ressourcen gilt. Im Ergebnis führt rationales, auf die eigenen Interessen gerichtetes Verhalten dazu, dass zu viel vom Gemeingut konsumiert bzw. durch Nutzung des Gemeinguts zu viel verschmutzt wird (vgl. etwa Gardner & Stern, 2002). Als konkretes Beispiel fahren etwa aktuell z. B. jeden Morgen fast eine Milliarde Kraftfahrzeuge zur Arbeitsstelle des Fahrers oder etliche Passagierschiffe und Flug¬zeuge zu ihren Destinationen ohne für die dadurch verursachte Klimaerwärmung und dessen Folgen zu zahlen, da die Nutzung und Verschmutzung des Gemeinguts Luft, anders als bei den „privaten Gütern“, umsonst oder weit unter den durch Verschmutzung verursachten Kosten ist.  

Um den zweiten Punkt besser zu verstehen, betrachten wir im Folgenden die spieltheoretische Charakteristik von Gemeingütern: Gemeingüter erzeugen ein soziales Dilemma. Die Tragödie der Gemeingüter (und somit auch der Klimakrise) erklärt sich aus der inhärenten spieltheoretischen Struktur eines sozialen Dilemmas. Daran anschließend wird argumentiert, dass Einsicht um und Erfahrung mit der Struktur des sozialen Dilemmas zu höherer Bereitschaft führen, Institutionen zur Lösung des Dilemmas zu akzeptieren. Im Sinne der neuen Institutionenökonomik bestehen Institutionen aus (üblicherweise allgemein bekannten) Regeln und Sanktionen bzw. Mechanismen zur Durchsetzung der Regeln. Regeln resultieren aus dem gesellschaftlichen Bestreben, Ordnung und Berechenbarkeit für bestimmte Situationen beziehungsweise Interaktionen zu erreichen (vgl. Voigt 2009; Ostrom 1990).

Danach gehen wir darauf ein, dass aus der Definition folgt, dass mit solchen Institutionen Beschränkungen der eigenen Handlungsfreiheit einhergehen. Diese Beschränkungen können der schädlichen Wirkung vollkommener Märkte, wie oben in der zweiten Annahme beschrieben, entgegenwirken. Da es sich aber um Beschränkungen der individuellen Freiheiten handelt, ist bei Einführungen von Institutionen häufig mit Widerständen zu rechnen   vor allem dann, wenn deren eigentlich positive und gemeinwohlfördernde Zielsetzung nicht verstanden wird.

Soziale Dilemmata

Soziale Dilemmata sind Situationen in denen individuelle Interessen im Konflikt zu gemeinschaftlichen Interessen stehen und die Verfolgung der jeweils individuellen Interessen dazu führt, dass die Gemeinschaft aller Individuen in eine schlechtere Situation gestellt wird als unter der Bedingung, dass alle Individuen zur Unterstützung der gemeinschaftlichen Interessen kooperieren (vgl. Beckenkamp 2002).

Problem: Diese Kooperationen sind sehr verletzlich, weil ein individueller Bruch der Kooperation dazu führt, dass das entsprechende Individuum bessere Ergebnisse für sich erreicht als in der Kooperationsbedingung. Die zusätzlichen Vorteile des Individuums aber sind weniger als die Summe der Kosten, die in dem Fall von der Gemeinschaft zu tragen sind. Kurz und prägnant formuliert kann man daher sagen, dass soziale Dilemmata Situationen mit kooperativen Win-Win-Möglichkeiten sind, in denen diese Win-Win-Konstellation jedoch extrem wackelig und verletzbar bzw. vulnerabel ist, weil starke Anreize zur Nicht-Kooperation, und damit zur Auflösung der Win-Win-Lösung, bestehen.

Schon 1968 – vor mehr als 50 Jahren!   prägte Hardin die Bezeichnung der Tragödie der Gemeingüter und skizzierte das soziale Dilemma am Beispiel einer gemeinsam genutzten Weide (die „Allmende“), die ohne klare Regeln der Nutzung durch Weidetiere letztlich zerstört wird: Die individuelle Nutzenmaximierung der einzelnen Tierhalter führt dazu, dass eine saftige Grasfläche zu Matsch mutiert. Wenn aber ein einzelner Tierhalter von der Nutzenmaximierung abweicht, dann steht er dumm da, weil er sich schlechter stellt als die anderen. Sinngemäß merkt schon Hardin (1968) an, dass gerade im sozialen Dilemma gilt: „Der Ehrliche ist der Dumme“. Wir gehen davon aus, dass sich die fehlende Wirksamkeit psychologischer Interventionen in Nachhaltigkeitsbereichen (vgl. Nisa et al. 2019) insbesondere durch diese Charakteristik sozialer Dilemmata erklärt. Wenn etwa viele Menschen ÖPNV nutzen und dies dazu führt, dass andere verstärkt mit dem PKW in die Stadt fahren, weil dadurch bedingt leichter Parkplätze zu finden sind und der PKW so noch schneller und bequemer ist, dann ist auch hier der Ehrliche bzw. Kooperative der Dumme, und sehr schnell nimmt wieder der PKW-Verkehr zu.

Hardin selbst argumentiert, dass nur „mutual coercion mutually agreed upon“   gegenseitiger Zwang im gegenseitigen Einvernehmen – eine derartige Tragödie verhindern könne. Die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom untersuchte historisch, experimentell und über konkrete Fallstudien, wie solch gegenseitiger Zwang konkret mit demokratischen und nicht-diktatorischen Mitteln erreicht werden könnte. Ihre Arbeiten zu acht Prinzipien eines erfolgversprechenden institutionellen Designs waren hier wegweisend (Ostrom, 1990); unter anderem:

  1. Klare und lokal akzeptierte Grenzen zwischen Nutzern und Nicht-Nutzungsberechtigten,
  2. Partizipation der vom Ressourcensystem betroffenen Nutzer an Entscheidungen zu Nutzungsregeln,
  3. Eingebettete verschachtelte Institutionen bei großen Ressourcensystemen. 

 Herausforderung dabei ist, dass sich diese Regeln zwar sehr gut in überschaubaren Gemeingütern umsetzen lassen, aber die harten Nüsse wie etwa die Klimakrise insbesondere an Prinzip 1 scheitern: die klaren und lokal akzeptierten Grenzen. So resultieren etwa die externen Kosten der Abholzung von Regenwäldern, wie etwa höhere Unwetter-Risiken, auf dem gesamten Globus und nicht nur dort wo abgeholzt wird. In vielen weiteren Arbeiten wies sie darauf hin, wie wichtig globale Institutionen mit Wirkkraft, also durchsetzungsfähigen Kontrollen und Sanktionen, an der Spitze einer Hierarchie von Institutionen sind. Das Problem: Adressaten solcher Maßnahmen sind von diesen Einschränkungen meist wenig begeistert und reagieren daher mit Reaktanz, eine üblicherweise vorkommende Abwehrhaltung und Gegenreaktion auf wahrgenommene Bedrohungen von Freiheitsspielräumen (vgl. Brehm, 1966). Was aber kann man tun, um die Reaktanz zu vermindern? 

Einsicht und Wissen über soziale Dilemmata fördert die Unterstützung von Institutionen 

Wissenschaftlich erwiesen scheint, dass schon die Einsicht in die spieltheoretische Struktur des sozialen Dilemmas, in der ich mich befinde, mein Handeln und meine Reaktanz auf neue Regeln/Institutionen maßgeblich beeinflussen kann.

Exemplarisch dafür zwei Experimente: In einem eigenen Experiment mit dem einfachsten sozialen Dilemma überhaupt, einem sogenannten Gefangendilemma, konnte Beckenkamp (unveröffentlich) nachweisen, dass bei Vorliegen keiner Information zur „Auszahlungsmatrix des Sozialen Dilemmas“ die Entscheidungen der Individuen letztlich zur Nicht-Kooperation führen. Unter Auszahlungsmatrix versteht man dabei eine Tabelle („Matrix“), die sowohl alle Handlungsmöglichkeiten enthält, die den Akteuren zur Verfügung stehen, als auch alle Ergebnisse, die aus der Kombination der jeweils individuellen Entscheidungen resultieren. Die Auszahlungsmatrix veranschaulicht somit auch, dass die erzielten Ergebnisse nicht nur von den eigenen Entscheidungen abhängen, sondern aus der Kombination von eigenen Entscheidungen mit den Entscheidungen der anderen. Waren die Individuen genau darüber informiert, verbesserte sich die Kooperationsrate, vor allem wenn, neben der Entscheidung der anderen Person, auch deren Auszahlung bzw. deren jeweiliger Vorteil als Information verfügbar und somit die (vulnerable) Kooperationsmöglichkeit erschließbar war.

Bezogen auf das o. g. Beispiel der Allmende bedeutet dies, dass Tierhalter einer Allmende, die um die Gefahr der Vermatschung und Übernutzung wissen und wissen, dass dies durch gegenseitige (empfindlich verletzbare) Kooperation vermieden werden kann, eher bereit sind das Risiko der verletzlichen Kooperation einzugehen. Einsicht in das Problem des sozialen Dilemmas spielt daher unseres Erachtens eine entscheidende Rolle zur Vermeidung der Tragödie. 

Ein anderes Experiment von Rodriguez-Sickert, Guzmán und Cárdenas (2008) zur Reaktanz bei Einführung von Institutionen untermauert diesen Punkt. Das spielerische Erlernen vulnerablen Win-Win-Situationen bzw. sozialen Dilemmata führt zu einer höheren Akzeptanz von Institutionen, als Maßnahmen, welche die individuelle Freiheit zu Gunsten des Gemeinwohls einschränken. Dazu wurde die Holzbewirtschaftungs-Situation im Regenwald, welche ein soziales Dilemma ist, als Gruppenspiel am Computer simuliert. Die teilnehmenden Personen konnten lernen, dass das Gemeinwohl, hier der modellierte tropische Regenwald, ähnlich wie Hardins Weide, wirtschaftlich übernutzt und somit zerstört werden, wenn jeder nur seine eigenen Interessen verfolgt und nicht auf das Gemeinwohl achtet. Nach diesen Erfahrungen war die Akzeptanz für institutionelle Lösungen mit Kontrollen und Sanktionen von Übernutzungen sehr groß, folglich die Reaktanz gegen die, über Abstimmung in der Gruppe eingeführten, Institutionen erheblich reduziert. Diese ermöglichten danach eine nachhaltige Bewirtschaftung. Diejenigen Gruppen allerdings, die gegen Institutionen stimmten, mussten im Vergleich dazu hohen wirtschaftlichen und Umweltschaden in Kauf nehmen, da ohne Institutionen keine nachhaltige Kooperation gelang. Bild 2: Institutionen- Kontrolle und SanktionenBild 2: Institutionen- Kontrolle und Sanktionen

Das Problem von Markt- und Quotenlösungen

In Diskussionen hört man häufiger das Argument, dass eine Privatisierung und damit einhergehende Vermarktung der Gemeingüter das Problem lösen bzw. die Tragödie verhindern würde. Dieser Lösungsvorschlag klingt zunächst einfach und einleuchtend, ist es aber bei genauerer Betrachtung nicht. Gemeingüter sind Güter, die ohne weitere Maßnahmen, seien es exemplarisch etwa Marktregulierungen, Gesetze und Verordnungen, Selbstverwaltung, Änderungen des Eigentumsrechts zu heftigen Problemen (eben der „Tragödie“) führen, wenn sie wie private Güter am Markt gehandelt werden. Fisch, Tropenholz, Luft führen bei freiem, unregulierten Zugriff auf das Gut und Vermarktung der Produkte, die daraus resultieren, zur Tragödie. Ökonomen sprechen in dem Zusammenhang eher weniger von „sozialen Dilemmata“, sondern von „externen Kosten“ und „Marktversagen“. Spieltheoretisch betrachtet betrifft dies jedoch ein und dasselbe Problem: anders als in funktionierenden Märkten ohne externe Kosten und Marktversagen führt bei Gemeingütern der Egoismus zu Zerstörung von Gemeinwohl   und Kooperationen zur Vermeidung dieser Zerstörung sind extrem empfindlich und verletzbar, weil dann andere Marktteilnehmer durch Kooperationsbruch höhere individuelle Gewinne zu Lasten der Gemeinschaft erwirtschaften. Würde etwa ein Stahlkonzern alleine klimaneutral Stahl erzeugen, würde er wegen der höheren Produktionspreise im Marktwettbewerb unterliegen und müsste aufgeben.

Will man Gemeingüter so privatisieren, dass dieses Marktversagen behoben ist, so ist dies, je nach Gut, evtl. sogar unmöglich oder zumindest sehr schwierig. Lange schien auch das CO2-Problem nicht lösbar, denn wie soll man die erzeugte CO2-Menge messen und dann bepreisen? Man fand einen Umweg. Man misst die Summe an fossilen Energieträgern, die am Markt gekauft werden und rechnet diese um die die maximale CO2-Menge, die mit dem jeweiligen Energieträger jeweils erzeugt werden könnte – das geht, weil man chemisch den Gehalt des Elements Kohlenstoff in einem Liter Super-Benzin, in einer Tonne Kerosin, in einem Liter Propangas oder in einer Tonne Steinkohle bestimmen kann und dann umrechnet, wieviel CO2 daher damit jeweils maximal erzeugt werden kann. Ob die fossilen Brennträger dann wirklich so verbrannt werden, dass die maximal mögliche Menge CO2 erzeugt wird, interessiert nicht, sondern nur, was maximal möglich ist. Die Marktlösung sieht nun so aus, dass man mit dem Erwerb der fossilen Brennträger die entsprechende Menge CO2-Lizenzen am Markt kaufen muss, wobei die insgesamt verfügbare Menge an Lizenzen kontingentiert ist ¬ am besten so stark, dass die Klimaziele erreicht werden. Werden nun viel fossile Brennträger nachgefragt, dann steigt auch die Nachfrage nach den Lizenzen, und sie verteuern sich entsprechend, werden weniger fossile Brennstoffe nachgefragt, dann sinkt auch entsprechend der Preis der Lizenzen.

Sollten Marktlösungen nicht realisierbar sein, etwa weil sie zu schwer umzusetzen sind, dann müssen andere Lösungen gefunden werden, um die Tragödie zu verhindern. Bei Fisch etwa werden immer wieder, in regelmäßigen Zeitabständen, Kontingente bzw. Quoten festgelegt, die nicht überschritten werden dürfen; dies ist vom Charakter her eher eine gesetzliche Regelung (ähnlich wie ein Tempolimit), deren effektive Umsetzung aber durchaus auch sehr kostenintensiv und schwierig sein kann. 

Ob Marktlösungen oder andere Lösungen – der schlimmste Fall ist, wenn überhaupt keine Lösungen gefunden werden, denn dann nimmt die Tragödie weiter ihren Lauf. So etwa auch, wenn es nicht gelingt, Gemeingüter so zu privatisieren, dass das Marktversagen aufgehoben wird. Am unregulierten Markt gehandelte Gemeingüter – wie etwa Luft ohne CO2-Lizenzen, Fisch ohne Quotenregelungen, Tropenholz ohne Mechanismen zur Gewährung des Einhaltens von Höchstmengen jedenfalls führen zu der Tragödie.

Bei Absprachen zu Quoten muss gewährleistet werden, dass diese nicht nur Lippenbekenntnisse sind, für deren Nichterfüllung mangels nationaler oder internationaler Institutionen keine Sanktionen drohen. Die vielen Klimagipfel und ihre ernüchternden Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der hier angeführten spieltheoretischen Überlegungen.

Gefährdete Gemeingüter als Markt-Problem und nötige Konsequenzen

Das Finden von Marktlösungen für Gemeingüter ist mitnichten trivial, insbesondere bei globalen Gemeingutproblemen wie CO2 oder auch bei der Vermüllung der Weltmeere, wo das Meer als Gemeingut-Abfalldeponie genutzt wird. Die Kosten der Verschmutzung müssten durch verbindliche Einschränkungen von den Verursachern getragen werden; entweder durch effektive gesetzliche Maßnahmen oder Marktmaßnahmen, mit eingepreisten Kosten zur Beseitigung der Verschmutzung. Solche Einschränkungen mit Regeln und Regeländerungen und entsprechenden Kontrollen und Sanktionen bezeichnet man, wie erwähnt, auch als Institutionen.

Das Problem: Adressaten solcher Maßnahmen sind von diesen Einschränkungen meist wenig begeistert und reagieren daher mit Reaktanz. Man muss daher auch über kluge Maßnahmen nachdenken, mit denen man Einsicht fördert und so die Reaktanz vermindert.

Zwischenfazit

  • In der empirischen Forschung erweisen sich sowohl die Einsicht in die Struktur sozialer Dilemmata als auch die spielerische Erfahrung damit als förderlich für die Unterstützung von Institutionen zur Stabilisierung vulnerabler Win-Win-Situationen.
  • Diese Erkenntnis eröffnet die Möglichkeit, Institutionen in Bereichen zu etablieren, wo dies bisher, mangels Akzeptanz bzw. wegen prohibitiver Reaktanz, unmöglich war.

Konsequenzen

  • Um diese Erkenntnis gesellschaftlich gewinnbringend zu nutzen, resultiert daraus unseres Erachtens ein essenzieller Bildungsauftrag für Medien, Museen und insbesondere Schulen. Hier gilt es, in Anbetracht der Klimakrise, soziale Dilemmata in den Bildungskanon mit aufzunehmen.
  • Es bedarf zudem weiterer Maßnahmen zur Förderung der o. g. Einsicht; idealerweise durch „Clubs“ und direkt innerhalb der Zivilgesellschaft:

Clubs als potenzielle Lösung eines aus spieltheoretischer Sicht unüberwindbaren Problems

Um hier zu einer praktikablen und letztlich hochskalierbaren Lösung zu gelangen, erarbeiten wir aktuell das Konzept eines CO2-Clubs auf Mikroebene. Die Idee dabei ist es, innerhalb einer „Club“ Struktur eine möglichst gute Annäherung an einen individuell nachhaltigen CO2-Fußabdruck zu erreichen. Dabei werden u. a. auch App gestützte Motivationshilfen genutzt, die etwa bei Gesundheits-Apps einschlägig und erfolgreich sind.

Uneigennütziges und umsichtiges Verhalten in einem Sozialen Dilemma soll abgesichert werden gegen massive Kooperationsverletzungen durch egoistisch handelnde Akteure. Ein ähnlicher Ansatz wird auf einer Makroebene bereits konkret umgesetzt, wo global tätige Unternehmen und Organisationen die „Clubidee“ verfolgen, um möglichen Wettbewerbsnachteilen der nachhaltig agierenden Akteure bei CO2-umsichtiger Energienutzung zu entgegnen.Bild 3: Klima-Club als AuswegBild 3: Klima-Club als Ausweg

Die Wurzeln der Idee liegen im Aufsatz An optimal transition path for controlling greenhouse gases (Nordhaus 1992), einer der meistzitierten Aufsätze zu marktbasierten Instrumenten der Klimapolitik. Basierend darauf entwickelte Nordhaus (2015) die Theorie eines Makro-Klimaclubs, einem Instrument zur Erreichung der Klimaziele über multinationale Handelsabkommen mit Strafzöllen und CO2-Bepreisung. Im Jahr 2021 wurde der Vorschlag in der Politik und Öffentlichkeit diskutiert und 2022 gründeten sieben Staaten, u. a. Deutschland, einen Klimaclub (vgl. Tagesschau vom 12.12.2022). Es ist aktuell allerdings noch offen, ob dieser Klimaclub auf Makroebene (d. h. über Ansätze, die an Staaten oder großen Organisationen als Akteure ansetzen) die in ihn gesteckten Erwartungen auch erfüllen kann und wird.

Lässt sich die Clubidee auf die Mikroebene, d. h. auf Ansätze, die sich direkt an Individuen als Akteure richten, übertragen? Zugespitzt gefragt: Sind nicht vielleicht sogar Individuen viel besser geeignet, die kooperationsbegründende und sichernden psychologischen Mechanismen innerhalb eines „Clubs“ zu nutzen, um ein neues wirkmächtiges klimapolitisches Instrument zu schaffen, welches in weiterer Konsequenz auch die politischen Möglichkeiten zur Schaffung effizienter Institutionen gegen die Klimakrise erhöht? Weniger zugespitzt gefragt: Sollte man neben dem makro-ökonomischen Ansatz nicht zusätzlich auch an individueller Ebene ansetzen, um auch über die Individuen deutliche Verringerungen der CO2 zu erreichen, indem man sie vor den drohenden Verletzungen ihres kooperativen Verhaltens zur CO2-Reduktion schützt?

Um hier breite Massen potenziell zu erreichen, soll die Basis ein individual- und sozialpsychologisch durchdachter „Club“ z. B.in Form eines Vereines, Genossenschaft etc. in Kombination mit einer CO2-Club-App sein. Die Entwicklung einer derartigen App ist ein Forschungsvorhaben, welche die Autoren augenblicklich auf die Schiene bringen. Wichtige Bestandteile sollten unseres Erachtens u. a. folgende „Features“ sein:  

  1. Unterstützung zur Umgehung der temporären Falle. Heutiger Genuss wird zu großen Anteilen erst später teuer bezahlt. Gesundheits-Apps widmen sich einem ähnlichen Problem: Gesunde Bewegung und Training sind mühsam und erfordern eine gewisse Überwindung. 
  2. Unterstützung der drei Motivationssysteme Leistung, Macht und Anschluss nach McClelland (1985), etwa durch Feedbacks über eigene Leistungsverbesserungen. Im Fall der CO2-App über zunehmende Reduzierung des individuellen CO2-Abdrucks, über eigene Leistungen im Vergleich zu anderen und den Vergleich der Leistungen des Clubs im Vergleich zu anderen Clubs oder zur Allgemeinheit.
  3. Die Mitgliedschaft im Club selbst ist ein deutliches Gruppensignal. Dies wird verstärkt durch die gemeinsame Nutzung der App mit Auswirkung auf ein höheres Wir- Gefühl innerhalb des Clubs. Bereits wesentlich geringere Präferenzübereinstimmungen führen zu einem kooperationsfördernden Wir- Gefühl (Tajfel et al., 1971). Der Zusammenhalt im Club kann die Basis zu politisch stärkerem Druck zur Schaffung notwendiger Institutionen sein, ebenso wie der folgende Punkt:
  4. Vermittlung von Kenntnissen über die Struktur des Sozialen Dilemmas in dem sich die Akteure im Hinblick auf die Klimakrise befinden.
  5. Gemeinsam mit den Clubmitgliedern, Entwicklung von sozialpsychologisch durchdachten Regeln und Sanktionen, die z. B. in einer Vereinssatzung münden. Diese sollen, ähnlich wie die App, die persönliche Konsequenz bei der Erfüllung der gemeinsam verfolgten Zielsetzung unterstützen und die Erfahrung eines freiwillig eingegangen sozialen Engagements festigen.

Offensichtliche Herausforderung für den Erfolg eines solchen Clubs und der entsprechenden App wäre es, die ganze Weltgemeinschaft oder eine relevante Masse davon in einem einzigen Club einzubinden. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Eine mögliche Strategie könnte ein Entwicklungspfad sein, an dessen Anfang die Initiierung, Entwicklung und das Monitoring eines oder weniger kleiner Clubs steht, aus deren Lernerfahrung und Zusammenspiel es dann zur wachsenden Bildung weiterer ähnlicher kleiner Clubs kommt; ein weiterer Ansatzpunkt wäre die Unterstützung von bereits etablierten Bewegungen (vgl. 3.).

Zusammenfassung

Die Klimakrise, folgt der Logik der Tragödie der Gemeingüter. Die mathematisch-spieltheoretische Struktur dahinter ist ein soziales Dilemma. Soziale Dilemmata zeichnen sich durch vulnerable Win-Win-Möglichkeiten aus; bezogen auf das Thema „Klima“: ein Globus ohne klimaschädigende relevante CO2-Ausstoßungen in die Atmosphäre. Innerhalb des entsprechenden Win-Win ist der individuelle Anreiz allerdings sehr hoch, die persönlichen CO2-Grenzen zu Gunsten erheblicher persönlicher Vorteile nicht einzuhalten. Daher befinden wir uns in dem aktuellen Zustand – wir erwärmen die Erde in einem Ausmaß mit erheblicher Gefährdung von Wohlstand und Existenz aller. Auf Grund dieser fatalen Anreizsituation bedarf es Institutionen mit Einschränkungen der Handlungsfreiheit der Menschen durch Kontrollen und Sanktionen. Kontrollen und Sanktionen können aber   Reaktanz wecken, was ihre Einführung und Etablierung erschwert. Spielerische Erfahrungen mit sozialen Dilemmata und Wissen um die mit der Struktur einhergehende globale Bedrohung mildern die Reaktanz ab und ermöglichen bessere Voraussetzungen für Institutionen hin zu einem globalen Win-Win, d. h. zur Überwindung der Klimakrise. Eine wichtige Idee auf dem Weg dorthin ist die Einrichtung konzeptionell durchdachter Klimaclubs, um die schwache Wirksamkeit rein psychologischer Interventionen durch Einbeziehung institutioneller Maßnahmen deutlich zu verstärken.Bild 4: Institutionen- Durchsetzbare RegelnBild 4: Institutionen- Durchsetzbare Regeln

Die Tragödien der Gemeingüter sind eine ernsthafte globale Bedrohungen. Das Bewusstsein dafür, insbesondere um ihre innere Struktur und dessen Fehlanreize, kann das Verständnis für institutionelle Lösungsansätze erheblich stärken. Ein solcher Lösungsansatz wird möglich, wenn es gelingt psychologisch durchdachte Settings mit Apps und modernen Kommunikationsmöglichkeiten zu etablieren, in denen dieses Bewusstsein um das soziale Dilemma und die Möglichkeiten zur für alle gewinnbringenden, aber empfindlich verletzbaren Kooperation entsteht. Damit wird eine wichtige Grundlage für die Unterstützung von neuen und am Ende globalen Institutionen geschaffen, in die Kooperation zum Gemeinwohl lohnt und der Kooperierende derjenige ist, der durch sein Handeln einen sinnstiftenden Beitrag zum Überleben des Planeten leisten kann. 

Literaturverzeichnis

Beckenkamp, M. (2002). Sanktionen im Gemeingutdilemma. Beltz.

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Gardner, G. T. & Stern, P. C. (2002). Environmental problems and human behavior. Pearson.

Hardin, G. (1968). The tragedy of the commons. Science, 162, 1243-1248. 

Joireman, J. (2005). Environmental Problems as Social Dilemmas: The Temporal Dimension. In A. Strathman & J. Joireman (Eds.), Understanding behavior in the context of time: Theory, research, and application (pp. 289–304). Lawrence Erlbaum Associates Publishers.

Kahneman, D., Sibony, O. & Sunstein, C. R. (2021). Noise. Was unsere Entscheidungen verzerrt – und wie wir sie verbessern können. Siedler.

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Nordhaus, W. (2015). Climate Clubs: Overcoming free riding in international climate policy. American Economic Review, 105, 1339-1370

Ostrom, Elinor (1990). Governing the commons: the evolution of institutions for collective action. Cambridge University Press.

Rodriguez-Sickert, C. Guzmán, R. A., Cárdenas, J.C. (2008). Institutions influence preferences: Evidence from a common pool resource experiment, Journal of Economic Behavior & Organization, 67, 215-227.

Tagesschau (12.12.2022). G7-Staaten gründen Klimaclub. https://www.tagesschau.de/g7-klimaclub-103.html

Tajfel, H., Billig, M. G., Bundy, R. P., & Flament, C. (1971). Social categorisation and intergroup behaviour. European Journal of Social Psychology, 1, 149-178.

Voigt, S, (2009). Institutionenökonomik. UTB.

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