Pflanzliche, insektenbasierte oder kultivierte Fleischalternativen – Warum konsumieren wir diese (nicht)?
Fleischalternativen sind aus den Supermarktregalen nicht mehr wegzudenken. Während sich der Konsum pflanzlicher Alternativen längst etabliert hat, steht der Verzehr von Insekten und zukünftig auch kultiviertem Fleisch vor großen Herausforderungen. Welche Faktoren treiben Menschen zum Konsum von Fleischalternativen? Und warum fällt es vielen noch so schwer, Fleisch zu ersetzen? Persönliche Werte, die Wahrnehmung der Produkte und soziale Einflüsse spielen eine entscheidende Rolle bei der Wahl unserer Lebensmittel – insbesondere bei der Entscheidung, bekannte Produkte durch Alternativen zu ersetzen. Daher beleuchten wir in diesem Artikel psychologische Faktoren, die den Konsum von Fleischalternativen fördern oder hemmen – und welche Hürden es noch zu überwinden gilt.
Bild 1: Potenzielles Szenario für einen zukünftigen Supermarktbesuch
Haben Sie schon einmal einen Veggieburger probiert, sich an einen Insektenburger gewagt oder sogar mal über kultiviertes Fleisch aus dem Labor nachgedacht? Vielen fällt es nicht leicht, Fleisch aus der Ernährung zu streichen. Warum ist das so? Die Entscheidung, entweder Fleisch zu essen oder bewusst darauf zu verzichten, ist oft komplex. Psychologische Faktoren spielen dabei eine große Rolle. Gesellschaftliche Traditionen und der Genuss motivieren Menschen zum Fleischkonsum, während Bedenken hinsichtlich der Gesundheit, des Tierwohls und der Nachhaltigkeit Menschen zum Verzicht führen (Hopwood et al., 2020). Auch, wenn vielen Menschen das Wohl der Tiere wichtig ist und sie wissen, dass Tiere für ihren Konsum sterben müssen, essen sie weiterhin Fleisch. Menschen haben Strategien entwickelt, um die moralischen Konsequenzen ihres Fleischkonsums auszublenden, das sogenannte „Fleischparadox“ (Bastian & Loughnan, 2017; Buttlar & Walther, 2020). Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Fleischparadox findet sich im In-Mind-Artikel von Buttlar und Walther (2020).
Alternativen zum Fleischkonsum, wie Schnitzel, Burger oder Aufschnitte, gibt es zahlreiche: Ein Gang durch so gut wie jeden Supermarkt zeigt, dass diese nicht mehr aus dem Sortiment wegzudenken sind. Grundsätzlich zielen Fleischersatzprodukte darauf ab, hinsichtlich Optik, Textur und Geschmack ähnlich zu konventionellen Fleischprodukten zu sein. Pflanzliche Fleischalternativen basieren häufig auf Soja- oder Weizenprotein. Beispiele für traditionelle pflanzliche Fleischalternativen sind hingegen Tofu und Tempeh (Sojabohnenbasis) sowie Seitan (Weizenbasis). Diese wurden ursprünglich nicht mit dem Ziel entwickelt, Fleisch zu imitieren, sondern stellen eigenständige Produkte dar. Es gibt aber auch verarbeitete Alternativen auf der Basis von Hülsenfrüchten wie Erbsen oder Linsen. Die Herstellung von pflanzlichen Fleischalternativen verursacht, abhängig von Anbau und Verarbeitung, oft nur ein Drittel der Treibhausgase im Vergleich zu Hühnerfleisch – bei Schweine- und Rindfleisch ist der Unterschied noch deutlicher (Jetzke et al., 2019).
Vor ein paar Jahren war es zeitweise auch möglich, insektenbasierte Alternativprodukte wie einen Burgerpatty mit gemahlenen Insekten im Supermarkt zu kaufen. Nachdem die ersten Insektenarten im Jahr 2021 als Nahrungsmittel für den EU-Markt zugelassen wurden, steigt die Anzahl zugelassener Arten stetig an. Wenn ein Burgerpatty gemahlene Insekten enthält, muss dies durch die Nennung des lateinischen und deutschen Artnamens des Insekts sowie einer Angabe der Verarbeitungsform auf der Verpackung gekennzeichnet werden (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2023). Insekten werden nicht als „klassisches“ Fleischersatzprodukt angesehen, da sie unverarbeitet weder im Aussehen noch im Geschmack Fleisch ähneln. Vielmehr sind Insekten eine alternative Proteinquelle zu konventionellem Fleisch. Ihr essbarer Anteil ist mit 80 % deutlich höher als beispielsweise der eines Rindes (40 %; Fiebelkorn, 2017). Insektenbasierte Nahrungsmittel haben eine bessere Treibhausgasbilanz als Rind- und Schweinefleisch, wobei die genauen Umweltauswirkungen von der Insektenart abhängen (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2023). Der Verzehr von insektenbasierten Lebensmitteln hat sich in Deutschland trotz der genannten Vorteile allerdings bisher nicht etabliert.
Neben den beiden genannten Produktarten könnte zukünftig eine weitere Fleischalternative im Supermarkt verfügbar sein, welcher sehr großes Potenzial zugesprochen wird: Kultiviertes Fleisch. Expert:innen prognostizieren, dass bereits in 15 Jahren ein Drittel der Marktanteile von konventionellem Fleisch vom kultivierten Äquivalent übernommen werden könnten. Im Vergleich zu pflanzlichen Fleischersatzprodukten soll kultiviertes Fleisch dieselben Nährwerte, dieselbe Textur sowie denselben Geschmack wie Fleisch haben, sodass es ein biologisches Äquivalent darstellt. Zur Herstellung von kultiviertem Fleisch werden Methoden der Zell- und Gewebekulturtechnik verwendet: Die Grundlage bilden meist tierische Muskelzellen, die mit einem Nährmedium in einen Bioreaktor gegeben werden, in welchem sie sich zunächst vermehren und anschließend zu Gewebe entwickeln können. Die Herstellung von einem Kilo Rindfleisch aus Zellkulturen benötigt voraussichtlich weniger Ressourcen als die Herstellung von konventionellem Rindfleisch (z. B. rund 94 % weniger Fläche) bei gleichwertigen Nährwerten. Hierfür arbeitet eine Reihe von Unternehmen an der Entwicklung von kultiviertem Fleisch und Fisch (Fiebelkorn et al., 2022).
Treiber und Barrieren für den Konsum von Fleischalternativen
Trotz der Fortschritte in der Entwicklung und Optimierung von Fleischalternativen betrug der Konsum von Fleisch(-produkten) in Deutschland im Jahr 2023 noch ca. 53 kg pro Person (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2025). Gleichzeitig steigt das Interesse an pflanzlichen, aber auch an neuartigen Fleischalternativen stetig an.
Pflanzliche Fleischalternativen
2023 wurden im Vergleich zum Vorjahr 17 % mehr pflanzliche Fleischalternativen produziert (Statistisches Bundesamt, 2024). Auch der Konsum pflanzlicher Alternativen ist in den vergangenen Jahren angestiegen, was sowohl auf personen- als auch produktbezogene Faktoren zurückzuführen ist. Persönliche Motive bei der Lebensmittelauswahl wie die Natürlichkeit der Produkte und das Wohlergehen der Tiere sowie Umwelt haben einen positiven Einfluss auf den Konsum pflanzlicher Alternativen (Hoek et al., 2011; Michel et al., 2021). Außerdem fördert die Vertrautheit mit pflanzlichen Fleischersatzprodukten den Konsum. Hinzukommend spielt das soziale Umfeld eine Rolle: Ist der/die Partner:in positiv gegenüber Fleischalternativen eingestellt, trägt dies zu einem höheren Konsum bei (Hoek et al., 2011).
Die Wahrnehmung von pflanzlichen Fleischalternativen kann sich wiederum negativ auf den Konsum auswirken. Viele bewerten sie im Vergleich zu konventionellem Fleisch als weniger lecker, künstlich, unnötig, langweilig oder teurer. Dazu kommt, dass Fleischalternativen teilweise ungewohnte – als ekelig empfundene – Texturen oder Geschmäcker haben (Hoek et al., 2011; Michel et al., 2021). Neben diesem Ekel hemmt auch eine allgemeine Angst vor neuartigen Lebensmitteln (engl. Food Neophobia) die Konsumbereitschaft von pflanzlichen Fleischalternativen (Hoek et al., 2011; Tabelle 1).
Insekten
Insgesamt könnte sich 13 % der Bevölkerung in Deutschland vorstellen, Insekten zu essen (Statista, 2024), während 42 % bereit wären, einen insektenbasierten Burger zu konsumieren (Kröger et al., 2022). Für den Verzehr von Insekten spielen Kenntnisse über die Umweltvorteile und den Nährstoffgehalt eine treibende Rolle (Kröger et al., 2022).
Insektenbasierte Nahrungsmittel haben sich in Deutschland allerdings noch nicht durchgesetzt. Die Hauptbarriere für ihren Konsum ist die Wahrnehmung von Insekten als gesundheitsschädlich, weniger lecker und schmutzig. Ebenso wie die pflanzlichen Alternativen können sie bei Verbrauchenden Angst und Ekel hervorrufen. In Deutschland und allgemein in westlichen Gesellschaften ist die Hemmschwelle zum Konsum somit eher hoch (Kröger et al., 2022). Die geringe Verfügbarkeit insektenbasierter Nahrungsmittel in deutschen Supermärkten ist ebenfalls hinderlich für den Konsum. Ohne regelmäßigen Zugang bleibt die Möglichkeit zur Normalisierung und Akzeptanz insektenbasierter Nahrungsmittel begrenzt (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2023; Tabelle 1).
Kultiviertes Fleisch
14 % der deutschen Bevölkerung wären bereit, kultiviertes Fleisch zu essen (Statista, 2024), während 58 % bereit wären, einen Burger aus kultiviertem Fleisch zu verzehren (Fiebelkorn et al., 2022). Kultiviertem Fleisch wird ein hohes Marktpotenzial zugesprochen, da es für die Verbrauchenden eine Möglichkeit darstellt, Fleisch ohne Tierleid zu konsumieren (Bryant & Barnett, 2020). Insbesondere für Personen, die aufgrund des Geschmacks nicht auf Fleisch verzichten, obwohl sie es gerne wollen, stellt kultiviertes Fleisch eine passende Alternative dar (Bryant & Barnett, 2020; Tabelle 1).
Allerdings kann die Wahrnehmung von kultiviertem Fleisch als potenziell teuer und unnatürlich die Konsumbereitschaft hemmen (Bryant & Barnett, 2020). Ungewiss sind für viele auch mögliche Langzeitauswirkungen auf die Gesundheit (Shaw & Mac Con Iomaire, 2019). Zudem ist die Angst vor neuartigen Lebensmitteln ( Food Neophobia) eine weitere Barriere (Meixner & von Pfalzen, 2018; Tabelle 1).
Dementgegen sollte hier angemerkt werden, dass kultiviertes Fleisch in Europa nur als Novel Food zugelassen wird, wenn nach umfangreicher Prüfung kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit besteht (Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, 2024).
Fleischalternative | Treiber | Barrieren |
Pflanzliche Alternative | Reduktion des Fleischkonsumsa Individuelle Gesundheita Tierwohla Umweltschutz ( Klimaschutz)a;d Vertrautheita Einstellungen soziales Umfelda |
Wahrnehmung als teuer, künstlich, unnötig, langweilig und wenig leckera
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Insektenbasierte Alternativen | Neugiera Nährstoffgehalt (Proteingehalt)b Umweltauswirkungenb |
Wahrnehmung von Insekten als gesundheitsschädlich und schmutzig
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Kultiviertes Fleisch | Erwartete/-r Geschmack und Konsistenzg Nährstoffgehalt (äquivalentz zu Fleisch)c Tierwohlg |
Wahrnehmung als teuer und unnatürlich (Herstellungsprozess)
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Anmerkung. Die obige Tabelle ist nicht vollständig, sondern bietet ledigleich einen exemplarischen Überblick über relevante Treiber und Barrieren. a Hoek et al., 2011; Michel et al., 2021 b Mancini et al, 2019 c Fiebelkorn et al., 2022 d Jetzke et al., 2019 e Kröger et al., 2022 f Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2023 g Bryant & Barnett, 2020 h Shaw & Mac Con Iomaire, 2019 i Meixner & von Pfalzen, 2018 |
Alles neu oder alles beim Alten, wie entscheide ich mich?
Wie zuvor beschrieben, gibt es aus Konsumierendensicht für jede Alternative Vor- und Nachteile. Zwar entscheidet jede Person selbst, ob und welche Alternativen in die Ernährung aufgenommen werden, doch wird diese Wahl durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Für jede Person haben die vorgestellten Treiber und Barrieren individuell eine unterschiedliche Gewichtung und somit einen unterschiedlichen Einfluss. Entscheidend ist, welches Produkt am besten zu den eigenen Motiven passt – ob einer Person beispielsweise der individuelle Genuss oder der Schutz der Umwelt wichtig ist (Abbildung 2). Gleichzeitig sollte die Wirkung des eigenen sozialen Umfeldes nicht unterschätzt werden. Ernährung und Konsum sind oftmals abhängig vom gesellschaftlichen Kontext und weniger individuelle Entscheidungen. Familie, Freund:innen oder Kolleg:innen haben einen großen Einfluss auf die Produkte, die wir kaufen und auf den Tisch bringen. Entsprechend sind Faktoren, wie zum Beispiel soziale Normen, nicht aus der Acht zu lassen.
Eine Alternative sollte ähnlich wie Fleisch schmecken, umwelt- und tierfreundlich sowie bezahlbar sein. Dahingegen ist es wichtig, Unsicherheiten, Ängste und Ekel aus dem Weg zu räumen. Pflanzliche, insektenbasierte und kultivierte Fleischalternativen unterscheiden sich in diesen Eigenschaften, sind aber in vielen Aspekten nachhaltiger als konventionelles Fleisch. Vermutlich braucht es genau diese Diversität an Alternativen, um Optionen für alle Konsumierenden bieten zu können.
Bild 2: Für welches alternative Burgerpatty soll ich mich entscheiden?
Literaturverzeichnis
Bastian, B., & Loughnan, S. (2017). Resolving the meat-paradox: A motivational account of morally troublesome behavior and its maintenance. Personality and Social Psychology Review, 21(3), 278–299. https://doi.org/10.1177/1088868316647562
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Bildquellen
Bild 1: Eigene Darstellung der Autor*innen
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