Die Wissenschaftsautor*innen Ihres Vertrauens - Über die Hürden von Wissenschaftskommunikation
Um ihre Empfänger*innen wirklich zu erreichen, muss eine Wissenschaftskommunikation einige Hürden meistern. Aber welche Rolle spielt es dabei, wer uns die wissenschaftlichen Inhalte vermitteln möchte? Aktuelle Forschung legt nahe, dass Informationen über Wissenschaftsautor*innen unsere Neugier und unser Interesse an einem wissenschaftlichen Thema steigern können, unser Vertrauen in die Autor*innen stärken können und vielleicht sogar dazu motivieren können, selbst aktiv an einem Forschungsprojekt teilzunehmen.
Sind allein die wissenschaftlichen Inhalte wichtig oder spielt es auch eine Rolle, wer uns diese Inhalte vermitteln möchte? Aktuelle Forschung legt nahe, dass Informationen über Wissenschaftsautor*innen unsere Neugier und unser Interesse an einem wissenschaftlichen Thema steigern können, unser Vertrauen in die Autor*innen stärken können und vielleicht sogar dazu motivieren können, selbst aktiv an einem Forschungsprojekt teilzunehmen.
In diesem Zusammenhang sieht man in Zeitschriften und (Online-)Magazinen des Öfteren Kurzbeschreibungen von Autor*innen, in denen meistens die fachliche Ausbildung und der Werdegang der Wissenschaftler*innen präsentiert werden, so dass sich die Leser*innen ein Bild von deren Expertise machen können. In einigen Autor*innenbeschreibungen wird auch etwas über die Hobbys und Vorlieben der Wissenschaftler*innen erzählt und oft ist sogar ein Foto dabei. Lenkt so etwas nicht vom eigentlichen wissenschaftlichen Thema ab? Oder ist es etwa für Leser*innen von Bedeutung zu wissen, wer die Person ist, die ihnen ein Thema vermitteln möchte?
Es ist durchaus wichtig, dass auch Nicht-Wissenschaftler*innen Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen bekommen und dass wissenschaftliche Inhalte in einer verständlichen und ansprechenden Form kommuniziert werden. Denn ein ungehinderter Zugang zu Wissenschaft und geeignete Information über wissenschaftliche Themen sind die Voraussetzungen dafür, dass Nicht-Wissenschaftler*innen Wissenschaft wertschätzen, gerne unterstützen und in der Zukunft vielleicht sogar selbst wissenschaftlich tätig werden möchten. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich praktisch anwenden und im täglichen Leben nutzen, und wenn man wissenschaftliche Zusammenhänge versteht, kann man fundierter beurteilen, welche Alltagsratschläge vertrauenswürdig und erfolgversprechend sind und welche nicht.
Welche Tipps wären zum Beispiel nützlich, wenn bei höheren Außentemperaturen ein Festessen im Freien vorbereitet und dabei das Risiko für eine Salmonelleninfektion der Gäste möglichst gering gehalten werden soll? Um wirkungsvolle Maßnahmen zu treffen, helfen wissenschaftliche Kenntnisse über die Vermehrung und die optimalen Wachstumsbedingungen von Salmonellen. Denn daraus kann abgeleitet werden, welche Lebensmittel besonders anfällig sind und wie sich Erwärmen, Kühlen und Einfrieren auf die Entwicklung von Salmonellen in der Nahrung auswirkt.
Hürden auf dem Weg einer Wissenschaftskommunikation
Eine Wissenschaftskommunikation muss einige Herausforderungen meistern, um ihre Empfänger*innen zu erreichen. Sie sollte zum Beispiel sprachlich und inhaltlich verständlich und zusätzlich ansprechend gestaltet sein und auf geeigneten Verbreitungswegen und durch vertrauenswürdige Personen übermittelt werden. Damit sich die Empfänger*innen tatsächlich mit dem Inhalt auseinandersetzen, müssen sie genügend Interesse am Thema haben. Auch wenn diese Hürden alle erfolgreich überwunden werden, verstehen und verarbeiten die Empfänger*innen die Informationen auf ganz unterschiedliche Weise.
Vorwissen erleichtert meist die Beschäftigung mit einem Thema. Eine bereits bestehende Überzeugung zu einem Thema kann aber auch hinderlich dabei sein, sich offen und unvoreingenommen mit einem Thema auseinanderzusetzen. Dabei kann z. B. die Bestätigungstendenz eine Rolle spielen, d. h. die Tendenz einer Person, speziell solche Informationen zu suchen und zu bevorzugen, die ihre bereits vorhandene Einstellung zu einem bestimmten Thema bestätigen. Auch das motivierte Denken kann eine Rolle spielen, d. h. die Tendenz, sich diejenigen Argumente herauszupicken, die eine gewünschte Schlussfolgerung unterstützen.
Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit einigen Hürden von Wissenschaftskommunikation in Bezug auf Sprache, Interesse und Vertrauen, und es wird näher betrachtet, welche Wirkung die Überbringer*innen einer Wissenschaftskommunikation haben können.
Fachjargon
Die Wortwahl einer Wissenschaftskommunikation sollte möglichst allgemeinverständlich sein bzw. auf die Empfänger*innen zugeschnitten sein (Baram-Tsabari & Lewenstein, 2013). Wissenschaftler*innen kommunizieren innerhalb ihres Fachgebiets häufig in einem bestimmten Jargon, der für fachfremde Wissenschaftler*innen und für Nicht-Wissenschaftler*innen schwer verständlich sein kann. Die Verbreitung der wissenschaftlichen Inhalte bleibt so häufig einem begrenzten Kreis an Fachkolleg*innen vorbehalten. Es genügt allerdings nicht, einfach die Fachsprache gegen Alltagssprache auszutauschen, sondern die Inhalte sollten auch leicht verständlich sein und möglichst anschaulich erklärt werden. Außerdem sollte das Interesse der Empfänger*innen geweckt werden (Burns et al., 2003).
Interesse wecken
Die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Inhalten kann sehr anspruchsvoll sein und unsere ganze Aufmerksamkeit und Konzentration erfordern. Interesse, Neugierde und Motivation helfen bei der Verarbeitung und dem Verständnis neuer Informationen, beim Lernen und Erinnern (Pekrun, 2022) und werden gebraucht, um sich mit komplizierten wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen und am Thema dranzubleiben (Pekrun & Loderer, 2020). Interesse kann geweckt werden, wenn ein wissenschaftliches Thema als neuartig oder komplex wahrgenommen wird aber gleichzeitig als verstehbar (Silvia, 2008). Auch die persönliche Relevanz eines wissenschaftlichen Themas und seine Nützlichkeit im Alltagsleben kann Interesse und Motivation fördern (Clark, 2014).
Vertrauen in Wissenschaft und Wissenschaftler*innen
Wie weit kann man wissenschaftlichen Ergebnissen vertrauen, und wie vertrauenswürdig sind die Wissenschaftler*innen selbst? Darüber scheint bei einem großen Teil der Bevölkerung Unsicherheit zu herrschen. Gemäß der Umfrage Wissenschaftsbarometer 2022 haben zwar 62 % der Befragten angegeben, dass sie voll und ganz in Wissenschaft vertrauen, und nur 8 % hatten kein Vertrauen. Allerdings war auch der Anteil der Personen, die unentschlossen sind, ob sie in Wissenschaft und Forschung vertrauen sollen oder nicht, mit 29 % recht hoch. Wichtige Gründe für Vertrauen in Wissenschaftler*innen waren, dass diese Expert*innen in ihrem Bereich sind, sich an Regeln und Standards halten, und dass sie im Interesse der Öffentlichkeit forschen.
Damit man bei der Erkundung neuer Themen korrekte und objektive Informationen erhält, ist es besonders wichtig, dass man sich auf diejenigen verlassen kann, die wissenschaftliche Inhalte kommunizieren, z. B. Wissenschaftler*innen oder Wissenschaftsautor*innen. Vertrauen zu Wissenschaftler*innen ist für fachfremde Wissenschaftler*innen und für Nicht-Wissenschaftler*innen besonders wichtig, da sie nicht unbedingt über dasselbe Expert*innenwissen verfügen. Sie können möglicherweise die Logik und die Argumente der Wissenschaftler*innen verstehen, aber den gesamten komplexen Themenbereich nicht bis ins allerletzte Detail nachvollziehen und überprüfen. Statt sich selbst vollständig in das Fachgebiet einzuarbeiten, beurteilt man anhand verschiedener Hinweise, ob die Wissenschaftler*innen und ihre Aussagen vertrauenswürdig erscheinen.
Vertrauenswürdigkeit beurteilen
Um auf die Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftler*innen zu schließen, analysiert man sowohl die Wissenschaftskommunikation als auch den*die Wissenschaftler*in selbst und achtet dabei z. B. auf Hinweise zu Kompetenz, Qualifikation, Expertise und Status. Außerdem spielen charakterliche Eigenschaften eine Rolle. Gemäß dem Stereotyp-Inhaltsmodell bildet man sich einen Eindruck von einer Person, die man noch nicht kennt, indem man ihre Kompetenz und Wärme beurteilt (Fiske et al., 2007). Unter „Wärme“ fallen dabei z. B. Kooperationsbereitschaft, Wohlwollen und Freundlichkeit. Die Wahrnehmung solcher Eigenschaften fördert Vertrauen (Jarreau et al., 2019). Weitere wichtige Charaktereigenschaften sind Ehrlichkeit, Integrität, Ernsthaftigkeit, sowie Offenheit und die Bereitschaft zuzuhören (Besley et al., 2021). Wissenschaftler*innen werden z. B. dann als vertrauenswürdig wahrgenommen, wenn sie transparent vorgehen und detaillierte und genaue Quellenangaben machen (Hendriks und Kienhues, 2019), oder wenn beschrieben wird, wie sie sich für das Wohl der Gesellschaft einsetzen (Besley et al., 2018).
Vertrauen aufbauen
Vertrauen kann durch eine persönliche Beziehung oder durch einen Dialog mit dem*der Wissenschaftler*in aufgebaut werden (Besley et al., 2016). Dabei hilft es, wenn Informationen über den wissenschaftlichen Werdegang und auch authentische persönliche Informationen und Anekdoten über den*die Wissenschaftler*in preisgegeben werden (Reardon, 2020). Aber auch eine kurze ansprechende Selbstbeschreibung, eine Geschichte zum Schmunzeln oder einfach ein nettes Foto in den sozialen Medien können unser Vertrauen in eine Person fördern (Jarreau et al., 2019). Wenn man die Wissenschaftler*innen kennt und für vertrauenswürdig befindet, dann werden auch die von ihnen kommunizierten Inhalte glaubhafter und bekommen einen höheren Stellenwert (Treise et al., 2003). Relativ leicht kann man diejenigen Wissenschaftler*innen beurteilen, die man persönlich oder aus den Medien kennt. Um sich einen ersten Eindruck von der Vertrauenswürdigkeit eines*einer Wissenschaftsautor*in zu machen, den*die man noch nicht kennt, kann man oft auf eine Autor*innenbeschreibung zurückgreifen, in der die fachliche Qualifikation beschrieben wird und die vielleicht auch persönliche Informationen enthält.
Effekte von fachlichen und persönlichen Informationen
Wie wichtig ist es für Leser*innen zu wissen, wer die Person ist, die ihnen ein Thema vermitteln möchte? In einer aktuellen Studie wurde getestet, welchen Effekt eine kurze Beschreibung eines Wissenschaftlers auf die Leser*innen eines wissenschaftlichen Textes haben kann (Dietrich, 2023). Dabei zeigte sich ein gesteigertes Interesse, gesteigerte Neugier und ein Trend zu stärkerem Vertrauen der Leser*innen, wenn in dieser Beschreibung auch persönliche Informationen gegeben wurden.
Dazu haben 175 Freiwillige eine Leseaufgabe erhalten. Die Leser*innen haben alle denselben wissenschaftlichen Text über die Forschungsergebnisse eines Wissenschaftlers bekommen. Sie wurden aber nach dem Zufallsprinzip einer von drei Gruppen zugeordnet. Die erste Gruppe hat ausschließlich den wissenschaftlichen Text bekommen. Die zweite Gruppe hat vor dem wissenschaftlichen Text eine kurze Beschreibung zum beruflichen Werdegang und zur Expertise des Wissenschaftlers erhalten. Die dritte Gruppe hat zusätzlich zu diesen fachlichen Informationen noch persönliche Informationen über den Wissenschaftler bekommen, unter anderem warum er begonnen hat, sich für das wissenschaftliche Thema zu interessieren und dass er Kinder hat und gerne zusammen mit ihnen experimentiert.
Interessanterweise hatte die dritte Gruppe der Leser*innen, die sowohl die fachlichen als auch die persönlichen Informationen über den Wissenschaftler erhalten hat, ein höheres Interesse am wissenschaftlichen Text und war neugieriger auf das Thema im Vergleich zur ersten und zweiten Gruppe. Außerdem zeigte sich bei dieser dritten Gruppe der Leser*innen ein Trend zu höherem Vertrauen in den beschriebenen Wissenschaftler im Vergleich zur ersten Gruppe, die keine Informationen zum Wissenschaftler erhalten hat.
Bei der zweiten Gruppe, die nur die Information über die fachlichen Kompetenzen, nicht aber die persönlichen Informationen bekommen hat, konnte hingegen keine signifikante Zunahme des Interesses an oder der Neugier auf den wissenschaftlichen Text beobachtet werden. Bei den Leser*innen der zweiten und dritten Gruppe, d. h. die nur fachliche oder zusätzlich zu den fachlichen auch persönliche Informationen über den Wissenschaftler bekommen haben, zeigte sich zudem ein Trend zu einer höheren Motivation, selbst wissenschaftlich tätig zu werden und aktiv an einem Forschungsprojekt teilzunehmen.
Den Leser*innen scheint ein möglicher Zusammenhang zwischen der Beschreibung des Wissenschaftlers und der Wirkung auf ihr Interesse, ihre Neugierde, ihr Vertrauen und ihre Motivation interessanterweise jedoch nicht bewusst zu sein. In einer nachfolgenden Befragung darüber, wie wichtig den Leser*innen bestimmte Eigenschaften von Wissenschaftskommunikation sind, landeten nämlich die persönlichen Informationen über Wissenschaftler*innen auf dem letzten Platz. Auch unterhaltsame Elemente und Humor in Wissenschaftskommunikationen waren diesen Studienteilnehmer*innen nicht besonders wichtig. Stattdessen haben sie die inhaltlichen Aspekte und Verständlichkeit deutlich höher bewertet.
Inhalt und Umfang von Autor*innenbeschreibungen
Der Inhalt und der Umfang der Beschreibungen von Wissenschaftler*innen bzw. Wissenschaftsautor*innen variieren stark und man kann sich fragen, wann diese Informationen zu sehr vom eigentlichen Inhalt ablenken und man gedanklich abschweift. Gemäß der Theorie der kognitiven Belastung könnte man von einer Belastung des Arbeitsgedächtnis sprechen, sodass zu wenig Kapazität für die Beschäftigung mit den eigentlichen wissenschaftlichen Inhalten zur Verfügung steht (Plass et al., 2010). Andererseits können persönliche Informationen auch positive Emotionen bei den Leser*innen hervorrufen, und diese werden mit einer geringeren kognitiven Belastung und einer besseren Aufnahme und Verarbeitung des wissenschaftlichen Textes in Zusammenhang gebracht (Chang & Chen, 2022; Li et al., 2020). Daher sollten Autor*innen gut abwägen, welche und wie viele Informationen sie angeben, damit sich ihre Leser*innen gerne mit dem wissenschaftlichen Artikel auseinandersetzen.
Übrigens haben nicht nur die Leser*innen in der oben beschriebenen Studie die Wichtigkeit von persönlichen Informationen über den Wissenschaftler auf den letzten Platz verwiesen, sondern auch die befragten Wissenschaftskommunikator*innen selbst. Auch uns erschienen persönliche Informationen über Wissenschaftler*innen bisher nicht als besonders wichtig. Für diesen Artikel sind wir aber gerne dem In-Mind-Standard gefolgt und haben kurze Beschreibungen über uns verfasst. Wir wollten nämlich weder Ihr Interesse, Ihre Neugier noch Ihr Vertrauen riskieren. Vielleicht sind Sie dadurch jetzt sogar motiviert, selbst an dem Thema weiterzuforschen?
Künstliche Intelligenz als Wissenschaftsautor*in
Es scheint also wichtig zu sein, dass man auch persönliche Dinge über den*die Wissenschaftsautor*in erfährt und dass man ihn*sie nicht nur als qualifiziert, sondern auch als nahbar und menschlich wahrnimmt. Wie sieht es mit Interesse, Neugierde, Vertrauen und Motivation bei den Leser*innen oder Zuhörer*innen aus, wenn in Zukunft immer mehr Texte durch künstliche Intelligenz verfasst werden? Kann man ähnliche Effekte auf die Leser*innen finden, wenn eine ansprechende Beschreibung der künstlichen Intelligenz präsentiert wird, die den Text zusammengestellt hat?
Literaturverzeichnis
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Besley, J. C., Dudo, A. D., Yuan, S., & Abi Ghannam, N. (2016). Qualitative interviews with science communication trainers about communication objectives and goals. Science Communication, 38(3), 356-381. https://doi.org/10.1177%2F1075547016645640
Besley, J. C., Dudo, A., & Yuan, S. (2018). Scientists’ views about communication objectives. Public Understanding of Science, 27(6), 708-730. https://doi.org/10.1177%2F0963662517728478
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Burns, T. W., O'Connor, D. J., & Stocklmayer, S. M. (2003). Science communication: A contemporary definition. Public Understanding of Science, 12(2), 183-202. https://doi.org/10.1177/09636625030122004
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Wissenschaftsbarometer 2022 (n.d.). Wissenschaft im Dialog. Retrieved August 30, 2023, from https://wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wissenschaftsbarometer/wissenschaftsbarometer-2022/
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