Vor- oder Nachteil? Wenn gutes Aussehen zu Vorurteilen führt

Ein möglichst gutes Aussehen ist erstrebenswert – so wird es uns von den Medien und unserem sozialen Umfeld oftmals suggeriert. Menschen verwenden viel Zeit und Geld darauf, attraktiv auf Andere zu wirken, da sie annehmen, dass dies zu Erfolg und persönlichem Glück beiträgt. Doch ist Schönheit in jedem Fall von Vorteil oder bringt ein (zu) gutes Aussehen auch mögliche Nachteile mit sich? Wann Attraktivität sich tatsächlich als positiv erweist und wann eher nicht, beleuchtet der folgende Artikel.

Gutes Aussehen zahlt sich aus – diese Ansicht wird nicht nur in der Populärliteratur und den Medien oft vertreten. Aber stimmt das wirklich? Oder wirkt sich gutes Aussehen in manchen Fällen sogar nachteilig aus? Bevor wir hierauf näher eingehen, stellt sich natürlich erstmal die Frage, wann wir jemanden überhaupt als attraktiv empfinden.

Zwar hat die bekannte Ansicht, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt, durchaus eine gewisse Berechtigung. Immerhin hängt es auch von den individuellen Einflüssen, die auf einen Menschen wirken, mit ab, wen man als gutaussehend empfindet. Zum Beispiel kann das Urteil von Menschen von ihrer momentanen Stimmung oder ihrem aktuellen hormonellen Status gefärbt sein, ebenso wie von der Sozialisation oder vom kulturellen Kontext. Jedoch scheint es dem Forschungsstand zufolge – zumindest was die Attraktivität von Gesichtern betrifft – durchaus einen universellen Standard für die Beurteilung von physischer Attraktivität bzw. eine gemeinsame Basis für das Schönheitsempfinden zu geben (Cunningham, Roberts, Barbee, Druen & Wu, 1995; Langlois et al., 2000; Rubenstein, Langlois & Roggman, 2002). Als die drei hauptsächlichen Faktoren zur Beurteilung der physischen Attraktivität menschlicher Gesichter gelten (1) die Durchschnittlichkeit des Gesichts, (2) die Symmetrie des Gesichts und (3) die Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale in den Gesichtszügen (z. B. hohe Wangenknochen bei Frauen, breites Kinn bei Männern). Hierbei bezieht sich der Begriff „Durchschnittlichkeit“ (averageness) darauf, inwiefern ein Gesicht eine Ähnlichkeit zum Bevölkerungsdurchschnitt aufweist. Solche „Durchschnittsgesichter“ (Prototypen) werden zumeist als attraktiver beurteilt, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass „Durchschnittsgesichter“ einigen Untersuchungen zufolge als vertrauter eingeschätzt werden und Hinweise auf die Gesundheit von Personen widerzuspiegeln scheinen. Auch andere Einflüsse, die Fruchtbarkeit, genetische Fitness und Gesundheit signalisieren (z. B. Jugendlichkeit, volle Haare, reine Haut), sowie positive Gesichtsausdrücke (z. B. Lächeln), tragen dazu bei, dass Personen als attraktiv eingeschätzt werden. Ebenso werden beispielsweise Gesichter als attraktiv wahrgenommen, die Fürsorge und soziale Verträglichkeit zu versprechen scheinen.

Bei Attraktivität handelt es sich also um ein komplexes Phänomen, das multiplen Funktionen dient, was zum Beispiel in einem integrativen Ansatz der Attraktivitätsbeurteilung, dem so genannten „Multiplen Fitnessmodell“ der physischen Attraktivität von Cunningham und Kollegen, dargestellt wird (Cunningham et al., 1995). Demnach hängt es auch von den (teilweise unbewussten) Motiven einer Person mit ab, inwiefern sie jemand anderen als gutaussehend und anziehend wahrnimmt. So können beispielsweise kindliche Züge einer Person fürsorgliche Gefühle in uns hervorrufen und die Person dadurch ansprechend erscheinen lassen. Ebenso können Merkmale sexueller Reife partnerschaftliches Interesse in uns wecken und eine Person damit attraktiv wirken lassen. Oder es können expressive Züge, die positive Emotionen vermitteln, in uns die Hoffnung auf eine Freundschaft aufkommen lassen, was ebenfalls dazu beitragen kann, dass wir die Person als gutaussehend beurteilen. Die Attraktivitätswahrnehmung ist also komplex und auch zu einem gewissen Grad beeinflussbar (z. B. durch den Einsatz von Make-up und entsprechender Kleidung), insgesamt findet sich aber trotz allem bezüglich der Attraktivitätsbeurteilung von Gesichtern (in höherem Ausmaß als bezüglich körperlicher Attraktivität) kulturübergreifend eine hohe Übereinstimmung (z. B. Cunningham et al., 1995).

Doch haben es attraktive Menschen in Beruf und Privatleben wirklich leichter? Tatsächlich zeigt eine immens große Anzahl an Studien übereinstimmend, dass physische Attraktivität über verschiedene Lebensbereiche, Altersstufen und Kulturkreise hinweg mit vielen positiven Konsequenzen verbunden ist (Hosoda, Stone-Romero & Coats, 2003; Langlois et al., 2000). So werden Menschen mit einem guten Aussehen im Vergleich zu weniger attraktiven Personen beispielsweise hinsichtlich ihrer Persönlichkeit oft vorteilhaft beurteilt (z. B. als warmherzig, sensibler, freundlicher, interessierter und sozial umgänglicher), was als sogenanntes Attraktivitätsstereotyp oder auch als „Wer schön ist, ist auch gut“-Effekt (Dion, Berscheid & Walster, 1972) bezeichnet wird.

Bild 1: "Das Attraktivitätsstereotyp: Wenn gutes Aussehen positive Auswirkungen". Bild 1: "Das Attraktivitätsstereotyp: Wenn gutes Aussehen positive Auswirkungen".

Dass attraktive im Vergleich zu eher durchschnittlich aussehenden Personen nicht nur in fast jedem Lebensbereich günstiger beurteilt, sondern in der Regel auch positiver behandelt werden, belegten beispielsweise die über 900 Studien umfassenden Meta-Analysen von Langlois und Kollegen (2000): Insbesondere erhalten gutaussehende Personen mehr Aufmerksamkeit und Belohnungen für bestimmte Leistungen, beispielsweise in Form von sozialer Unterstützung, einer höheren Wahrscheinlichkeit, Hilfe zu erhalten, besseren Wahlergebnissen, sowie auch besseren Bewertungen von Leistungen im schulisch-akademischen Bereich und oftmals milderen Gerichtsurteilen. Auch im beruflichen und finanziellen Bereich erweist sich physische Attraktivität in der Regel als vorteilhaft, beispielsweise hinsichtlich Beförderungen oder höherer Gehälter (Hosoda et al., 2003; Maestripieri, Henry, & Nickels, 2017).

Darüber hinaus ist ein gutes Aussehen insbesondere im Hinblick auf Freundschaften und Partnerschaften von Bedeutung. Gerade zu Beginn von Beziehungen vermag physische Attraktivität eine Anziehungskraft auf andere Menschen auszuüben und romantische Gefühle der Verliebtheit zu wecken (Fletcher, Kerr, Li & Valentine, 2014). Wahrscheinlich haben sich viele Menschen schon einmal die Frage gestellt, inwieweit sie selbst bei potentiellen PartnerInnen auf das Aussehen achten. Obwohl die meisten zustimmen, dass vor allem „innere Werte“ und nicht nur Äußerlichkeiten für die Partnerwahl wichtig sind, zeigen Untersuchungen, dass ein attraktives Aussehen einer Person im Zweifelsfall oft entscheidender dafür sein kann, ob man sie gerne wiedersehen möchte, als dies etwa für Eigenschaften wie Intelligenz, Freundlichkeit oder soziale Fähigkeiten der Fall ist (Walster, Aronson, Abrahams & Rottmann, 1966). Da Menschen, oft auch unbewusst, den Wunsch nach Kontakt mit attraktiven Personen haben (Lemay, Clark & Greenberg, 2010), werben beispielsweise gerade Online-Partnerschaftsbörsen mit attraktiven Fotos vermeintlicher Singles, und auch für viele Produkte wird gerne mit gut aussehenden Menschen um das Vertrauen möglicher KundInnen geworben.

Diese positiven Effekte eines guten Aussehens im Sinne des Attraktivitätsstereotyps finden sich beispielsweise auch in Literatur, Theater, Film und Fernsehen, wo die Personen mit einem positiven Charakter meist auch von gutaussehenden Menschen dargestellt werden (z. B. Smith, McIntosh & Bazzini, 1999), was sich in besonders deutlicher Form auch im Märchen zeigt. Hier gilt: Die gute Fee ist in der Regel schön, wohingegen die böse Hexe fast immer hässlich ist.

In der psychologischen Fachsprache spricht man auch von einem sogenannten „ Halo-Effekt“, wenn sich eine auffällige Eigenschaft (wie beispielsweise physische Attraktivität oder Warmherzigkeit) durchweg auf die Einschätzung anderer, hiervon an sich unabhängiger Eigenschaften (wie z. B. Kompetenz oder Kreativität) auswirkt. Dies bedeutet, dass eine positive Eigenschaft wie gutes Aussehen dazu führen kann, dass die attraktive Person auch hinsichtlich vieler anderer Eigenschaften günstiger bewertet wird und ihre Fehler großzügiger übersehen werden. Mit entscheidend dafür, dass vom Äußeren einer Person fälschlicherweise auf ihren Charakter, ihre Leistungen und Gründe für ihr Verhalten geschlossen wird, sind also oftmals die eigenen Vorstellungen und Stereotype: Sie können bewirken, dass man vor allem solche Informationen wahrnimmt, die die eigenen Erwartungen bestätigen. Gleichzeitig blendet man alles aus, was den eigenen Annahmen widerspricht. Dies beeinflusst oft weitgehend und nachhaltig, wie man jemanden beurteilt und behandelt. Im Falle des Attraktivitätsstereotyps können dementsprechend Äußerlichkeiten unser Urteil färben. Das gilt vor allem dann, wenn man von jemand anderem über das Aussehen hinaus keine oder nur wenige Informationen hat.

Bild 2: "Der „Halo-Effekt“".Bild 2: "Der „Halo-Effekt“".

Solche Urteilsverzerrungen können in bestimmten Situationen negative Auswirkungen haben. Beispielsweise wäre es bei beruflichen Auswahlprozessen für die suchenden Unternehmen und Institutionen wichtig, die tatsächlich geeignetste Person zu finden – unabhängig von deren Aussehen. Zudem kann eine positivere (bzw. negativere) Behandlung einer attraktiveren Person im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung dazu führen, dass sich die betroffene Person tatsächlich eher vorteilhaft (bzw. negativ) entwickelt. Dies wurde beispielsweise in einem Experiment von Snyder, Tanke und Berscheid (1977) eindrucksvoll demonstriert. Hierbei führten einander unbekannte männliche Versuchsteilnehmer ein zehnminütiges telefonisches Gespräch mit einer Frau, deren vermeintliches Foto ihnen vorlag. War die Telefonpartnerin angeblich attraktiv, hatten die Männer einen deutlich positiveren Eindruck von ihr. Sie nahmen sie zum Beispiel als ausgeglichener, humorvoller und sympathischer wahr, als wenn ihnen ein Foto von einer weniger attraktiven Frau vorgelegt worden war, die im Vergleich weniger positiv eingeschätzt wurde. Unabhängige Beurteiler, denen kein Bild der Frau gezeigt wurde und die ihre Einschätzungen nur auf Grundlage der Tonbandaufnahmen vornahmen, stimmten mit den Urteilen der männlichen Versuchsteilnehmer überein. Mit anderen Worten: Auch den Beurteilern, die kein Bild von den Frauen gesehen, sondern nur das Gespräch gehört hatten, waren die attraktiven Frauen vom Wesen her sympathischer. Die Erwartungen der durch das Foto beeinflussten Männer schienen also im Falle einer scheinbar attraktiven Gesprächspartnerin zu einer freundlicheren Gesprächsführung der Männer zu führen, worauf die Frauen wiederum entsprechend positiver reagierten und somit tatsächlich sympathischer und aufgeschlossener wirkten.

Angesichts solcher Vorteile ist es nicht erstaunlich, dass Attraktivität – wenn auch je nach Alter, Geschlecht und Person in unterschiedlichem Umfang – teilweise zum subjektiven Wohlbefinden bzw. zur Lebenszufriedenheit von Menschen beiträgt. Jedoch können die vielen Vorteile, die attraktiven Menschen zuteilwerden, bei anderen Personen ein Gefühl der Benachteiligung und daraus folgend Neid und Ärger hervorrufen. Abwertung, Vermeidung oder sozialer Ausschluss können die Folge sein. Außerdem können gegenüber Personen mit einem guten Aussehen auch negative Vorurteile auftreten, insbesondere gegenüber hochattraktiven Personen (d. h. Menschen, die äußerst gutaussehend sind und sich hierin deutlich vom Durchschnitt der Bevölkerung abheben). Beispielsweise werden sie oft als oberflächlicher, materialistischer, eingebildeter, snobistischer, egoistischer, untreuer, weniger einfühlsam und sogar als weniger gute Eltern eingeschätzt (z. B. Dermer & Thiel, 1975). Das gilt besonders, wenn die Beurteilenden selbst eher unattraktiv sind oder einen niedrigen Selbstwert haben. Durch eine solche Abwertung sehr attraktiver Menschen erscheinen diese weniger überlegen. Ebenso wird vor allem schönen Frauen hinsichtlich ihrer beruflichen Kompetenz, Intelligenz und Leistung zum Teil weniger zugetraut (z. B. Farley, Chia & Allred, 1998). Dies trifft bei Frauen insbesondere im Fall von statushohen Berufen zu, beispielsweise im Management. Dieser so genannte „beauty-is-beastly“-Effekt (Heilman & Saruwatari, 1979) besagt, dass Attraktivität Frauen insbesondere im Hinblick auf Führungspositionen schaden kann. In weiterführenden Untersuchungen fand die Forscherin Madeline Heilman, dass sehr gut aussehenden Frauen in höherem Ausmaß vermeintlich „typisch weibliche“ (d. h. gemeinschaftsorientierte) Eigenschaften zugeschrieben werden, während Führungspositionen eher mit „typisch männlichen“ Eigenschaften (z. B. Durchsetzungsvermögen) in Verbindung gebracht werden, so dass eine attraktive Frau als zu wenig passend für den leitenden Job wahrgenommen wird.

Bild 3: "Der Sonderfall zu hoher Attraktivität: Mögliche Nachteile eines sehr guten Aussehens („Hyperattraktivitätsmalus“)".Bild 3: "Der Sonderfall zu hoher Attraktivität: Mögliche Nachteile eines sehr guten Aussehens („Hyperattraktivitätsmalus“)".

Auch jenseits des Berufslebens kann es passieren, dass attraktive Menschen abgelehnt und abgewertet werden. Beispielsweise beurteilen (heterosexuelle) Personen, die sich bereits in einer festen Beziehung befinden und ein hohes partnerschaftliches „Commitment“ haben (also ein hohes Ausmaß an Verbundenheitsgefühl hinsichtlich ihrer bestehenden Partnerschaft mit dem Wunsch, diese aufrechtzuerhalten), attraktive Personen des jeweils anderen Geschlechts negativer (Lydon, Meana, Sepinwall, Richards & Mayman, 1999) und beachten sie weniger (Maner, Rouby & Gonzaga, 2008). Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass es ihnen so leichter fällt, nicht über eine eventuelle Alternative zu ihrer bestehenden Partnerschaft nachzudenken.

Da Menschen zudem häufig Angst vor Zurückweisungen haben, kann es vorkommen, dass hochattraktive Personen seltener mit der Bitte um eine Verabredung angesprochen werden (Walster et al., 1966), obwohl meistens insgeheim Interesse an einer Partnerschaft mit ihnen bestehen würde. Beispielsweise erzählte der bekannte und auf den ersten Blick eher aufgeschlossen-selbstbewusst wirkende Fernsehmoderator Thomas Gottschalk unlängst in einem Interview, dass er früher beim Tanzkurs – aus Sorge, von dem eigentlich interessanten hübschen Mädchen einen Korb zu bekommen – lieber das eher durchschnittlich aussehende Mädchen um den Tanz gebeten hätte. Dieses Phänomen, dass Männer bei sehr attraktiven und damit unerreichbar erscheinenden Frauen Bedenken haben, die Ansprüche der Frau wahrscheinlich ohnehin nicht erfüllen zu können (vor allem, wenn diese zum Beispiel zusätzlich noch selbst erfolgreich, gebildet und/oder statushoch ist), führt dazu, dass sie es oftmals gar nicht erst versuchen, solch eine besonders schöne Frau für sich zu gewinnen. Ein (zu) gutes Aussehen kann daher manchmal statt der vermuteten Beliebtheit letztendlich eventuell sogar eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Einsamkeit mit sich bringen.

Auch wenn es um Freundschaften mit Personen des gleichen Geschlechts geht, bevorzugen Menschen es zwar meist, ihre Zeit mit leicht überdurchschnittlich attraktiven Personen zu verbringen, allerdings wird der Kontakt mit hochattraktiven Personen eher gemieden (Krebs & Adinolfi, 1975), vor allem dann, wenn Menschen die Attraktivität des Anderen als überlegen und damit als möglicherweise bedrohlich für die eigene Partnerschaft (z. B. Maner, Gailliot, Rouby, & Miller, 2007) oder für den eigenen Selbstwert (z. B. Agthe, Spörrle & Maner, 2011) empfinden.

Dies ist – wie bekannt aus dem Märchen „Schneewittchen“– insbesondere bei innergeschlechtlicher Konkurrenz unter Frauen der Fall, da sie (im Durchschnitt mehr als Männer) hinsichtlich ihrer Attraktivität konkurrieren, während sich Männer eher in Bereichen wie Statushöhe und körperlicher Kraft messen (Dijkstra & Buunk, 1998). Diese Unterschiede entwickelten sich im Laufe der Evolutionsgeschichte, gerade auch im Zusammenhang damit, dass Attraktivität teilweise auf Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit hinweisen kann (z. B. Buss, 1989).

Dementsprechend finden sich ab dem Jugendalter (d. h. sobald soziale Motive wie Partnersuche und innergeschlechtliche Rivalität bedeutsam werden) gegenüber attraktiven Menschen positive Vorurteile und vorteilhafte Reaktionen vor allem dann, wenn sie von Personen des anderen Geschlechts beurteilt werden (falls sie – teilweise auch unbewusst – für den Beurteilenden in die Kategorie eines potentiellen Partners bzw. einer potentiellen Partnerin fallen). Dagegen rufen hochattraktive Personen beim gleichen Geschlecht eher negative Vorurteile und nachteilige Reaktionen hervor (falls sie – teilweise auch unbewusst – für den Beurteilenden in die Kategorie eines potentiellen Rivalen bzw. einer potentiellen Rivalin fallen) (Agthe, Spörrle, Frey, Walper & Maner, 2013). Da es für Jugendliche oft besonders wichtig erscheint, attraktiv auf Andere zu wirken und sie sich hinsichtlich ihres Aussehens dementsprechend häufig mit Anderen vergleichen, reagieren sie oft eifersüchtig auf attraktive Gleichaltrige. Beispielsweise treten negative Reaktionen auf schöne Mitschülerinnen vor allem dann auf, wenn diese als unerwünschte Rivalinnen wahrgenommen werden und keinen schützenden Freundeskreis haben (Leenaars, Dane & Marini, 2008). Die Attraktivitätsforscherin Nancy Etcoff drückt dies in ihrem Buch mit dem Titel „Nur die Schönsten überleben“ bildlich so aus, dass im Grunde „keine Frau möchte, dass ihr eigenes Licht durch einen neben ihr strahlenden Leuchtturm getrübt wird“.

Bild 4: "Attraktivität – Fluch oder Segen? Gerade im Jugendalter müssen attraktive Mädchen – manchmal trotz ihrer Beliebtheit im eigenen Freundeskreis – auch mit Anfeindungen anderer Mädchen rechnen, die sie als Rivalin wahrnehmen. Gutes Aussehen kann also – je nach Situation und der Konstellation der Personen – sowohl mit Vorteilen als auch mit Nachteilen verbunden sein.""Attraktivität – Fluch oder Segen? Gerade im Jugendalter müssen attraktive Mädchen – manchmal trotz ihrer Beliebtheit im eigenen Freundeskreis – auch mit Anfeindungen anderer Mädchen rechnen, die sie als Rivalin wahrnehmen. Gutes Aussehen kann also – je nach Situation und der Konstellation der Personen – sowohl mit Vorteilen als auch mit Nachteilen verbunden sein."Bild 4: "Attraktivität – Fluch oder Segen? Gerade im Jugendalter müssen attraktive Mädchen – manchmal trotz ihrer Beliebtheit im eigenen Freundeskreis – auch mit Anfeindungen anderer Mädchen rechnen, die sie als Rivalin wahrnehmen. Gutes Aussehen kann also – je nach Situation und der Konstellation der Personen – sowohl mit Vorteilen als auch mit Nachteilen verbunden sein."

Ob sich gutes Aussehen für eine Person als eher vorteilhaft oder nachteilig erweist, hängt also auch davon ab, ob sie von einer Person des gleichen Geschlechts oder des anderen Geschlechts bewertet wird. Dies wird als sogenannter Attraktivitäts-Geschlechts-Bias bezeichnet (Agthe, Spörrle & Försterling, 2008). Handelt es sich um eine „gegengeschlechtliche“ Konstellation (d. h. ein Mann beurteilt eine Frau oder umgekehrt), ist gutes Aussehen (bei heterosexuellen Beurteilern) für die beurteilte Person meist von Nutzen, nicht aber bei „gleichgeschlechtlichen“ Konstellationen. Der Attraktivitäts-Geschlechts-Bias vermag nicht nur das menschliche Denken, Urteilen sowie Gefühle und Verhalten zu beeinflussen, sondern tritt auch jenseits von partnerschaftsbezogenen Kontexten in an sich neutralen Situationen auf, beispielsweise wenn es um Leistungseinschätzungen, Auswahlentscheidungen oder die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit jemand anderem geht (Agthe et al. 2011; Luxen & van de Vijver, 2006). Ob sich entsprechende positive oder negative Reaktionen zeigen, hängt auch von weiteren Faktoren ab, wie beispielsweise der ethnischen Herkunft der Beteiligten, ihrer Selbstwerthöhe oder der Tendenz zu Eifersucht der beurteilenden Person (für eine Zusammenfassung möglicher Einflussfaktoren vergleiche z. B. Agthe & Maner, 2017).

Insgesamt sind Vorurteile, die für Menschen mit ihrem Aussehen verbunden sind, häufig und deren Folgen oft weitreichend. Daher ist es umso wichtiger, solche Verzerrungseffekte zu kennen und Möglichkeiten zu finden, eventuellen Benachteiligungen entgegenzuwirken. Maßnahmen im beruflichen Bereich im Sinne eines objektiveren Auswahlverfahrens umfassen beispielsweise den Verzicht auf Fotos in Bewerbungen oder eine ausgewogene (d. h. nicht zu einseitige) Besetzung von Auswahlgremien (also beispielsweise mit Männern und Frauen, mit älteren und jüngeren EntscheidungsträgerInnen). Letztlich kann festgehalten werden, dass Attraktivität – anders als zumeist erwartet – nicht ausschließlich positive Auswirkungen hat, sondern auch negative Vorurteile und Voreingenommenheiten mit sich bringen kann.

Zusammenfassend ist die Frage, wie akkurat das Attraktivitätsstereotyp tatsächlich ist, bislang nicht abschließend zu beantworten. Zwar zeigen große Meta-Analysen (z. B. Langlois et al., 2000), dass positive Auswirkungen von gutem Aussehen (wie beispielsweise beruflicher Erfolg) gemäß des Stereotyps durchaus häufig zutreffen und das Stereotyp damit einen gewissen Wahrheitsgehalt hat, so wie sich dies oftmals für Stereotype findet (Jussim, Crawford & Rubenstein, 2015). Das kann aber unter anderem auch daran liegen, dass Menschen oft positive Erwartungen an attraktive Personen haben, was dazu beitragen kann, dass diese nachher tatsächlich besser abschneiden.

Literaturverzeichnis

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