Intergruppen-Kontakttheorie: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Dieser Beitrag wurde zunächst in englischer Sprache in der englischsprachigen Ausgabe (2/2013, Ausgabe 17) des In-Mind Magazins veröffentlicht.

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Zur Zeit der Rassentrennung in den USA und der „Jim Crow-Gesetze“ (Anmerkung der Übersetzerin: Bezeichnung für die Gesetze in den USA, die die Rassentrennung vorschrieben) stellte Gordon Allport im Jahre 1954 eine der wichtigsten sozialpsychologischen Annahmen des zwanzigsten Jahrhunderts vor. Danach kann Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen (unter bestimmten Voraussetzungen) darauf hinwirken, Vorurteile und Konflikte zwischen den Gruppen zu reduzieren. Tatsächlich ist die Idee, wonach Kontakt zwischen Mitgliedern verschiedener Gruppen dabei helfen kann, Vorurteile zu verringern und die sozialen Beziehungen zu verbessern, in der Politikgestaltung auf der ganzen Welt verankert. So stellt die UNESCO beispielsweise fest, dass Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen wesentlich für die Verbesserung sozialer Beziehungen ist. Darüber hinaus haben explizite, von der Politik angestoßene Bewegungen hin zu mehr Kontakt eine wichtige Rolle gespielt bei der Verbesserung der sozialen Beziehungen zwischen den verschiedenen Ethnien in den USA und zwischen Protestanten/innen und Katholiken/innen in Nordirland sowie bei der Unterstützung einer integrativeren Gesellschaft in Südafrika nach dem Ende der Apartheid. In der heutigen Zeit dient die Anerkennung der Vorteile von Kontakt als Motor für Schüleraustausche und gruppenübergreifende Patenprogramme („cross-group buddy schemes“). In den Jahren seit Allports anfänglicher Intergruppen- Kontakthypothese haben sich viele Forschungsarbeiten der Erweiterung und Untersuchung seiner Kontakthypothese gewidmet. In diesem Artikel werde ich einen Überblick über einen Teil der umfangreichen Literatur zur Rolle von Kontakt bei der Reduzierung von Vorurteilen geben. Dabei gehe ich auf den Erfolg von Kontakt, auf Faktoren, die den Zusammenhang zwischen Kontakt und der Reduzierung von Vorurteilen vermitteln, auf neuere Erweiterungen der Hypothese sowie auf künftige Forschungsrichtungen ein. Kontakt ist von größter Bedeutung bei der Verringerung von Vorurteilen und bei der Förderung einer toleranteren und integrativeren Gesellschaft. Dabei ist er ein Paradebeispiel für die Anwendungen im wirklichen Leben, welche die Psychologie der Welt bieten kann. 

Die Kontakthypothese

Die Intergruppen- Kontakthypothese wurde erstmalig im Jahr 1954 von Gordon Allport vorgelegt. Allport behauptete, dass positive Auswirkungen von Kontakt zwischen Gruppen in Kontaktsituationen entstehen können, die durch die folgenden vier Schlüsselbedingungen gekennzeichnet sind: gleicher Status, Zusammenarbeit zwischen den Gruppen, gemeinsame Ziele sowie Unterstützung durch gesellschaftliche und institutionelle Instanzen (s. Tabelle 1). Laut Allport ist es wichtig, dass die Kontaktsituation jeden dieser vier Faktoren zu einem gewissen Grad aufweist. Tatsächlich scheinen diese Faktoren wichtig für die Reduzierung von Vorurteilen zu sein, was sich an der Bedeutung von Freundschaften über verschiedene Gruppen hinweg für die Verminderung von Vorurteilen zeigt (Pettigrew, 1998). Die meisten Freunde/innen haben den gleichen Status und arbeiten zusammen, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Auch ist Freundschaft normalerweise nicht von strengen gesellschaftlichen oder institutionellen Beschränkungen betroffen, welche insbesondere Liebesbeziehungen (z. B. Gesetze gegen Mischehen) und Arbeitsverhältnisse (z. B. Rassentrennungsgesetze oder unterschiedlicher Status) einschränken können.

Tabelle 1

Bedingung

Bedeutung

Beispiel

Belege

Gleicher Status

Die Mitglieder der Kontaktsituation sollten keine ungleiche, hierarchische Beziehung haben.

Die Mitglieder sollten kein Arbeitergeber/in-Angestellten- oder Lehrer/in-Schüler/in-Verhältnis haben.

Studien zeigen, dass gleicher Status sowohl vor (Brewer & Kramer, 1985) als auch während (Cohen & Lotan, 1985) der Kontaktsituation wichtig ist.

Kooperation

Die Mitglieder sollten in einer nicht-wettbewerbsorientierten Umgebung zusammenarbeiten.

Schüler/innen, die gemeinsam an einem Gruppenprojekt arbeiten.

Die „Gruppenpuzzle-Technik“ („jigsaw technique“) von Aronson strukturiert den Unterricht so, dass Schüler/innen sich kooperativ anstrengen (Aronson & Patnoe, 1967). Die Technik hat in vielen Ländern zu positiven Ergebnissen geführt.

Gemeinsame Ziele

Die Mitglieder müssen sich aufeinander verlassen, um das gemeinsam angestrebte Ziel zu erreichen.

Mitglieder eine Sportmannschaft

Hu und Griffey (1985) konnten die Bedeutung von gemeinsamen Zielen bei gemischt-ethnischen Sportmannschaften nachweisen, die zusammenarbeiten müssen, um ihr Ziel zu erreichen.

Unterstützung durch gesellschaftliche und institutionelle Instanzen

Es sollte keine gesellschaftlichen oder institutionellen Instanzen geben, die explizit oder implizit Kontakt unter Strafe stellen. Es sollte Institutionen geben, die positiven Kontakt unterstützen.

Es sollte keine Gesetze geben, die Trennung vorschreiben.

Die Forschung von Landis (1984) zur Bedeutung institutioneller Unterstützung bei der Reduzierung von Vorurteilen beim Militär

 

Seit Allports erstmaliger Formulierung seiner Kontakthypothese konnten zahlreiche Forschungsarbeiten die Bedeutung von Kontakt zur Reduzierung von Vorurteilen bestätigen. Es konnte im Wesentlichen gezeigt werden, dass positive Kontakterfahrungen selbstberichtete Vorurteile (die gängigste Methode zur Messung von Einstellungen zu anderen Gruppen) unter anderem gegenüber schwarzen Nachbarn/innen, alten Menschen, homosexuellen Männern und Menschen mit Behinderungen (Caspi, 1984; Vonofako, Hewstobe & Voci, 2007; Works, 1961; Yuker & Hurley, 1987) reduzieren können. Besonders interessant ist jedoch das Ergebnis einer umfangreichen Meta-Analyse (d. h. einer statistischen Analyse einer Anzahl veröffentlichter Studien). Diese konnte zeigen, dass, obwohl Kontakt unter den von Allport formulierten Bedingungen besonders wirksam hinsichtlich der Reduzierung von Vorurteilen ist, selbst unstrukturierter Kontakt Vorurteile verringert (Pettigrew & Tropp, 2006). Dies bedeutet, dass die von Allport vorgeschlagenen Bedingungen eher als förderlich denn als notwendig angesehen werden sollten. Dies ist wichtig, da es die Bedeutung der Kontakthypothese zeigt: Selbst in Situationen, die sich nicht durch Allports optimale Bedingungen auszeichnen, gibt es einen negativen Zusammenhang zwischen Ausmaß an Kontakt und Vorurteilen. Dieser ist in der Größenordnung vergleichbar mit dem negativen Zusammenhang von Gebrauch von Kondomen und sexuell übertragenem HIV und dem Zusammenhang zwischen Passivrauchen und dem Auftreten von Lungenkrebs am Arbeitsplatz (Al-Ramiah & Hewstone, 2011). Kontakt zwischen Gruppen, auch unter suboptimalen Bedingungen, steht in starkem Zusammenhang zu weniger Vorurteilen.

Von großer Bedeutung ist, dass Kontakt nicht nur Vorurteilsmaße beeinflusst, die sich auf expliziten Selbstbericht stützen, sondern auch Vorurteile reduziert, die auf verschiedene andere Arten gemessen werden. Explizite Maße (z. B. „Wie sehr mögen Sie homosexuelle Männer?“) sind insofern beschränkt, als sie zu Verzerrungen im Selbstbericht führen können: Die Leute antworten oft so, dass sie in einem guten Licht erscheinen. Daher hat die Forschung zusätzlich die Auswirkungen von Kontakt auf implizite Maße untersucht: Diese Maße erfassen zentrale psychologische Konstrukte, wobei der Wille und die Fähigkeit von Personen, die eigenen Gefühle und Überzeugungen zu berichten, umgangen wird. Implizite Maße haben sich als eine gute Ergänzung zu traditionellen expliziten Maßen bewährt, insbesondere wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der Selbstbericht verzerrt ist. In Reaktionszeitaufgaben am Computer ließ sich zeigen, dass Kontakt implizite Assoziationen zwischen der Eigengruppe der Versuchsperson und dem Konzept „gut“ sowie zwischen der Fremdgruppe (einer Gruppe, der die Versuchsperson nicht angehört) und dem Konzept „schlecht“ reduziert (Aberson & Haag, 2007).

Außerdem ist positiver Kontakt mit weniger körperlichen Bedrohungsreaktionen gegenüber der Fremdgruppe (Blascovich et al., 2001) und mit geringeren Unterschieden in der Art und Weise der Gesichtsverarbeitung im Gehirn verbunden. Letzteres bedeutet, dass Kontakt dabei hilft, Wahrnehmungen von Ähnlichkeit zu erhöhen (Walker et al., 2008). Demnach hat Kontakt eine reale und konkrete Wirkung auf die Reduzierung von Vorurteilen – sowohl auf expliziter als auch auf impliziter Ebene. In der Tat ist die Rolle von Kontakt bei der Reduzierung von Vorurteilen inzwischen so gut belegt, dass es gerechtfertigt erscheint, von der Intergruppen-Kontakttheorie zu sprechen (Hewstone & Swart, 2011).

Wie funktioniert das?

Es wurden mehrere Mechanismen vorgeschlagen, um zu erklären, wie Kontakt Vorurteile genau reduziert. Dabei wurden insbesondere „vier Prozesse der Veränderung“ vorgeschlagen: etwas über die Fremdgruppe lernen, das Verhalten ändern, gefühlsbezogene Beziehungen herstellen und die Eigengruppe neu bewerten (Pettigrew, 1998). Kontakt wirkt sowohl über kognitive Mittel (d. h. etwas über die Fremdgruppe lernen oder neu bewerten, wie man selbst über die Eigengruppe denkt) als auch über das Verhalten betreffende Mittel (das eigene Verhalten ändern, um sich selbst für mögliche positive Kontakterfahrungen zu öffnen) sowie über affektive Mittel (gefühlsbezogene Beziehungen und Freundschaften herstellen und negative Emotionen reduzieren). Ein besonders wichtiger vermittelnder Mechanismus (d. h. der Mechanismus oder Prozess, durch den Kontakt seine Wirkung entfaltet) ist der von Gefühlen oder Affekt. Es gibt Belege, die nahelegen, dass Kontakt Vorurteile reduziert, indem er negative Gefühle (Furcht oder Bedrohung) abschwächt und positive Gefühle wie Empathie erzeugt (Tausch & Hewstone, 2010). In einer anderen Meta-Analyse konnten Pettigrew und Tropp (2008) diese Annahme bestätigen, indem sie die vermittelnden Mechanismen von Kontakt im Speziellen beleuchteten. Sie fanden, dass Kontaktsituationen, die positive Gefühle fördern und negative Gefühle verringern, am ehesten Erfolg bei der Reduzierung von Konflikten haben. Kontaktsituationen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geeignet, Beziehungen zwischen Gruppen zu verbessern, wenn sie positive Gefühle erzeugen. Sie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dazu geeignet, wenn sie negative Gefühle wie Angst oder Bedrohung erzeugen. Wenn wir uns wohlfühlen und keine Angst haben, wird die Kontaktsituation von Erfolg gekrönt sein.

Übertragung der Wirkung von Kontakt

Ein wichtiger Aspekt, den ich bislang jedoch nicht beleuchtet habe, ist, wie die positiven Erfahrungen nach einem Kontakt erweitert und auf andere Mitglieder der Fremdgruppe übertragen werden können. Obwohl Kontakt die Vorurteile einer Person gegenüber (zum Beispiel) dem/r muslimischen Kollegen/in reduzieren mag, ist sein praktischer Nutzen stark eingeschränkt, wenn er nicht auch Vorurteile gegenüber anderen Menschen muslimischen Glaubens verringert. Kontakt mit jedem einzelnen Mitglied einer Fremdgruppe, ganz zu schweigen von allen Fremdgruppen, auf die Vorurteile gerichtet sind, ist natürlich nicht machbar. Daher ist in der Intergruppenforschung die Frage von zentraler Bedeutung, wie sich die positive Wirkung übertragen lässt.

Bild von skeeze via Pixabay (https://pixabay.com/en/soldier-military-uniform-american-708711/), CCO (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)Zur Erklärung der positiven Wirkung von Kontakt wurde eine Reihe von Ansätzen entwickelt, darunter das Herausragen der Gruppe kleinzuhalten, sodass die Menschen auf individuelle und nicht auf Gruppeneigenschaften achten (Miller & Brewer, 1984), das Herausragen der Gruppe zu vergrößern, sodass die Wirkung auf andere übertragen wird (Johnston & Hewstone, 1992), sowie eine überspannende gemeinsame Eigengruppenidentität herauszustellen (Gaertner, Dovidio, Anastasio, Bachman & Rust, 1993). Jeder diese Ansätze hat sowohl Vor- als auch Nachteile und jeder einzelne Ansatz mag jeweils in unterschiedlichen Stadien einer erweiterten Kontaktsituation am wirksamsten sein. Diesbezüglich hat Pettigrew (1998) ein dreistufiges Modell vorgelegt, das mit der Zeit abläuft, um erfolgreichen Kontakt und die Übertragung zu optimieren. Die erste Stufe ist die Stufe der Dekategorisierung (wie bei Miller & Brewer, 1984), in der die persönlichen Identitäten (nicht die Gruppenidentitäten) der Personen betont werden sollen, um Angst zu reduzieren und zwischenmenschliche Zuneigung zu fördern. In einem zweiten Schritt werden die sozialen Kategorien der Personen herausgestellt, um die Übertragung der positiven Gefühle auf die gesamte Fremdgruppe zu erreichen. Die letzte Stufe ist die Stufe der Rekategorisierung, in der die Gruppenidentitäten der Personen durch eine übergeordnete Gruppe ersetzt werden: Die Gruppenidentitäten werden von „wir versus ihr“ in ein integrativeres „wir“ geändert (Gaertner et al., 1993). Dieses Stufenmodell könnte sich als eine nützliche Methode zur Übertragung der positiven Wirkungen von Intergruppenkontakt herausstellen.

Erweiterungen der Theorie

Ungeachtet der Forschung zur Übertragung könnte die Erwartung, dass Gruppenmitglieder genügend Gelegenheiten haben, positiven Kontakt zu Fremdgruppenmitgliedern herzustellen, dennoch unrealistisch sein. Manchmal ist positiver Kontakt zwischen Gruppenmitgliedern äußerst schwer, wenn nicht gar unmöglich. Beispielsweise war auf dem Höhepunkt des Nordirlandkonflikts positiver Kontakt zwischen Protestanten/innen und Katholiken/innen nahezu unmöglich. Daher sind neuere Forschungsarbeiten zur Rolle von Kontakt zwischen Gruppen bei der Reduzierung von Vorurteilen von der Idee abgerückt, dass Kontakt unbedingt direkten (persönlichen) Kontakt beinhalten muss, und hin zu der Idee gekommen, dass indirekter Kontakt (z. B. vorgestellter Kontakt oder Wissen um Kontakt von anderen) auch einen positiven Effekt haben könnte.

Bild von PublicDomainPictures via Pixabay (https://pixabay.com/en/michelangelo-abstract-boy-child-71282/), CCO (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)Ein erstes Beispiel für diesen Ansatz findet sich in der erweiterten Kontakthypothese von Wright, Aron, McLaughin-Volpe und Ropp (1997). Laut Wright et al. kann das bloße Wissen darüber, dass ein Mitglied der Eigengruppe eine enge Verbindung zu einem Mitglied der Fremdgruppe hat, die Einstellung gegenüber der Fremdgruppe verbessern. Tatsächlich konnte dies in einer Reihe von experimentellen und Korrelationsstudien bestätigt werden. Beispielsweise haben Shiappa, Gregg und Hewes (2005) den Beleg dafür geliefert, dass das Schauen von Fernsehsendungen, in denen Kontakt zwischen Gruppen dargestellt wird, mit einem geringeren Ausmaß an Vorurteilen verbunden zu sein scheint. Ein zweites Beispiel einer indirekten Herangehensweise an Kontakt kommt von Crisp und Turners (2009) vorgestellter Kontakthypothese. Diese besagt, dass tatsächliche Erfahrungen nicht notwendig sein müssen, um die Einstellungen zu anderen Gruppen zu verbessern, sondern dass einfach die Vorstellung von Kontakt zu Mitgliedern einer Fremdgruppe die Einstellung gegenüber dieser Fremdgruppe verbessern könnte. In der Tat ist dies in einer Reihe von Studien sowohl auf expliziter als auch auf impliziter Ebene bestätigt worden: hinsichtlich britischer Muslime/innen (Husnu & Crisp, 2010), alter Menschen (Abrams, Crisp & Marques, 2008) und homosexueller Männer (Turner, Crisp & Lambert, 2007).

Diese neueren Erweiterungen der Kontakthypothese liefern wichtige Hinweise dazu, wie man am wirkungsvollsten die Vorteile einer Kontaktsituation übertragen kann und wie man sich die Ergebnisse der Studien zu vermittelnden Mechanismen zunutze macht. Es scheint, als ob direkter persönlicher Kontakt nicht immer notwendig ist und positive Ergebnisse schon erreicht werden können, indem Freundschaften über verschiedene Gruppen hinweg positiv in den Medien dargestellt werden und sogar indem man sich einfach nur vorstellt, mit einem Mitglied einer Fremdgruppe zu interagieren.

Probleme und zukünftige Forschung

Bild von Wikilmages via Pixabay (https://pixabay.com/en/racial-segregation-racism-67692/), CCO (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)Kontakt hat also wichtige positive Auswirkungen auf verbesserte Beziehungen zwischen Gruppen. Es gibt jedoch auch kritische Stimmen. Insbesondere Dixon, Durrheim und Tredoux (2005) argumentieren, dass, obwohl Kontakt sich als wichtig darin erwiesen hat zu zeigen, wie eine tolerantere Gesellschaft gefördert werden kann, die bestehende Literatur leider nichts darüber sagt, wie Intergruppenkontakt gesellschaftlichen Wandel bewirken kann. Veränderungen in den Einstellungen zu Fremdgruppen durch Kontakt werden nicht notwendigerweise von Veränderungen in den ideologischen Überzeugungen begleitet, die Ungleichheit zwischen Gruppen aufrechterhalten. Beispielsweise konnten Jackson und Crane (1986) zeigen, dass positiver Kontakt zu schwarzen Menschen die gefühlsmäßigen Reaktionen von weißen Menschen zu schwarzen Menschen zwar verbesserte, der Kontakt jedoch nicht die Einstellungen zu einer Politik änderte, die Ungleichheiten bei Wohnungswesen, Arbeit und Ausbildung bekämpft. Ferner könnte Kontakt die unbeabsichtigte Wirkung haben, die Motivation von Mitgliedern einer Minderheit zu schwächen, kollektive Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, Ungleichheiten zwischen Gruppen abzubauen. So fanden Dixon, Durrheim und Tredoux (2007), dass, je mehr schwarze Südafrikaner/innen Kontakt zu weißen Südafrikanern/innen hatten, sie umso weniger eine Politik unterstützten, die auf die Reduzierung von Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Ethnien abzielte. Positiver Kontakt könnte den unbeabsichtigten Effekt haben, Mitglieder der benachteiligten Gruppe in der falschen Sicherheit zu wähnen, dass die Ungleichheit angegangen wird, was jedoch dazu führt, dass der Statusunterschied unverändert bleibt. In diesem Zusammenhang könnte eine ergiebige zukünftige Forschungsrichtung untersuchen, unter welchen Bedingungen Kontakt zu positiveren Beziehungen zwischen Gruppen führt, ohne dabei berechtigten Protest zu schwächen, der auf die Beseitigung von Ungleichheit abzielt. Ein vielversprechender Vorschlag ist die Betonung von Gemeinsamkeiten zwischen Gruppen bei gleichzeitiger Thematisierung von ungerechten Gruppenungleichheiten während der Kontaktsituation. Eine solche Kontaktsituation könnte eine Verringerung von Vorurteilen zur Folge haben, ohne dabei die Ungleichheit zwischen den Gruppen aus den Augen zu verlieren (Saguy, Tausch, Dovidio & Pratto, 2009).

Ein zweites Problem der Kontaktforschung besteht darin, dass es, obwohl sich Kontakt bei Personen mit starken Vorurteilen als wirksam erwiesen hat, schwierig werden kann, eine solche Person überhaupt erst in die Kontaktsituation zu bringen. Die vorgestellte Kontakthypothese von Crisp und Turner (2013) scheint dabei ein geeigneter erster Schritt zu sein, um dieses Problem anzugehen. Allerdings muss sich noch zeigen, ob und wie, solch ein vorgestellter Kontakt bei vorurteilsbehafteten Menschen in direkten Kontakt umgewandelt werden kann. Schließlich könnte weitere Forschung zu individuellen Unterschieden in der Wirksamkeit von Kontakt einen interessanten Beitrag zur bereits bestehenden Forschung liefern.

Schlussfolgerungen

Kontakt hat sich bei der Verringerung von Vorurteilen und der Förderung von positiveren Einstellungen gegenüber anderen Gruppen als in höchstem Maße wichtig erwiesen. Entsprechende Forschung hat wichtige Konsequenzen für die Politikgestaltung. Forschungsarbeiten zu Kontakt unterstreichen unter anderem die Bedeutung von institutioneller Unterstützung und Befürwortung von positiveren Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen, die Wichtigkeit von gleichem Status zwischen Gruppen, die Wichtigkeit von Kooperation zwischen Gruppen und die Wichtigkeit von positiver Darstellung von Freundschaften über Gruppen hinweg in den Medien. Um es mit Hewstone und Swart (2011) zu sagen: „Theoriegeleitete Sozialpsychologie ist von Bedeutung, nicht nur im Labor, sondern auch in der Schule, in der Nachbarschaft und in der Gesellschaft im Ganzen.“ (Hewstone & Swart, 2011, S. 380).

Referenzen

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Von den Herausgebern/innen

Everett (2013) gibt einen exzellenten Überblick über die Forschung der Intergruppen-Kontakttheorie und darüber, wie Psychologen/innen die Theorie angewandt haben, um Vorurteile und Konflikte zu verstehen. Wie der Artikel bemerkt, ist Freundschaft zwischen Mitgliedern verschiedener Gruppen eine Form des Kontakts, die dabei hilft, Konflikte zwischen Gruppen aufzulösen. Freundschaften sind aufgrund der sogenannten „Selbsterweiterung“ nützlich. Darunter versteht man einen grundlegenden motivationalen Prozess, der Menschen dazu antreibt, zu wachsen und neue Dinge in das eigene Leben zu integrieren (Aron, Norman & Aron, 1998). Wenn ein Mensch etwas lernt oder zum ersten Mal erlebt, wächst buchstäblich sein Geist. Wenn Freundschaften sehr innig sind, schließen Menschen Aspekte ihrer Freunde/innen ins eigene Selbstkonzept mit ein (Aron, Aron, Tudor & Nelson, 1991).

Wenn Scott (ein Amerikaner) beispielsweise Freundschaft mit Dan (einem Russen) schließt, könnte Scott dahin gelangen, die russische Kultur wertzuschätzen, einfach aufgrund der Vertrautheit. Durch seine Freundschaft ist sogar das Wort „Russe“ nun ein Teil des eigenen Selbstkonzepts von Scott. Scott wird auch mehr positive Gefühle und Einstellungen gegenüber Russen als Gruppe haben. Derselbe Vorgang vollzieht sich für alle Arten von anderen Gruppen, die sich auf die ethnische Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung usw. gründen.

Es ist wichtig zu betonen, dass Selbsterweiterung und Vertrautheit durch Freundschaft nicht wie Zauber funktionieren. Psychologen/innen können nicht einmal mit der Hand wedeln und sie herbeizaubern. Auch funktioniert es nicht durch oberflächlichen Smalltalk (z. B. „Was halten Sie von dem verrückten Wetter?“). Vertrautheit entwickelt sich durch tiefe Kommunikation: ausdauernde, beiderseitige, sich ausweitende Unterhaltungen, in denen zwei Freunde/innen sich auf bedeutungsvolle Art und Weise gegenseitig kennenlernen. Eine Person christlichen Glaubens könnte sagen, „Ich habe eine jüdische Kollegin“, während sie über eine oberflächliche Bekanntschaft redet, eine weiße Person könnte sagen, „Ich spende Geld an eine Organisation, die hungernden Menschen in Afrika hilft“, oder eine heterosexuelle Person könnte sagen, „Ich unterstütze gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Ehen, weil ich jemanden kenne, der homosexuell ist“. All dies ist gut, aber es ist nicht so wirksam hinsichtlich der Reduzierung von Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen wie wahre Freundschaft mit jemandem aus diesen anderen Gruppen. Oberflächlicher Kontakt hat geringe Auswirkungen auf Rassismus, Antisemitismus oder Homophobie. Eine neuere Meta-Analyse (Davies, Tropp, Aron, Pettigrew & Wright, 2011) hat gezeigt, dass viel verbrachte Zeit mit Freunden/innen aus anderen Gruppen und häufige eingehende Kommunikation mit diesen Freunden/innen die zwei stärksten Prädiktoren für den Wandel hin zu positiven Einstellungen und Reduzierung von Vorurteilen sind

Bei In-Mind arbeiten wir in einem internationalen Team und wir halten dies für eine Bereicherung. Was meinen Sie? Haben Sie Freundschaften oder sogar Arbeitsbeziehungen über soziale Gruppen hinweg geschlossen? Hat dies dazu geführt, dass Sie offenere oder positivere Einstellungen haben? Oder haben Sie andere Erfahrungen gemacht?

 

Aron, A., Aron, E. N., Tudor, M. & Nelson, G. (1991). Close relationships as including other in the self. Journal of Personality and Social Psychology, 60, 241-253.

Aron, A., Norman, C. C. & Aron, E. N. (1998). The self-expansion model and motivation. Representative Research in Social Psychology, 22, 1-13.

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Dylan Selterman

Mitherausgeber der englischsprachigen Ausgabe des In-Mind Magazins