WinWin-Lösungen in Verhandlungen um Allgemeingüter: Erkenntnisse aus der Forschung zu Allmende-Verhandlungen
Viele von uns haben sicherlich gute Kindheitserinnerungen an den Ostermorgen, wenn wir gemeinsam mit unseren Geschwistern oder Freunden nach den Süßigkeiten des Osterhasen gesucht haben. Alle Kinder wühlten im Garten oder der Wohnung und trugen die Süßigkeiten zu einem großen Haufen zusammen. Bis dahin gab es selten Probleme, danach kam es jedoch häufig zu dem einen oder anderen Streit darüber, wer welche Süßigkeiten denn nun bekommt. Die Kinder befinden sich mitten in einer Allmende-Verhandlung darüber wer welche Süßigkeiten gefunden (individuelle Beiträge) und auf den großen Haufen (eine kollektive Ressource) gelegt hat und wie diese denn nun unter den Geschwistern aufgeteilt werden sollen (Verteilung auf die Einzelnen). Im kleinen und im großen Rahmen entspannen sich solche Allmende-Verhandlungen immer wieder, sei es um kollektive Ressourcen wie die Regenwaldbestände oder um die Gaben des Osterhasen. In diesem Beitrag sollen Erkenntnisse aus der Verhandlungsforschung über förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen solcher Verhandlungen erläutert und die psychologischen Prozesse hinter diesen Faktoren beleuchtet werden.
Wir verhandeln jeden Tag. Sei es auf dem Wochenmarkt, wo wir mit dem Obsthändler über den Orangenpreis feilschen oder in der Familie, wenn wir als Kinder mit unseren Geschwistern über die Verteilung der Süßigkeiten gestritten haben. Beide Beispiele sind typische Verhandlungssituationen, sie unterscheiden sich jedoch in einigen wichtigen Punkten: Im ersten Beispiel, der Verhandlung mit dem Obsthändler, verfügen beide Verhandlungsparteien über eine eigene Ressource (Geld und Orangen). Im Verlauf der Verhandlungen müssen sich die beiden Protagonisten nun darauf einigen in welchem Verhältnis sie Geld gegen Orangen austauschen wollen. Diese Art von Verhandlungen werden daher auch als Austausch-Verhandlungen bezeichnet. Im zweiten Beispiel wiederum geht es um die Verteilung eines gemeinsamen Süßigkeitenschatzes unter den Geschwistern. Die Verhandlung dreht sich demnach nicht um den Austausch von Ressourcen, sondern um die Verteilung einer gemeinsamen Ressource, die allen Beteiligten zunächst gleichermaßen gehört. Es handelt sich bei solchen Interessenskonflikten um Verhandlungen um Allmende, Ressourcen die im kollektiven Besitz von mehreren Parteien sind.
Um sich die Besonderheiten einer solchen Verhandlungssituation zu verdeutlichen, hilft es das Beispiel der Osterverhandlung nochmals zu konkretisieren: Nehmen wir an, dass sich zwei Geschwister über die Verteilung der Osterhasengaben einigen müssen. Neben vielen unterschiedlichen Süßigkeitensorten, bunten Eiern und Schokoladenosterhasen, gibt es auch noch eine Miniatur-Feuerwache, samt Feuerwehrauto und Feuerwehrmännern. Um möglichst viel für sich zu bekommen sind die Geschwister möglicherweise versucht die Feuerwache aufzuteilen: Ein Geschwisterkind bekommt das Auto, das andere die Feuerwehrmänner. Auf der anderen Seite würde es vermutlich mehr Spaß machen die Feuerwehrmänner auf dem Feuerwehrauto fahren zu lassen, also mit der ganzen Feuerwache zu spielen. Die beiden Geschwister befinden sich damit in einem Dilemma: Einerseits wollen sie so viel selbst besitzen wie möglich, andererseits wollen sie mit der gesamten Feuerwache spielen. Es entspannt sich damit ein Motivkonflikt zwischen dem Bedürfnis den individuellen Nutzen zu maximieren (Spielzeug zu besitzen) und dem Bedürfnis das kollektive Gut zu erhalten (Feuerwache als Ganzes erhalten). Im Folgenden wollen wir auf die Konsequenzen dieses Motivkonflikts in Allmende-Verhandlungen näher eingehen und die psychologischen Prozesse erläutern, die in diesen Situationen über Wohl und Wehe des Verhandlungsergebnisses entscheiden.
Allmende-Verhandlungen
Allmende-Verhandlungen begegnen uns im Alltag immer wieder, sei es im familiären Bereich wie die Verhandlungen zu Ostern oder im öffentlichen Kontext, wenn es um Güter oder Ressourcen geht, die der Allgemeinheit gehören. Dabei lassen sich zwei Arten von Allmende-Verhandlungen unterscheiden: Verteilungsverhandlungen und Beitragsverhandlungen. Diese Unterscheidung kann man am anschaulichen Beispiel des ehemalige Flughafen Tempelhof verdeutlichen. Im Jahr 2008 wurde der Flughafen geschlossen und wird nun von den Bürgern Berlins und allen interessierten Besuchern als Park- und Freifläche genutzt. Im Rahmen dieser Nutzung sind viele interessante Projekte entstanden, eines davon ist das Allmende-Kontor, ein Gemeinschaftsgarten, der sich auf einer Fläche von 5000qm erstreckt und auf dem von über 900 Teilnehmern verschiedene kleine Gartenprojekte gepflegt werden
Das Allmende-Kontor versteht sich als selbstorganisierte Gemeinschaft und ermöglicht jedem Einzelnen der Beteiligten die sprichwörtlichen Früchte der gemeinschaftlichen Arbeit (kollektive Ressourcen wie Obst, Gemüse oder Blumen) selbst zu ernten. Wie viel jeder Einzelne erntet und wie stark damit die kollektive Ressource bzw. das kollektive Gut genutzt wird, ist dabei immer wieder Gegenstand interner Verhandlungen. In der Verhandlungsforschung spricht man in diesem Fall von einer Verteilungsverhandlung, da sich die Auseinandersetzung zwischen den Verhandlungspartnern darum dreht, wie die Allmende verteilt werden soll. Das Spannungsfeld der Verhandlung besteht dabei einerseits in der Auseinandersetzung darüber, bei welchen kollektiven Ressourcen es sinnvoll ist diese zu erhalten und weiterhin in kollektiven Besitz zu belassen, und andererseits in der Frage, wer wie viel von der Allmende für sich selbst nutzen darf. Schematisch gesprochen haben die Verhandlungsparteien also bei jedem Verhandlungsgegenstand jeweils die Wahl zwischen dem Erhalt der Ressource in gemeinschaftlichem Besitz und der Verteilung der Ressource an die Verhandlungsparteien.
Gleichermaßen müssen die Parteien natürlich auch dafür sorgen, dass die angelegten Gärten gepflegt und erhalten werden. So muss jedes Mitglied seinen individuellen Beitrag zum Aufbau der Allmende leisten, damit diese auch in Zukunft bestehen kann. Die Gärtner müssen Saatgut kaufen, Beete jäten oder auch Gartenmöbel bauen, damit es sich trefflich unter den Obstbäumen sitzen lässt. In diesem Fall entstehen etwaige Auseinandersetzungen darüber, wer wie viel zum Aufbau der kollektiven Ressource beiträgt, sich also um das Anlegen neuer Beete kümmert oder Saatgut kauft. Man bezeichnet diese Art der Verhandlung daher als Beitragsverhandlungen, da die Verhandlung sich um die individuellen Beiträge der Parteien zum Aufbau der Allmende dreht. In der Verhandlung haben die Beteiligten damit die Handlungsalternativen zwischen dem Erhalt ihrer exklusiven Ressourcen und dem Beitrag ihrer exklusiven Ressourcen zur Allmende.
An welchem Punkt es zu Interessenskonflikten kommt, hängt maßgeblich vom Status Quo der Besitzverhältnisse ab. Befinden sich die zu verhandelnden Ressourcen in exklusiven Besitz der Parteien, wird sich der Konflikt darum drehen, wie viel welche Partei zum Aufbau der Allmende beitragen muss (Beete anlegen und Gartenmöbel bauen). Befinden sich die zu verhandelnden Ressourcen andererseits in gemeinsamen Besitz, wird sich der Konflikt darum drehen, wie die Allmende verteilt werden soll (Rüben ernten und in schönen Gartenstühlen sitzen)
Was fällt uns leichter, Verteilungs- oder Beitragsverhandlungen?
Aus dem Beispiel des Allmende-Kontors wird deutlich, dass viele reale Allmende-Verhandlungen nicht ausschließlich entweder Beiträge zum Aufbau einer Allmende oder die Verteilung einer Allmende zum Gegenstand haben. Es ist vielmehr eine Mischung aus diesen beiden Fällen, die Allmende-Verhandlungen so vertrackt machen. So wird der verhandlungserprobte Gärtner sicherlich nicht vergessen zu erwähnen, wie viel er im Frühling geschuftet hat, um die Beete zu jäten, wenn er im Herbst den einen oder anderen größeren Kürbis erntet. In der empirischen Erforschung von Allmende-Verhandlungen wurde jedoch zunächst versucht herauszufinden ob es generelle Unterschiede in der psychologischen Wahrnehmung zwischen einer Beitragsverhandlung und einer Verteilungsverhandlung gibt. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Experimente durchgeführt, in denen die Teilnehmer einen direkten Nutzen, sowohl durch den Besitz exklusiver Ressourcen, als auch durch die Allmende erlangen konnten. Diese Studien dienen vor allem dazu herauszufinden, welchen unabhängigen Einfluss der Verhandlungskontext (Aufbau einer Allmende vs. Verteilung einer Allmende) auf die Qualität der Verhandlungsergebnisse hat (Brewer & Kramer, 1986; Messick & Brewer, 1983). Neben einigen spieltheoretischen Experimenten, wurde diese Frage vor kurzem auch in interaktiven Verhandlungsexperimenten näher untersucht (Höhne & Trötschel, 2013).
So sollten Versuchsteilnehmer entweder in einer Beitragsverhandlung über die Gründung einer gemeinsamen Firma oder in einer Verteilungsverhandlung über die Auslagerung von Bereichen aus einer gemeinsamen Firma verhandeln. Die Verhandlungsparteien verfügten in ihren Verhandlungen über unterschiedliche Ressourcen: Zum Teil brachten diese ihnen einen höheren Nutzen, wenn sie als eigene Ressource besessen wurden, zum Teil waren die Ressourcen aber auch profitabler, wenn sie mit der Gegenpartei geteilt wurden. Wie auch in der Realität konnten somit die besten Lösungen nur dann erreicht werden, wenn die Parteien erkannten, dass sie einige Ressourcen als kollektive Güter teilen sollten, um ihre Gewinne zu maximieren.
Es stellte sich in diesen Studien heraus, dass jene Verhandlungsparteien, welche über den Aufbau einer Allmende in einer Beitragsverhandlung verhandelt hatten, schlechtere Verhandlungsergebnisse erzielten, als Parteien, die sich über die Verteilung von Ressourcen in einer Verteilungsverhandlung einigen sollten. Überträgt man diese Erkenntnisse auf unser Beispiel des Allmende-Kontors, könnte man sagen, dass die Gärtner eher in der Lage sein werden eine Integrative Lösung zu finden wenn sie über die Verteilung der Allmende verhandeln, als wenn sie darüber verhandeln wer welchen Beitrag zum Aufbau und Erhalt des Allmende-Kontors leisten soll. Es wäre damit beispielsweise leichter möglich zu sehen, dass jemand, der gerne Kürbissuppe macht, mehr Kürbisse ernten darf, wohingegen einem anderen dafür die Möglichkeit gegeben wird mehr Getreide zu ernten, da er in seiner Freizeit viel Brot backt. Stelle wir uns hingegen eine Beitragsverhandlung vor, in der die Gärtner sich darüber einigen sollen wie viel sie zum Aufbau der Allmende beitragen können, wird es konfliktreicher. So wird sich ein handwerklich besonders begabten Gärtner nur schwer davon überzeugen lassen seine wertvolle Freizeit für die Gemeinschaft zu opfern, indem er viele Gartenmöbel schreinert, anstatt nur für seinen eigenen Garten Möbel zu bauen. Genau wie sich eine andere Gärtnerin, die viel Erfahrung in der Züchtung von Rosen hat, sträuben wird auch in anderen Gärten der Gemeinschaft die Rosen fachmännisch zu beschneiden. Beide Gärtner würde es viel Zeit und Mühe kosten ihre Fähigkeiten für den Almende-Kontor einzubringen, was sie davon abhält bereitwillig Beiträge zu leisten und damit gute Einigungen verhindert.
Die besten Ergebnisse wurden also erzielt, wenn sich die Verhandlungsparteien darüber einigen sollten eine gemeinsame Ressourcen zu verteilen. Im Gegensatz dazu waren die Verhandlungsteilnehmer nicht so erfolgreich darin integrative Lösungen zu finden, wenn sie gemeinsame Ressourcen aufbauen sollten. In einer interaktiven Verhandlungssituation führt also die selbstdienlichere Sichtweise in Beitragsverhandlungen dazu, dass potentielle Gewinne durch die Allmende nicht genutzt werden. Nun schön und gut, aber was nun tun mit diesen Erkenntnissen? Warum sind wir eigentlich in Verteilungsverhandlungen erfolgreicher als in Beitragsverhandlungen? Was sind die psychologischen Hintergründe dieser Verhandlungsarten? Und was sollte man als Verhandlungsführer deshalb berücksichtigen?
Wie erklären sich diese Unterschiede?
Zugeständnisaversion: Zugeständnisse sind in Verhandlungen das zentrale Instrument zur Erreichung von Einigungen. In der Regel bedeutet ein Zugeständnis, dass wir von unserer Verhandlungsposition abweichen und der anderen Verhandlungspartei einen größeren Anteil der Verhandlungsmasse zugestehen. Beanspruche ich weniger für mich, verliere ich etwas und die andere Seite gewinnt in gleichem Maße. Jedoch ist nicht jedes Zugeständnis automatisch ein gleichwertig hoher Verlust für mich, wie es ein Gewinn für die andere Seite ist. Denken Sie zurück an die Kürbisse und das Getreide. Für den Bäcker wird das Zugeständnis weniger Kürbisse zu nehmen nicht sehr schmerzhaft sein. Es wird sogar eher hilfreich sein, wenn er dafür mehr Getreide haben kann. Diese Art von Zugeständnisse werden deshalb als systematische Zugeständnisse bezeichnet und sind in Allmende-Verhandlungen unabdingbar, um integrative Lösungen zu finden. In den meisten Verhandlungen müssen daher alle beteiligten Parteien an der einen oder anderen Stelle ein Zugeständnis machen, um sich auf die anderen Parteien zuzubewegen und so eine Einigung überhaupt erst möglich werden zu lassen. Nichtsdestotrotz konfrontieren unterschiedliche Verhandlungskontexte die Konfliktparteien mit Situationen, die es für den Einzelnen leichter oder schwerer machen sich auf Zugeständnisse einzulassen. Der natürliche Fokus in einer Verhandlung liegt auf den individuellen Ergebnissen, in Allmende-Verhandlungen also auf den exklusiven Gewinnen. So steht für die Partei bei Beitragsverhandlungen der Verlust eines exklusiven Gutes im Vordergrund, wohingegen bei Verteilungsverhandlungen der Gewinn einer exklusiven Ressource in den Fokus der Partei rückt. Man spricht in diesem Fall von verschiedenen Ergebnisframes, da sie der Verhandlung entweder den subjektiven Rahmen eines Gewinns oder Verlusts geben (De Dreu, Carnevale, Emans, & van de Vliert, 1995). Ein spannender Befund aus der psychologischen Forschung zu diesen Framingeffekten der letzten 40 Jahre ist, dass das Erleben von Verlusten psychologisch als schwerwiegender wahrgenommen wird, als das Erleben von vergleichbaren Gewinnen. So wird beispielsweise der Verlust einer Ressource, die aus dem exklusiven Besitz einer Person verloren geht, psychologisch stärker wahrgenommen, als der Gewinn der selben Ressource, die in den exklusiven Besitz einer Person gelangt. Diese Phänomen wird als Verlustaversion bezeichnet (Kahneman, 1992). Im Kontext einer Verhandlung spiegelt sich diese Verlustaversion in der Zugeständnisbereitschaft der Parteien wieder: Parteien, die mit der Gegenpartei über den exklusiven Besitz von Ressourcen verhandeln, zeigen sich in Beitragsverhandlung weniger bereit ihren exklusiven Besitz an die gemeinsame Allmende abzugeben, als Parteien in einer Verteilungsverhandlung, die mit der Gegenpartei über die Aufteilung exklusiver Güter aus einer Allmende diskutieren. Folglich gilt für Beitrags- und Verteilungsverhandlungen, dass Personen in einer Beitragsverhandlung zu weniger Zugeständnissen bereit sind, als solche in Verteilungsverhandlungen. In der Verhandlungsforschung spricht man in diesem Fall von Unterschieden in der Zugeständnisaversion (Kahneman, 1992). Parteien mit einer hohen Zugeständnisaversion agieren selbstdienlicher und sind weniger bereit mit dem Verhandlungspartner zu kooperieren, was häufig dazu führen kann, dass integrative Lösungen nicht gesehen werden. Gerade in Beitragsverhandlungen ist es daher wichtig, den Informationsaustausch zwischen den Parteien zu stärken und sich auch über die Vorteile des Aufbaus einer gemeinsamen Ressource klar zu sein. Ansonsten besteht die Gefahr, dass bessere Verhandlungsalternativen außer Acht gelassen werden, da sie eine Kollektivierung bestimmter Ressourcen vorsehen. So könnte man dem handwerklich begabten Gärtner klar machen, dass sein Beitrag zum Allmende-Kontor nicht der einzige ist, sondern auch viele andere Gärtner ihre individuellen Fähigkeiten dazu nutzen, einen Beitrag für die Allmende zu leisten. Die Eine gibt ihr Wissen über die Imkerei weiter, der Andere hilft beim fachmännischen Beschneiden der Rosen aus. So erscheint der eigene Beitrag nicht mehr als Verlust, sondern es wird vielmehr der kollektive Gewinn durch die Allmende in den Vordergrund gerückt.
Zeitliche Abfolge von Beitrag und Verteilung: In vielen realen Allmende-Verhandlungen wird häufig zunächst ein Beitrag geleistet, welcher dann zu einem späteren Zeitpunkt dazu führt, dass man einen individuellen Nutzen von der Allmende hat. Der zeitliche Abstand zwischen den individuellen Kosten eines Beitrages und dem individuellen Nutzen durch die Verteilung der Allmende, ist dabei ein wichtiger psychologischer Faktor für die Bereitschaft etwas zu einer Allmende beizutragen.
Betrachten wir zur Veranschaulichung abermals unsere Gärtnergemeinschaft. Es ist Frühling und die Aussaat steht bevor. Damit jedoch gesät werden kann, müssen die Gärtner natürlich zunächst einiges an Saatgut kaufen. Jeder Einzelne wird sich nun überlegen, wie viel er für neue Saat ausgeben möchte und ob er sich für diesen Gemeinschaftsgarten denn wirklich in Unkosten stürzen sollte. Zu Beginn der Verhandlungen darüber, wer im Frühling wie viel Saatgut beitragen kann, entsteht also ein unmittelbarer Verlust von exklusiven Ressourcen. Dieser ist jedoch nicht mit einem unmittelbaren Gewinn verbunden, da die Ernte erst viel später im Jahr ansteht. Schlimmer noch, man kann sich zwar sicher sein, dass das Geld weg ist, welches man jetzt für die Saat ausgibt, aber vielleicht wird es ja ein besonders trockenes Jahr und die Ernte wird schlecht, dann war alles für die Katz. Die zeitliche Abfolge von direkten Verlusten durch Beiträge und nur mittelbaren Gewinnen durch eine spätere Verteilung, hat damit eine eher zurückhaltende Zugeständnisbereitschaft zur Folge. Zudem sorgt die Unsicherheit über die Höhe der potentiellen Gewinne in der Zukunft dafür, dass häufig eine egozentrische Sichtweise in Beitragsverhandlung eingenommen wird. Während diese Probleme für Beitragsverhandlungen gelten, bestehen sie bei Verteilungsverhandlung nicht, da es hier darum geht unmittelbare Gewinne von exklusiven Ressourcen zu verhandeln (Kahneman & Tversky, 1984). Hier besteht die Gefahr eher darin, dass nicht an die zukünftigen Konsequenzen für den Erhalt der Allmende gedacht wird und lieber alles jetzt geerntet wird, anstatt auch etwas für die Zukunft übrig zu lassen.
Der Fokus auf die unmittelbaren Konsequenzen des Handelns ist daher sowohl in Beitrags- als auch Verteilungsverhandlungen trügerisch, da er die Sicht auf zukünftige Konsequenzen verschleiert. Gerade in Allmende-Verhandlungen kann so eine schnelle Einigkeit über eine vermeintlich sinnvolle Lösung entstehen, die jedoch nur kurzfristige Nutzen berücksichtigt. Man sollte sich daher immer fragen, welche langfristigen Konsequenzen aus der geplanten Einigung entstehen und ob nicht eine bessere Lösung gefunden werden kann, wenn man auch die zeitliche Entwicklung betrachtet.
Fazit
Was sollten unsere engagierten Gärtner also in ihren Allmende-Verhandlungen beachten, wenn sie möglichst gute Einigungen für alle Beteiligten erreichen wollen? Nun, zunächst sollten sie sich darüber klar werden, ob sie sich in einer Verhandlung über den Aufbau einer Allmende (individuelle Beiträge geben) oder über die Verteilung einer Allmende (individuelle Anteile erhalten) befinden. In einer Beitragsverhandlung lohnt es sich immer den Beteiligten klar zu machen, dass ihre Beiträge zwar zunächst einen Verlust an Ressourcen darstellen, jedoch auch andere Personen Beiträge zur Allmende leisten und damit im besten Fall ein größerer Gewinn durch die gemeinsame Ressource entsteht (vielfältige Angebote und Möglichkeiten sich im Allmende-Kontor zu verwirklichen). Der natürliche Verlustfokus einer Beitragsverhandlung wird so zu einem Gewinnfokus. In einer Verteilungsverhandlung sollten man hingegen darauf achten, dass alle Beteiligten sich auch bewusst darüber sind, welche langfristigen Konsequenzen eine zu starke Übernutzung der Allmende hätte, um diese auch längerfristig zu erhalten (genügend Saatgut behalten, um im Frühling nicht zu viel neues kaufen zu müssen). Die trügerische Sicht auf kurzfristige Gewinne wird so um die mittelbaren Konsequenzen für die Allmende erweitert und ermöglicht nachhaltige Verhandlungslösungen.
Und wie steht es mit unseren beiden Geschwistern, die ein friedliches Osterfest verbringen wollen? Nun, am besten wäre es, wenn die beiden sich nicht zu lange darüber streiten würden wer wie viele Süßigkeiten oder Spielzeuge gefunden hat, sondern lieber direkt dazu übergehen würden die beste Verteilung ihres gemeinsamen Schatzes in Angriff zu nehmen. Zu dieser sollte dann auch gehören, dass sie einige Spielzeuge, wie die Feuerwache, in Zukunft einfach gemeinsam besitzen werden, um beide damit zu spielen.
Literaturverzeichnis
- Brewer, M. B., & Kramer, R. M. (1986). Choice behavior in social dilemmas: Effects of social identity, group size, and decision framing. Journal of Personality and Social Psychology, 50(3), 543-549.
- De Dreu, C. K., Carnevale, P. J., Emans, B. J. M., & van de Vliert, E. (1995). Outcome frames in bilateral negotiation: resistance to concession making and frame adoption. European Review of Social Psychology, 6, 98-125.
- Höhne, B., & Trötschel, R. (2013). It‘s Hard to Part With Gains, but What About Losses? Contribution and Distribution of Benefits and Burdens in Integrative Negotiations. Manuscript in Preparation.
- Kahneman, D. (1992). Reference points, anchors, norms, and mixed feelings. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 51, 296-312.
- Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect Theory: An Analysis of Decision Under Risk. Econometrica: Journal of the Econometric Society, 47(2), 263–291.
- Kahneman, D., & Tversky, A. (1984). Choices, values, and frames. American Psychologist, 39(4), 341–350.
- Messick, D. M., & Brewer, M. B. (1983). Solving social dilemmas: A review. In L. Wheeler & P. Shaver (Eds.), Review of Personality and Social Psychology (Vol. 4, pp. 11-44). Beverly Hills: Sage.