Um Geld verhandelt die Welt: Die Macht des Monetären in Verhandlungen

Stellen Sie sich vor, Sie werden im Bewerbungsgespräch gefragt, wie Ihre Gehaltsvorstellungen aussehen. Oder ein Interessent für Ihren gebrauchten ’97er Golf fragt, welchen Preis Sie dafür haben wollen und ob das die „Verhandlungsbasis“ sei. Mit und um Geld verhandelt die Welt. In unzähligen Verhandlungen spielt die Ressource Geld eine zentrale Rolle und beeinflusst das Erleben und Verhalten der Verhandlungsparteien. Neben den skizzierten Auto- und Gehaltsverhandlungen spielt auch in Erbschafts-, Scheidungs- oder Eigentumsverhandlungen das „liebe“ Geld eine zentrale Rolle. Aber welchen Einfluss hat Geld eigentlich auf die Zugeständnisbereitschaft und das Verhandlungsergebnis? Wer befindet sich in einer vorteilhafteren Position, die KäuferInnen mit ihrer Ressource Geld oder die VerkäuferInnen mit ihren Ressourcen wie Waren oder Dienstleistungen? Wir wollen im Folgenden einige praktische Hinweise zum wirkungsvollen Umgang mit Geld in Verhandlungen geben – sowohl für Parteien, die über Geld verfügen (z. B. KäuferInnen oder ArbeitgeberInnen), als auch für Parteien, die andere Ressourcen einbringen, um diese in bare Münze zu verwandeln (z. B. VerkäuferInnen oder ArbeitnehmerInnen).

Erinnern Sie sich an Ihre letzte Verhandlung? Wer war Ihr Verhandlungspartner bzw. Ihre Verhandlungspartnerin? Worüber haben Sie verhandelt? Haben Sie mit einem Arbeitskollegen über die Aufgabenverteilung der nächsten Woche verhandelt? Mit Ihrer Nachbarin über die Pflege der gemeinschaftlichen Grundstücksgrenze? Oder mit Ihren Kindern über deren Schlafenszeit? Wenngleich alltägliche Verhandlungen weitaus häufiger gar nicht ums Geld kreisen, denken die meisten Personen bei Verhandlungen aus ihrer persönlichen Erfahrungswelt zunächst ans Bare. So erinnern Sie sich möglicherweise an eine Verhandlung zum Kauf oder Verkauf Ihres Autos, an eine Gehaltsverhandlung mit dem oder der Vorgesetzen oder an eine Basarverhandlung im Urlaub. Die Verhandlung ist bei vielen Menschen in ihrer persönlichen Erfahrungswelt gedanklich stark mit der Ressource Geld verknüpft, während andere Ressourcen zunächst eine untergeordnete Rolle spielen.

Empirische Studien, die sich mit dem Verhalten und Erleben von Parteien im Kontext von Verhandlungen befassen, zeigen vielfach, dass die Ressource „Geld“ das Verhandlungsgeschehen stärker beeinflusst als andere Ressourcen (z. B. Appelt, Zou, Arora & Higgins, 2009; Neale, Huber & Northcraft, 1987). Eine zentrale Frage, die sich aus diesen Befunden ergibt, ist, warum Geld im Kontext von Verhandlungen eine so bedeutsame Rolle spielt und warum andere Ressourcen, wie etwa ein Gebrauchsgegenstand, eine Ware, eine Dienstleistung oder die Arbeitskraft, häufig in den Hintergrund treten. So neigen Menschen dazu, die Verhandlung über ein Fahrrad, einen Gebrauchtwagen oder einen PC nicht als „Warenverhandlung“ sondern als „Preisverhandlung“ zu bezeichnen. Ebenso wird eine Verhandlung im beruflichen Kontext nicht als „Arbeitsverhandlung“ sondern als „Gehaltsverhandlung“ bezeichnet, obwohl die Ressource Arbeit eine mindestens ebenso gewichtige Rolle spielt wie die Ressource Geld bzw. Gehalt.

Wenngleich es offensichtlich erscheint, dass Geld das Verhandlungsgeschehen stärker beeinflusst als andere Ressourcen, hat sich die Verhandlungsforschung bisher nur sehr wenig mit dessen spezifischer Wirkung beschäftigt. Angesichts der bedeutsamen Wirkung von Verhandlungsressourcen (Geld, Waren, Dienstleistungen, Informationen etc.) und deren Einfluss auf kognitive, motivationale und emotionale Prozesse, wurde kürzlich ein Verhandlungsmodell vorgestellt, welches die Rolle von Ressourcen systematisch beleuchtet. In diesem Ansatz namens Resource-Oriented-Negotiation (kurz ‚RON’; Trötschel, Höhne, Peifer, Majer & Loschelder, 2014) werden verschiedene Merkmalsdimensionen von Ressourcen klassifiziert, die einerseits dazu dienen können, die Auswirkung bestimmter Ressourcen, wie beispielsweise Geld, besser zu erklären; andererseits ergeben sich eine Reihe von praktischen Implikationen, wie man Ressourcen strategisch einsetzt, um auf möglichst effiziente Art zu einer Einigung zu kommen.

Ziel der folgenden Darstellung ist es, die Rolle des Geldes als eine der bedeutsamsten Ressourcen im Kontext von Verhandlungen systematisch zu beleuchten und die psychologischen Auswirkungen dieser Ressource auf das Verhandlungsgeschehen zu erläutern. Hierzu sollen zunächst einige Befunde zur Wirkung von Geld vorgestellt werden. Einerseits wird die Rolle des Geldes als bedeutsame Bezugsgröße für die Entstehung psychologischer Prozesse, wie die Entstehung einer Gewinn- vs. Verlustorientierung, diskutiert. Anderseits wird die Rolle des Geldes als eine universelle, multifunktional einsetzbare Ressource in Verhandlungen hervorgehoben. Im Anschluss an die Darstellung der empirischen Befunde zur Wirkung der Ressource Geld werden die aus Sicht des RON-Ansatzes spezifischen Charakteristika des Geldes dargestellt, um eine Reihe von praktischen Empfehlungen für den effektiven Umgang mit Geld in Verhandlungen zu geben.

Die Wirkung des Geldes in Verhandlungen

Obwohl zahlreiche Studien den Erfolg von Verhandlungen anhand monetärer Profite erfassen (Gelfand, Fulmer & Severance, 2010), hat die psychologische Forschung erst in den letzten Jahren damit begonnen, der spezifischen Wirkung des Geldes eine größere Aufmerksamkeit zu schenken. Hierbei wurde einerseits beobachtet, dass Geld eine dominierende Bezugsgröße in Verhandlungen ist, die das Gewinn- und Verlusterleben von Menschen maßgeblich beeinflusst. Andererseits wurde festgestellt, dass Geld eine multifunktionale, universell einsetzbare Ressource darstellt, die zur Befriedigung vielfältiger Bedürfnisse genutzt werden kann und einen großen Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Menschen ausübt.

Geld als Bezugsgröße: Verlust- und Gewinnerleben in Verhandlungen

Betrachtet man den individuellen Nutzen, den KäuferInnen und VerkäuferInnen in einer Verhandlung erzielen, so schneiden KäuferInnen typischerweise besser ab als VerkäuferInnen (z. B. McAlister, Bazerman & Fader, 1986; Neale et al., 1987). Dies lässt sich unter anderem durch sogenannte „Framing-Effekte“ erklären. Durch Framing wird einem möglichen Verhandlungsergebnis ein bestimmter subjektiver Bezugsrahmen (Frame) gegeben: So kann aus KäuferInnensicht während einer Verhandlung sowohl der Gewinn der Ware in den gedanklichen Fokus rücken („Gewinn-Frame“), als auch der Verlust des dafür aufgewendeten Geldes („Verlust-Frame“). Diese Gewinn- und Verlustorientierung hat in Verhandlungen weitreichende Auswirkungen auf das psychologische Erleben und Verhalten der Parteien: Verlustorientierte im Vergleich zu gewinnorientierten Parteien haben eine erhöhte Zugeständnisaversion (De Dreu, Carnevale, Emans & van de Vliert, 1995) und agieren folglich unnachgiebiger (z. B. Trötschel & Gollwitzer, 2007). Das hat wiederum zur Folge, dass Verlustorientierte in Verhandlungen mit gewinnorientierten Parteien bessere Ergebnisse erzielen (De Dreu et al., 1995). Übertragen auf Preisverhandlungen bedeutet dies, dass KäuferInnen den Verlust des Geldes und VerkäuferInnen den Gewinn des Geldes vor Augen haben, wodurch wiederum KäuferInnen in Preisverhandlungen unnachgiebiger verhandeln (z. B. Appelt et al., 2009; Neale et al., 1987).

Diese Annahme zur Gewinn- und Verlustorientierung in Verhandlungen haben wir jüngst in einer Serie von Studien getestet (Trötschel, Loschelder, Höhne & Majer, 2014). In verschiedenen Untersuchungsbedingungen wurde die Aufmerksamkeit der KäuferInnen und VerkäuferInnen entweder auf die Ressource Geld oder die Ware gelenkt. Wenn beispielsweise der Preis bereits vor Beginn der Verhandlung festgelegt ist und die Parteien nur noch über die zu liefernde Ware verhandeln, wird aus einer klassischen Preisverhandlung eine Warenverhandlung. In einer solchen Warenverhandlung wird anstelle des Geldes, der Gewinn oder Verlust der Ware in den Vordergrund rückt. In Warenverhandlungen zeigten sich nun die VerkäuferInnen verlustorientierter und waren weniger zugeständnisbereit als die KäuferInnen. In der vergleichbaren Preisverhandlung – festgelegte Ware und zu verhandelnder Preis – zeigte sich das bekannte Muster: Die verlustorientierten KäuferInnen waren weniger zugeständnisbereit als die VerkäuferInnen und erzielten höhere Profite. Ähnliches zeigt sich auch, wenn die Wahrnehmung der KäuferInnen und VerkäuferInnen durch die Formulierung von Angeboten und Forderungen entweder auf die Ressource Geld (VerkäuferIn: „Ich fordere einen Preis X für die Ware Y“; KäuferIn: „Ich biete Dir einen Preis X für die Ware Y“) oder die Ware (VerkäuferIn: „Ich biete Dir die Ware Y für den Preis X“; KäuferIn: „Ich fordere die Ware Y für einen Preis X“) gelenkt wurde.

Die Befunde dieser Studien zur Fokussierung unterschiedlicher Ressourcen (z. B. Geld vs. Ware; Trötschel, Loschelder et al., 2014) stehen im Einklang mit bisherigen Erkenntnissen aus Forschungsarbeiten zu Preisverhandlungen und dem sogenannten Besitztumseffekt ( Endowment-Effekt; z. B. Kahneman, Knetsch & Thaler, 1990; Thaler, 1980). Auf den ersten Blick liefern die beiden genannten Forschungstraditionen widersprüchliche Befunde: Während Studien zu Preisverhandlungen zeigen, dass KäuferInnen verlustfokussiert sind und somit weniger Zugeständnisse machen, legt die Forschung zum Besitztumseffekt den gegenteiligen Schluss nahe — nämlich dass VerkäuferInnen (z. B. BesitzerIn einer Tasse) stärker auf ihre Verluste fokussieren. Bei genauer Betrachtung dieser beiden Forschungsansätze wird offensichtlich, dass in den Studien zu Preisverhandlungen die Ressource Geld die Bezugsgröße der sozialen Interaktion ist, während in den Forschungsarbeiten zum Besitztumseffekt die Ware (z. B. eine Tasse) den Referenzpunkt der Aufgabenstellung darstellt.

Geld als multifunktionale, universell nutzbare Ressource

Unabhängig von den Befunden zum Besitztumseffekt (Kahneman et al., 1990), zeigten eine Vielzahl an Studien, dass Geld eine sehr einflussreiche Ressource in der sozialen Interaktion zwischen Menschen ist. Im Vergleich zu anderen Ressourcen wird Geld eine größere Aufmerksamkeit geschenkt (z. B. Appelt et al., 2009). Geld wird als eine multifunktionale Ressource wahrgenommen, die gegen eine Vielzahl anderer Ressourcen getauscht werden kann (z. B. Lea & Webley, 2006). Geld kann fundamentale menschliche Bedürfnisse wie Sicherheit oder Macht befriedigen (Zhang, 2009) und beeinflusst schließlich bedeutsame psychologische Prozesse, wie etwa die subjektiv wahrgenommene Selbstwirksamkeit (Vohs, Mead & Goode, 2008). Vor dem Hintergrund dieser Bedeutsamkeit des Geldes ist es wenig erstaunlich, dass KäuferInnen, die im Besitz dieser mächtigen Ressource sind, einen Verhandlungsvorteil besitzen. Neale und KollegInnen (1987) weisen auf die psychologische Wirkung der „universellen“ Ressource Geld im Verhandlungsgeschehen hin: Parteien, die im Besitz der multifunktionalen Ressource Geld sind, fühlen sich im Vergleich zur Gegenpartei häufig mächtiger, einflussreicher und weniger verpflichtet, die Transaktion (Geld für Ware oder Dienstleistung) abzuschließen als die Gegenpartei, die nicht im Besitz der Ressource Geld ist.

Ähnliches gilt auch für andere Verhandlungen, in denen Geld eine zentrale Rolle spielt — etwa für Gehaltsverhandlungen. Auch hier wird Geld gegen einenicht-monetäre Ressource getauscht. Genauer gesagt, ein Gehalt wird für die Arbeitskraft der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters gezahlt. Aufbauend auf den weiter oben dargestellten Befunden lässt sich vermuten, dass auch in Gehaltsverhandlungen die Macht des Monetären zu Tage tritt — die Ressource „Geld“, mit ihrem multifunktionalen Charakter wird das Verhandlungsgeschehen dominieren. Es leitet sich gleichzeitig eine Empfehlung für ArbeitnehmerInnen in Gehaltsverhandlungen ab: Aufbauend auf den Befunden zum Besitztumseffekt sollten ArbeitnehmerInnen versuchen, das Augenmerk der Verhandlung auf diejenigen Ressourcen zu lenken, in deren Besitz sie selbst sind: Welche Qualifikationen und Weiterbildungen rechtfertigen das Gehalt, welche Projekte, Erfolge und KundInnen bringen ArbeitnehmerInnen in das Unternehmen ein? Das Gehaltssynonym „Verdienst“ geht nicht von ungefähr auf das Verb „verdienen“ zurück und lenkt den Fokus zurück auf die Ressource, die ein/-e ArbeitnehmerIn in die Verhandlung einbringen kann.

Praktische Implikationen und Merkmale des Geldes

Inwiefern es VerkäuferInnen oder ArbeitnehmerInnen gelingt, den Fokus des Geschehens weg von der dominierenden Ressource Geld zu lenken, hängt im Wesentlichen von den Merkmalen der anderen involvierten Ressourcen ab. Im Folgenden werden drei bedeutsame Merkmale von Ressourcen – nämlich Teilbarkeit, Besitz und Präferenz – vorgestellt und im Hinblick auf ihre praktische Relevanz in Verhandlungen mit Geld diskutiert (vgl. RON; Trötschel, Höhne et al., 2014).

Teilbarkeit

Das erste bedeutsame Merkmal von Ressourcen liegt in ihrer Teilbarkeit. Geld ist dabei ein typisches Beispiel für eine teilbare Ressource. So lässt sich ein Geldbetrag von 100 Euro in unterschiedliche Teilbeträge (10 €, 1 €) bis zur kleinsten Einheit von 1 Cent aufteilen. Im Gegensatz hierzu ist die Ressource eines gebrauchten ’97er Golfs nicht in kleine Teile der gleichen Ressource teilbar. Die Teilbarkeit von Ressourcen hat weitreichende Auswirkungen auf das Verhandlungsgeschehen. So verlagert sich das Geschehen häufig stark auf teilbare Ressourcen wie Geld, da in Hinblick auf diese Ressourcen leichter Zugeständnisse gemacht werden können (und zwar in beliebig kleinen Schritten). Es liegt in der Natur der Sache, dass nur dann verhandelt werden kann, wenn es auch verschiedene, kleinschrittige Einigungsoptionen gibt. So bewegen sich KäuferIn und VerkäuferIn typischerweise auf der Preisdimension in vielen kleinen Schritten aufeinander zu. Bei der Ressource Ihres VW Golf existiert kein (großer) Spielraum für Zugeständnisse (der Wagen wird der Käuferin bzw. dem Käufer ganz überlassen oder eben nicht).

Money von Tax Credits via Flickr (https://www.flickr.com/photos/76657755@N04/) cc TaxCredits.netDer Spielraum für Zugeständnisse vergrößert sich jedoch dann, wenn die nicht-monetäre Ressource ebenfalls teilbar ist: GemüsehändlerInnen können beispielsweise verschiedene Waren in unterschiedlichen Mengen anbieten. Die Aufmerksamkeit wird unweigerlich auf die Ware gelenkt. Und auch ein/-e ArbeitnehmerIn kann (und sollte) in einer Gehaltsverhandlung die Aufmerksamkeit weg vom Gehalt und hin zur geleisteten Arbeit lenken. Befinden Sie sich demnächst wieder in einer Gehaltsverhandlung, überführen Sie auf den ersten Blick unteilbare Ressourcen in teilbare Ressourcen. Vereinbaren Sie beispielsweise Zielvereinbarungen und Boni für verschiedene Teilprojekte anstatt für Ihre gesamte, ungeteilte Arbeitskraft. Es ergeben sich zusätzliche Einigungsoptionen, wenn Sie Ihre Arbeitskraft nicht als eine Gesamtressource sondern als eine Zusammensetzung verschiedener „Teil“-Ressourcen betrachten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Parteien, die im Besitz von teilbaren Ressourcen sind, einen Vorteil genießen, da sich das Verhandlungsgeschehen primär auf diesen Ressourcen abspielt. Zudem lassen sich auf diesen Ressourcen hoch präzise Angebote formulieren, die wiederum vorteilhafte Auswirkungen auf die Wahrnehmung durch den Empfänger haben (Loschelder, Stuppi & Trötschel, 2014). Parteien, die nicht im Besitz von teilbaren Ressourcen sind, sollten folglich versuchen, ihre Ressourcen in teilbare Ressourcen zu überführen oder weitere Ressourcen in die Verhandlung einzubringen.

Besitz

Der Besitz der Ressourcen ist in den bisher genannten Beispielen festgelegt: KäuferIn oder ArbeitgeberIn besitzen die Ressource Geld, VerkäuferIn oder ArbeitnehmerIn besitzen andere Ressourcen wie Waren, Güter, Dienstleistungen oder ihre Arbeitskraft. Verhandelt wird in den genannten Beispielen stets der Austausch dieser Ressourcen (s. Austauschverhandlungen). Geld kann aber auch in anderen Verhandlungsformen das Verlust- und Gewinnerleben systematisch beeinflussen: So spielt Geld häufig eine bedeutsame Rolle in sogenannten Verteilungsverhandlungen, wie etwa in Erbschaftskonflikten, in denen ein gemeinschaftlicher Besitz (ein Erbe) zwischen den Parteien verteilt werden muss. Aber auch in Beitragsverhandlungen kann Geld eine bedeutsame Rolle spielen: So verhandelt möglicherweise eine Eigentümergemeinschaft darüber, wer welche Geldbeiträge zur Sanierung einer Immobilie leisten soll. Auch hier kommt erneut die Verlust- und Gewinnorientierung der Parteien ins Spiel: Insbesondere in Beitragsverhandlungen sind Parteien stark verlustfokussiert und folglich wenig zugeständnisbereit (z. B. wird jede/-r MiteigentümerIn einen Geldbeitrag zur Sanierung der gemeinsamen Immobilie als individuellen Verlust erleben).

Dieses subjektive Augenmerk auf Verluste, das eine Einigung stark erschweren kann, gilt es zu verändern. Die Parteien werden in einen gewinnorientierten Zustand versetzt und zu Zugeständnissen bewegt: So sollte die Aufmerksamkeit der Parteien in einer Beitragsverhandlung auf das Gemeingut gelenkt werden (z. B. das gemeinsame Wohneigentum). Hierdurch werden die jeweiligen Geldbe(i)träge als Gewinn für das Gemeingut wahrgenommen. Umgekehrt sollte die Aufmerksamkeit in Verteilungsverhandlungen weg vom Verlust der Anteile am Gemeingut (Erbe), hin zum individuellen Nutzen der jeweiligen Partei gelenkt werden, so dass der individuelle Gewinn der betroffenen Parteien in den Vordergrund tritt.

Präferenz

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Ressourcen von Parteien nicht immer gleich bewertet werden. Tatsächlich gewichten die meisten Parteien die Ressource Geld am stärksten, wodurch die Verhandlung einen distributiven Charakter erhält. Distributive Verhandlungen haben eine starre Ertragsstruktur: der Nutzen einer Partei führt zu gleichwertigen Kosten bei der Gegenpartei (ein „Nullsummenspiel“). Ein typisches Beispiel hierfür ist die eingangs erwähnte Preisverhandlung über den ’97er VW Golf. Ein niedrigerer Preis zugunsten der Käuferin bzw. des Käufers geht mit gleichwertigem Verlust für die Verkäuferin bzw. den Verkäufer einher. Distributive Verhandlungen sind häufig solche, bei denen nur ein Gegenstand – wie etwa der Preis – verhandelt wird.

Integrative Verhandlungen entstehen, wenn mehrere Gegenstände in das Geschehen einbezogen werden und sich hieraus ergibt, dass die Parteien unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich der Gegenstände besitzen. Integrative Verhandlungen haben eine variable Ertragsstruktur: Die Parteien können ihren Nutzen vergrößern, ohne dies auf gleichwertige Kosten der Gegenpartei zu tun. Verhandeln ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn ausschließlich über das Gehalt, so wird die Verhandlung zu einer Situation mit distributiver Ertragsstruktur, welches einem Nullsummenspiel entspricht. Durch seine Multifunktionalität kann Geld jedoch leicht in andere Ressourcen eingetauscht werden: Überführen die Parteien das Geld in andere Ressourcen, wie beispielsweise einen Firmenwagen, ein Diensthandy, Weiterbildungen oder Zuschüsse zur Altersvorsoge, so können sich neue Einigungsoptionen ergeben: Beispielsweise haben viele Unternehmen besondere Konditionen mit Automobilherstellern ausgehandelt, zu denen sie Firmenwagen günstiger beziehen können als die MitarbeiterInnen. Auch der Aufbau einer betrieblichen Gesundheitsförderung ermöglicht es ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen integrative Einigungen zu finden, die über eine einseitige monetäre Entlohnung hinausgehen (weniger Krankheitstage und kostenlose Sportangebote).

Fazit

Geld spielt in vielen Verhandlungen eine wichtige Rolle und dominiert aufgrund seines multifunktionalen, universell nutzbaren Charakters das Geschehen. Parteien sollten sich, sobald Geld auf den Verhandlungstisch gelangt, wie etwa in Preis- oder Gehaltsverhandlungen, über die Macht des Monetären bewusst sein. Hierbei spielen nicht nur die Merkmale der Ressource Geld (Teilbarkeit, Besitz und Präferenz), sondern auch die Merkmale der anderen verhandelten Ressourcen (z. B. Waren, Arbeitskraft, Informationen) eine zentrale Rolle. Betrachtet man Geld nicht ausschließlich als monetäre Ressource, sondern als eine„verwandelbare“ Ressource, so ergeben sich für Ihre zukünftigen Preis- und Gehaltsverhandlungen vielfältige neuartige Einigungsmöglichkeiten.

 

Literatur

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