Soziale Ausgrenzung und Mobbing – Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Mädchen und Jungen

Eine Szene aus dem Alltag: Lisa ist als einzige nicht in den “Fun”-Klassenchat aufgenommen worden. Sie hört, wie sich einige Klassenkameradinnen auf dem Schulweg immer wieder über den Chat unterhalten, auf ihre Handys schauen, die Köpfe zusammenstecken, kichern und ihr Blicke zuwerfen.
Soziale Ausgrenzung im Allgemeinen und Mobbing im Spezifischen spielen eine wichtige Rolle im Alltag vieler Menschen und stellen besonders bei Kindern und Jugendlichen ein hoch relevantes Thema dar. Dabei gibt es erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zwischen Jungen und Mädchen, aber auch einige wichtige Unterschiede. In diesem Text geht es um beides.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. In der Steinzeit war es von Vorteil, Bindungen mit anderen Menschen einzugehen, um bessere Überlebenschancen zu haben. So bildete sich im Laufe unserer Stammesgeschichte ein starkes soziales Motiv heraus (Baumeister & Leary, 1995). Soziale Eingebundenheit, d. h. die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Gemeinschaft, hat sich zu einem grundlegenden menschlichen Bedürfnis entwickelt. Sie stellt einen wichtigen Aspekt für Wohlbefinden und Gesundheit dar. Dementsprechend kann das Erleben von sozialer Ausgrenzung, vor allem wenn sie regelmäßig und systematisch stattfindet, schwerwiegende Folgen für die körperliche und geistige Gesundheit nach sich ziehen. Vom akuten Leid der Betroffenen abgesehen kann sich soziale Ausgrenzung nachteilig auf das Denkvermögen, das emotionale Erleben und das Verhalten von Menschen auswirken (DeWall, Maner & Rouby, 2009). Beispiele dafür sind ein erhöhtes Stressempfinden und Depressionsrisiko, größere Ängstlichkeit, schlechtere Leistungsfähigkeit oder verstärkte Aggressivität. Im Kindes- und Jugendalter stellt soziale Ausgrenzung – für Mädchen wie für Jungen – eine ganz besondere Herausforderung dar, da die FreundInnen zunehmend an Bedeutung gewinnen und spätestens in der Pubertät neben der Familie die wichtigste Bezugsgruppe darstellen (Youniss & Smollar, 1985).

.Soziale Ausgrenzung unter Jugendlichen: Gerade im Jugendalter ist Ausgrenzung durch Gleichaltrige besonders schmerzhaft. Bild: Eigentum von Marcus Rauschenbach.Soziale Ausgrenzung unter Jugendlichen: Gerade im Jugendalter ist Ausgrenzung durch Gleichaltrige besonders schmerzhaft. Bild: Eigentum von Marcus Rauschenbach.

Beide Geschlechter erleben Ausgrenzung als eine Bedrohung des Grundbedürfnisses nach Zugehörigkeit und somit sind Jungen wie Mädchen von den oben genannten den Folgen sozialer Ausgrenzung betroffen (Williams, 2009). Jedoch unterscheiden sich Jungen und Mädchen bei der Beurteilung von sozialer Ausgrenzung sowie in ihrem konkreten Ausgrenzungsverhalten (Exklusions- bzw. Inklusionsentscheidungen). So sind Mädchen tendenziell inklusiver als Jungen: Sie lehnen Ausgrenzung stärker ab, verurteilen sie stärker, bewerten sie stärker als unmoralisch (weil es unfair ist oder jemand damit geschädigt wird) und neigen weniger dazu, andere auszuschließen (z. B. Horn, 2003; Underwood, Scott, Galperin, Bjornstad & Sexton, 2004).

Woher kommen die Unterschiede?

Eine mögliche Erklärung für die genannten Unterschiede könnte in der unterschiedlichen Erziehung und Sozialisation von Jungen und Mädchen liegen und den damit verbundenen unterschiedlichen Geschlechterrollen.

Unter Geschlechterrollen versteht man die gesellschaftlich geteilten Erwartungen, wie weibliche oder männliche Personen typischerweise sein sollten oder sich zu verhalten haben. So wird von Mädchen beispielsweise erwartet, dass sie freundlich und umgänglich sind, sich um andere sorgen und großen Wert auf Gemeinschaft legen, wogegen von Jungen größere Unabhängigkeit, Stärke und Kompetenz erwartet wird (Eagly & Wood, 1991; Zahn-Waxler, 2000). Auch wenn in den westlichen Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten ein Wandel der sozialen Rollen von Männern und Frauen stattgefunden hat, bestehen die genannten unterschiedlichen Erwartungen an Mädchen und Jungen nach wie vor zu großen Teilen (Troche & Rammsayer, 2011).

An Mädchen und Jungen werden auch heute noch unterschiedliche Erwartungen gestellt. Bild: links: Mann via Pixabay (https://pixabay.com/de/armdrücken-strand-stark-kinder-176645/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/). rechts: platinumportfolio via Pixabay (https://pixabay.com/de/schwestern-baby-liebe-neugeborene-3464613/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/)./An Mädchen und Jungen werden auch heute noch unterschiedliche Erwartungen gestellt. Bild: links: Mann via Pixabay (https://pixabay.com/de/armdrücken-strand-stark-kinder-176645/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/). rechts: platinumportfolio via Pixabay (https://pixabay.com/de/schwestern-baby-liebe-neugeborene-3464613/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/).Es ist davon auszugehen, dass Unterschiede im sozialen Verhalten von Mädchen und Jungen, zumindest zum Teil, darauf zurückzuführen sind, dass Menschen – häufig unbewusst – die Tendenz haben, sich entsprechend ihrer Geschlechterrollen zu verhalten (Eagly & Wood, 1991). Dies überträgt sich auch auf die Erziehung von Jungen und Mädchen. Eltern legen in der Erziehung von Mädchen viel mehr als bei Jungen Wert auf das Ausdrücken von Emotionen oder das Verständnis für die Perspektive und die Gefühle von Anderen; bei Jungen hingegen fördern Eltern stärker wettbewerbsorientierte Aktivitäten und greifen weniger in Streitigkeiten oder Rangeleien ein als bei Mädchen (Leaper & Farkas, 2014; Zahn-Waxler, 2000). Auch bei der Einbindung in häusliche Tätigkeiten spiegeln sich die Rollenerwartungen wieder: Mädchen werden viel stärker als Jungen in die Beaufsichtigung oder Versorgung jüngerer Geschwister eingebunden, während Jungen eher außerhäusliche Aufgaben übertragen werden, die mehr Freiraum und Unabhängigkeit bieten (Leaper & Farkas, 2014). Es ist davon auszugehen, dass diese geschlechtsspezifischen Erziehungsweisen in Kombination mit den generellen Geschlechtsrollenerwartungen dazu führen, dass Mädchen stärker nach Gemeinschaft, Kooperation und Bindung streben und eine stärkere Präferenz für enge soziale Bindungen und Beziehungen ausbilden als Jungen (Feingold, 1994; Zahn-Waxler, 2000). Mädchen neigen dementsprechend stärker dazu, sich durch die persönlichen Beziehungen zu anderen Personen zu definieren, während Jungen größeren Wert auf Eigenständigkeit, Selbstschutz, Selbstbehauptung und Selbstentfaltung legen (Feingold, 1994; Leaper & Farkas, 2014). Vor diesem Hintergrund, dass von Mädchen erwartet wird, dass sie großen Wert auf Gemeinschaft und Bindungen legen, während Jungen eher lernen sich von anderen abzusetzen und nach Individualität und Selbstbehauptung zu streben, ist die stärkere weibliche Inklusivität leicht nachzuvollziehen.

Darüber hinaus diskutieren WissenschaftlerInnen darüber, ob biologische Faktoren wie beispielweise Unterschiede in den männlichen und weiblichen Hormonen zusätzlich eine Rolle für Unterschiede im Ausgrenzungsverhalten spielen. Da diese Zusammenhänge noch nicht so gut erforscht sind wie die sozialen Faktoren, wollen wir hier nicht weiter darauf eingehen. Im Folgenden widmen wir uns dem Thema Mobbing, bei dem Ausgrenzung auch eine wichtige Rolle spielen kann.

Wo Ausgrenzung und Mobbing sich treffen

Ein Bereich des sozialen Lebens von Kindern und Jugendlichen, in dem Ausgrenzung eine große Rolle spielt, ist die Schule. Dort lernen und arbeiten sie in nicht selbst gewählten Gruppen in einem hierarchischen Gefüge. Anders als bei der hierarchisch geprägten Beziehung zwischen Lehrkräften und SchülerInnen zeichnen sich Beziehungen unter SchülerInnen dadurch aus, dass sie auf Gleichwertigkeit basieren (z. B. Youniss & Smollar, 1985). Dadurch stellen sie eine wichtige Basis für die geistige, emotionale sowie soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dar. In der Fachwelt wird der Begriff “Peerbeziehungen” verwendet (“peer” = gleichrangig, ebenbürtig). Peerbeziehungen ermöglichen soziale Erfahrungen, welche im Kontext von Beziehungen mit Erwachsenen nicht möglich sind, z. B. das Aushandeln von Spielregeln auf Augenhöhe. Von den Peers ausgegrenzt, ausgeschlossen zu werden, gefährdet das elementare Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anschluss.

Menschen haben ein intuitives Verständnis davon, was Ausgrenzung bedeutet und dass sie für die ausgegrenzte Person nicht angenehm ist. Jedoch ist nicht jede Ausgrenzung gleich Mobbing. Während es in einzelnen Situationen legitim sein kann, jemanden einmal nicht “mitmachen” zu lassen, ist es etwas völlig anderes, jemanden systematisch auszugrenzen und dieser Person zu signalisieren, dass sie schon grundsätzlich nicht dazugehört.

Was ist Mobbing?

Geschieht Ausgrenzung immer wieder und richtet sie sich jeweils gegen dieselbe Person (manchmal Personen), liegt möglicherweise Mobbing vor. Mobbing bezeichnet das gezielte, absichtliche, systematische und wiederholte Schädigen Anderer unter Ausnützung eines Machtungleichgewichts, wobei oft Aspekte von Demütigung enthalten sind (Alsaker, 2016). Während Konflikte um einer Sache willen ausgetragen werden, die Parteien einander ebenbürtig sind und nach einer Lösung des Konflikts wieder Ruhe einkehrt, besteht bei Mobbing ein Machtgefälle. Letzteres ergibt sich u. a. daraus, dass die ganze Gruppe in irgendeiner Form beteiligt ist (MitläuferInnen, ZuschauerInnen), während das Opfer oft alleine dasteht und selten UnterstützerInnen hat. So auch bei unserer Lisa aus der Einleitung, die ganz alleine ihrer kompletten Klasse gegenübersteht.

Mobbingformen

Soziale Ausgrenzung auf dem Schulhof: Opfer von Mobbing stehen oft alleine einer ganzen Gruppen gegenüber. Bild: Gezeichnet und Eigentum von Marianne Kauer.Soziale Ausgrenzung auf dem Schulhof: Opfer von Mobbing stehen oft alleine einer ganzen Gruppen gegenüber. Bild: Gezeichnet und Eigentum von Marianne Kauer.

Mobbing hat viele Gesichter. Neben den direkten Mobbingformen, bei denen eine offene Konfrontation stattfindet (schlagen, beschimpfen, drohen, erpressen usw.) ist bei indirekten Formen, zu denen Ausgrenzung gehört, oft von außen nicht ersichtlich, was passiert. Dazu gehören unterschwellige Handlungen (z. B. “zufällig” ein Mäppchen vom Pult wischen), nonverbale Handlungen (z. B. Augen verdrehen), aber auch auf Beziehungen gerichtete Aggressionen (z. B. bloßstellen, Freundschaften zerstören, Gerüchte streuen, Ausgrenzen, Ignorieren). Auf Beziehungen gerichtete Aggressionen werden auch als “relationale” Mobbingformen bezeichnet, weil dadurch Beziehungen beschädigt oder zerstört werden.

Da sich das Mobbinggeschehen über Zeit aufbaut und beim Nicht-Eingreifen seitens Erwachsener fest etabliert, gerät das Opfer in eine immer schwächere, zunehmend ausgelieferte Position und gehört immer weniger “dazu”. Somit werden Ausgrenzung und Ignorieren einerseits mit eingesetzt, um jemanden zu mobben; andererseits sind zunehmende Ausgrenzung und Isolation Ergebnisse von Mobbing (Alsaker, 2016). Auch Lisa ist zunehmend isoliert, da sie schon seit einiger Zeit nicht beim „Fun“-Klassenchat mitmachen darf und immer öfter Zielscheibe von Getuschel und Blicken ist.

Insgesamt treten indirekte Mobbingformen häufiger auf als direkte, wobei das Nachrufen von beleidigenden Namen und anschließende Auslachen in vielen Studien an erster Stelle steht.

Mobbing und Geschlecht

Gemeinsam ist beiden Geschlechtern, dass sich Mobbing für TäterInnen, Opfer und ZuschauerInnen negativ auf psychische Gesundheit, Wohlbefinden, schulische Leistungen sowie Sozialbeziehungen auswirkt, dies auch längerfristig. Opfer von Mobbing – Mädchen wie Jungen – leiden beispielsweise vor allem unter so genannten internalisierenden (nach innen gerichteten) Problemen wie niedrigem Selbstwert, Einsamkeit oder Depressionen (Cook, Williams, Guerra, Kim & Sadek, 2010). TäterInnen zeigen v.a. externalisierende (nach außen gerichtete) Probleme, u. a. Aggressivität, (späterer) Alkoholmissbrauch oder (spätere) Gesetzesbrüche (Cook et al., 2010). ZuschauerInnen zeigen sowohl internalisierende als auch externalisierende Probleme wie z. B. Schulangst, Wutausbrüche oder Depressivität (Blazer, 2005). Insgesamt sind die genauen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge dabei noch nicht vollständig geklärt (z. B. McDougall & Vaillancourt, 2015).

Es finden sich aber auch Geschlechtsunterschiede bei TäterInnen und Opfern. Diese Unterschiede betreffen sowohl die verwendeten Mobbingformen als auch die Folgen von Mobbing.
Wir schauen zunächst auf die TäterInnenseite: Viele Untersuchungen belegen, dass Jungen eher mobben als Mädchen, unabhängig davon, welche Klasse sie besuchen, welche Nationalität sie haben oder welcher Kultur sie angehören. Zudem setzen Jungen eher direkte, v.a. körperliche Formen ein, während Mädchen eher indirekte Formen verwenden (Carbone-Lopez, Esbensen & Brick, 2010). Weiter ergab eine Studie von Dukes, Stein und Zane (2010) mit 1662 7.-12.-KlässlerInnen, dass TäterInnen, die relational mobbten eher gewalttätiges Verhalten zeigten und eher Waffen trugen, als TäterInnen, die körperlich mobbten. Obwohl dies für Jungen und Mädchen galt, war der Effekt bei Jungen stärker ausgeprägt. Gerade bei Jungen hängt demnach relationales Mobbing auch mit körperlicher Gewalt zusammen. Schließlich zeigte die Studie von Felix und Mac Mahon (2006), dass Jungen Jugendliche beider Geschlechter relational mobbten, während Mädchen praktisch nur andere Mädchen ins Visier nahmen.

Schauen wir nun auf die Opferseite: Viele Studien zeigen, dass Jungen mehr gefährdet sind, Opfer von direktem Mobbing zu werden. Mädchen hingegen werden eher Opfer von indirekten, vor allem relationalen Formen (Alsaker, 2016). Zudem werden Jugendliche, die das Gesetz brechen, eher Opfer als solche, die das Gesetz nicht brechen. Dieses Risiko ist größer für Mädchen als für Jungen (Carbone-Lopez et al., 2010).
Wenn wir schauen, welche Folgen indirektes Mobbing für die Opfer hat, zeigen sich ebenfalls geschlechtsbezogene Unterschiede. Carbone-Lopez und KollegInnen (2010) untersuchten, wie sich indirekt gemobbte Jugendlichen über ein Jahr entwickelten. Es zeigte sich, dass die Mädchen zunehmend mehr Drogen konsumierten. Bei den Jungen nahm der Drogenkonsum ab. Die Mädchen hatten zudem ein immer niedrigeres Selbstwertgefühl und suchten vermehrt Anschluss in einer Jugend-Gang. Beides war bei den Jungen nicht der Fall.

Warum diese Unterschiede?

Warum sich Mädchen und Jungen bei relationalem/indirektem Mobbing unterscheiden, wird unterschiedlich begründet. Einmal könnten die oben genannten Erziehungsunterschiede eine Rolle spielen. So können unterschiedliche Erwartungen an ihre Geschlechterrollen gestellt werden wie z. B. “beliebte, nette Mädels und starke, draufgängerische Jungs”; gleichzeitig werden Mädchen von klein auf dazu erzogen, Wut und Aggressionen nicht offen auszudrücken (Zahn-Waxler, 2000). Mädchen, die direkte, v.a. körperliche Mobbingformen verwenden, würden somit aus der Rolle fallen (Felix & Green, 2010). Eine andere Erklärung besagt, dass indirekte/relationale Mobbingformen hohe soziale und sprachliche Fertigkeiten erfordern. Da Mädchen in diesen Bereichen gewöhnlich weiter entwickelt sind als Jungen desselben Alters, können sie eher auf diese Formen zurückgreifen (Carbone-Lopez et al., 2010).

Fazit: Und die Moral von der Geschicht’?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Jungen und Mädchen bezüglich sozialer Ausgrenzung und Mobbing in einer Reihe von Aspekten unterscheiden, die sowohl die Opfer- als auch die TäterInnen-Seite betreffen. Somit ist es wichtig, für die Thematik sensibilisiert zu sein und das Wissen um geschlechtsspezifische Unterschiede für das Erkennen von schädigenden Formen der Ausgrenzung und anschließende Maßnahmen anzuwenden. Ein wichtiger Bereich ist hier die Schule. So weisen beispielsweise männliche Lehrkräfte ein engeres Verständnis von Gewalt auf als weibliche. Gewalt/Aggression findet für sie direkt und hauptsächlich körperlich statt. Sie nehmen indirekte/relationale Mobbingformen oft nicht wahr und greifen nicht ein. So fallen ihnen vor allem Mädchen, die indirekt/relational mobben, weniger auf (Bilz, Steger, Fischer, Schubarth & Kunze, 2016). In Lisas Fall bedeutet dies, dass einem Lehrer solche Vorkommnisse (Getuschel, Blicke) möglicherweise gar nicht auffallen, auch wenn sie regelmäßig in seiner Anwesenheit stattfinden. Entsprechend ist die Sensibilisierung für indirekte/relationale Mobbingformen sowie für Ausgrenzung gerade bei männlichen Lehrkräften eine wichtige Präventionsmaßnahme.

Dennoch sollte bei all den genannten Unterschieden nicht vergessen werden, dass es auch mindestens eine wichtige Gemeinsamkeit gibt: Ausgrenzung tut niemandem gut, sie macht krank und unglücklich. Deshalb ist es wichtig, bei sozialer Ausgrenzung auch die moralische Dimension, also den Blick auf das Wohlergehen anderer Menschen, einzubeziehen. Denn besonders beim Mobbing wird das Wohlergehen Anderer wiederholt, gezielt, absichtlich und systematisch geschädigt. MobbingtäterInnen wissen genau, dass das, was sie tun, nicht in Ordnung ist. Sie zeigen jedoch wenig Mitgefühl für die Opfer und bringen Scheingründe (“er/sie trägt halt so komische Klamotten”) und Verharmlosungen ein (“das war doch nur Spaß”), um kein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Solche moralischen DistanLieber gemeinsam als einsam - Bereits im Vorschulalter verstehen Kinder Ausgrenzung als ein moralisches Problem. Bild: Jarmoluk via Pixabay (https://pixabay.com/de/hände-freundschaft-freunde-kinder-2847508/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/).Lieber gemeinsam als einsam - Bereits im Vorschulalter verstehen Kinder Ausgrenzung als ein moralisches Problem. Bild: Jarmoluk via Pixabay (https://pixabay.com/de/hände-freundschaft-freunde-kinder-2847508/, CC:https://pixabay.com/de/service/license/).zierungsstrategien werden häufiger von Jungen als von Mädchen verwendet. Sie beeinflussen jedoch über Zeit das Denken der ganzen Gruppe, sodass eine richtiggehende Abhärtung gegenüber dem Leiden des Opfers stattfindet. Daher ist es wichtig, dass Erwachsene früh eingreifen und klarmachen, dass sie solches Verhalten grundsätzlich nicht akzeptieren, egal gegen wen es gerichtet ist und warum. Auch diese moralbezogene Sichtweise zeigt auf, dass das gezielte, wiederholte und systematische Ausschließen eine andere Qualität hat als wenn man jemanden in einer spezifischen Situation einmal nicht mitmachen lässt.

Und wie können wir nun unserer Lisa helfen? Wir sollten mit offenen Augen und Ohren durchs Leben gehen, solche oder ähnliche Situationen hinterfragen und wenn nötig eingreifen. Wenn uns die gesunde soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wichtig ist, braucht es eine Sensibilisierung für die beschriebenen Phänomene. Wir sollten alle – unabhängig unseres Geschlechts – unser Verhalten gegenüber Anderen immer kritisch hinterfragen. Es gilt, systematische, wiederholte und gezielte Ausgrenzung selbst zu vermeiden und mit Kindern und Jugendlichen ein tieferes Verständnis dessen zu erarbeiten, was Ausgrenzung mit Menschen macht und wie wichtig es ist, dagegen anzugehen.

Literaturverzeichnis

Alsaker, F. D. (2016). Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule (2. unveränderte Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Baumeister, R. F., & Leary, M. R. (1995). The need to belong: Desire for interpersonal attachments as a fundamental human motivation, 117(3), 497–529.

Bilz, L., Steger, J., Fischer, S. M., Schubarth, W., & Kunze, U. (2016). Ist das schon Gewalt? Zur Bedeutung des Gewaltverständnisses von Lehrkräften für ihren Umgang mit Mobbing und für das Handeln von Schülerinnen und Schülern. Zeitschrift für Pädagogik, 62(6), 841-860.

Blazer, C. (2005). Literature review on bullying. Report for the Office of Accountability and Systemwide Performance of the Miami-Dade County School Board. Miami: Miami-Dade County Public Schools.

Carbone-Lopez, K., Esbensen, F.-A., & Brick, B. T. (2010). Correlates and consequences of peer victimization: Gender differences in direct and indirect forms of bullying. Youth Violence and Juvenile Justice, 8(4), 332–350.

Cook, C. R., Williams, K. R., Guerra, N. G., Kim, T. E., & Sadek, S. (2010). Predictors of bullying and victimization in childhood and adolescence. A meta-analytic investigation. School Psychology Quarterly, 25(2), 65–83.

DeWall, C. N., Maner, J. K., & Rouby, D. A. (2009). Social exclusion and early-stage interpersonal perception: Selective attention to signs of acceptance. Journal of Personality and Social Psychology, 96(4), 729–741. doi:10.1037/a0014634

Dukes, R. L., Stein, J. A., & Zane, J. I. (2010). Gender differences in the relative impact of physical and relational bullying on adolescent injury and weapon carrying. Journal of School Psychology, 48(6), 511–532. doi:10.1016/j.jsp.2010.08.001

Eagly, A. H., & Wood, W. (1991). Explaining sex differences in social behavior: A meta-analytic perspective. Personality and Social Psychology Bulletin, 17(3), 306–315. doi:10.1177/0146167291173011

Feingold, A. (1994). Gender differences in personality: A meta-analysis. Psychological Bulletin. (116), 429–456.

Felix, E. D., & Green, J. G. (2010). Popular girls and brawny boys: The role of gender in bullying and victimization experiences. In S. R. Jimerson, S. M. Swearer & D. L. Espelage (Hrsg.), The handbook of bullying in schools. An international perspective (S. 173-186). New York: Routledge.

Felix, E. D., & McMahon, S. D. (2006). Gender and multiple forms of peer victimization: How do they influence adolescent psychosocial adjustment? Violence and Victims, 21(6), 707-725.

Horn, S. S. (2003). Adolescents' reasoning about exclusion from social groups. Developmental Psychology, 39(1), 71–84. doi:10.1037/0012-1649.39.1.71

Leaper, C., & Farkas, T. (2014). The Socialization of Gender during Childhood and Adolescence. In J.E. Grusec & P.D. Hastings (Hrsg.) Handbook of Socialization: Theory and Research. (S. 541-565). New York: Guilford Publications.

McDougall, P., & Vaillancourt, T. (2015). Long-term outcomes of peer victimization in childhood and adolescence. American Psychologist, 70(4), 300-310. http://dx.doi.org/10.1037/a0039174

Troche, S., & Rammsayer, T. H. (2011). Eine Revision des deutschsprachigen Bem Sex-Role Inventory. Klinische Diagnostik und Evaluation, 4, 262-283.

Underwood, M. K., Scott, B. L., Galperin, M. B., Bjornstad, G. J., & Sexton, A. M. (2004). An observational study of social exclusion under varied conditions: Gender and developmental differences. Child Development, 75(5), 1538–1555. doi:10.1111/j.1467-8624.2004.00756.x

Williams, K. D. (2009). Ostracism: A temporal need-threat model. In P. Z. Mark (Ed.), Advances in Experimental Social Psychology, Volume 41, (S. 275-314). San Diego, CA: Elsevier Academic Press.

Youniss, J., & Smollar, J. (1985). Adolescent relations with mothers, fathers, and friends. Chicago: University of Chicago Press.

Zahn-Waxler, C. (2000). The development of empathy, guilt, and internalization of distress. In R. Davidson (Hrsg.), Anxiety, depression, and emotion: Wisconsin Symposium on Emotion, Volume II (S. 222-265). New York: Oxford University Press

Autor*innen