Wie lernen Kinder, andere zu verstehen und wie können Eltern sie dabei unterstützen?

Viele kennen folgende Szene im Sandkasten: Ein zweieinhalbjähriges Kind bewirft ein anderes mit Sand. Die Eltern mahnen: „Was glaubst du, wie sich das Kind jetzt fühlt? Wie findest du es, wenn jemand das mit dir macht?“ Aber können sich Kinder in diesem Alter überhaupt schon in andere hineinversetzen? Welche Rolle spielen die Eltern beim Erlernen dieser Fähigkeit? Dieser Beitrag erklärt, basierend auf aktueller entwicklungspsychologischer Forschung, wie Kinder lernen, andere zu verstehen und wie wichtig diese Fähigkeit für das soziale Miteinander ist.

Bild 1: Durch gemeinsames Spielen lernen Kinder mentale Zustände anderer zu verstehen.Bild 1: Durch gemeinsames Spielen lernen Kinder mentale Zustände anderer zu verstehen.

Eltern befinden sich regelmäßig in Situationen, die so oder ähnlich dieser Szene ablaufen. Das Verhalten eines Kindes bringt ein anderes Kind zum Weinen. Um die Folgen des eigenen Verhaltens auf die Gedanken- und Gefühlswelt anderer erkennen zu können, soll das Kind sich in das betroffene Kind hineinversetzen. Hierzu benötigt man eine sogenannte Theory of Mind. Dies bezeichnet die Fähigkeit, sich selbst und anderen mentale Zustände, wie z. B. Wünsche, Gefühle oder Überzeugungen, zuzuschreiben, um Verhalten erklären, vorhersagen und auch beeinflussen zu können. Schwierig dabei ist, dass diese mentalen Zustände nicht direkt beobachtbar sind. Sie können nur indirekt, basierend auf dem beobachtbaren Verhalten der anderen Person, der konkreten Situation und möglicherweise dem Vorwissen über diese Person erschlossen werden. Erwachsene nutzen diese Fähigkeit, wenn sie z. B. herausfinden wollen, warum die Freundin etwas patzig auf die letzte Textnachricht geantwortet hat oder was sie ihrem Bruder zum Geburtstag schenken könnten. Kinder müssen dies jedoch erst lernen. Wichtige Schritte zum Erwerb dieses Meilensteins der sozial-kognitiven Entwicklung finden im Kleinkind- und Vorschulalter statt.

Macht es also Sinn, ein zweieinhalb Jahre altes Kind zur Perspektivübernahme anzuhalten, damit es Einsicht in sein Verhalten erlangt? Oder würde man hier als Mutter oder Vater etwas von ihm verlangen, wozu es noch gar nicht in der Lage ist? Im Folgenden wird anhand entwicklungspsychologischer Forschung erklärt, ab wann Kinder sich in andere hineinversetzen können und ob Eltern etwas dafür tun müssen, damit ihr Kind dies optimal lernt. Die vorgestellten Forschungsergebnisse verdeutlichen darüber hinaus, wie wichtig diese Fähigkeit für unser soziales Miteinander ist.

Zentrale Entwicklungsschritte

Sich in andere hineinversetzen lernen ist Teil der hoch komplexen Entwicklung von sozialer Kognition und Interaktion. Eine Vielzahl von Entwicklungsphänomen, die bereits ab der Geburt zu beobachten sind, wie z. B. eine Vorliebe für Gesichter oder das Erkennen von biologischer Bewegung (also von Bewegungen eines Lebewesens), stehen mit dem Erwerb der Theory of Mind in Verbindung. Um einen Überblick zu bekommen, wie sich bei Kindern die Fähigkeit zur Perspektivübernahme entwickelt, werden im Folgenden die wichtigsten Schritte dazu vorgestellt. Bei den genannten Altersangaben handelt es sich um Mittelwerte einzelner Studien oder Übersichtsarbeiten. Das Alter, in dem ein bestimmtes Kind diese Entwicklungsschritte macht, kann stark variieren. Darüber hinaus widersprechen sich manche Studien dahingehend, in welchem Zeitraum genau Kinder die jeweils untersuchte Fähigkeit erwerben. Basierend auf der Forschung der letzten Jahrzehnte können die Stationen des Theory of Mind-Erwerbs aber dennoch recht genau beschrieben werden.

Einjährige

Um darüber nachdenken zu können, was gerade im Kopf eines anderen vorgeht, muss man zuerst verstehen, dass andere überhaupt mentale Zustände haben, dass diese durch die Wahrnehmung der Umwelt beeinflusst werden und dass sie das Verhalten von Personen erklären können. Gegen Ende des ersten Lebensjahres haben Kleinkinder zumindest ein grundlegendes Verständnis darüber, was andere wahrnehmen können. So folgen sie der Blickbewegung einer anderen Person, auch wenn sie selbst noch nicht sehen können, auf was die andere Person gerade ihre Aufmerksamkeit lenkt. Sie berücksichtigen dabei sogar bereits, ob diese Person in diesem Moment überhaupt etwas sehen kann, weil sie ihre Augen geöffnet hat oder nicht (Brooks & Meltzoff, 2002). Auch scheinen Einjährige beim Beobachten von Handlungen bereits das zugrunde liegende Ziel einer Person mit zu berücksichtigen (Gergely et al., 1995).

Eineinhalb- bis Zweijährige

Ab einem Alter von eineinhalb Jahren verstehen Kinder die Subjektivität von Wünschen. Sie verstehen also, dass manchmal jemand etwas mag, was man selbst nicht gut findet (oder umgekehrt). In einem Experiment reichten Kinder in diesem Alter einer Versuchsleiterin etwa das Essen, das diese mochte, auch wenn es den Kindern selbst nicht schmeckte (z. B. Brokkoli; Repacholi & Gopnik, 1997). Jüngere Kinder hingegen gaben der Versuchsleiterin das Essen, das sie selbst am liebsten mochten, auch wenn diese zuvor gezeigt hatte, dass sie dieses Essen nicht mag (z. B. durch ihre Aussage „Igitt, Kinderkekse!“). Ebenfalls ab dem Alter von etwa eineinhalb Jahren zeigen Kinder empathisches Verhalten, wie z. B. das Trösten einer Person, die gerade weint. So zeigte eine Studie, dass Eineinhalbjährige nicht nur verstehen, warum eine Person gerade beispielsweise enttäuscht oder traurig ist, sondern dass sie dieses Wissen auch bereits nutzen, um dieser Person zu helfen (Warneken & Tomasello, 2006). Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, halfen Kinder einem Erwachsenen z. B. einen heruntergefallenen Stift wieder aufzuheben oder eine Schranktür zu öffnen. Hier wird deutlich, dass Kinder in diesem Alter bereits eine recht gute Vorstellung davon haben, wie andere sich fühlen und was ihre Wünsche und Ziele sind. Darüber hinaus zeigt dieser Befund, dass bereits Kleinkinder ihr Wissen über mentale Zustände nutzen können, um spontan altruistisch zu handeln. Damit wird deutlich, dass die Entwicklung der Fähigkeit, sich in andere hineinversetzen zu können, für das soziale Miteinander sehr bedeutsam ist.

Zwei- bis Dreijährige

Gegen Ende des zweiten Lebensjahres beginnen Kinder, über eigene und fremde Emotionen und Wünsche zu sprechen. In ihrer spontanen Sprache verwenden sie vermehrt Wörter wie „glücklich“ oder „traurig“ oder „wollen“. Ab zweieinhalb Jahren können sie dann auch einen expliziten Zusammenhang zwischen Wunsch, Handlungsergebnis und emotionaler Reaktion herstellen. Das heißt, sie können z. B. erklären, dass eine Person traurig ist, weil sie nicht bekommen hat, was sie wollte.

Ab zwei Jahren verstehen Kinder, dass verschiedene Personen verschiedene Dinge sehen können (Moll & Tomasello, 2006). Dies wird in der Forschung auch Level-1-Perspektivübernahme genannt (Flavell, 1974). Eltern wissen, dass jüngere Kinder zwar gerne Verstecken spielen, aber oft fürchterlich schlecht darin sind, sich auch gut zu verstecken. Es passiert nicht selten, dass sich ein Kind lediglich wegdreht oder seine Augen verdeckt, weil es glaubt, nicht mehr von anderen gesehen werden zu Bild 2: Kleine Kinder sind oft fürchterlich schlecht darin sind, sich im Spiel gut zu verstecken. Viele verdecken die Augen in der Annahme, nicht gesehen zu werden.Bild 2: Kleine Kinder sind oft fürchterlich schlecht darin sind, sich im Spiel gut zu verstecken. Viele verdecken die Augen in der Annahme, nicht gesehen zu werden.können, wenn es selbst nichts mehr sieht.

Die Fähigkeit zur Level-1-Perspektivübernahme wird von Kindern auch in der sozialen Interaktion und für das soziale Miteinander genutzt. Diese Fähigkeit und das Verstehen von eigenen und fremden Absichten und Handlungszielen ermöglicht es Kindern, ab diesem Alter erstmals zu kooperieren, also Handlungen mit anderen abzustimmen und auf ein gemeinsames Ziel auszurichten (Rakoczy & Tomasello, 2007). Ab diesem Zeitpunkt können sie gemeinsam Probleme lösen, die alleine nicht zu lösen wären.

Kinder verstehen vor ihrem dritten Geburtstag also schon recht gut, was andere wollen, welche Absichten hinter ihren Handlungen stecken und wie sie sich fühlen. Mit dem Verständnis anderer mentaler Zustände haben sie aber noch Probleme. So sind sie noch nicht besonders gut darin zu verstehen was eine Person denkt, weiß oder glaubt. Eine Besonderheit dieser mentalen Zustände ist, dass die Überzeugungen einer Person nicht zwangsläufig mit der eigenen Sichtweise übereinstimmen müssen, und dass sie falsch sein können. Es kann zum Beispiel sein, dass jemand anderes etwas weiß, was ich nicht weiß. Für Kinder unter drei Jahren ist es noch schwierig, beides gleichzeitig zu verarbeiten. Vor ihrem dritten Geburtstag benutzen Kinder auch noch selten Wörter wie „denken“ oder „wissen“. Auch können sie in diesem Alter noch nicht gut lügen. Es kann passieren, dass ein Kind mit schokoladeverschmierten Händen vor seinem Vater steht und sieht, dass auch der Vater die Schokoladenhände sehen kann, aber dennoch felsenfest behauptet es habe keine Schokolade gegessen.

Drei- bis Fünfjährige

Ab dem Alter von 3-5 Jahren, meistens ungefähr ab dem vierten Geburtstag, können Kinder, entkoppelt von ihrer eigenen Sicht auf die Welt, nachvollziehen, was eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt wie sieht. Sie haben nun die Fähigkeit zur Level-2-Perspektivübernahme. Das bedeutet, sie verstehen nicht nur, dass jemand etwas anderes sehen kann als sie selbst, sondern auch, dass man dasselbe aus unterschiedlichen Blickwinkeln sehen kann. Sie können sich nun so weit in eine andere Person hineinversetzen, dass sie sich vorstellen können, wie diese Person z. B. einen Teddybären sieht, der zwischen ihnen steht und dessen Gesicht dem Kind zugewandt ist (nämlich, dass die andere Person nur die Rückseite des Teddybären sehen kann; Flavell, 1974).

Im selben Zeitraum findet ein weiterer bedeutender Entwicklungsschritt statt, den viele ForscherInnen als den Moment betrachten, ab dem Kinder wirklich eine voll ausgereifte Theory of Mind besitzen. Ungefähr ab dem vierten Geburtstag beginnen Kinder zu verstehen, dass sie selbst und andere falsche Überzeugungen über den Zustand der Welt haben können. In einem Experiment von Wimmer und Perner (1983) wurde Kindern eine Geschichte von Maxi und seiner Schokolade erzählt. Maxi legt seine Schokolade in den grünen Küchenschrank. Während er draußen beim Spielen ist, nimmt seine Mutter die Schokolade heraus und legt sie in den blauen Küchenschrank. Später kommt Maxi zurück und will seine Schokolade essen. Die Kinder wurden dann gefragt, wo Maxi wohl seine Schokolade suchen wird. Kinder ab vier Jahren gaben die korrekte Antwort, dass Maxi im grünen Küchenschrank suchen wird, weil er der falschen Überzeugung ist, die Schokolade befände sich immer noch dort. Jüngere Kinder antworteten egozentrisch, nämlich im Sinne ihrer eigenen Sicht auf die Dinge und gaben folglich an, Maxi würde im blauen Schrank suchen. Dasselbe Ergebnis wurde in vielen verschiedenen Experimenten und Kulturen gefunden, so dass man heute mit großer Gewissheit sagen kann, dass Kinder ab einem Alter von 3-5 Jahren eine Theory of Mind besitzen, weil sie sich die Überzeugung des anderen vorstellen können, auch wenn sie wissen, dass sie falsch ist.

Wie gut können sich Kleinkinder in andere hineinversetzen?

Die Annahme, dass Kinder ab einem Alter von ungefähr 4 Jahren sich selbst und anderen falsche Überzeugungen zuschreiben können, wurde allerdings durch neuere Forschung in Frage gestellt. In verschiedenen Experimenten, die nicht-sprachliches Verhalten wie z. B. Blickbewegungsmuster untersuchten, konnte gezeigt werden, dass bereits Eineinhalb- bis Zweijährige scheinbar die falsche Überzeugung einer anderen Person erkennen können (Onishi & Baillargeon, 2005; Southgate et al., 2007). In jüngster Zeit scheiterten jedoch viele ForscherInnen bei dem Versuch, die Ergebnisse dieser Studien bei einer genauen Wiederholung des Experiments erneut zu finden. So bleibt es zum jetzigen Zeitpunkt unklar, ob bereits Kleinkinder die voll ausgereifte Fähigkeit zur Perspektivübernahme besitzen, oder ob sie diese Fähigkeit wie bisher angenommen erst mit ungefähr vier Jahren erwerben. In einem aktuellen Gemeinschaftsprojekt versuchen EntwicklungspsychologInnen verschiedener Länder diesem methodischen Problem auf den Grund zu gehen, in dem sie gemeinsam verbesserte Experimente entwickeln und Kinder auf der ganzen Welt damit untersuchen (Visser et al., 2021). Die Ergebnisse dieses Projekts sollen Klarheit in die widersprüchliche Befundlage bringen.

Der Einfluss der Eltern

Kinder erwerben die Fähigkeit zur Perspektivübernahme weitgehend unabhängig davon, mit welchen Voraussetzungen und unter welchen Bedingungen sie aufwachsen. Obwohl teilweise kulturelle Unterschiede beim Theory of Mind-Erwerb gefunden wurden, kann die bis hierher beschriebene Entwicklung der Perspektivübernahme als universell bezeichnet werden. Gibt es dennoch Faktoren, die die Theory of Mind-Entwicklung bei Kleinkindern beeinflussen? Hat insbesondere das Verhalten der Eltern Auswirkungen auf die oben beschriebene Entwicklung? Es liegt nahe, solche Effekte anzunehmen, denn so wie die sozial-kognitive Entwicklung einen Einfluss darauf hat, wie Kinder mit ihrer Umwelt in Kontakt treten, kann das Ausmaß und die Qualität sozialer Interaktion die Entwicklung sozialer Kognition beeinflussen. Und die soziale Umwelt von Kindern besteht in den ersten Lebensjahren üblicherweise hauptsächlich aus ihrer Familie.

Es gibt drei Möglichkeiten, wie Eltern die Theory of Mind-Entwicklung ihres Kindes unterstützen können (Pavarini, de Hollanda Souza & Hawk, 2013): Erstens sollten Eltern sich vor Augen halten, dass hinter dem Verhalten ihrer Kinder Absichten, Wünschen und Überzeugungen stehen. Auf diese mentalen Zustände sollten sie feinfühlig und verlässlich eingehen. Zweitens sollten Eltern regelmäßig ihre eigenen Emotionen ihren Kindern gegenüber zeigen (negative Emotionen allerdings nicht zu Bild 3: Beim Vorlesen unterstützen Eltern ihre Kinder dabei Wünsche, Gefühle oder Überzeugungen anderer besser verstehen zu lernen.Bild 3: Beim Vorlesen unterstützen Eltern ihre Kinder dabei Wünsche, Gefühle oder Überzeugungen anderer besser verstehen zu lernen.häufig). Es hat sich nämlich gezeigt, dass Kinder dann besonders gut über Emotionen, deren Ursachen und Konsequenzen lernen, wenn Eltern dies vorleben. Drittens sollten Eltern von Anfang an mit ihren Kindern über mentale Zustände sprechen. Eine Längsschnittstudie fand heraus, dass Mütter häufig eine intuitiv an die Entwicklung ihrer Kinder angepasste Unterstützung bieten, indem sie vor allem über die mentalen Zustände sprechen, die im nächstbevorstehenden Entwicklungsschritt und Alter verstanden werden (Taumoepeau & Ruffman, 2008). So sprechen sie zuerst vermehrt über Wünsche und später vermehrt über Gedanken. Zu diesem sogenannten Mental State Talk gehört z. B. das Aussprechen von mutmaßlichen Absichten des Kindes oder das Benennen von Emotionen (z. B. „du bist wütend“). Zusätzlich sollten Bezüge zu den Gründen und Konsequenzen dieser mentalen Zustände hergestellt werden (z. B. „du bist wütend, weil du einen Turm aus den Holzklötzen bauen möchtest und es nicht klappt. Kein Problem, wir machen das gemeinsam.“). Darüber hinaus hat es sich als förderlich erwiesen, Kindern zu erklären, dass sich diese Zusammenhänge zwischen Menschen unterscheiden können (z. B. „Ich finde es nicht schlimm, wenn der Holzturm mal umfällt; ich finde das sogar ganz lustig.“). Streitsituationen bieten eine gute Gelegenheit, Kinder dazu anzuregen, über entgegengesetzte Interessen nachzudenken und andere Perspektiven einzunehmen. So lernen sie Verständnis für das Gegenüber zu entwickeln und möglicherweise eine Anpassung der eigenen Einstellung und des eigenen Verhaltens vorzunehmen. Drei- bis vierjährige Kinder, deren Eltern sie in Konfliktsituationen dazu aufforderten, darüber nachzudenken, wie sich das Gegenüber jetzt wohl fühlt, anstatt sie lediglich zu tadeln, schnitten in einer Studie besser in Theory of Mind-Aufgaben ab (Ruffman, Perner und Parkin, 1999). Eine andere Studie fand zudem, dass drei- bis vierjährige Kinder, deren Mütter mehr über mentale Zustände sprachen, als Zehnjährige weniger Verhaltensauffälligkeiten zeigten (Carr et al., 2018).

Fazit

Ab ungefähr dem vierten Geburtstag können Kinder die mentalen Zustände anderer verstehen. Sie scheinen alle nötigen Lernvoraussetzungen dafür von Geburt an mitzubringen. Durch die Interaktion mit ihrer sozialen Umwelt lernen sie dann Gedanken und Gefühle zu erklären, vorherzusagen und zu beeinflussen. Mit jedem Entwicklungsschritt erwerben Kinder neue Fähigkeiten, die für unser soziales Miteinander von entscheidender Bedeutung sind. Eltern unterstützen ihre Kinder hierbei in der Regel intuitiv und es braucht kein besonderes „Trainingsprogramm“, damit Kinder Perspektivübernahme lernen. Dennoch kann es sinnvoll sein, darauf zu achten, regelmäßig über mentale Zustände zu sprechen, ihre Ursachen und Konsequenzen zu verdeutlichen und bei Bedarf passende Reaktionen zu finden. Bezogen auf das Eingangsbeispiel bedeutet das, dass es durchaus hilfreich sein kann, sein Kind zur Perspektivübernahme anzuregen. Allerdings sollte dies nicht zu früh geschehen, sondern erst, wenn es auch wirklich dazu in der Lage ist.

Bildquellen

Bild 1:  Polesie Toys via pexels (https://www.pexels.com/de-de/foto/sommer-madchen-niedlich-kind-5997622/?... https://www.pexels.com/de-de/lizenz/)

Bild 2: CAleb Woods via unsplash (https://unsplash.com/photos/VZILDYoqn_U Lizenz: https://unsplash.com/license).

Bild 3:  Lina Kivaka via pexels (https://www.pexels.com/de-de/foto/person-die-ein-buch-liest-1741230/,Liz... https://www.pexels.com/de-de/lizenz/).

Literaturverzeichnis

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