Editorial zur Themenausgabe: "Mind the Gap: Psychologie der Klimakrise"

„Denn sie tun nicht, was sie wissen“ – dieser Buchtitel von Annett Entzian nach einem Zitat von Robert Jungk bringt die Kluft zwischen Wissen und Handeln in der Klimakrise auf den Punkt: Obwohl die Begrenztheit der planetaren Systeme offensichtlich ist, schreiten die globale Klimakrise sowie die Biodiversitätskrise weiter voran. Während die Auswirkungen immer spürbarer werden, wird dennoch auf allen Ebenen zu wenig unternommen, um der Hauptherausforderung des 21. Jahrhunderts adäquat zu begegnen.

Die Klimakrise löst bei Menschen eine Vielzahl unterschiedlicher Haltungen aus:  von Leugnung und Verdrängung, über "business as usual" und „Normalitätssimulation“, bis hin zu großer Verunsicherung und mitunter Verzweiflung. Es gibt jedoch auch Menschen, die den Status quo in Frage stellen, den Mut haben, sich persönlich zu verändern und sich für politische Veränderungen zu öffnen, und sogar aktiv in politisches Engagement und Protest eintreten.

Vor etwa drei Jahren haben Laura Loy und Gerhard Reese schon einmal ein In-Mind Themenheft zu Psychologie und Umweltschutz herausgebracht. Mit zwei neuen Themenheften möchten wir nun daran anknüpfen. Denn seitdem hat sich nicht nur die Krise weiter zugespitzt. Auch die psychologische Forschung zu den Themenkomplexen Klimakrise, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Transformation hat sich weiterentwickelt. Diese neuen Entwicklungen und Erkenntnisse möchten unsere Autorinnen und Autoren Ihnen näherbringen.

Den Auftakt im ersten Themenheft machen zwei Artikel zur emotionalen Dimension der Klimakrise. Markus Kleinhansl und Lara Ditrich beleuchten in ihrem Beitrag Sorge und Ärger, Hoffnung und Stolz: Welche Klimagefühle gibt es und wie hängen sie mit unserem Verhalten zusammen? wie klimarelevante Emotionen entstehen und wie sie mit umweltfreundlichem Verhalten zusammenhängen. Dabei wird klar, dass Menschen nicht nur unangenehme Gefühle wie z. B. Sorge, Trauer, Ärger (über die untätige Politik) und Schuldgefühle (über eigene Klimasünden) empfinden, sondern auch Mitgefühl, Stolz und Hoffnung. Die Autor:innen betonen, wie wichtig es ist, dass Menschen diese unterschiedlichen Gefühle an sich wahrnehmen, akzeptieren und nicht verdrängen. Denn nur Gefühle, über die man auch spricht, können gemeinsame Handlungen anstoßen.

Julia Asbrand, Felix Peter, Claudia Calvano, Lea Dohm widmen sich anschließend der emotional besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe der Kinder und Jugendlichen in der Klimakrise. In Klimastress wird Alltag: Wie können Kinder unterstützt werden? zeigen sie verschiedene Bewältigungsstrategien und Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche auf, wobei der sinnfokussierten Bewältigung und der sozialen Unterstützung eine besonders wichtige Rolle zukommt.

Neben der besseren Berücksichtigung bestimmter, besonders vulnerabler Zielgruppen besteht eine weitere wichtige Stoßrichtung der aktuellen umweltpsychologischen Forschung darin, soziale Ungleichheiten und kulturelle Unterschiede stärker in den Blick zu nehmen. Genau dies tun Birte Siem und Iniobong Essien in ihrem Beitrag „Weiß und gebildet?“ Auf dem Weg zu einer divers(er)en Klimaschutzbewegung. Die Autor:innen gehen psychologischen Gründen für die paradoxerweise geringe Diversität der Klimaschutzbewegung nach und liefern wichtige Anstöße und Ansatzpunkte zu ihrer Erhöhung.

Da der Klimawandel ein globales Problem darstellt und vor allem durch kollektive, internationale Kooperation bewältigt werden kann, stellen sich Loy und Reese die Frage, inwieweit eine ausgeprägte globale Identität zum Klimaschutz beitragen kann. In Global verbunden, global aktiv? Wie eine globale Identität mit Klimaschutz zusammenhängt geben sie einen Überblick darüber, wie eine globale Identität entsteht und gefördert werden kann, warum sich Menschen mit ausgeprägter globaler Identität für den Umweltschutz engagieren, und worin die Grenzen der globalen Identität beim Klimaschutz bestehen.

Zwar ist das Wissen um die Klimakrise und die damit zusammenhängenden Risiken mittlerweile weit verbreitet und der wissenschaftliche Konsens sehr hoch. Dennoch gehen viele Menschen Falschinformationen und manche sogar Verschwörungstheorien zum Klimawandel auf dem Leim. In ihrem Beitrag Der Kampf gegen Windmühlen: Wie Verschwörungstheorien den Klimaschutz behindern und was man dagegen tun kann zeigen Kevin Winter und Lotte Pummerer auf, wie der Glaube an solche Theorien das Verhalten und die Einstellungen zur Klimapolitik beeinflussen kann. Am Beispiel Windenergie illustrieren sie einerseits, wie Verschwörungsglaube und -mentalität lokale Widerstände gegen Umweltprojekte verstärken kann, zeigen aber auch das Potential präventiver Maßnahmen auf, wie etwa die Warnung vor Falschinformationen und das Bereitstellen fundierter Informationen.

Dass klimarelevante Erkenntnisse und Botschaften auch bei den Empfänger:innen ankommen ist also keine Selbstverständlichkeit. Abschließend beleuchten Jana Dreston und Luna Frauhammer in Wer, wie, was - Klimakommunikation in Deutschland die Herausforderungen der Klimakommunikation. Sie stellen vier Strategien zur effektiven Kommunikation über den Klimawandel vorgestellt: die Verwendung von Narrativen, emotionalen Botschaften, Bezugnahme auf soziale Normen und Framing. Zudem werden fünf deutsche Zielgruppen bezüglich ihrer Einstellungen zum Klimawandel beschrieben, wobei unterschiedliche Medien und Botschaften für jede Gruppe empfohlen werden.

Wir wünschen allen In-Mind-Leser:innen interessante Einblicke in die Klimapsychologie und bedanken uns bei allen Beitragenden des Themenhefts ganz herzlich für ihr Engagement in der Wissenschaftskommunikation. Im zweiten Themenheft werden wir sechs weitere Artikel bündeln. Unter anderem wird es dann auch um das Zusammenspiel zwischen individuellen psychologischen Prozessen und politischen sowie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehen.

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