„Weiß und gebildet?“ Auf dem Weg zu einer divers(er)en Klimaschutzbewegung

Vorfälle wie der um die ugandische Aktivistin Vanessa Nakate, die aus einem Gruppenfoto mit anderen Klimaschutzaktivist:innen herausgeschnitten wurde, sind sinnbildlich für die Annahme, Klimaschutz wäre vor allem ein Anliegen weißer Menschen. Wir beschreiben in diesem Beitrag mögliche (sozial-)psychologische Erklärungen für die geringe Diversität im Klimaschutz sowie Ansätze, um die Diversität zu erhöhen.

Anfang 2020 ging ein Foto von Klimaschutzaktivist:innen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos durch die Medien, aus dem Vanessa Nakate, eine ugandische Aktivistin und die einzige BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) auf dem Foto, von einer Nachrichten- und Presseagentur herausgeschnitten worden war. Andere Nachrichtenseiten verwendeten wiederum ein Foto mit Vanessa Nakate, wiesen diese aber fälschlicherweise als Natasha Mwansa, einer Klimaschutzaktivistin aus Sambia, aus. Eine Reihe ähnlicher Vorfälle ist bekannt, die zusammengenommen eine anhaltende Debatte um die Fragen ausgelöst bzw. wiederbelebt haben, warum Klimaschutz oftmals vornehmlich als ein Anliegen weißer Personen wahrgenommen wird und mit welchen Barrieren sich BIPoC in ihrem Engagement konfrontiert sehen. Tatsächlich entsteht beim Blick auf Aktivist:innen und Initiativen in Deutschland und im globalen Norden der Eindruck, Klimaschutz wäre vor allem weißen Personen vorbehalten. In ähnlicher Form wird die Bewegung von gebildeten Personen der Mittelschicht dominiert, während Personen mit niedrigerem sozioökonomischem Status deutlich unterrepräsentiert sind (z. B. Sommer et  al., 2019)Bild 1: Auch in Deutschland sind BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status in der Klimaschutzbewegung unterrepräsentiert.Bild 1: Auch in Deutschland sind BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status in der Klimaschutzbewegung unterrepräsentiert.

Der Beitrag gliedert sich in drei Teile. Zunächst werden unter Bezugnahme auf sozialpsychologische Forschung verschiedene Mechanismen dargestellt, die die vergleichsweise geringe Diversität im Klimaschutz, insbesondere die Unterrepräsentanz von BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status, erklären können.* Anschließend wird die Problematik einer geringen Diversität in der Klimaschutzbewegung aus einer Klimagerechtigkeits-Perspektive analysiert. Ein abschließender Teil widmet sich verschiedenen Strategien, die dazu beitragen können, Diversität im Klimaschutz zu erhöhen.

Psychologische Erklärungsansätze für geringe Diversität in der Klimaschutzbewegung

Die (sozial-)psychologischen Forschung bietet verschiedene Erklärungen dafür, warum BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status in der Klimaschutzbewegung unterrepräsentiert sind. Wir gehen hier insbesondere auf die Bedeutung von Stereotypen, d. h. der Zuschreibung von Eigenschaften gegenüber sozialen Gruppen und ihren Mitgliedern, und von erlebter bzw. befürchteter Diskriminierung ein.

In westlichen Gesellschaften hält sich hartnäckig das Stereotyp, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status weniger besorgt um die Umwelt und den Klimawandel sind als weiße Personen aus der Mittelschicht. Dazu tragen auch mediale Darstellungen bei, in denen diese Personengruppen wie im Eingangsbeispiel aus Klimaschutzkontexten ausgeklammert werden oder sogar klischeehaft mit umweltschädigendem Verhalten wie z. B. Vermüllung in Verbindung gebracht werden (Bonam et al., 2016). Tatsächlich konnte aber vielfach gezeigt werden, dass diese Annahme unzutreffend ist. So legen Forschungsbefunde nahe, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status in den USA sogar höhere Klimawandel- und Umweltsorge berichten als weiße Personen und Personen mit höherem sozioökonomischem Status (Pearson et al., 2018). Diese Konstellation kann sich verschiedentlich auf die Diversität von Klimaschutzbewegungen auswirken.

Erstens kann das Stereotyp, BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status seien weniger besorgt um das Klima, verhindern, dass Angehörige dieser sozialen Gruppen überhaupt als potentielle Akteur:innen der Klimaschutzbewegung wahrgenommen werden und somit weniger Ziel aktiver Rekrutierungsbemühungen werden (z. B. in Kampagnen).

Zweitens kann das Stereotyp dazu führen, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status selbst eine geringere soziale Norm innerhalb ihrer Gruppen wahrnehmen, sich um die Umwelt und den Klimawandel zu sorgen. Wahrgenommene Gruppennormen, also wahrgenommene Regeln, welche Einstellungen und Verhaltensweisen innerhalb einer sozialen Gruppe verbreitet und erwünscht sind, stellen wiederum einen wichtigen Beweggrund für die Bereitschaft zu klimaschützendem Verhalten dar (Masson & Fritsche, 2014). Entscheidend für das Verständnis dieses Zusammenhangs ist, dass nicht nur weiße Personen aus der Mittelschicht das Stereotyp hegen, BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status seien weniger besorgt um den Klimawandel, sondern auch Angehörige dieser Gruppen selbst (Pearson et al., 2018). BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status können also selbst den Eindruck haben, dass Sorge um die Umwelt eine Angelegenheit der weißen Mittelschicht sei und dadurch weniger motiviert sein, sich einer Klimaschutzbewegung anzuschließen (Pearson et al., 2018).

Drittens kann das Stereotyp auch dazu beitragen, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status sich als „Außenseiter:innen“ innerhalb ihrer Eigengruppe fühlen. Passend dazu sind Forschungsbefunde, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status sich selbst als stärker um die Umwelt und den Klimawandel besorgt wahrnehmen als sie dies für ihre Gruppe im Allgemeinen annehmen (z. B. Pearson et al., 2018). Es handelt sich dabei also um eine geteilte Fehlwahrnehmung: Personen gehen fälschlicherweise davon aus, dass die anderen Gruppenmitglieder ihre persönliche Sorge um den Klimawandel nicht teilen. Dies kann wiederum dazu führen, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status klimabezogene Themen vermeiden, um (fälschlicherweise) angenommenen negativen Bewertungen durch andere Eigengruppenmitglieder vorzubeugen. Tatsächlich sprechen empirische Befunde für diese Prozesse: Personen, die davon ausgingen, dass die Mehrheit ihrer Gruppe ihre persönliche Sorge um den Klimawandel nicht teilt, versuchten dieses Thema in Diskussionen mit anderen Personen aus der Gruppe zu vermeiden (Geiger & Swim, 2016). Es ist gut vorstellbar, dass dieser sich selbst verstärkende Kreislauf dazu beiträgt, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status andere Eigengruppenmitglieder nicht als potenzielle Mitstreiter:innen erkennen und somit ein wichtiges kollektives Potenzial in der Klimaschutzbewegung ungenutzt bleibt.

Viertens kann das Stereotyp auch dazu beitragen, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status sich selbst als untypisch für die Klimaschutzbewegung wahrnehmen und deshalb befürchten, in aktivistischen Kreisen Außenseiter:innen zu sein. 

Darüber hinaus ist anzunehmen, dass erlebte oder befürchtete Diskriminierung (im Sinne einer negativen Behandlung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer negativ stereotypisierten Gruppe) innerhalb der Klimaschutzbewegung als Teil einer von Rassismus und Klassismus betroffenen Gesellschaft ein weiterer relevanter Faktor für die Unterrepräsentanz von BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status ist. Zwar existieren unseres Wissens nach bisher keine empirischen Studien, die sich explizit mit dem Erleben von Diskriminierung in der Klimaschutzbewegung beschäftigt haben, es finden sich aber verschiedene anekdotische Berichte sowie Studien aus angrenzenden Feldern. So berichten BIPoC-Studierenden auch in Studiengängen zur ökologischen Nachhaltigkeit von Erfahrungen systemischen Rassismus (z. B. in Form von Diskriminierung), die zu Gefühlen von Isolation und Exklusion beitragen (Schusler et al., 2021). Befunde zu den Konsequenzen von erfahrenem Alltagsrassismus in Organisationen legen nahe, dass derartige Erfahrungen dazu führen könnten, dass BIPoC ihr Engagement abbrechen (z. B. Cortina et al., 2011). Dabei muss die Diskriminierung nicht unbedingt innerhalb der Klimaschutzbewegung stattfinden: Auch in anderen Lebensbereichen erlebte oder von anderen weiterkommunizierte Erfahrungen von Diskriminierung kann dazu beitragen, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status Klimaschutzorganisationen oder -gruppen meiden, die von Personen der weißen Mehrheitsgesellschaft dominiert werden.

Das immer noch gängige Stereotyp, dass BIPoC und Personen mit geringem sozioökonomischem Status weniger um den Klimawandel besorgt sind, kann also dazu führen, dass diese Personengruppen gar nicht erst als potenzielle Akteur:innen erkannt und rekrutiert werden („Die müssen wir gar nicht erst fragen!“), diese Personengruppen die Sorge um die Umwelt selbst nicht als relevante Eigengruppennorm wahrnehmen („Das ist eher deren und weniger unsere Sache!“), sich selbst als Einzelkämpfer:innen innerhalb ihrer Gruppe wahrnehmen („Ich stehe mit dem Thema in meiner Gruppe allein da!“) und sich selbst in aktivistischen Kreisen als Außenseiter:innen wahrnehmen („Ich passe hier nicht rein!“). Zusammen mit möglichen Diskriminierungserfahrungen oder -befürchtungen innerhalb der Klimaschutzbewegung können diese Prozesse zur Unterrepräsentanz dieser Gruppen beitragen.

Klimagerechtigkeit und geringe Diversität in der Klimaschutzbewegung- Ein Paradoxon

Die Problematik der Unterrepräsentanz von BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status in der Klimaschutzbewegung wird vor allem dann deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, wer am ungeschütztesten und am stärksten von den negativen Klimawandelfolgen betroffen ist. Weltweit sind dies insbesondere von Armut betroffene, nicht-weiße Menschen und damit die, die am wenigsten verantwortlich für den Klimawandel sind (Lewis et al., 2021; Pearson et al., 2021). So produziert der globale Norden bedeutsam mehr CO2 als der globale Süden, gleichzeitig sind aber die Länder im globalen Süden überproportional stark von den Klimawandelfolgen betroffen. Ähnlich produzieren weltweit die reichsten 1 % der Menschen zusammen genommen 15 % aller CO2 Emissionen und damit etwa anderthalbmal so viel CO2 wie die ärmsten 50 % (Bruckner et al., 2022). Und es leiden auch innerhalb des globalen Nordens insbesondere Regionen (z. B. Stadtviertel) unter den negativen Folgen, in denen überwiegend Menschen aus gesellschaftlich benachteiligten Gruppen leben. So zeigen Forschungsarbeiten aus den USA, dass Hurricanes die größten Schäden in Stadtvierteln anrichten, in denen vornehmlich BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status leben, und auch Hitzewellen sich ärmeren Stadtvierteln besonders bemerkbar machen, weil dort oftmals Begrünung und Vegetation fehlt (z. B. Schell et al., 2020). In Deutschland ist derartige Forschung noch rar, erste Befunde lassen aber eine ähnlich ungerechte sozialräumliche Verteilung der Klimawandelfolgen vermuten (z. B. Ituen & Hey, 2021). Bild 2: Menschen in Stadtvierteln ohne gleichmäßige Begrünung mit Baumbestand sind besonders von Hitzewellen betroffen. Bild 2: Menschen in Stadtvierteln ohne gleichmäßige Begrünung mit Baumbestand sind besonders von Hitzewellen betroffen.

Vertreter:innen des Konzepts der Klimagerechtigkeit streben an, dass Lasten und Chancen des Klimawandels global und auch innerhalb einzelner Regionen und zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gerecht verteilt werden und bisherige Ungerechtigkeiten bei klimapolitischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Dies erfordert nicht nur Verteilungsgerechtigkeit (indem z. B. Kosten für Klimaschutzmaßnahmen gerecht zwischen verschiedenen und innerhalb von Ländern verteilt werden) und Wiedergutmachungsgerechtigkeit (indem die überproportionale Belastung durch Klimawandelfolgen für bestimmte Länder, Regionen und Bevölkerungsgruppen ausgeglichen wird), sondern auch prozedurale Gerechtigkeit (z. B. Pearson et al., 2021). Letztere erfordert, dass insbesondere Personengruppen, die besonders von den negativen Folgen betroffen sind, im Klimaschutz und bei klimapolitischen Entscheidungen eine aktive Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund erscheint die bisherige Unterrepräsentanz von BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status in der Klimaschutzbewegung geradezu paradox.

Psychologische Strategien zur Erhöhung der Diversität in der Klimaschutzbewegung

Die Erhöhung der Repräsentanz von BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status in der Klimaschutzbewegung kommt nicht nur der Forderung nach prozeduraler Gerechtigkeit nach, sondern ist für eine Eindämmung der negativen Klimawandelfolgen tatsächlich unerlässlich: Als eine globale Krise erfordert der Klimawandel weltweites, kollektives Handeln möglichst vieler Menschen über die Grenzen sozialer Gruppen hinweg (Lewis et al., 2021). Darüber hinaus ermöglicht eine Erhöhung der Diversität, Grenzen entlang von Kategorien wie Weißsein und sozioökonomischem Status in der Gesellschaft in den Hintergrund und dafür Gemeinsamkeiten zwischen Gruppen (z. B. das gemeinsame Anliegen Klimaschutz) in den Vordergrund treten zu lassen. Dabei ist es allerdings wichtig, dass die ursprünglichen Gruppenzugehörigkeiten nicht völlig ausgeblendet werden (nach dem Motto „Wir sind alle gleich!“), da dies die Gefahr birgt, dass weiterhin bestehende gesellschaftliche Diskriminierung sozial benachteiligter Gruppen nicht mehr thematisiert und angegangen wird (Ansatz der dualen Identität, Banfield & Dovidio, 2013).

Eine höhere Diversität im Klimaschutz bringt also eine Reihe von Vorteilen mit sich. Im Folgenden beschäftigen wir uns daher mit zwei ausgewählten (sozial-)psychologischen Ansätzen, die Hinweise geben, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

Aus verschiedenen Forschungsbereichen ist bekannt, dass eine diversitätssensible Außendarstellung von Organisationen (z. B. in Form eines Pro-Diversity-Statements im Webauftritt eines Unternehmens) eine effektive Strategie sein kann, um eine Organisation für Mitglieder bisher unterrepräsentierter Gruppen attraktiver zu machen. Darüber hinaus scheint damit auch dem Stereotyp, BIPoC seien weniger besorgt um den Klimawandel als weiße Menschen, entgegengewirkt zu werden: Beispielsweise zeigten Pearson et al. (2018) in ihrer Studie, dass bei BIPoC, die zuvor einen Webauftritt einer fiktiven Umweltorganisation gesehen hatten, der Diversität explizit positiv hervorhob und auch nicht-weiße Beschäftigte zeigte, dieses Stereotyp geringer ausgeprägt war, als bei BIPoC, die sich einen Webauftritt angeschaut hatten, der Diversität nicht explizit positiv hervorhob und die Beschäftigten ausschließlich als weiß darstellte.

Derartige Strategien können also nicht nur dazu beitragen, dass sich unterrepräsentierte Gruppen in Organisationen willkommen fühlen, sondern über die Vermittlung der Norm „Klimaschutz ist sehr wohl unser Anliegen!“ Personen als Mitglieder der Bewegung mobilisieren, die sich bislang an der falsch wahrgenommenen Norm orientiert haben. Damit eine solche Strategie wirksam ist, ist es aber wichtig, das Motto „Taten sprechen lauter als Worte“ zu verfolgen. So legen Forschungsbefunde nahe, dass ein Pro-Diversity-Statement einer Organisation bei Mitgliedern unterrepräsentierter Gruppen eher Misstrauen weckt und den negativen Beigeschmack von „Diversity Washing“ bekommt, wenn die Wertschätzung von Diversität nicht auch ganz klar in den Regularien und Strukturen des Unternehmens (z. B. in Form einer klaren Anti-Diskriminierungs-Politik oder Diversität auf der Leitungsebene und einer diversen Belegschaft erkennbar ist (Windscheid et al., 2016). In einem solchen Fall sollten Organisationen den Mangel an Diversität klar als Defizit benennen und glaubhaft Schritte aufzeigen, wie Diversität erhöht werden kann (z. B. Windscheid et al., 2018).

Ein weiterer diversitätsförderlicher Ansatzpunkt liegt in einer stärkeren Fokussierung auf Fragen der Klimagerechtigkeit innerhalb der Klimaschutzbewegung. Forschung zeigt, dass BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status Umwelt- und Klimaschutz stärker in Verbindung mit Themen wie sozialer Ungleichheit, Rassismus und Armut sehen als weiße Personen aus der Mittelschicht (Song et al., 2020). Eine klare Berücksichtigung dieser Themen und die explizite Verknüpfung ökologischer Ziele (z. B. Reduzierung des CO2-Ausstoßes) mit sozialen Zielen (z. B. Armutsreduktion) kann dazu beitragen, dass bisher unterrepräsentierte Gruppen sich und ihre Ziele in der Bewegung wiedererkennen. Klimagerechtigkeit wird bereits von verschiedenen Bewegungen als Ziel formuliert. Der Fokus scheint bisher aber v. a. auf der Übernahme der Verantwortung durch Länder des globalen Nordens für die Klimawandelfolgen im globalen Süden zu liegen, während die Tatsache, dass auch im globalen Norden bestimmte Bevölkerungsgruppen überproportional von den Auswirkungen betroffen sind, von (deutschen) Klimaschutzbewegungen weniger in den Blick genommen wird.

Das konsequente Verfolgen einer Klimagerechtigkeitsperspektive beinhaltet darüber hinaus auch, dass Mitglieder sozial privilegierter Gruppen (z. B. weiße Personen mit einem höheren sozioökonomischem Status) Privilegien aufgeben und Statusverluste in Kauf nehmen (z. B. durch die Abgabe höherer Steuern, um darüber negative Klimawandelfolgen insbesondere für sozial benachteiligte Gruppen auszugleichen). Eine konkrete Formulierung derartiger „Umverteilungs-Ziele“ kann weiter dazu beitragen, dass sich BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status von der Klimaschutzbewegung stärker angesprochen fühlen (Radke et al., 2021). Alternativ ist es denkbar, eine stärkere Verzahnung ökologischer mit sozialen Zielen durch Koalitionen von primär ökologisch orientierten Klimaschutzinitiativen mit anderen aktivistischen Bewegungen zu erreichen, bei denen soziale Gerechtigkeit stärker priorisiert wird (z. B. Bündnisse gegen Rassismus oder für gerechtere Einkommensverteilung).Bild 3: Klimagerechtigkeit wird zunehmend von Klimaschutzbewegungen als Ziel formuliertBild 3: Klimagerechtigkeit wird zunehmend von Klimaschutzbewegungen als Ziel formuliert

Fazit

„Klimaschutz muss diverser werden!“ Viele im Klimaschutz Engagierte würden dem zustimmen. Nicht nur, weil für den Klimaschutz so viele Menschen wie möglich ins Boot geholt werden müssen, sondern auch, weil die Unterrepräsentanz gerade der Personen, die am stärksten von den negativen Klimawandelfolgen betroffen sind, zunehmend als Problem erkannt wird. Im vorliegenden Beitrag werden verschiedene Barrieren für die Beteiligung von BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status im Klimaschutz aufgezeigt und daraus Ansätze zur Erhöhung der Diversität abgeleitet. Abschließend ist es wichtig zu betonen, dass die Repräsentanz von Menschen aus gesellschaftlich benachteiligten Gruppen im Sinne eines systemischen Ansatzes auch in anderen Bereichen erhöht werden muss. So könnte z. B. auch eine höhere Diversität im Journalismus (z. B. über diversitätssensiblere Berichterstattungen) oder in der Klimaschutzforschung (z. B. über das Setzen anderer Forschungsschwerpunkte) einen wichtigen Beitrag zur Widerlegung bestehender Stereotype und damit zu einer diverseren Klimaschutzbewegung leisten.

* BIPoC sind häufig auch gleichzeitig Personen mit niedrigerem sozioökonomischem Status (z. B. weil BIPoC häufiger von Armut bedroht sind als weiße Personen), für einen substantiellen Teil gibt es diese Überschneidung aber nicht. Daher meinen wir im Artikel mit „BIPoC und Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status“ immer Personen, die einer der beiden Gruppen oder auch beiden Gruppen zugleich angehören.

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