Wie gewinnbringend ist das Wiederholen einer Klassenstufe?

Angesichts der langen Schulschließungen im Frühjahr 2020 und des anhaltend stark eingeschränkten Schulbetriebs rät der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands Heinz-Peter Meidinger leistungsschwachen SchülerInnen, das Schuljahr freiwillig zu wiederholen, statt mit großen Wissenslücken die nächste Klassenstufe zu beginnen (BR24, 2020). Andererseits wirbt er auch für flexiblere Versetzungsregeln. Sie sollen helfen, wenn leistungsschwache SchülerInnen aufgrund der Schulschließungen keine Möglichkeit hatten, sich zu verbessern (BR24, 2020). Doch wie gewinnbringend ist das Wiederholen einer Klassenstufe? Der vorliegende Beitrag fasst die Forschungslage zum Klassenwiederholen zusammen.

Mehr als 20 Prozent aller fünfzehnjährigen SchülerInnen in Deutschland haben in ihrer bisherigen Schullaufbahn bereits mindestens einmal eine Klassenstufe wiederholt (Ikeda & García, 2014). In den vergangenen Jahren ist die Häufigkeit des Klassenwiederholens in Deutschland pro Schuljahr zwar von 2,7 Prozent im Schuljahr 2006/07 auf 2,3 Prozent im Schuljahr 2016/17 gesunken (Statistisches Bundesamt, 2018). Dennoch liegen die Wiederholerraten in Deutschland im Mittelfeld der OECD-Länder. In einigen Ländern – beispielsweise in Großbritannien – ist das Klassenwiederholen ein extrem seltenes Ereignis (Ikeda & García, 2014). Dort haben nur etwa 2 Prozent aller Fünfzehnjährigen bereits mindestens einmal eine Klassenstufe wiederholt, während dies beispielsweise in Frankreich und Spanien 35 Prozent der Fünfzehnjährigen betrifft (Ikeda & García, 2014). Dabei sind mit dem Wiederholen hohe Kosten verbunden, die in einigen Ländern bis zu 10 Prozent der jährlichen Ausgaben für das Schulwesen betragen ( OECD, 2011).

Bild 1: Nach den Sommerferien wiederholen jedes Jahr zahlreiche SchülerInnen eine Klassenstufe.Bild 1: Nach den Sommerferien wiederholen jedes Jahr zahlreiche SchülerInnen eine Klassenstufe.

Das Wiederholen einer Klassenstufe wird als eine Möglichkeit angesehen, um die Leistungsheterogenität in einer Schulklasse zu verringern, so dass sich die SchülerInnen in ihren Leistungen möglichst ähnlich sind. SchülerInnen, die leistungsschwächer sind als ihre MitschülerInnen und bestimmte (Mindest-) Ziele nicht erreichen, können auf unterschiedliche Weise gefördert werden. So können leistungsschwächere SchülerInnen durch Maßnahmen der Differenzierung gezielt in ihrer Leistungsentwicklung unterstützt werden. Differenzierung kann entweder innerhalb einer Schulklasse stattfinden, wenn SchülerInnen im Klassenverband unterschiedliche Lernangebote und Aufgaben bearbeiten. Differenzierung ist auch innerhalb einer Schule möglich, wenn Kurse auf unterschiedlichem Niveau angeboten werden. Das Wiederholen einer Klassenstufe folgt hingegen einer anderen Idee: Es soll den leistungsschwachen SchülerInnen mehr Zeit zum Lernen einräumen und ihnen die Gelegenheit geben, die Lerninhalte einer Klassenstufe ein zweites Mal vermittelt zu bekommen. Der Unterricht bleibt dabei in der Regel unverändert, und die WiederholerInnen erhalten in Deutschland meist keine begleitenden Fördermaßnahmen wie beispielsweise Förderunterricht am Nachmittag oder in den Ferien.

Wie wird entschieden, ob jemand in die nächste Klassenstufe versetzt wird?

Maßgeblich für die Entscheidung, ob ein Schüler oder eine Schülerin in die nächste Klassenstufe versetzt wird, sind in Deutschland die Endjahresnoten in den versetzungsrelevanten Fächern. Die spezifischen Regelungen unterscheiden sich in den verschiedenen Bundesländern leicht, beispielsweise darin, welche Fächer als versetzungsrelevant erachtet werden. Auch die Wiederholerraten sind in den Bundesländern unterschiedlich. In Bayern, dem Bundesland mit der höchsten Wiederholerrate, wiederholten im Schuljahr 2016/17 insgesamt 3,9 Prozent aller SchülerInnen eine Klassenstufe (Statistisches Bundesamt, 2018). In Hamburg und Berlin - den Ländern mit den geringsten Wiederholerraten - wiederholten hingegen jeweils nur 1,3 Prozent aller SchülerInnen (Statistisches Bundesamt, 2018). Darüber hinaus ist das Klassenwiederholen an Grundschulen selten (Statistisches Bundesamt, 2018). In Haupt- und Realschulen wiederholen prozentual mehr SchülerInnen eine Klassenstufe als an integrierten Gesamtschulen und an Schulen mit mehreren Bildungsgängen (Ehmke, Drechsel & Carstensen, 2008; Statistisches Bundesamt, 2018). Dies spricht dafür, dass durch ein stärker differenzierendes Kursangebot und die Möglichkeit, innerhalb einer Schule den Bildungsgang zu wechseln, Nichtversetzungen vermieden werden können (Ehmke et al., 2008).

Wie denken Lehrkräfte über das Klassenwiederholen?

In DeutschlaBild 2: Lehrkräfte sehen das Klassenwiederholen oft als gute Möglichkeit, um leistungsschwache SchülerInnen zu fördern.Bild 2: Lehrkräfte sehen das Klassenwiederholen oft als gute Möglichkeit, um leistungsschwache SchülerInnen zu fördern. nd gaben in einer Befragung im Jahr 2013 von etwa 500 Lehrkräften 55 Prozent an, dass sie das Klassenwiederholen befürworten (Institut für Demoskopie Allensbach, 2013). Hingegen sprachen sich 22 Prozent der befragten Lehrkräfte gegen das Klassenwiederholen aus, und 33 Prozent waren unentschieden. Aus Sicht der Lehrkräfte sprach insbesondere der Aspekt, dass Lernstoff wiederholt und Defizite abgebaut werden können, für das Klassenwiederholen – allerdings war nur ein Drittel der befragten Lehrkräfte der Meinung, dass das Klassenwiederholen eine geeignete Möglichkeit ist, um Lernstoff nachzuholen (Institut für Demoskopie Allensbach, 2013). Die Mehrzahl der Lehrkräfte (mehr als 89 Prozent) war jedoch der Ansicht, dass andere manchmal angeführte Gründe für ein Klassenwiederholen – etwa das Selbstwertgefühl der SchülerInnen zu steigern, ihnen einen Neustart zu ermöglichen oder ihnen durch die Maßnahme Konsequenzen für ihr Verhalten aufzuzeigen – keine geeigneten Begründungen für ein „Sitzenbleiben“ darstellen (Institut für Demoskopie Allensbach, 2013).

Wer wiederholt eine Klassenstufe?

Verschiedene Studien haben sich mit der Frage befasst, worin sich SchülerInnen, die eine Klassenstufe wiederholen, von SchülerInnen unterscheiden, die regulär in die nächste Klassenstufe versetzt werden. Dabei zeigte sich zunächst wie erwartet, dass WiederholerInnen schlechtere Noten in Mathematik und Deutsch aufweisen als SchülerInnen, die regulär in die nächste Klassenstufe versetzt werden (Ehmke et al., 2008; Westphal, Vock & Lazarides, 2020). Das Ergebnis ist wenig verwunderlich, da anhand der Endjahresnoten über das Klassenwiederholen entschieden wird. Allerdings werden Schulnoten unter anderem davon beeinflusst, wie leistungsstark die MitschülerInnen in der Schulklasse sind (Westphal et al., 2016), so dass SchülerInnnen in einer sehr leistungsstarken Klasse schlechtere Schulnoten erhalten, als sie in einer leistungsschwachen Schulklasse für ähnliche Leistungen bekommen würden ( Big-Fish-Little-Pond-Effekt oder Fischteicheffekt). Um zu prüfen, wie groß die Leistungsunterschiede zwischen WiederholerInnen und regulär versetzten SchülerInnen sind, wenn mögliche Verzerrungen durch den sozialen Bezugsrahmen in einer Schulklasse wegfallen, haben WissenschaftlerInnen verglichen, wie WiederholerInnen und regulär versetzte SchülerInnen in Leistungstests abschneiden. Auch in diesen Testverfahren, die mathematische Fähigkeiten und Fähigkeiten im Lesen und Rechtschreiben prüften, erzielten WiederholerInnen schlechtere Ergebnisse als regulär versetzte SchülerInnen, aber die Unterschiede waren überwiegend sehr klein (d. h. eine halbe Standardabweichung oder kleiner; Ehmke et al., 2008; Westphal et al., 2020).

KlassenwiederholerInnen unterscheiden sich aber nicht nur in ihren Leistungen von regulär versetzten SchülerInnen. Sie fehlen darüber hinaus im Mittel häufiger in der Schule, sind weniger gewissenhaft und ausdauernd und haben weniger Freude am Lernen (Martin, 2009; Westphal et al., 2020). Außerdem haben Jungen sowie SchülerInnen aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status und nicht-deutscher Herkunft ein höheres Risiko, nicht in die nächste Klassenstufe versetzt zu werden (z. B. Ehmke et al., 2008; Westphal et al., 2020). Besonders kritisch anzusehen ist insbesondere der Umstand, dass SchülerInnen aus sozioökonomisch schwächeren Familien selbst dann, wenn ihre Leistungen nicht schlechter sind (Westphal et al., 2020), häufiger eine Klassenstufe wiederholen müssen als SchülerInnen aus besser gestellten Familien. Ein möglicher Grund dafür könnte in der Erwartungshaltung der Lehrkräfte liegen: Möglicherweise erwarten sie, dass SchülerInnen aus sozioökonomisch schwächeren Familien weniger Unterstützung erhalten und es daher weniger wahrscheinlich ist, dass sie trotz aktuell unbefriedigender Leistungen die nächste Klassenstufe erfolgreich bewältigen können. Andererseits gibt es auch Hinweise darauf, dass Lehrkräfte die Schulleistungen von SchülerInnen aus sozioökonomisch schwächeren Familien generell schlechter bewerten (Westphal et al., 2016), was teilweise darauf zurückzuführen ist, dass sie eine fehlende Passung zwischen ihren eigenen bildungsbezogenen Werten und denen der Eltern dieser SchülerInnen wahrnehmen (Hauser-Cram, Sirin & Stipek, 2003). Diese für das Klassenwiederholen gefundenen sozioökonomischen Disparitäten machen deutlich, wie eng – insbesondere in Deutschland – der Bildungserfolg an die soziale Herkunft gekoppelt ist.

Wie förderlich ist das Wiederholen einer Klassenstufe?

Inwiefern das Wiederholen einer Klassenstufe förderlich (oder schädlich) für die Entwicklung der betroffenen SchülerInnen ist, wurde in einer Reihe von Studien empirisch untersucht. Dabei interessierte die ForscherInnen sowohl die Leistungsentwicklung der SchülerInnen als auch die Entwicklung von Wohlbefinden, sozialer Akzeptanz durch die MitschülerInnen und des akademischen Selbstkonzepts (Jimerson, 2001; Wu, West & Hughes, 2010).

Auswirkungen des Klassenwiederholens auf die Leistungen

Im Jahr 2001 schlussfolgerte Jimerson basierend auf einer Metaanalyse – d. h. einer Auswertung von verschiedenen Einzelstudien –, dass sich das Wiederholen einer Klassenstufe negativ auf die Leistungsentwicklung im Lesen, in Mathematik und die Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten auswirkt. Die Befunde seiner Metaanalyse zeichneten ein so negatives Bild des Klassenwiederholens, dass Jimerson (2001) angesichts seiner Ergebnisse PädagogInnen und EntscheidungsträgerInnen aufforderte, vollständig auf das Klassenwiederholen zu verzichten.

Diese extrem negative Einschätzung des Klassenwiederholens wird durch neuere Forschung allerdings etwas abgeschwächt. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2009 macht deutlich, dass einerseits die Qualität der Studien zum Klassenwiederholen entscheidend ist und andererseits der zeitliche Rahmen bedeutsam ist, in dem die Entwicklung von KlassenwiederholerInnen verfolgt wird (Allen, Chen, Willson & Hughes, 2009). So stellten Allen und KollegInnen (2009) anhand einer metaanalytischen Auswertung von 22 Studien fest, dass vor allem Studien mit einem wenig angemessenen Forschungsdesign sehr negative Auswirkungen des Klassenwiederholens auf die Entwicklung der SchülerInnen zeigten. Hingegen fanden Studien mit einem guten Forschungsdesign – d. h. mit angemessenen Kontrollgruppen und statistischen KontroBild 3: Mögliche Leistungsvorteile des Klassenwiederholens sind oft nur kurzfristig vorhanden.Bild 3: Mögliche Leistungsvorteile des Klassenwiederholens sind oft nur kurzfristig vorhanden.llvariablen – keine praktisch bedeutsamen Vor- oder Nachteile des Klassenwiederholens.

Die Herausforderung für ForscherInnen liegt darin, dass bestimmte SchülerInnenmerkmale – beispielsweise gute Leseleistungen oder eine hohe Anstrengungsbereitschaft – sowohl für die Entscheidung für oder gegen das Klassenwiederholen als auch für den Erfolg des Klassenwiederholens bedeutsam sein können. Entsprechend ist es naheliegend, dass KlassenwiederholerInnen, die oft über ungünstigere Ausgangsvoraussetzungen verfügen als regulär versetzte SchülerInnen, sich auch nach dem Wiederholen ungünstiger entwickeln. Aus ethischen Gründen ist es aber nicht möglich, die Auswirkungen des Klassenwiederholens in einem experimentellen Forschungsdesign zu untersuchen, in dem leistungsschwache SchülerInnen zufällig so aufgeteilt werden, dass sie entweder eine Klasse wiederholen oder regulär versetzt werden. Allerdings gibt es die Möglichkeit, mit einem statistischen Verfahren, dem sog. Propensity Score Matching, vereinfacht dargestellt, für jede KlassenwiederholerIn statistische Zwillinge aus der Gruppe der regulär versetzten SchülerInnen zu suchen, die zum Zeitpunkt vor dem Klassenwiederholen den späteren WiederholerInnen in wesentlichen Merkmalen sehr ähnlich sind. Studien mit einem solch elaborierten Forschungsdesign finden insgesamt weniger negative Effekte des Klassenwiederholens auf die Leistungen (Allen et al., 2009).

Darüber hinaus konnten Allen und KollegInnen (2009) in ihrer Metaanalyse zeigen, dass (geringe) Leistungsvorsprünge von KlassenwiederholerInnen im Verlauf der Zeit verloren gehen. Demnach können SchülerInnen, die eine Klassenstufe wiederholen, zwar zu Beginn des neuen Schuljahres gewisse Leistungsvorsprünge haben, weil der Unterrichtsstoff ihnen bereits bekannt ist. Sie profitieren jedoch nicht dauerhaft von diesen Vorsprüngen, sondern zählen nach einiger Zeit erneut zu den leistungsschwachen SchülerInnen des Jahrgangs. Je länger das Klassenwiederholen bereits zurückliegt, desto negativer schneiden die KlassenwiederholerInnen im Vergleich zu gleichaltrigen regulär versetzten SchülerInnen und jüngeren MitschülerInnen derselben Klassenstufe ab (Allen et al., 2009). Insbesondere das schlechtere Abschneiden der WiederholerInnen im Vergleich zu jüngeren MitschülerInnen spricht gegen die manchmal geäußerte Annahme, dass leistungsschwache SchülerInnen noch nicht reif genug seien und aus diesem Grund vom Wiederholen der Klassenstufe und der zusätzlichen Lernzeit profitieren würden.

Auswirkungen des Klassenwiederholens auf emotionale, motivationale und soziale Aspekte

Ein solcher Abwärtstrend der KlassenwiederholerInnen findet sich nicht nur für die Leistungsentwicklung, sondern auch für einige soziale Aspekte (Wu et al., 2010). Beispielsweise zeigten Wu und KollegInnen (2010), dass KlassenwiederholerInnen sich zwar kurzfristig in der Schule wohler und stärker von ihren MitschülerInnen angenommen fühlten. Langfristig wirkte sich das Klassenwiederholen allerdings ungünstig auf die soziale Akzeptanz durch die MitschülerInnen aus. Aspekte der Motivation leiden interessanterweise sogar bereits vor dem Wiederholen der Klasse: So fanden Kretschmann, Vock, Lüdtke, Jansen und Gronostaj (2019), dass das akademische Selbstkonzept, das Interesse und die Lernmotivation bereits in den letzten Monaten in der Ursprungsklasse – unmittelbar vor dem Wiederholen – stark abfielen. Zugleich sind Selbstkonzept, Interesse und Lernmotivation von WiederholerInnen auch nach dem Sitzenbleiben noch längere Zeit beeinträchtigt. Noch ein Jahr nach dem Klassenwiederholen sind sie zum Teil negativer ausgeprägt als zuvor und erholen sich erst zwei Jahre nach dem Klassenwiederholen wieder (Kretschmann et al., 2019).

Alternativen zum Klassenwiederholen und Fazit

Insgesamt betonen Allen und KollegInnen (2009), dass die Effekte des Klassenwiederholens - insbesondere auf Schulleistungen - überwiegend klein und praktisch nicht bedeutsam sind. KlassenwiederholerInnen entwickeln sich demnach ähnlich wie SchülerInnen, die regulär in die nächste Klassenstufe versetzt wurden. Angesichts der enormen finanziellen Kosten und der emotionalen Belastung, die durch das Klassenwiederholen für jede einzelne SchülerIn entstehen, ist fraglich, inwiefern die wenigen Vorteile das Klassenwiederholen rechtfertigen (Allen et al., 2009).

Länder, in denen SchülerInnen seltener eine Klassenstufe wiederholen – wie Kanada oder Norwegen – schnitten im internationalen Leistungsvergleich besser ab ( OECD, 2011). In diesen Ländern wird Schulen tendenziell etwas mehr Autonomie bei der Festlegung der Unterrichtsinhalte und Leistungsbeurteilungen gewährt ( OECD, 2011). Zudem bestehen für Lehrkräfte möglicherweise noch größere Anreize, alternative Möglichkeiten der Förderung zu finden, da SchülerInnen unabhängig von ihren Leistungen in jedem Fall in derselben Klassenstufe verbleiben.

Solche Möglichkeiten der Förderung können beispielsweise in Maßnahmen der flexiblen und zeitlich befristeten äußeren Differenzierung bestehen, bei denen leistungsschwache SchülerInnen durch zusätzlichen Förderunterricht gefördert werden. Auch Unterstützungsangebote innerhalb des regulären Unterrichts wären wichtige Ansatzpunkte, beispielsweise regelmäßige adaptive Wiederholungen des Lernstoffs, individuelle Rückmeldungen sowie selbstständige Arbeitsphasen, in denen SchülerInnen unterschiedliche Lernangebote entsprechend ihrem Leistungsniveau bearbeiten und sich ihre Lernzeit selbst einteilen können. Solche Unterstützungsformen können zudem durch Lernentwicklungsgespräche begleitet werden, bei denen Lehrkräfte mit SchülerInnen und Eltern Entwicklungsziele vereinbaren und Möglichkeiten besprechen, wie diese Ziele erreicht werden können. Diese Fördermöglichkeiten erscheinen erfolgversprechend, erhöhen aber vermutlich die Vorbereitungszeit für die Lehrkräfte, die in ihren Zeitbudgets entsprechend anderweitig entlastet werden müssten. Da ein Verzicht auf das Klassenwiederholen dem Bildungssystem viel Geld einsparen würde, könnten die frei werdenden Mittel in tatsächlich lernwirksame Maßnahmen - wie adaptive Förderung in temporären Kleingruppen, regelmäßige und professionelle Lernstandsdiagnostik und mehr personelle Ressourcen an den Schulen - investiert werden. Auf Grundlage des aktuellen Forschungsstandes lässt sich bereits festhalten, dass das Klassenwiederholen eine teure, emotional belastende und kaum effektive Maßnahme zu sein scheint, von der sich viele andere, durchaus sehr erfolgreiche Schulsysteme, schon seit längerer Zeit verabschiedet haben.

Literaturverzeichnis

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