Virtual-Reality-Training im olympischen Sport: Versprechen und Fallstricke.
Durch das Aufkommen der Virtual-Reality-Technologie ergeben sich für olympische Sportler:innen und Trainer:innen vielfältige neue Möglichkeiten für das Training und die Wettkampfvorbereitung. Obwohl diese zunehmend durch wissenschaftliche Untersuchungen gestützt werden, ist es wichtig, sich der Grenzen und potenziellen Fallstricke bei der Anwendung dieser neuen Technologie im Sportbereich bewusst zu sein.
In den letzten Jahren hat das Interesse an Virtual Reality (VR) in einer Vielzahl von Bereichen (z. B. Medizin oder Militär) enorm zugenommen, darunter auch im olympischen Hochleistungssport (Richlan et al., 2023). In diesem Artikel geben wir evidenzbasierte Einblicke in die Auswirkungen von VR-Training auf Athlet:innen im olympischen Sport. Darüber hinaus diskutieren wir Beispiele aus der sportpsychologischen VR-Praxis sowie zukünftige Entwicklungen, Anwendungsfelder und aktuelle Grenzen.
VR beschreibt eine Erfahrung in einer simulierten virtuellen Umgebung. Überwiegend wird diese virtuelle Umgebung über VR-Headsets (z. B. Oculus/Meta Quest) mit Positionsbestimmung und 3D-Displays direkt vor den Augen der Nutzer:innen dargestellt. Im Vergleich zu herkömmlichen Computerbildschirmen ermöglicht die VR-Technologie ein viel stärkeres Eintauchen in die virtuelle Umgebung (im Kontext VR als Immersion bezeichnet), was wohl auf Faktoren wie ein realistisches Sichtfeld, die Abgrenzung von der realen Welt und High-Fidelity-Software zurückzuführen ist. Diese verstärkte Immersion führt zu einer viel intensiveren und körperlichen Erfahrung im Vergleich zum bloßen „Betrachten“ der Video- und Anwendungsinhalte auf einem herkömmlichen Bildschirm.
Mit dem Aufkommen dieser modernen Methode haben sich in verschiedenen Hochleistungssportarten neue Trainingsmöglichkeiten ergeben. In unserem laufenden Projekt mit dem Österreichischen Skiverband nutzen beispielsweise Alpinskifahrer:innen VR, um in einer sicheren und ressourceneffizienten virtuellen Umgebung bereits gelaufene Rennen noch einmal zu erleben und per Video zu analysieren oder kommende Rennen zu üben.
Darüber hinaus kann VR im Fußball eingesetzt werden, um die Aufmerksamkeit der Feldspieler:innen auf dem Spielfeld zu schulen, z. B. in Form von Scanning-Verhalten (d. h. schnelle Kopfbewegungen über die Schulter, um die umliegenden Spieler:innen wahrzunehmen). Obwohl es noch nicht explizit in VR getestet wurde, scheint das Scanning-Verhalten im realen Spiel einen positiven Einfluss auf die Fußballleistung zu haben (Jordet et al., 2020).
In einer anderen Studie wurde eine VR-Brille zur Verbesserung der Entscheidungsfindung bei jungen Basketballspieler:innen eingesetzt (Pagé et al., 2019). Den Teilnehmenden wurden Videos von festgelegten Spielzügen gezeigt und sie mussten entscheiden, welche Aktion sie nach Ende des Clips als nächstes ausführen würden. Spieler:innen, die sich diese Videos in VR angesehen hatten, trafen auf dem Spielfeld signifikant bessere Entscheidungen als diejenigen, die sich die Spielzüge auf einem herkömmlichen Computerbildschirm angesehen hatten. Beispielsweise erreichten die Spieler:innen, die das VR-Training absolvierten, mehr Entscheidungsgenauigkeit, insbesondere bei ungeübten Spielzügen, die sie vor der Bewertung nicht gesehen hatten. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass VR-basiertes Training im Vergleich zu konventionellem videobasiertem Training sowohl auf die reale Welt übertragbar als auch besser auf neue Situationen generalisierbar ist.
Dies sind nur ein paar Beispiele für die vielen attraktiven Anwendungsfälle von VR in verschiedensten Sportarten. Grundsätzlich ist VR-Training immer dann potenziell interessant, wenn es eine praktikable Alternative zu körperlich anstrengenden, gefährlichen, unpraktischen oder anderweitig aufwändigen Trainingssituationen darstellen kann (Richlan et al., 2023).
In der jüngeren Forschung wurden die Auswirkungen von VR-Training in einigen ersten Studien untersucht. In zwölf verschiedenen Prä-Post-Interventionsstudien, die verschiedene Sportarten (z. B. Bogenschießen oder Fußball) und sportartunspezifische Prozesse (z. B. Gleichgewichtsfähigkeiten) umfassten, übertrafen die Effekte des VR-Trainings zumeist die Trainingseffekte in Kontrollbedingungen mit traditionelleren Ansätzen (Bedir & Erhan, 2021; Fortes et al., 2021; Köyağasıoğlu et al., 2022; Richlan et al., 2023). So wurden beispielsweise in einer Studie bei Fußballspielern größere Verbesserungen bei der Entscheidungsfindung im Passspiel und beim visuellen Suchverhalten festgestellt, wenn sie in VR trainierten, im Vergleich zu einem herkömmlichen Videobildschirm (Fortes et al., 2021).
Darüber hinaus wurden erste Untersuchungen zu den langfristigen Transfereffekten von VR-Training mit Baseballspielern durchgeführt (Gray, 2017). Eine Gruppe nahm an einem adaptiven VR-Schlagtraining teil (d. h. Geschwindigkeit, Art und Ort des Wurfes wurden kontinuierlich an die Leistung angepasst). Spieler dieser Gruppe hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, in den fünf Jahren nach der Intervention mindestens eine volle Saison auf einem höheren Niveau als Highschool-Baseball zu spielen, als die anderen Trainingsgruppen (nicht-adaptives VR-Schlagtraining, reales Schlagtraining und Kontrolle). Somit übertraf das VR-Training sogar das zusätzliche reale Schlagtraining hinsichtlich der langfristigen Transfereffekte.
Diese Ergebnisse weisen auf das Potenzial von VR hin, Leistungssteigerungen im realen Leben zu bewirken. Dennoch wurde der erfolgreiche Transfer von VR in die reale Welt in einer eher heterogenen Gruppe von ersten Experimenten beobachtet, und es bleibt unklar, ob VR-Simulationen, die auf bestimmte Fähigkeiten zugeschnitten sind (z. B. das Blickverhalten beim Fußball), Sportler:innen helfen kann, ihre Leistungen im realen Sport zu verbessern.
Daher sind weitere Studien und insbesondere unabhängige Replikationen erforderlich (Richlan et al., 2023). Offen ist beispielsweise, ob VR geeignet ist, die in der jeweiligen Sportart erforderlichen (kognitiven) Fähigkeiten sowohl in der virtuellen Umgebung (Schritt 1) als auch in der Realität (Transfereffekt; Schritt 2) erfolgreich zu verbessern. Auch die Frage, ob das VR-Training zu einer Leistungssteigerung in der Realität führt und die Athlet:innen mehr Wettkämpfe gewinnen, muss in zukünftigen Studien genauer untersucht werden (Schritt 3). Im folgenden Abschnitt werden wir die vielversprechenden und vielfältigen Anwendungsfälle von VR im olympischen Sport näher erörtern, bevor wir einige der potenziellen Fallstricke beim Einsatz dieser neuen Technologie aufzeigen.
„Eine neue Ära“: Versprechen der VR-Technologie für Athlet:innen olympischer Sportarten
VR-Headsets werden im Allgemeinen immer erschwinglicher und gleichzeitig immer leistungsfähiger. Dies führt zu einer besseren Grafik und damit zu einem höheren Grad an Immersion. Außerdem werden VR-Headsets immer leichter und damit bequemer. Die aktuellen VR-Headsets sind oft recht schwer (z. B. 503 Gramm beim Meta Quest 2 und 515 Gramm beim Nachfolger Meta Quest 3), was bei längeren Trainingseinheiten zu Unbehagen führen kann, da die Benutzer:innen ihre Nackenmuskeln anspannen müssen, um der Schwerkraft entgegenzuwirken.
Eine weitere hardwarespezifische Eigenschaft, die sich in Zukunft ändern wird, ist die Art und Weise, wie das VR-Erlebnis gesteuert und navigiert wird. Es ist wahrscheinlich, dass separate Hardware-Controller in Zukunft komplett wegfallen werden. Stattdessen werden die Hände der Nutzer:innen das einzige Navigationssystem sein, was einen höheren Komfort sowie natürlichere Finger- und Handbewegungsmuster im Vergleich zu herkömmlichen Handheld-Controllern ermöglicht. Auch könnte eine videobasierte Fußverfolgung im Gegensatz zu den bereits verwendeten Fußcontrollern (z. B. in der Software Rezzil Index) implementiert werden.
Um eine größere Ähnlichkeit mit den Merkmalen des realen Sports zu gewährleisten, vermuten wir, dass einige VR-Entwickler auch die Verwendung von Bodysuits und Sportgeräten mit Tracking-Funktion in Betracht ziehen könnten. Dies könnte den Weg zu einer möglichst realitätsnahen Sporterfahrung in einer virtuellen Umgebung ebnen, sofern in der Hardware Vibrationen implementiert sind, die die sensomotorischen Empfindungen der realen Welt simulieren. Es ist jedoch fraglich, ob diese Stimulation ausreicht, um den sensorischen Input der realen Welt zu ersetzen.
In Sportarten, in denen richtige Entscheidungen von großer Bedeutung sind, kann VR genutzt werden, um mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) alle Entscheidungsmöglichkeiten zu erkunden. Beim Fußball könnten Spieler:innen beispielsweise mit verschiedenen Pass- oder Laufentscheidungen experimentieren, um herauszufinden, wie diese das Ergebnis des jeweiligen Spielszenarios verändert hätten. KI-Algorithmen könnten die Informationen über die Zeit vor dem Zeitpunkt der Entscheidung nutzen, um zu simulieren, was bei jeder anderen möglichen Entscheidung wahrscheinlich passiert wäre.
Die Umsetzung dieser kombinierten Methode des expliziten und impliziten Lernens in einer hochgradig stimulierenden, immersiven Umgebung könnte für Spieler:innen verschiedener Sportarten bei der Entscheidungsfindung von großem Nutzen sein. Es ist jedoch anzumerken, dass beim Fußball und auch bei vielen anderen Sportarten ein erheblicher Bewegungsspielraum während des VR-Trainings erforderlich ist (Fajen et al., 2011; Fink et al., 2009; Zaal & Bootsma, 2011; Zaal & Michaels, 2003).
Auch für die Videoanalyse in verschiedenen Sportarten bietet VR vielversprechende Lösungen. 360°-Videos sind ein hervorragendes Werkzeug für die Verwendung in VR-Headsets und bieten den Athlet:innen eine immersive Erfahrung ihrer (vergangenen und zukünftigen) sportlichen Leistungen sowohl im Training als auch im Wettkampf. Aufnahmen aus der Außen- und der Innenperspektive können für Sportler:innen hilfreich sein, um ihre bisherigen Leistungen umfassend zu analysieren und sich auf kommende Situationen (z. B. neue Sportstätten, wie es bei Olympischen Spielen häufig der Fall ist) unter Verwendung mehrerer Perspektiven vorzubereiten.
Die kombinierte Analyse verschiedener Perspektiven in der VR ermöglicht es auch, die Perspektive zu wechseln, z. B. zu Mitspieler:innen, Trainer:innen, Gegenspieler:innen oder Schiedsrichter:innen. So können Sportler:innen die Entscheidungen Anderer besser nachvollziehen. Im Mannschaftssport könnte es zu einer höheren sportbezogenen Theory of Mind führen, wenn die Spieler:innen ihre Fähigkeit zur Perspektivenübernahme verbessern und in Training und Wettkampf entsprechend planen und reagieren können.
Neben VR gibt es auch Mixed Reality, von der zu erwarten ist, dass sie in Zukunft mehr Interesse und Anwendung finden wird. Mixed Reality beschreibt die Kombination von virtuellen und realen (physischen) Umgebungen. Beispielsweise kann die Verwendung eines VR-Headsets zur Erzeugung von Elementen auf dem Bildschirm (z. B. eine virtuelle Dartscheibe), die in die Außenkamera-Aufzeichnung der realen Welt (z. B. eine Hauswand) projiziert werden, als Mixed Reality bezeichnet werden.
Für olympische Sportarten bedeutet dies, dass es möglich werden könnte, ein Olympiastadion auf dem Trainingsgelände zu erzeugen, um diesen wichtigen Wettbewerb im täglichen Training zu simulieren. Dies kann als eine möglichst realitätsnahe Wettkampfvorbereitung angesehen werden. Auch auditive Merkmale wie z. B. Zuschauergeräusche lassen sich leicht implementieren und dienen als realitätsnahe Eigenschaft. So könnte ein/eine Leichtathlet:in den olympischen 100-Meter-Sprint simulieren, indem er/sie das entsprechende Stadion virtuell generiert und auf einer realen Bahn läuft. Aber nicht nur der Lauf selbst kann zur Vorbereitung genutzt werden, sondern auch die Zeit davor und danach. Vorgestellte Szenarien und Abläufe können durchgespielt werden und dienen als mentale Wiederholungen möglicher realer Ereignisse.
Bei Präzisionssportarten kann VR als Werkzeug dienen, um massierte Wiederholungen von tatsächlichen Bewegungsmustern in einer virtuellen Umgebung mit minimaler körperlicher Beanspruchung zu üben. Zu solchen hochgradig wiederholbaren Aufgaben zählen beispielsweise Tennisaufschläge, Fußball-Freistöße, Baseball-Schläge und Bogenschießen. Außer der VR-Hard- und Software wird kein weiteres Trainingsgerät benötigt. Das macht das Präzisionstraining hochgradig mobil und macht es überflüssig, die Trainingsausrüstung immer mit sich zu führen und von den Einrichtungen abhängig zu sein, in denen sich die Sportler:innen aufhalten. Basketball, Bogenschießen, Golf, Schießen, Squash, Tennis usw. könnten von dieser Anwendungsmöglichkeit von VR in hohem Maße profitieren, da das Mitführen der Trainingsausrüstung und -umgebung und die Möglichkeit, realistische Extra-Wiederholungen zu absolvieren, äußerst ökonomisch und nur minimal körperlich belastend ist.
Was die allgemeineren psychologischen Fähigkeiten betrifft, so bietet VR die Möglichkeit, verschiedene mentale Fähigkeiten oder Strategien zu trainieren, die für herausragende Leistungen bei olympischen Sportler:innen erforderlich sind. Das Erlernen vom Umgang mit Leistungsdruck, der Umgang mit Ängsten vor dem Wettkampf, das Einüben von Routinen, Stressmanagement und die Emotionsregulation können unter anderem mit VR-Geräten durch kommerziell erhältliche Software und selbst erstellte 360°-Videos geübt werden.
In der Rehabilitation verletzter Sportler:innen bietet VR verschiedene Möglichkeiten zum sportartspezifischen (kognitiven) Skillstraining und Stressabbau (Weiß et al., 2024). Dies kann mit nur minimalen körperlichen Anforderungen geschehen. Trainer:innen könnten beispielsweise stationäre Sportsimulationen, Reaktionszeit-/Entscheidungsübungen oder VR-geführte Achtsamkeits-Apps verwenden, um die benötigte Bewegung zu minimieren, aber Fähigkeiten und die Verbindung mit dem Sport zu erhalten. So kann VR in Rehabilitationsplänen als risikolose Alternative zum Lernen, Üben und Einstudieren von Sportaktivitäten im wirklichen Leben eingesetzt werden.
Abschließend könnte es für Teams und Trainer:innen, die über den ganzen Globus verstreut sind, interessant sein, Teamsitzungen im „Metaverse“ abzuhalten. Dies könnte insbesondere im Zusammenhang mit den begrenzten Akkreditierungsplätzen für Trainer:innen bei den Olympischen Spielen von Bedeutung sein. Die Verwendung von Avataren und simulierten Sitzungsräumen wäre ein interessantes Experiment für die Teams, um mögliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Videogesprächen in Bezug auf die Interaktion miteinander und das Gefühl, „gemeinsam vor Ort zu sein“ zu ermitteln.
Die moderne Lösung für alles? Fallstricke des VR-Trainings bei Athlet:innen der olympischen Sportarten
Trotz aller möglichen Anwendungsfälle und potenziellen Vorteile gegenüber herkömmlichen (Computer-)Trainingsmethoden, müssen bei der Anwendung von VR-Training einige sicherheitsrelevante Faktoren beachtet werden. Die Trainingseinheiten sollten nicht länger als 30 Minuten dauern. Zudem sollte die Diskrepanz zwischen den Bewegungen in der virtuellen und der realen Welt nicht zu groß sein, um die sogenannte Cybersickness zu vermeiden, eine typische Nebenwirkung von VR, die z. B. Übelkeit oder Kopfschmerzen verursacht (Nesbitt & Nalivaiko, 2018; Webb & Griffin, 2003).
Darüber hinaus ist VR (noch) nicht geeignet, um feinmotorische Fähigkeiten zu trainieren, da es ihr an Realismus mangelt, was wohl auf das fehlende haptische Feedback zurückzuführen ist. Beim derzeitigen Leistungsstand von VR-Geräten könnte deren Einsatz zum Training der Feinmotorik dazu führen, dass Athlet:innen Bewegungsmuster auf eine falsche Weise neulernen. Zur Veranschaulichung: Ein Elite-Eishockeytorwart, der unter Aufsicht der Autoren mit VR trainiert, berichtete über ungünstige Bewegungsmuster nach dem Training mit einer bestimmten VR-Software. Dies ist wahrscheinlich auf einen unvollkommenen „Pseudo“-Realismus dieser speziellen VR-Software zurückzuführen und zeigt, dass Forscher:innen und Trainer:innen bedenken müssen, dass das Training in VR (noch) nicht dasselbe ist wie das Training in der realen Welt. Vielmehr scheint es nach neueren Erkenntnissen plausibel, dass damit Schlüsselpunkte bestimmter Bewegungsmuster oder prozedurale Abläufe und taktische Bewegungen trainiert werden können, die weniger fein sind, z. B. das Kopfballspiel im Fußball (Marshall et al., 2023; Parr et al., 2023).
Eine weitere Einschränkung von VR-Geräten ist die Tatsache, dass sie nicht als Aufwärmübung oder direkt vor einem körperlichen Training oder Wettkampf eingesetzt werden sollten. Während des VR-Trainings erhalten die Augen der Nutzer widersprüchliche Tiefeninformationen und das visuelle System wird aufgrund der unnatürlichen Einstellung (3D-Sehen auf 2D-Bildschirmen, die nur wenige Zentimeter von den Augen der Nutzer:innen entfernt sind) belastet. Nachdem das VR-Gerät entfernt wird, braucht das visuelle System ein paar Minuten, um sich wieder an die reale Welt zu gewöhnen. Daher ist zu bedenken, dass nach der VR-Nutzung die Stabilität der Augenbewegungen und die Tiefenwahrnehmung für eine kurze Zeit beeinträchtigt sind, was die Leistung bei visuell geführten Aufgaben im realen Leben beeinträchtigen kann (Harris et al., 2020).
Was die motivationalen Aspekte des VR-Trainings betrifft, muss angemerkt werden, dass sich wiederholende Übungen in einer standardisierten Umgebung – trotz gewisser Vorteile – nachteilig auf die langfristige Motivation der Sportler:innen auswirken könnten. Wiederholtes Üben kann allmählich eintönig werden, vor allem, wenn man allein trainiert. Während sich VR für wiederholtes standardisiertes Training in einer sicheren und gut kontrollierten Umgebung eignet, fehlen daher bestimmte Aspekte des realen Trainings wie soziale Interaktion und allgemein mehr sensorischer Input. Die genauen Einflussfaktoren auf die Motivation müssen jedoch erst in weiteren Studien geklärt werden.
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das VR-Training den Athlet:innen verschiedener olympischer Sportarten die Möglichkeit bietet, zu lernen, zu üben und zu wiederholen, was im wirklichen Leben körperlich anstrengend, gefährlich, unpraktisch oder anderweitig aufwändig wäre, beispielsweise in Bezug auf menschliche, technische oder zeitliche Ressourcen. Diese neue Technologie bietet zahlreiche vielversprechende Möglichkeiten für olympische Athlet:innen, z. B. bei der Vorbereitung auf einen Wettkampf. Nichtsdestotrotz gibt es noch einige Probleme, die als potenzielle Fallstricke des VR-Trainings betrachtet werden müssen (z. B. fehlendes haptisches Feedback). Angesichts der kontinuierlichen Neuentwicklungen in diesem Bereich sind wir jedoch zuversichtlich, dass dies erst der Anfang der sportpsychologischen VR- und Mixed Reality-Forschung und -Praxis ist und dass in den nächsten Jahren noch viel mehr kommen wird.
Literaturverzeichnis
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