Some things never change!? Zum Einfluss impliziter Intelligenztheorien auf unser Erleben und Verhalten in Lern- und Leistungssituationen
Lernen beinhaltet ständig Herausforderungen, weil man in der Regel nicht allen Anforderungen auf Anhieb gewachsen ist. Die Mathematikaufgaben sind zum Verzweifeln, statt der Physikformeln versteht man nur Bahnhof und die Französischvokabeln wollen einfach nicht in den Kopf. Sicher kennen Sie derartige Schwierigkeiten und vermutlich haben Sie auch schon beobachtet, dass sich Personen im Umgang mit solchen Problemen unterscheiden. Während das Auftreten von Widerständen manchen Frust bereitet, bekommen andere besonders Lust, die Hürde zu überwinden. Während diese ihre Bemühungen als sinnlos erachten, verstärken jene ihre Anstrengungen erst recht. Während die einen schließlich die Segel streichen, meistern die anderen die Aufgabe letztlich oft erfolgreich. Wie lassen sich solch gegensätzliche Reaktionen erklären?
Der Volksmund behauptet: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“ und suggeriert damit, dass Fähigkeiten schon in jungen Jahren auf Dauer festgelegt würden. Andererseits heißt es sprichwörtlich auch: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!“, was der Übung eine hohe Bedeutung für den Kompetenzerwerb beimisst und die Veränderbarkeit eigener Fähigkeiten unter Aufbringung von Anstrengung unterstellt. Was glauben Sie, welche dieser gegensätzlichen Weisheiten eher zutrifft?
Diese Frage ist spannend, weil eine Fülle psychologischer Studien zeigt, dass unsere subjektiven Überzeugungen darüber, ob intellektuelle Fähigkeiten stabil oder veränderbar sind, in vielfältiger Weise Einfluss auf unser Erleben und Verhalten in Lern- und Leistungssituationen nehmen. In der Psychologie werden diese Überzeugungen als implizite Intelligenztheorien bezeichnet. Doch was genau ist damit gemeint?
Definition: Was versteht man unter impliziten Intelligenztheorien?
Wir alle versuchen, das Geschehen in der Welt um uns herum zu verstehen, um es berechenbar zu machen. Dabei helfen uns beispielsweise Annahmen darüber, wie beständig oder wandelbar menschliche Eigenschaften sind. Jeder von uns hält eine Vielzahl solcher sogenannten impliziten Theorien. Der Begriff bringt zum Ausdruck, dass wir unsere subjektiven Überzeugungen in der Regel weder bewusst bilden noch reflektiert nutzen (deshalb implizit) und dass wir diese Annahmen gleichwohl zur Erklärung und Vorhersage unserer Umwelt heranziehen (wie Wissenschaftler Theorien). Implizite Theorien können sich auf unterschiedliche menschliche Eigenschaften, wie etwa Intelligenz oder Persönlichkeit, beziehen. Für das Erleben und Verhalten in Lern- und Leistungssituation haben sich insbesondere implizite Theorien über die Veränderbarkeit intellektueller Fähigkeiten als bedeutsam erwiesen (siehe zusammenfassend Dweck, 1999, 2006), weshalb diese im Folgenden genauer betrachtet werden.
Personen unterscheiden sich in ihren impliziten Intelligenztheorien: Manche haben eine Stabilitätstheorie, andere eine Veränderbarkeitstheorie (Dweck & Leggett, 1988). Personen, die eher zu einer Stabilitätstheorie tendieren, begreifen intellektuelle Fähigkeiten als feststehende Eigenschaften – sie glauben, Intelligenz sei in Stein gemeißelt und man müsse eben mit dem Ausmaß intellektueller Begabung auskommen, das man in die Wiege gelegt bekommen habe. Demgegenüber verstehen Personen, die eher zu einer Veränderbarkeitstheorie neigen, Intelligenz als wandelbare Eigenschaft – sie meinen, intellektuelle Fähigkeiten seien nicht festgelegt, sondern potenziell steigerbar. PsychologInnen erfassen implizite Intelligenztheorien mit Fragen wie sie in Abbildung 1 dargestellt sind. Wie würden Sie antworten?
Es ist wichtig klarzustellen, dass Unterschiede in impliziten Intelligenztheorien weitestgehend unabhängig von Unterschieden in intellektuellen Fähigkeiten bestehen. So fand sich beispielsweise in einer Untersuchung mit annähernd 600 Erwachsenen zwischen 18 und 70 Jahren nur ein geringer Zusammenhang zwischen deren impliziten Intelligenztheorien und der anhand von Tests gemessenen Intelligenz der TeilnehmerInnen (Spinath, Spinath, Riemann & Angleitner, 2003). Es kann deshalb angenommen werden, dass der Glaube an die Stabilität oder die Veränderbarkeit intellektueller Fähigkeiten einen eigenständigen – das heißt nicht durch Unterschiede im tatsächlichen Leistungsvermögen zu erklärenden – Effekt auf die Motivation und Leistung Lernender hat. Aber warum sollten implizite Intelligenztheorien überhaupt das Erleben und Verhalten in Lern- und Leistungssituationen beeinflussen?
Theorie: Warum sollten implizite Intelligenztheorien Erleben und Verhalten beeinflussen?
Die amerikanische Psychologin Carol Dweck (1986; Dweck & Leggett, 1988) schlug als erste vor, dass implizite Intelligenztheorien die Motivation und Leistung von Personen maßgeblich bestimmen. Wie motiviert und erfolgreich wir lernen, hänge nicht ausschließlich davon ab, ob wir mehr oder weniger intelligent sind, noch zähle allein, ob die Lernumgebung mehr oder weniger anregende Bedingungen bietet, ausschlaggebend seien vielmehr insbesondere unsere subjektiven Überzeugungen darüber, ob intellektuelle Fähigkeiten stabil oder veränderbar sind. Dweck spricht von einer sozial-kognitiven Theorie der Motivation, worin zum Ausdruck kommt, dass ihrer Ansicht nach ausschlaggebend ist, was im Kopf passiert (deshalb kognitiv) und dass sie annimmt, dass wir die dabei entscheidenden impliziten Intelligenztheorien in der Auseinandersetzung mit unserer Umwelt erwerben (deshalb sozial). Dwecks Theorie zufolge dienen uns unsere subjektiven Überzeugungen als Bedeutungssystem vor dessen Hintergrund wir Informationen interpretieren, wodurch es unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln bestimmt. Was damit gemeint ist, lässt sich am eindrücklichsten anhand eines kontrastierenden Beispiels veranschaulichen.
Stellen Sie sich einen Schüler mit einer
Stabilitätstheorie vor, der bei der Bearbeitung von Aufgaben im Mathematikunterricht Schwierigkeiten hat und Fehler macht. Als Konsequenz daraus, dass der Schüler nicht an die Veränderbarkeit seiner Fähigkeiten glaubt, wird er primär das Ziel verfolgen, einen positiven Eindruck seiner Kompetenzen zu erwecken und einen negativen Eindruck zu vermeiden. Es ist daher anzunehmen, dass er den Misserfolg als Bedrohung seines Selbstwerts erlebt, denn die Lehrerin und MitschülerInnen – so die Logik des Schülers – könnten seine Schwierigkeiten als Beleg mangelnder Fähigkeiten sehen und er muss befürchten für „dumm“ gehalten zu werden. Dieser Schüler wird keine weiteren Fehler riskieren wollen und sich entweder ganz von der Aufgabe abwenden oder seine Bemühungen zumindest deutlich verringern, um im Falle fortgesetzten Scheiterns mangelnde Anstrengung statt fehlender
Begabung als Ursache geltend machen zu können.
Wie würde ein Schüler mit
Veränderbarkeitstheorie dieselbe Situation erleben und wie würde er sich deshalb verhalten? Dwecks Theorie zufolge völlig gegensätzlich: Als Konsequenz daraus, dass der Schüler an die Steigerbarkeit seiner Fähigkeiten glaubt, wird er vor allem das Ziel verfolgen, Neues zu lernen, um seine Kompetenzen zu erweitern. Es ist daher anzunehmen, dass er seinen Misserfolg als nützliche Rückmeldung begreift, denn seine Fehler zeigen ihm auf, wo er noch Lernbedarf hat. Dieser Schüler wird sich daher eher verstärkt der problematischen Aufgabe zuwenden, seine Anstrengungen steigern, sich möglicherweise Unterstützung suchen und die Schwierigkeiten dadurch letzten Endes wahrscheinlich überwinden. Soweit die Theorie – doch welche Effekte impliziter Intelligenztheorien lassen sich belegen?
Forschungsergebnisse: Welche Effekte impliziter Intelligenztheorien lassen sich belegen?
Dwecks (1986; Dweck & Leggett, 1988) sozial-kognitive Theorie der Motivation erlaubt vielfältige Vorhersagen über das Erleben und Verhalten von Personen in Lern- und Leistungssituationen, weshalb eine Fülle psychologischer Forschungsarbeiten dazu existiert. Im Folgenden kann nur ein kleiner Ausschnitt davon vorgestellt werden. Anhand jeweils einer genauer betrachteten Studie wird exemplarisch beschrieben, welche Einflüsse impliziter Intelligenztheorien auf die Aufmerksamkeit, Ziele und Leistung Lernender gezeigt werden konnten. Detailliertere Darstellungen liegen mit Dwecks (1999, 2006) zusammenfassenden Überblicksarbeiten sowie einer aktuellen Metaanalyse (Burnette, O‘Boyle, VanEpps, Pollack & Finkel, 2013) vor.
Worauf achten Studierende mit
Stabilitätstheorie bzw. mit
Veränderbarkeitstheorie in Lern- und Leistungssituationen besonders und lässt sich dies in ihren Gehirnaktivitäten beobachten? Um diese Frage zu untersuchen, wählten WissenschaftlerInnen (Mangels, Butterfield, Lamb, Good & Dweck, 2006) auf Grundlage einer vorangegangenen Studie TeilnehmerInnen aus, die sich im Mittel in keinem anderen Merkmal als ihrer impliziten Intelligenztheorie unterschieden – 22 Studierende mit einer
Stabilitätstheorie und 25 Studierende mit einer
Veränderbarkeitstheorie. Anschließend erfassten die ForscherInnen mittels
Enzephalografie die Gehirnaktivitäten der Studierenden, während diese eine Reihe von Allgemeinwissensfragen beantworteten. Nach jeder Frage erhielten die TeilnehmerInnen zwei Arten von Rückmeldungen: Ein leistungsrelevantes Feedback (War die gegebene Antwort richtig oder falsch?) und ein lernrelevantes Feedback (Wie lautet die korrekte Antwort auf die Frage?). Das Ergebnis: Studierende mit
Stabilitätstheorie zeigten höhere neuronale Aktivität beim leistungsrelevanten Feedback und geringere neuronale Aktivität beim lernrelevanten Feedback als Studierende mit
Veränderbarkeitstheorie. Letztere richteten ihre Aufmerksamkeit dagegen stärker auf die korrekten Lösungen der Aufgaben und weniger auf die Bewertung ihrer Antworten.
Ob implizite Intelligenztheorien wirklich ursächlich für die unterschiedliche Priorisierung von Lern- und Leistungszielen sind, wurde kürzlich unter kontrollierten Laborbedingungen getestet (Dinger & Dickhäuser, 2013). Unter dem Deckmantel einer Gedächtnisstudie legten die Autoren des Experiments 80 Studierenden zufällig zugeteilt einen von zwei kurzen, scheinbar in „Psychologie Heute“ veröffentlichten Artikeln vor. Diese Artikel (siehe Abbildung 2) stellten Intelligenz anhand der angeblich aktuellsten und stichhaltigsten wissenschaftlichen Befunde glaubwürdig als entweder eine angeborene, kaum veränderbare Eigenschaft (Stabilitätsbedingung) oder eine erlernte, deutlich steigerbare Eigenschaft (Veränderbarkeitsbedingung) dar. Die TeilnehmerInnen wurden anschließend – als Zwischenaufgabe getarnt – nach ihrer impliziten Intelligenztheorie befragt sowie danach, welche Ziele sie in ihrem Studium verfolgten. Das Ergebnis: Die selbstberichteten Ziele der TeilnehmerInnen unterschieden sich erwartungsgemäß in Abhängigkeit von der Versuchsbedingung. Im Vergleich zur Stabilitätsbedingung war das Ziel, im Studium Neues zu lernen und Kompetenzen zu erweitern, in der Veränderbarkeitsbedingung bedeutend stärker und das Ziel, mangelnde Fähigkeiten zu verschleiern und keinesfalls schlechter abzuschneiden als andere, bedeutend geringer ausgeprägt.
Einen imposanten Beleg für die Wirkung impliziter Intelligenztheorien auf die Schulleistung liefert eine amerikanische Studie mit über 350 SchülerInnen (Blackwell, Trzesniewski & Dweck, 2007, Studie 1). Angefangen mit dem Wechsel der TeilnehmerInnen von der Grundschule auf die High School – einem kritischen Zeitpunkt in der Schullaufbahn, weil der Übergang in die Mittelstufe für viele Jugendliche eine große Herausforderung darstellt – verfolgten die Forscherinnen die Entwicklung der Mathematikleistungen der SchülerInnen über zwei Schuljahre hinweg. Das Ergebnis: Wohingegen die Mathematiknoten von SchülerInnen mit einer Stabilitätstheorie während der beiden Schuljahre stagnierten, verbesserten sich die Mathematiknoten von SchülerInnen mit einer Veränderbarkeitstheorie in derselben Zeit bedeutend (siehe Abbildung 3). Wohlgemerkt hatten beide Gruppen zu Beginn des ersten High School Jahres im Mittel noch gleich gut abgeschnitten – zwei Jahre später erzielten SchülerInnen mit Veränderbarkeitstheorie jedoch bessere Mathematikleistungen als ihre ansonsten vergleichbaren MitschülerInnen mit einer Stabilitätstheorie.
Zusammengenommen unterstützen die beschriebenen Befunde eindrucksvoll Dwecks Hypothese, dass implizite Theorien in bedeutender Weise das Erleben und Verhalten von Personen in Lern- und Leistungssituationen bestimmen. Zur Beurteilung der Relevanz dieser Erkenntnis für die pädagogische Praxis stellt sich abschließend eine zentrale Frage: Lassen sich implizite Intelligenztheorien von Personen beeinflussen und wenn ja, wie?
Intervention: Lassen sich implizite Intelligenztheorien beeinflussen und wenn ja, wie?
In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass sich implizite Intelligenztheorien in kontrollierten Laborexperimenten beeinflussen lassen (z. B. Dinger & Dickhäuser, 2013). Aber funktioniert das auch unter weniger künstlichen Bedingungen? Kann man eine implizite Veränderbarkeitstheorie bei Jugendlichen sozusagen „trainieren“? Um dieser Frage nachzugehen, teilten Wissenschaftlerinnen (Blackwell et al., 2007, Studie 2) knapp 100 SchülerInnen im Rahmen bestehender Arbeitsteams zufällig auf zwei Gruppen auf. Alle SchülerInnen nahmen über zwei Monate hinweg wöchentlich an einem jeweils 25 minütigen Workshop teil. Dabei wurde den TeilnehmerInnen beider Versuchsgruppen inhaltlich im Großen und Ganzen dasselbe vermittelt. Sie lernten den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns kennen – allerdings wurde in der einen Gruppe die Veränderbarkeit intellektueller Fähigkeiten besonders betont, während die SchülerInnen der anderen Gruppe stattdessen nur spezielle Informationen über das Gedächtnis erhielten. Das Ergebnis: Nach acht Wochen tendierten SchülerInnen, die das „Veränderbarkeitstraining“ absolviert hatten, bedeutend stärker zu einer Veränderbarkeitstheorie der Intelligenz als TeilnehmerInnen der anderen Gruppe. Als Konsequenz dessen zeigten diese SchülerInnen in der Folge außerdem ein systematisch geringeres Absinken ihrer Mathematiknoten als die Schülerinnen, die kein „Veränderbarkeitstraining“ absolviert hatten. Somit konnte die Intervention den typischen Abfall der Mathematiknoten nach dem Übergang in eine weiterführende Schule abmildern.
Auf die Frage, wie sich eine
Veränderbarkeitstheorie ganz konkret fördern lässt, gibt eine Serie von Studien Aufschluss, in der untersucht wurde, welche Konsequenzen Lob für Fähigkeiten im Vergleich zu Lob für Anstrengung auf die
Motivation und Leistung von FünftklässerInnen hat (Mueller & Dweck, 1998). Die Autorinnen beobachteten, dass sich SchülerInnen, die bei der Bearbeitung von Aufgaben für ihr Talent gepriesen wurden, hinsichtlich verschiedener Erlebens- und Verhaltensmaße von SchülerInnen unterschieden, die bei der Bearbeitung von Aufgaben für ihre Anstrengung gelobt wurden. Letztere tendierten unter anderem eher zu einer
Veränderbarkeitstheorie. Sie wählten außerdem nachfolgend häufiger Aufgaben, bei denen sie etwas Neues lernen konnten als solche, die sie schon kannten, berichteten eher bei der Aufgabenbearbeitung Spaß gehabt zu haben, arbeiteten nach Misserfolg ausdauernder weiter und lösten in der Folge mehr Aufgaben korrekt.
Anwendung: Welche Empfehlungen lassen sich für die pädagogische Praxis ableiten?
Vor dem Hintergrund der sozial-kognitiven Theorie der
Motivation und auf Grundlage der geschilderten empirischen Befunde kann festgehalten werden, dass es grundsätzlich wünschenswert ist, dass Lernende ihre eigenen intellektuellen Fähigkeiten als veränderbar begreifen. Darüber hinaus lassen sich für die pädagogische Praxis Empfehlungen ableiten, wie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Vorstellung feststehender Eigenschaften aufgelöst und der Glaube an die Veränderbarkeit eigener Fähigkeiten gestärkt werden kann. Dies wird im Folgenden anhand konkreter Beispiele nachvollziehbar.
Rückmeldungen zu Lern- und Leistungsergebnissen sollten auf das Verhalten fokussieren, anstatt sich auf die Person zu beziehen. Das heißt, dass eine Schülerin, die im Kunstunterricht ein gelungenes Bild fertig gestellt hat, für die Tätigkeit gelobt werden sollte (z. B. „Das hast du gut gemacht!“) anstatt für ihr Talent (z. B. „Du bist eine gute Zeichnerin!“). Will man einen Studierenden loben, der sich mit wertvollen Beiträgen an einer Diskussion beteiligt, so sollte sich das Feedback auf den Prozess beziehen (z. B. „Sie haben gut argumentiert!“), anstatt Eigenschaften zuzuschreiben (z. B. „Sie können gut argumentieren!“). Außerdem ist es sinnvoll, den Wert von Anstrengung zu betonen (z. B. „Das Bild ist gut geworden, weil du dir Mühe gegeben hast!“ bzw. „Ihre Argumente sind stichhaltig, weil Sie sich gut vorbereitet haben!“).
Schließlich gilt es festzustellen, dass sich implizite Intelligenztheorien nicht zuletzt auf Grundlage eigener Lernerfahrungen bilden. Daraus ergibt sich, dass die subjektiven Überzeugungen Lernender vor allem dadurch geformt werden können, dass man ihnen die eigenen Lernfortschritte vor Augen führt. Sogenannte
Lerntagebücher, mithilfe derer Lernende ihren Lernprozess reflektieren, können hierfür ein nützliches pädagogisches Werkzeug sein. Beispielsweise könnte eine Mathematiklehrkraft ihren SchülerInnen am Ende jeder Unterrichtsstunde Gelegenheit geben aufzuschreiben, welches Thema behandelt wurde, ob sich Fragen dazu ergeben haben und wie sie Antworten auf diese finden wollen. Eine solche Maßnahme soll Lernende nicht nur dazu anregen, den eigenen Lernprozess aktiv mitzugestalten, sondern dient auch dazu, die Wahrnehmung eigener Fähigkeiten als veränderbare Eigenschaften zu fördern. Idealerweise wird Letzteres zudem durch Rückmeldungen der Lehrkraft unterstützt, die sich auf die individuellen Lernentwicklungen der SchülerInnen beziehen (z. B. „Das machst du jetzt viel besser als am Anfang des Schuljahres!“).
Fazit und Ausblick
Subjektive Überzeugungen darüber, ob intellektuelle Fähigkeiten stabil oder veränderbar sind, beeinflussen unser Erleben und Verhalten in Lern- und Leistungssituationen in vielfältiger und bedeutsamer Weise. Eine
Veränderbarkeitstheorie hat im Vergleich zu einer
Stabilitätstheorie positive Effekte auf die
Motivation und Leistung Lernender. Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen und DozentInnen sollten deshalb im Umgang mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch geeignete Maßnahmen darauf hinwirken, dass diese ihre intellektuellen Fähigkeiten als veränderbar wahrnehmen.
In diesem Beitrag standen implizite Theorien über die Veränderbarkeit intellektueller Fähigkeiten sowie deren Effekte auf Lern- und Leistungsverhalten im Vordergrund. Abschließend bleibt deshalb nochmals anzumerken, dass sich implizite Theorien auch auf andere Eigenschaften beziehen (z. B.
Persönlichkeit) und andere Aspekte des Erlebens und Verhaltens von Personen in Bildungseinrichtungen beeinflussen können (z. B. Sozialverhalten). Dabei lassen sich für die Bewältigung sozialer Herausforderungen (z. B.
Mobbing) parallele Forschungsergebnisse wie bei der Bewältigung akademischer Herausforderungen beobachten: SchülerInnen mit einer
Veränderbarkeitstheorie der
Persönlichkeit zeigen sich belastbarer gegenüber Herausforderungen (z. B. geringeres Stresserleben) als SchülerInnen mit einer
Stabilitätstheorie der
Persönlichkeit (für einen Überblick hierzu siehe Yeager & Dweck, 2012).
Literaturverzeichnis
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