Schön, reich und unerreichbar? Über die flexiblen Konsequenzen sozialer Vergleiche mit Models

Wo man auch hinblickt: schöne, schlanke, sportliche Werbemodels lächeln einem gekonnt ins Gesicht. Angesichts so extremer Schönheit, die noch dazu zum Ideal unserer Gesellschaft erklärt ist, kann man gar nicht anders, als sich seiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst zu werden. Kann man doch? Zumindest unter bestimmten Bedingungen!
Neuere Modelle und Befunde aus der Sozialpsychologie legen nahe, dass selbst Vergleiche mit extremen Werbemodels auch positive Folgen haben können beziehungsweise Menschen über wirksame Schutzmechanismen verfügen, die ihnen helfen, mit bedrohlichen Vergleichsstandards umzugehen.

Nicht nur in der Werbewelt, sondern gerade auch unter den täglichen Betrachtern der zahlreichen Werbekampagnen, besteht anscheinend der feste Glaube, dass sich Schönheit besser verkaufen lässt als Durchschnittlichkeit oder gar Hässlichkeit. So wurden vermutlich auch die so genannten Supermodels geboren, die mit ihrer Schönheit so manchem Produkt zu „Verkaufsschönheit“ verhelfen sollen (siehe auch, Häfner & Trampe, 2009). Dennoch folgte diesem Boom an Werbemodels in den späten 80er und frühen 90er Jahren in jüngster Zeit ein heftiger Ansturm gegen die Allgegenwärtigkeit solch unerreichbarer Schönheitsideale. „Durchschnittlichere“, „normalere“ Werbemodels fanden ihren Weg auf die Werbeplakate, angeblich, um die meist jugendlichen Betrachterinnen nicht länger mit unerreichbaren Idealen und den daraus resultierenden negativen Konsequenzen zu konfrontieren: Sowohl in der Presse als auch in der psychologischen Fachliteratur hat sich immer mehr die Meinung herauskristallisiert, dass die zu Idealen avancierten Werbemodels durch normales, gesundes Verhalten kaum zu erreichen sind. Deshalb, so das Argument, führen Vergleiche mit diesen Werbemodellen vor allem zu Minderwertigkeitsgefühlen im Betrachter (z.B. Richins, 1991). Essstörungen, häufiger werdende Schönheitsoperationen und eine generelle Neigung zur Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper (Swami et al., 2010) scheinen eine solche Argumentation zu unterstützen, unterstreichen sie doch die manchmal krankhaften Bemühungen, den medial verbreiteten Schönheits- bzw. Schlankheitsidealen nachzueifern. Doch wie allgemeingültig sind diese Annahmen? Führen extrem schöne, dünne und erfolgreiche Werbemodels tatsächlich unausweichlich zu einem negativen Selbstbild und hilft es demnach, diese durch „normale Menschen“ zu ersetzen?

Negative und positive Konsequenzen sozialer Vergleiche mit Werbemodels

Warum überhaupt mit einem Werbemodel vergleichen? Auch wenn diese Frage mehr als berechtigt erscheint und auf die möglichen negativen Konsequenzen eines solchen sogenannten sozialen Vergleichs (Festinger, 1954) hinweist, haben Menschen die stabile Tendenz, sich mit anderen Menschen zu vergleichen: Im Bestreben, zu einem möglichst genauen Selbsturteil zu gelangen, nutzen Menschen die sie umgebende (soziale und nicht soziale) Information. So vergleichen sie sich beispielsweise mit anderen Menschen, welche dann einen sogenannten Vergleichsstandard darstellen. Diese vergleichende Verortung bleibt aber nicht ohne Folgen, da diese Selbsturteile beeinflusst, sie in eine bestimmte Richtung verändert. So fühlen und verhalten sich Menschen zum Beispiel im „Beisein“ Albert Einsteins weniger intelligent, als wenn sie von Claudia Schiffer „umgeben“ sind (Dijsterhuis, et al., 1998), während sie sich im Beisein letzterer sicherlich weniger attraktiv einschätzen, als im Vergleich zu Albert Einstein.

Da Menschen sich fast immer im sozialen Kontext bewegen (ein soziales Vakuum existiert nicht), und soziale Vergleiche einem genaueren Selbstverständnis (im jeweiligen sozialen Kontext) dienen, kann also davon ausgegangen werden, dass solche Vergleiche mehr oder weniger allgegenwärtig sind (z.B., Mussweiler, 2003). Alles ist relativ: Wir fühlen uns momentan intelligenter als unsere Kollegen, dafür vielleicht etwas weniger hübsch als diese, dafür empfinden wir uns ebenso rundlich wie die Dove-Werbemodels. Soweit so gut; zumindest theoretisch sollte diese Relativität den positiven Effekt haben, dass sich Menschen tatsächlich besser in ihrem momentanen sozialen Gefüge verorten können. Wären da nicht die allgegenwärtigen extremen Werbemodels: Eine große Anzahl an anwendungsbezogenen Studien spricht dafür, dass die negativen Effekte sozialer Vergleiche mit Werbemodels überwiegen (Swami et al., 2010; siehe auch Groesz, Levine, & Murnen, 2002 für einen Überblick). Die in dieser Literatur berichteten Studien legen den Schluss nahe, dass attraktive Werbemodels zu einer vergleichsweise negativen Körperwahrnehmung und einem relativ niedrigen Selbstbewusstsein bei der Betrachterin führen. Die Distanz zu den in der Werbung verwendeten Models ist so groß, so das Argument, dass diese notwendigerweise zu einer Kontrastierung des Betrachters vom Standard führen.

Wenngleich sich diese Argumentation in zahlreichen Studien bestätigt, stellt sich doch die Frage, inwieweit es sich hier tatsächlich um ein unumkehrbares Phänomen handelt. Zumindest im Labor und theoretisch stellen sich diesen Befunden nämlich neuere sozialpsychologische Modelle und Erkenntnisse entgegen (z.B., Lockwood & Kunda, 1997; Mussweiler, 2003; Schwarz & Bless, 1992, Stapel & Koomen, 2000). Grundtenor dieser Modelle ist es, dass soziale Vergleiche äußerst veränderbar sind. Nicht die Extremität eines Vergleichsstandards per se bestimmt die Richtung eines Vergleiches, sondern, was der Betrachter aus dem jeweiligen Vergleichsstandard macht (Brown, et al., 1992; Lockwood & Kunda, 1997). Dies lässt sich am Beispiel der Forschungsarbeiten von Brown und Kollegen gut veranschaulichen. In diesen Studien wurden Versuchspersonen mit extremen Werbemodels als Vergleichsstandards konfrontiert und danach nach ihrer eigenen Einschätzung bezüglich ihrer Attraktivität (also der zentralen Vergleichsdimension) gefragt. Zusätzlich wurden aber noch unterschiedliche Beschreibungen der Models hinzugefügt. Die Hälfte der Versuchspersonen ging davon aus, dass sie zufälligerweise dasselbe Geburtsdatum wie die gezeigten Werbemodels hatten, während die andere Hälfte der Versuchspersonen von einem unterschiedlichen Geburtsdatum ausging. In den Resultaten zeigte sich nun, dass es dann, wenn die Betrachterin davon ausging, am selben Tag wie das Model Geburtstag zu haben, zu einer Annäherung ( Assimilation) an den Vergleichsstandard kam. Die betrachtenden Frauen fühlten sich also relativ attraktiv. Bestand diese Gemeinsamkeit jedoch nicht, so kam es zu einem Kontrasteffekt. Eine zufällige Gemeinsamkeit mit einem Werbemodel wie etwa der gleiche Geburtstag kann also zur Wahrnehmung von Ähnlichkeit und damit zur Einschätzung, dass man selbst gar nicht so viel unattraktiver als das Model ist führen. Aber trägt diese Logik auch in einer alltäglicheren Situation, in der weniger spezifische Informationen über die Werbemodels verfügbar sind?

Dieser Frage geht eine Reihe von Experimenten nach, die meine Kollegen und ich durchgeführt haben. Im Gegensatz zu der eher starken Manipulation, die Brown und Kollegen verwendet haben, haben wir untersucht, inwieweit subtile Umgebungsvariablen die Richtung sozialer Vergleiche mit Werbemodels beeinflussen können. Entsprechend diesem Vorhaben haben wir lediglich die Werbeheadlines von Kampagnen variiert, die entweder Gemeinsamkeiten hervorhoben („same body – same feeling“) oder Unterschiede betonten („feel the difference“), während wir die abgebildeten, extrem attraktiven Werbemodels konstant hielten (Häfner, 2004). Entsprechend der Vorhersagen zeigen die Ergebnisse, dass eine solch subtile Manipulation ausreicht, um Beobachter zur Annäherung (wenn die headlines Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellten) und zur Abwendung vom Standard führen können (wenn Unterschiede im Vordergrund standen). Es kann also geschlussfolgert werden, dass soziale Vergleiche auch mit extremen Standards wie etwa Supermodellen prinzipiell flexibel sind und von einer Reihe an Umgebungsfaktoren beeinflusst werden können. Sicherlich bedeutet dies auch, dass normalerweise Kontrast die häufigere Konsequenz solcher Vergleiche mit Werbemodels oder Idealstandards sein wird, da die meist luxuriöse Art und Weise der Darstellungen in der Werbung Unterschiede deutlicher machen als uns lieb ist.

Über die Allgegenwärtigkeit sozialer Vergleiche

Die bisher dargelegten Befunde und Theorien basieren auf der Annahme, dass soziale Vergleiche mehr oder weniger unvermeidbar sind, da ein soziales Vakuum nicht vorstellbar ist. In ihrer Grundform ist diese Annahme von daher sicher zu akzeptieren. Allerdings stellt sich die Frage inwieweit negative (oder auch positive) Konsequenzen eines Vergleiches nicht vorherzusehen und von daher auch vermeidbar sind. Warum sollte man sich mit Albert Einstein bzgl. seiner Intelligenz oder mit Claudia Schiffer bzgl. seines Aussehens vergleichen? Die negativen Konsequenzen eines solchen Vergleichs sind offensichtlich. Ebenso offensichtlich bietet sich dann auch die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Vergleichsdimensionen bewusst zu wechseln, um den Selbstwert zu erhalten (z.B., Tesser, Wood, & Stapel, 2005): „Ich mag nicht so attraktiv wie Claudia Schiffer sein, was aber meine Intelligenz anbelangt ...“ Mit der Frage, ob solche (spontanen) Versuche der Selbstwerterhaltung auch bei sozialen Vergleichen mit Werbemodels stattfinden, beschäftigten wir uns in einer weiteren Reihe an Untersuchungen (Häfner, Jagsch, Kund, Mager, Türk-Pereira, & Zimmermann 2008). Die Idee dieser Studien war es, nicht alleine die zentrale Vergleichsdimension zu untersuchen (bei Werbemodels also die Attraktivität), wie dies üblicherweise geschieht, sondern auch potentiell kompensierende Vergleichsdimensionen, auf denen der Selbstwert repariert werden kann, zu untersuchen. Tatsächlich fanden wir übereinstimmend in mehreren Experimenten, dass Frauen, die sich mit einem attraktiven Werbemodel verglichen, zwar angaben, weniger attraktiv zu sein als Frauen, welche sich mit einer normal attraktiven Frau verglichen, gleichzeitig jedoch auch angaben, sportlicher als diese Modelle zu sein. Letztere Einschätzung teilten Frauen, die sich mit einem normal attraktiven Standard verglichen, nicht. Interessanterweise zeigten sich diese Reparationstendenzen auch auf spontanem, nicht oder kaum willentlich beeinflusstem Verhalten. Selbst wenn im Experiment keine Möglichkeit zum Nachdenken und somit zum aktiven Gegensteuern bestand (weil etwa keine Zeit zur Verfügung stand oder spontanes Verhalten gemessen wurde), zeigten unsere Versuchspersonen solche, demnach automatische, Reparationstendenzen. Dies legt den Schluss nahe, dass solche „Überlebensstrategien“ extrem effizient funktionieren können und fast keiner bewussten Steuerung bedürfen. Letztlich folgt daraus, dass Vergleiche mit extremen Standards wie etwa Werbemodels zwar zu einem relativ negativen Selbstbild auf den zentralen Vergleichsdimensionen ( Attraktivität, Schlankheit, usw.) führen, wir aber gleichzeitig über effektive Mechanismen verfügen, diese Bedrohung zu kompensieren. Des Weiteren ist natürlich festzuhalten, dass sich Vergleiche auch gänzlich vermeiden lassen beziehungsweise auch von anderen Faktoren beeinflusst sind: Bin ich unzufrieden mit meinem Körper oder leide ich unter meinem Übergewicht, so werden dünne Menschen und auch Werbemodels für mich relevantere Vergleichsstandards darstellen und damit einen Vergleich wahrscheinlicher machen, als wenn ich sehr zufrieden und schlank bin (Smeesters, Mussweiler, & Mandel, 2010).

Fazit

Entgegen bisheriger Annahmen, kann aus den hier vorgestellten experimentellen Belegen abgeleitet werden, dass Vergleiche zu in der Werbung verwendeten extremen Standards nicht notwendigerweise nur negative Konsequenzen haben müssen. Zunächst wurden Befunde dargestellt die zeigen, dass auch Vergleiche zu extremen Standards veränderbar sind. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass selbst wenn es zu negativen Vergleichen mit extremen Standards kommt, diese selbst automatisch kompensiert werden können indem man auf Vergleichsdimensionen wechselt, auf denen man dem bedrohlichen Standard scheinbar überlegen ist. So bleiben zwar die negativen Konsequenzen auf der zentralen Vergleichsdimension („Ich mag zwar hässlicher sein als Claudia Schiffer ...“), doch kann der Selbstwert auf einer anderen Dimension repariert werden („... dafür bin ich sicherlich intelligenter!“). Zusammengenommen legen diese Befunde den wesentlich positiveren Schluss als üblich nahe, dass nämlich Models in der Werbung, und mögen sie auch noch so unerreichbar scheinen, psychologisch erreichbar sein können. Sucht man nach Gemeinsamkeiten, oder aber vergleicht man sich erst gar nicht, so kann man einem Model näher sein als man denkt. Gelingt dies nicht, so verfügen Menschen offensichtlich über sehr wirksame Strategien solche Bedrohungen zu kompensieren: Durch strategische Wechsel der Vergleichsdimension kann der Selbstwert repariert werden. Diese Schlussfolgerungen sollen in keiner Weise die Verwendung oder gar Idealisierung extremer Standards in der Werbung oder auch anderen Bereichen rechtfertigen, sondern lediglich die Veränderbarkeit sozialer Vergleichsprozesse darstellen und damit darauf hinweisen, dass es zu kurz gegriffen scheint, nur negative Auswirkungen extremer Standards zu erwarten.

Literaturverzeichnis

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