Mitpflanzen, miternten, mitwirken – Was Mitglieder bewegt, sich in einer Solidarischen Landwirtschaft zu engagieren

Nur selten wissen wir, wo und wie das Gemüse, das wir essen, genau angebaut worden ist. Für Mitglieder einer Solidarischen Landwirtschaft sieht das anders aus: Sie teilen sich die Verantwortung für Planung, Anbau und Ernte mit den Landwirt:innen. Aber was bewegt Mitglieder, sich in einer Solidarischen Landwirtschaft zu engagieren?

Von A wie Apfel, bis Z wie Zucchini – die Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt hält für uns stets eine bunte Auswahl makelloser Produkte bereit. Trotz ebenso bunter Vielfalt an Schildern und Labels verlassen wir nur selten den Supermarkt in dem Wissen, woher die Zucchini im Einkaufskorb stammt und unter welchen Bedingungen der Apfel angebaut wurde.

Bild 1: Zum Gemüse im Supermarkt haben wir selten einen konkreten Bezug.Bild 1: Zum Gemüse im Supermarkt haben wir selten einen konkreten Bezug.

Im Alltag ist wenig spürbar, dass die Landwirtschaft für etwa ein Viertel der globalen Treibhausgase verantwortlich ist, dass Überdüngung und Pestizideinsatz flächendeckend biologische Vielfalt bedrohen, und dass kleine landwirtschaftliche Betriebe am freien Markt kaum überleben können. Ein anderes Bild zeigt sich in der Solidarischen Landwirtschaft (SoLawi): Dort werden Konsument:innen zu Prosument:innen, das heißt, sie beteiligen sich an Finanzierung, Planung und Umsetzung der Lebensmittelerzeugung und gehen eine enge Bindung zu Hof und Landwirt:innen ein. In diesem Artikel möchte ich der Frage nachgehen, was Menschen bewegt, sich im Rahmen einer SoLawi zu engagieren.

Wie funktioniert eine SoLawi?

In einer SoLawi schließen sich Landwirt:innen und Mitglieder zu einer Gemeinschaft zusammen. Diese Gemeinschaft teilt die finanziellen Kosten, die anfallende Arbeit und die erzielte Ernte untereinander auf. SoLawi-Mitglieder zahlen typischerweise einen festen monatlichen Beitrag, helfen gelegentlich auf dem Acker oder bei der Organisation mit und erhalten jede Woche ihren Anteil am geernteten Gemüse, den sie am SoLawi-Hof oder an einer Verteilstation abholen können. Sie ermöglichen durch ihre Mitgliedschaft eine Anbauweise nach hohen ökologischen Standards, bei zugleich fairer Entlohnung für die Landwirt:innen und Angestellten.

Beim Einkaufen im Supermarkt haben die Auswirkungen der Lebensmittelerzeugung auf Mensch und Natur eine hohe psychologische Distanz, das heißt, sie sind für Kund:innen weit weg und wenig greifbar. SoLawi-Mitglieder stehen hingegen in enger Beziehung zu den Produzent:innen und kennen Herkunft und Anbauweise ihrer Lebensmittel genau. Der SoLawi-Hof stellt für Mitglieder oft auch einen Raum des Erlebens, des Lernens und des sozialen Miteinanders dar (siehe Bîrhală & Möllers, 2014). Obschon ein Nischen-Konzept, birgt SoLawi also das Potenzial ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiger Lebensmittelversorgung.

Ein Schlüsselelement der SoLawi-Idee ist der kooperative Umgang mit Ressourcen. Bestimmte Ressourcen, sogenannte Gemeingüter, stehen potenziell „der Allgemeinheit“ zur Verfügung, können also von vielen Menschen genutzt werden. Dazu gehören beispielsweise saubere Luft, Grundwasser oder Landfläche, aber auch Baumbestand, Fischgründe oder Bergweiden. Die Herausforderung des nachhaltigen Umgangs mit solchen Gemeingütern fußt auf einem sozialen Dilemma: Eine Einzelperson kann ihren persönlichen Nutzen maximieren, indem sie eine Ressource voll ausschöpft; tun dies jedoch alle, wird die Ressource langfristig knapp und alle verlieren. 

Bereits Beispiele aus dem Mittelalter zeigen, dass ein nachhaltiger Umgang mit solchen Ressourcen dennoch gelingen kann: Ob Waldgenossenschaften im Elsass, Fischerkooperative am Bodensee oder Weidegemeinschaften in den Alpen – kooperative Nutzung gemeinschaftlicher Güter, sogenannter Allmende, war lange ein Erfolgskonzept (Kehnel, 2021). Dies erfordert jedoch klare Regeln und Strukturen der Selbstorganisation, beispielsweise flache Hierarchien, partizipative Entscheidungsprozesse und eine gerechte Verteilung von Erträgen (Ostrom, 1990). Auch in einer SoLawi werden Ressourcen gemeinschaftlich geteilt und nachhaltig genutzt, beispielsweise die verfügbare Anbaufläche, angeschaffte Geräte oder gemeinsame finanzielle Mittel, vor allem aber die erzielte Ernte, die gerecht unter allen Mitgliedern verteilt werden soll. In der Regel entnimmt sich jedes Mitglied an den Verteilstationen selbst den ihm zustehenden Anteil – Teilen auf Vertrauensbasis.

Wie können sich Mitglieder in eine SoLawi einbringen?

In einer SoLawi wird Kooperation also konkret gestaltet und gelebt. SoLawi-Mitglieder teilen nicht nur die Kosten und die Ernte untereinander auf, sie bringen sich in der Regel auch in Planung und Entscheidungsfindung ein, übernehmen Teile der landwirtschaftlichen, logistischen und organisatorischen Arbeit und vernetzen sich eng innerhalb der Gemeinschaft – aus einer Zahl von Individuen wird ein Kollektiv. Manche SoLawi-Initiativen versuchen gezielt, Gemeinschaftsbildung, Kooperation und Partizipation zu fördern. Andere verstehen sich eher als Dienstleisterinnen und konzentrieren sich auf die pragmatischen Vorteile des SoLawi-Konzepts (Blättel-Mink et al., 2017; Buchholz, 2021). Angesichts steigender Preise für Produktionsmittel und zunehmender Extremwetterereignisse ist eine solide Mitgliederbasis aber für alle SoLawis eine Voraussetzung für langfristige Stabilität (Rommel et al., 2022). Dazu gehört nicht nur eine stabile Zahlungsbereitschaft der Mitglieder, sondern auch persönlicher Einsatz, Solidarität und sozialer Zusammenhalt (Rommel et al., 2022).Bild 2: Eine funktionierende Solidarische Landwirtschaft braucht Zusammenhalt in der Gemeinschaft.Bild 2: Eine funktionierende Solidarische Landwirtschaft braucht Zusammenhalt in der Gemeinschaft.

Als Mitglied engagierter Teil einer SoLawi zu sein umfasst also aus psychologischer Sicht sowohl bestimmte Wahrnehmungen, Gedanken und Emotionen als auch bestimmte Handlungen. Sei es an Planungstreffen teilzunehmen, bei der Ernte auf dem Acker mitzuhelfen, den Transport der Ernteanteile zu übernehmen oder Hoffeste mitzuorganisieren – die Handlungen eines einzelnen SoLawi-Mitglieds tragen unmittelbar zum Funktionieren der SoLawi-Gemeinschaft bei. Daher kann das Engagement in einer SoLawi als eine Form kollektiven Handelns betrachtet werden (siehe Moser & Bader, 2023).  

In der Umweltpsychologie wird kollektives Handeln eng mit der sozialen Identität in Verbindung gebracht, also damit, sich über die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zu definieren (Fritsche et al., 2018): Wie stark fühlt sich ein Mitglied der Gruppe verbunden? Welche Leitsätze und Gruppenziele nimmt es wahr? Als wie wirksam erlebt es die Gruppe, diese Ziele auch zu erreichen? Übertragen auf den SoLawi-Kontext zeichnen sich engagierte Mitglieder also dadurch aus, dass sie sich als zugehöriger und wirksamer Teil der SoLawi-Gemeinschaft erleben und sich durch kollektives Handeln für deren Ziele einsetzen.

Was bewegt Mitglieder nun, sich aktiv und kooperativ in eine SoLawi-Gemeinschaft einzubringen? Um dieser Frage nachzugehen, werde ich einen Überblick darüber geben, welche Motive Mitglieder für die Mitgliedschaft berichten, welche Auswirkungen sie erleben und welche Hürden sie wahrnehmen. Anschließend möchte ich konkrete Rahmenbedingungen ableiten, die Mitgliedern das Engagement erleichtern. 

Was motiviert zur SoLawi-Mitgliedschaft?

Umfragen unter SoLawi-Mitgliedern zeigen, dass die Beweggründe für die Mitgliedschaft vielfältig sind. Allen voran steht – wenig überraschend – der Zugang zu bestimmten Lebensmitteln: Mitglieder stellen als wichtigste Merkmale von SoLawi-Gemüse die Attribute frisch, regional, ökologisch und saisonal heraus, aber auch gesund, lecker, fair-bepreist und unverpackt (Brehm & Eisenhauer, 2008; Galt et al., 2017; Schrank & Running, 2018).

Viele Mitglieder treten einer SoLawi aber auch im Sinne eines nachhaltigen Lebensstils bei. Zum einen spielen klima- und umweltfreundliche Motive eine Rolle, die durch die in einer SoLawi typischerweise hohen ökologischen Standards angesprochen werden; zum anderen geht es den Mitgliedern auch darum, lokale Landwirt:innen zu unterstützen, die durch die SoLawi unabhängiger von Marktentwicklungen sind und so bessere Arbeitsbedingungen und fairere Löhne sicherstellen können (Brehm & Eisenhauer, 2008; Schrank & Running, 2018). Teilweise gibt es auch persönliche und soziale Beweggründe. So suchen manche Mitglieder in einer SoLawi nach Gemeinschaft und/oder erwarten, dass die Mitwirkung ihr persönliches Wohlbefinden stärkt (Brehm & Eisenhauer, 2008; Galt et al., 2017; Schrank & Running, 2018).

Interesse an einer SoLawi-Mitgliedschaft kann also sowohl durch individualistisch geprägte Motive entstehen, das heißt aus Sorge um das Wohlergehen von Einzelpersonen, als auch durch kollektivistisch geprägte Motive, das heißt aus Sorge um das Wohlergehen von Gemeinschaften (Schrank & Running, 2018). Dies deckt sich auch mit dem Umstand, dass sich das SoLawi-Konzept ursprünglich sowohl in den USA, einer typisch individualistischen Kultur, als auch in Japan, einer typisch kollektivistischen Kultur, entwickelt hat (siehe Bîrhală & Möllers, 2014).

Welche Auswirkungen erleben SoLawi-Mitglieder?

Aus Fallstudien mit SoLawi-Initiativen, in denen Mitglieder interviewt wurden, wissen wir, dass SoLawi-Mitglieder tatsächlich positive psychologische Auswirkungen erleben und Veränderungen in ihren Gewohnheiten feststellen. Sie berichten, dass sie sich durch die Mitgliedschaft gesünder, zufriedener, erholter und sozial eingebundener fühlen und dass sie einen starken Wissenszuwachs erfahren (Birtalan et al., 2020; Burke, 2022). Diese positiven Effekte auf das Wohlbefinden deuten darauf hin, dass ein SoLawi-Hof, ähnlich wie es in der Umweltpsychologie beispielsweise einem Wald oder einer Seenlandschaft zugeschrieben wird, als erholsame Umgebung dienen kann (siehe Burke, 2022), das heißt, dass dort potenziell Stress abgebaut wird und mentale Ressourcen wiederhergestellt werden. In Bezug auf Veränderungen alltäglicher Gewohnheiten beschreiben Mitglieder, dass sie durch die Mitgliedschaft stärker auf die Herkunft und Anbauweise von Lebensmitteln achten, häufiger frisch kochen und sich insgesamt gesünder und umweltbewusster ernähren (Bîrhală & Möllers, 2014; Birtalan et al., 2020; Burke, 2022; Galt et al., 2017; Moser & Bader, 2023).

In den von Mitgliedern berichteten Auswirkungen zeigt sich auch ein gesellschaftlicher Beitrag, den SoLawi im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation leisten kann: Konsument:innen, oder besser gesagt Prosument:innen, werden zu einer gesünderen und nachhaltigeren Ernährung bewegt und erleben zugleich persönliches Wohlbefinden und sozialen Zusammenhalt (siehe Blättel-Mink et al., 2017; Rommel et al., 2022).

Was macht es schwer, SoLawi-Mitglied zu sein?

Natürlich nehmen SoLawi-Mitglieder nicht nur Vorteile ihrer Mitgliedschaft wahr. In Umfragen, Interviews und Fokusgruppendiskussionen beschreiben sie auch Hürden und Herausforderungen dafür, engagiertes Mitglied der SoLawi-Gemeinschaft zu sein.

Zum einen geht die SoLawi-Mitgliedschaft mit bestimmten persönlichen Aufwänden und Einschränkungen einher. Dazu gehören naheliegenderweise die finanziellen Kosten für die Mitgliedschaft, die in einer SoLawi in der Regel im Voraus gezahlt werden müssen, aber auch der zeitliche Aufwand, den Abholung und Verarbeitung der Ernte sowie Mitwirkung bei der anfallenden Arbeit mit sich bringen (Birtalan et al., 2020; Galt et al., 2017).

Bild 3: In einer Solidarischen Landwirtschaft packen Mitglieder auf dem Acker mit an.Bild 3: In einer Solidarischen Landwirtschaft packen Mitglieder auf dem Acker mit an.

Als persönliche Einschränkung im Vergleich zum Einkauf im Supermarkt beschreiben Mitglieder aber auch, dass sie durch ihren festen Ernteanteil ein Stück weit auf ihre Freiheit bei der Lebensmittelauswahl verzichten und dass sie bestimmte Unannehmlichkeiten wie Druckstellen, Dreck oder Schädlinge am Gemüse hinnehmen müssen (Galt et al., 2017).

Zum anderen nehmen Mitglieder eine Reihe an strukturellen und organisatorischen Hürden für die Mitwirkung wahr. Weit entfernte, schlecht erreichbare SoLawi-Höfe und Verteilstationen sowie zu enge Zeitfenster für die Abholung werden als logistische Hürden empfunden (Bîrhală & Möllers, 2014; Galt et al., 2017; Moser & Bader, 2023). Außerdem fehlen manchen SoLawi-Mitgliedern transparente Informationen über die erwartbare Menge und Sortenauswahl der jeweiligen Ernteanteile oder über geplante Investitionen, Aktivitäten und Partizipations¬möglichkeiten (Galt et al., 2017; Zepeda et al., 2013). Weitere wahrgenommene Hürden sind die üblicherweise notwendige Zusage für ein ganzes Jahr und die in manchen SoLawis praktizierte Verpflichtung zur Mitarbeit (Buchholz, 2021; Zepeda et al., 2013). In manchen SoLawis können auch Wissens- und Kompetenzunterschiede unter den Mitgliedern sowie fehlende Augenhöhe zwischen Mitgliedern und Landwirt:innen eine soziale Barriere darstellen (Buchholz, 2021).

Durch Hürden wie diese scheint das SoLawi-Konzept dem eigenen Anspruch der Inklusivität nicht gerecht zu werden: Unter den SoLawi-Mitgliedern finden sich typischerweise überdurchschnittlich viele Menschen mit höherem Bildungsgrad und höherem Einkommen aus einem städtischen Umfeld (Blättel-Mink et al., 2017). 

Was erleichtert SoLawi-Mitgliedern, sich einzubringen?

Aus den Beweggründen der Mitglieder, den erlebten Auswirkungen und den wahrgenommenen Hürden und Herausforderungen lassen sich praktische Ansätze ableiten, wie SoLawi-Initiativen ihren Mitgliedern die Mitwirkung erleichtern können.

Niedrigschwellige und flexible Rahmenbedingungen machen die SoLawi-Mitgliedschaft einfacher und inklusiver: Eine solidarische Preisgestaltung mit individuellen Beiträgen kann bestimmten Personengruppen helfen, die finanzielle Hürden einer Mitgliedschaft zu überwinden (Buchholz, 2021; Galt et al., 2017). Dazu tragen auch eine flexiblere Mitgliedschaftsdauer und ein individuell wählbarer Zahlungsturnus bei. Gut angebundene Verteilstationen mit großzügigen Abholzeiten vereinfachen die Abholung für die Mitglieder (Bîrhală & Möllers, 2014; Galt et al., 2017; Moser & Bader, 2023). Die Möglichkeit, aus verschiedenen Anteilsgrößen zu wählen und bestimmte Sorten mit anderen zu tauschen, gibt den Mitgliedern gewisse Freiheiten in der generell relativ eingeschränkten Lebensmittelauswahl zurück (Schmidt, 2022).

Kommunikation und Austausch stärken das Vertrauen und das Gemeinschaftsgefühl unter den SoLawi-Mitgliedern: Mitglieder wünschen sich Informationen über die kommenden Ernten, Hintergründe zu weniger bekannten Sorten und Empfehlungen zur Zubereitung und Haltbarmachung, um das Konzept SoLawi in ihren Alltag integrieren zu können (Zepeda et al., 2013). Um gegenseitiges Vertrauen in der Gemeinschaft aufzubauen, ist es für Mitglieder wichtig, regelmäßig über die Anbaupraktiken und Entwicklungen auf dem SoLawi-Hof informiert zu werden, die Landwirt:innen und Angestellten zuverlässig kontaktieren zu können und mit anderen Mitgliedern in den Austausch zu kommen (Buchholz, 2021; Galt et al., 2017; Schmidt, 2022). Zu diesem Zweck bieten sich verschiedene Kommunikationskanäle an, wie E-Mail-Newsletter, Messenger-Dienste, digitale Plattformen und Präsenzversammlungen. Zusätzliche gemeinschaftliche Aktivitäten und Bildungsangebote wie Hoffeste, Kochkurse oder Gemüsebau-Workshops bieten Gelegenheit für soziales Miteinander, Wissensaustausch und Skill Sharing (Buchholz, 2021). Es ist anzunehmen, dass Maßnahmen wie diese auch die soziale Identität als Mitglied der SoLawi-Gemeinschaft stärken und dadurch zur Mitwirkung motivieren können (siehe Moser & Bader, 2023).

Kooperative und unterstützende Strukturen lassen Mitglieder Wirksamkeit erleben: Freiwillige statt verpflichtender Mitarbeit trifft grundsätzlich auf mehr Akzeptanz unter den Mitgliedern (Buchholz, 2021; Zepeda et al., 2013). Insbesondere bei gärtnerischen Aufgaben ist Anleitung und Unterstützung durch Landwirt:innen oder erfahrenere Mitglieder wichtig, damit Mitglieder dazulernen und sich als wirksamer Teil der Gemeinschaft erleben. Ein solches Gefühl partizipativer Wirksamkeit – ich als Mitglied trage zum Erreichen der Gruppenziele bei – steigert die Bereitschaft zur freiwilligen Mitwirkung in der SoLawi (Moser & Bader, 2023). Darüber hinaus braucht es Strukturen und Abläufe, die im Sinne der Selbstorganisation die Voraussetzungen für erfolgreiche Kooperation schaffen (siehe Ostrom, 1990). Zu den Ansätzen vieler SoLawis gehört es, flache Hierarchien und Augenhöhe zwischen den Landwirt:innen und Mitgliedern zu bewahren, die Mitglieder bei den Entscheidungen über Anbauplanung und Investitionen zu beteiligen, selbstorganisierte Verteilstationen und Arbeitsgruppen zu etablieren sowie Strukturen für Konfliktlösung aufzubauen (Buchholz, 2021; Rommel et al., 2022). Aus sozialpsychologischer Sicht liegt eine große Chance in kooperativen Strukturen: Je enger die Zusammenarbeit unter den SoLawi-Mitgliedern, desto eher kann sich auch positiver sozialer Einfluss besonders engagierter Mitglieder entfalten und wiederum andere Mitglieder zur Mitwirkung bewegen. 

SoLawi-Mitgliedschaft – eine Win-Win-Situation?

Eine SoLawi-Mitgliedschaft verbindet nachhaltige und gesunde Ernährung mit sinnstiftenden Erfahrungen und Gemeinschaftsgefühl. Die aktive Einbindung der Mitglieder ist ein Schlüsselelement einer stabilen SoLawi, aber alles andere als ein Selbstläufer. Flexible Rahmenbedingungen, lebendiger Austausch und gelungene Kooperation – Gelingensfaktoren wie diese bauen typische Mitwirkungshürden ab und können dazu beitragen, dass ein Mitglied sich einbringt und langfristig dabeibleibt (z. B. Buchholz, 2021; Galt et al., 2017). Im Einklang mit umweltpsychologischer Theorie zum kollektiven Handeln (Fritsche et al., 2018) ist auch das Engagement eines SoLawi-Mitglieds eng daran geknüpft, inwieweit es sich mit der SoLawi-Gemeinschaft identifiziert und eigene Beiträge zum Erreichen der gemeinsamen Ziele erlebt (Moser & Bader, 2023). In einer funktionierenden SoLawi erfährt ein engagiertes Mitglied positive Auswirkungen auf den eigenen Lebensalltag und die SoLawi-Gemeinschaft wiederum einen gestärkten sozialen Zusammenhalt (siehe Rommel et al., 2022).

Die hier skizzierte, idealtypische Form hat gesellschaftlich ein hohes Transformationspotenzial: SoLawi kann als Nischeninnovation nicht nur Konsument:innen in Verbindung mit Herkunft und Anbauweise ihrer Lebensmittel bringen, sondern potenziell auch die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe sichern, Regionen beleben und Bodengesundheit sowie Biodiversität schützen (siehe Rommel et al., 2022). Ob und wie genau dies in bestimmten Regionen gelingen kann, erfordert praxisnahe Forschung aus verschiedenen Disziplinen. Insbesondere Regionen des globalen Südens sind in der Literatur bisher stark unterrepräsentiert und so bleibt auch die Aussagekraft dieses Artikels auf SoLawi in Europa und Nordamerika beschränkt.

Wer selbst Interesse an einer SoLawi-Mitgliedschaft hat, kann die nächste SoLawi über eine praktische, interaktive Karte ausfindig machen, die das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft unter https://www.solidarische-landwirtschaft.org/solawis-finden/karte zur Verfügung stellt.

Literaturverzeichnis

Bîrhală, B., & Möllers, J. (2014). Community supported agriculture: Is it driven by economy or solidarity? Discussion Paper, Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Halle (Saale), 144(1), 1-72. http://hdl.handle.net/10419/92936

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Blättel-Mink, B., Boddenberg, M., Gunkel, L., Schmitz, S., & Vaessen, F. (2017). Beyond the market-New practices of supply in times of crisis: The example community-supported agriculture. International Journal of Consumer Studies, 41(4), 415-421. https://doi.org/10.1111/ijcs.12351

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