Emotionsarbeit – was ein Lächeln kosten kann…

Über meine Gefühle bestimme ich – aber erst nach Dienstschluss!? An vielen Arbeitsstellen setzen Menschen ein Lächeln auf und verkneifen sich die zornige Miene bei Ärger, weil Kunden und Arbeitgeber eine freundliche Attitüde erwarten. Doch innerlich brodelt es weiter… Kommt diese Strategie der Emotionsregulation beim Gegenüber gut an? In diesem Artikel werden Forschungsergebnisse zum Phänomen der Emotionsarbeit und ihren Auswirkungen zusammengefasst.

Emotionale Serviceleistung: Emotionsarbeit

Vor nicht allzu langer Zeit war die „Servicewüste Deutschland“ ein häufig genutzter Begriff derer, die aus dem Ausland − bevorzugt Übersee − zurückkamen und sich daheim als Erstes über die mangelnde Serviceorientierung sämtlicher Angestellten ärgern mussten. Doch diese Zeit scheint Vergangenheit zu sein (Bialek, 2008). Vom McDonalds Systemgastronomen über die Bankkauffrau bis zur Kaufhausangestellten – ihnen allen wurde eingebläut, dass der Kunde König und mit einem freundlichen Lächeln zu bedienen sei. Gerade wenn Verkaufsinhalte und Produkte sich mehr und mehr gleichen, bleiben der Umgang mit dem Kunden, die Steigerung seiner Zufriedenheit und seine Bindung an Produkt oder Unternehmen als potenzieller Wettbewerbsvorteil. Durch positive Emotionen und Serviceinteraktionen werden Kunden hinsichtlich Ihrer Kaufentscheidungen und ihres Treueverhaltens beeinflusst (Pugh, 2001). Damit ihnen diese Effekte sicher sind, formulieren Arbeitgeber immer öfter konkrete Verhaltensanforderungen an ihre Mitarbeiter in Bezug auf den emotionalen Umgang mit Kunden oder Klienten. Arlie R. Hochschild, eine Soziologin, griff 1983 diese konkreten Regeln oder impliziten Erwartungen, die das Zeigen oder Verbergen von Gefühlen bei der Arbeit betreffen, unter dem Titel „Emotionsarbeit“ auf. Emotionsarbeit beschreibt das Regulieren der eigenen Gefühle, um die vom Arbeitgeber gewünschten Emotionen dem Interaktionspartner gegenüber auszudrücken.

Auf die Grundzüge dieser ursprünglichen Definition berufen sich auch heute die meisten Forscher: Emotionsarbeit findet demnach in Arbeitssituationen mit direktem Kontakt zu Kunden oder Klienten statt. Durch explizite Regeln oder Erwartungen des Arbeitgebers gefordert, zeigen Arbeitnehmer bestimmte Emotionen mit der Absicht, Einstellungen, Empfinden oder Verhalten des Interaktionspartners zu beeinflussen. Im Gegensatz zu der allgemeinen Fähigkeit der Emotionsregulation bezieht sich Emotionsarbeit auf das Regulieren und Darstellen von Emotionen im Arbeitsverhältnis. Die Gefühlsregulation stellt also eine (implizite) Arbeitsanforderung dar. Als Teil der entlohnten Arbeitsleistung hat Emotionsarbeit somit einen monetären Gegenwert.

Im Folgenden werde ich das Konzept der Emotionsarbeit näher beschreiben und zwei Regulationsstrategien, Surface Acting und Deep Acting, vorstellen. Dann werde ich einige potenzielle Auswirkungen von Emotionsarbeit beschreiben, dabei liegt der Fokus auf dem Wohlergehen des Mitarbeiters und der Interaktion mit Klienten oder Kunden. Auf dieser Grundlage wird diskutiert, wie teuer ein gespieltes Lächeln Mitarbeiter und Arbeitgeber zu stehen kommen kann und ob Emotionsarbeit als Arbeitsanforderung immer sinnvoll ist.

Darbietungsregeln am Arbeitsplatz

Ein typisches Beispiel für Darbietungsregeln am Arbeitsplatz findet man bei Flugbegleitern. Ihr Lächeln und freundlicher Umgangston sind unter anderem Auswahl- und Leistungskriterien und werden nicht nur von den Fluggästen erwartet, sondern auch explizit vom Arbeitgeber gefordert und durch Schulungen trainiert. Selbst wenn die Flugbegleiterin mit besorgten Gedanken bei ihrem kranken Kind ist oder aber ein Fluggast ausfallend wird, weil er seinen Anschlussflug nicht erreicht, bleibt die emotionale Anforderung bestehen. Die bestehenden Darbietungsregeln erfordern, eine angenehme Interaktion zu gestalten, indem positive Gefühle wie Aufmerksamkeit, Anteilnahme und Verständnis ausgedrückt bzw. negative Emotionen wie Ärger und Zorn unterdrückt werden. Dieses Anforderungsmuster findet sich in den meisten Serviceberufen in unterschiedlicher Ausprägung wieder; allerdings gibt es auch Tätigkeiten, bei denen das Gegenteil gewünscht ist. Ein Streifenpolizist auf der Reeperbahn kommt mit Verständnis und freundlichem Lächeln nicht weit. Seine Rolle erfordert professionelle Neutralität und die Härte, sich gegebenenfalls mit negativen Emotionsdarstellungen Gehorsam zu verschaffen.

 Am zweiten Beispiel wird deutlich: Auch wenn das Thema Emotionsarbeit besonders in Bezug auf klassische Serviceberufe in den Branchen Gastronomie, Tourismus und Handel diskutiert wird, betrifft es doch weitaus mehr Arbeitnehmer in ihrem Alltag. Ärzte oder Pfleger, Lehrerinnen oder Erzieher, Pastorin oder Chefsekretär, sie alle sind Dienstleistende für eine bestimmte Gruppe und zumindest impliziten Anforderungen und Erwartungen in Bezug auf ihren emotionalen Ausdruck am Arbeitsplatz ausgesetzt. Definiert man Emotionsarbeit etwas weiter, so zählen auch Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzte zu den Interaktionspartnern, bei denen Angestellte bestimmte Darbietungsregeln befolgen und somit Emotionsarbeit betreiben (Grandey, Kern & Frone, 2007).

Auswirkungen von Emotionsarbeit

Organisationen und Arbeitgeber kommunizieren Darbietungsregeln zumeist mit dem Ziel, einen Kontakt angenehmer oder eine Dienstleistung besser zu gestalten, damit sich dadurch weitere wirtschaftliche Vorteile ergeben. Laut Hochschild jedoch, die den Begriff Emotionsarbeit zuerst prägte, hat die regelmäßige Anforderung seine Gefühle bei der Arbeit zu regulieren nicht nur positive Konsequenzen. Stress und Burnout bei Mitarbeitern steigen durch Darbietungsregeln an (Grandey et al., 2007; Totterdell & Holman, 2003), und selbst das Ziel, Interaktionen zu verbessern, wird oft verfehlt (Gosserand & Diefendorff, 2005; Grandey, 2003). Woran liegt das?

Emotionsarbeit als kognitive Belastung

Für Mitarbeiter bedeutet Emotionsarbeit zunächst eine zusätzliche kognitive Arbeitsbelastung (Sideman Goldberg & Grandey, 2007). Neben den Primäraufgaben, die sie ausführen (z. B. Reservierung tätigen, Untersuchung durchführen, Bestellung aufnehmen), beanspruchen die ständige Kontrolle der eigenen Gefühlsäußerungen und der Abgleich mit den herrschenden Darbietungsregeln kognitive Ressourcen und Aufmerksamkeit (Richards & Gross, 2000). Diese Ressourcen stehen dann zeitgleich nur in begrenztem Maße für weitere mentale Prozesse und Handlungen zur Verfügung.

Von einer bestimmten mentalen Ressource nimmt man an, dass sie nicht nur zeitgleich, sondern auch nachfolgend von Emotionsarbeit beeinträchtigt wird: die Selbstregulationsfähigkeit. Im Modell der selbstregulatorischen Ressource postulieren Baumeister und Kollegen, dass Selbstkontrolle im Allgemeinen keine unbegrenzte Ressource ist, sondern kurzfristig abnimmt, wenn sie gerade gefordert und eingesetzt wurde, langfristig aber trainiert werden kann. In einem Laborexperiment (Baumeister, Bratslavsky, Muraven & Tice, 1998) zeigten die Autoren, dass das Ausüben von Selbstbeherrschung eine nachfolgende weitere Entscheidung zur Selbstbeherrschung erschwert, aber auch die Leistungsfähigkeit in einer kognitiven Aufgabe mindert. So schnitten Personen, die ihre Gefühle während eines emotionalen Films unterdrücken sollten, bei einer Puzzle-Aufgabe bedeutsam schlechter ab als jene, die ihre Gefühle frei zeigen konnten, und gaben bei einer anderen Aufgabe eher auf. Die Emotionsregulation, durch die der Ausbruch von negativen Gefühlsäußerungen unterdrückt wurde, verringerte bei der Experimentalgruppe die Ressource „Willenskraft“ und die kognitive Leistung. Wenn Personen sich wiederholt oder ständig um Selbstkontrolle bemühen oder vielen verschiedenen Handlungsimpulsen Stand halten wollen, kann ein Erschöpfungszustand des Selbst eintreten ( ego depletion) und andere willentliche Handlungen sind erschwert oder gar unmöglich.

Emotionsarbeit als emotionale Belastung

Besonders wenn eine längerfristige Diskrepanz zwischen tatsächlich gefühlten und durch Gesten und Mimik kommunizierten Emotionen besteht, fühlen sich Menschen belastet. Dieser Zustand wird als emotionale Dissonanz beschrieben und seine Auswirkungen wurden unter anderem von Gross und Levenson (1997) untersucht. Hochschild (1983) beschreibt zwei verschiedene Strategien, durch die Mitarbeiter trotz abweichender Gefühle die Darbietungsregeln am Arbeitsplatz erfüllen können: Surface Acting und Deep Acting. Surface Acting bezeichnet eine oberflächliche Anpassung des Gefühlsausdrucks, ohne dass sich die tatsächlich empfundenen Emotionen verändern: Obwohl der Kellner über den unverschämten Gast vor Wut schreien könnte, beißt er sich auf die Zunge und bedient weiterhin lächelnd dessen Tisch. Es wird also keine Emotion, sondern lediglich der Emotionsausdruck moduliert. Beim Deep Acting dagegen benutzen Personen kognitive Strategien, um die erlebten Gefühle willentlich mit den Darbietungsregeln in Einklang zu bringen. Grandey (2000) geht auf Gross´ (1998) allgemeines Konzept der Emotionsregulation ein und benennt zwei Strategien, die man nutzen kann um seine Gefühle tatsächlich zu verändern. Die kognitive Umstrukturierung (im Sinne von Neubewertung) hilft Menschen dabei, Ereignisse und Verhalten in einem anderen, positiveren Licht zu sehen. Anstatt die Schimpftiraden persönlich zu nehmen, die eine Call-Center Mitarbeiterin im Beschwerdemanagement täglich hört, kann sie sich vorstellen, der Anrufer sei ein quengeliges Kind, das zunächst seinen Frust abladen muss, bevor es seine Bedürfnisse mitteilen kann. Eine andere Strategie seine Emotionen tatsächlich zu ändern ist die Neuausrichtung der Aufmerksamkeit. Durch die Aufmerksamkeitslenkung von der aktuellen Situation auf eine imaginäre angenehme Situation werden positive Gefühle ausgelöst, die dann wiederum den gewünschten Emotionsausdruck erleichtern oder hervorrufen. Die Dame aus dem Beschwerdemanagement könnte also, anstatt sich zu ärgern und wütend zu werden, an den bevorstehenden Urlaub in der Sonne denken – und das Lächeln, das bei diesen Gedanken entsteht, für die Kundeninteraktion nutzen.

Surface Acting und Deep Acting im Vergleich

Die beiden Strategien Surface Acting und Deep Acting unterscheiden sich vor allem darin, wann und wie die Emotionen beeinflusst werden (Gross, 1998). Durch Surface Acting wird die Darstellung zu einem späteren Zeitpunkt im Emotionsprozess beeinflusst. Zwar werden die sichtbaren körperlichen Zeichen unterdrückt – ein Stirnrunzeln etwa mit einem Lächeln maskiert – die Person durchlebt jedoch die tatsächlich empfundene Emotion, z. B. Ärger. Unser Körper sendet bereits Signale, die die Emotion „Ärger“ ausdrücken, wie erhöhte Herzfrequenz durch Hormonausschüttung (Stemmler, 1992), und zurück bleibt die emotionale Dissonanz zwischen selbst wahrgenommener und dargestellter Emotion. Jeder, der schon einmal versucht hat, sich seine Enttäuschung, Wut oder Angst nicht anmerken zu lassen, kann sich vorstellen, dass diese Emotionsunterdrückung (Suppression) nicht besonders angenehm ist. Beim Deep Acting dagegen wird die Emotionsentstehung zu einem früheren Zeitpunkt unterbrochen, so dass sich die körperlichen Bestandteile der Emotion (wie Erröten oder Zittern) erst gar nicht entfalten. Da beim Deep Acting die durch Darbietungsregeln geforderte Emotion das ursprüngliche Empfinden früh genug ersetzt, korrespondieren auch die körperlichen Komponenten mit dem Ausdruck der Emotion. Die Person erlebt die Emotion in der Situation als kongruent mit dem eigenen Verhalten und ihre Emotionsdarstellung als authentisch.
Dieser Unterschied in der Kongruenz des Empfindens und der Authentizität des Emotionsausdrucks zwischen Surface und Deep Acting bedingt unterschiedliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Mitarbeitern (Holman, Martínez-Iñigo & Totterdell, 2008; Zapf, 2002). Gross (1998) untersuchte die physiologischen Aktivierungssysteme (u. a. Hautleitfähigkeit, Herzschlag und Fingerpuls) der beiden Regulationsstrategien im Vergleich, während Probanden einen Film mit ekelerregenden Bildern sahen. „Deep Acter“ zeigten vergleichbare Aktivierungswerte wie die Kontrollgruppe, die gar keine Emotionen regulieren sollte. Die „Surface Acter“ jedoch zeigten eine erhöhte Aktivierung des sympathischen Nervensystems im Vergleich zu den zwei anderen Gruppen, die sich unter anderem in der Steigerung des Blutdrucks, der Herzfrequenz und des Stoffwechsels ausdrückte. Akute physiologische Belastungen der Situation manifestieren sich, wenn die Emotionsunterdrückung zum Arbeitsalltag gehört, und können so zu psychischer Belastung und psychosomatischen Symptomen beitragen. Der vermehrte Gebrauch von Surface Acting korrespondiert mit erhöhten Burnout-Werten (Brotheridge & Grandey, 2002). Erste Kennzeichen des Burnout-Syndroms sind z. B. emotionale Erschöpfung und Überforderung im Kontakt mit Klienten und Kollegen und eine Distanzierung von eigenen Gefühlen – Zustände, zu denen Emotionsarbeit beiträgt.

 

Authentizität als Anforderung und Qualitätsmerkmal

Des Weiteren hat der Unterschied zwischen Surface und Deep Acting in Bezug auf die Authentizität auch Auswirkungen auf den Interaktionspartner. Studien belegen, dass Authentizität in der Beziehung mit Kunden oder Klienten ein ausschlaggebender Faktor für die Qualität der Interaktion ist (Grandey, Fisk, Mattila, Jansen & Sideman, 2005; Hennig-Thurau, Groth, Paul & Gremler, 2006). Das Unterdrücken der eigenen Gefühle und die Simulation eines positiven Emotionsausdrucks wie beim Surface Acting führen jedoch zu verringerter Authentizität (Erickson & Ritter, 2001; Simpson & Stroh, 2004), die auch der Interaktionspartner wahrnehmen kann (Brotheridge & Lee, 2002; Gross & John, 2003). Wird der Emotionsausdruck als nicht authentisch oder „falsch“ erlebt, wird die Dienstleistung schlechter bewertet (Grandey, 2003). Auch wenn beim Deep Acting die ursprünglich erlebte Emotion angepasst wurde, stimmen im Unterschied zu Surface Acting Ausdruck und Empfindung überein. Der Mitarbeiter verhält sich in Bezug auf seine erlebten und dargebotenen Gefühle authentisch.

Doch woher erkennen Personen, ob der Emotionsausdruck des Gegenübers „echt“ oder vorgespielt ist? Frank, Ekman und Friesen (1993) untersuchten die Muskelaktivierung bei spontanem und absichtlich dargestelltem Lächeln. Studienteilnehmer konnten die Gesichtsausdrücke erstaunlich gut unterscheiden. Dabei stellen unter anderem die Fältchen am Auge oder die Art, wie die Mundwinkel gebogen werden, ausschlaggebende Hinweise dar. In Japan wird das Lächeln der Bahnangestellten bereits mit einem Smile-Scan per Videocheck gemessen und bewertet (Poupée, 2009). Bevor die Mitarbeiter ihre Schicht am Infoschalter beginnen, scannt ein Programm das Gesichtsmuster der Person. Bei minderer Lächel-Qualität folgen Aufforderungen wie „Bitte die Mundwinkel mehr nach oben biegen!“. Ob dieser Automat die Authentizität des Lächelns fördert, ist wohl fraglich. Statt umfangreicher Darbietungsregeln, Service-Schulungen und Smile-Checks sind Arbeitgeber vielleicht besser damit bedient, authentische Freundlichkeit von ihren Angestellten zu fordern; aber nicht mehr.

Best Practice von Emotionsarbeit

Unter welchen Umständen führen Darbietungsregeln zu dem gewünschten Ziel des Arbeitgebers – nämlich, dass sich seine Mitarbeiter zunächst an die Darbietungsregeln halten ohne Stress zu erleben und letztlich Kunden oder Klienten die Interaktion als angenehm erleben?

Am besten schafft der Arbeitgeber alle Voraussetzungen dafür, dass Mitarbeiter seltener ihre Emotionen regulieren müssen, sondern die Darbietungsregeln möglichst authentisch erfüllen können. Er sollte deshalb sein Geschick bei der Personalauswahl beweisen und Mitarbeiter für die entsprechenden Positionen einstellen, die gerne im Kundenkontakt arbeiten, offen und extravertiert sind (Callaghan & Thompson, 2002; Diefendorff, Croyle & Gosserand, 2005). Personen mit diesen Eigenschaften stellen schnell einen angenehmen Kontakt mit dem Kunden oder Klienten her und schaffen eine Gesprächsatmosphäre, in der Emotionsarbeit gar nicht mehr nötig ist. Doch Harmonie allein löst nicht alle Probleme. Gerade in schwierigen Situationen und Konflikten (wie z. B. im Call-Center des Beschwerdemanagements) leisten Mitarbeiter häufig Surface Acting – für sie selber als auch für die Kunden ist dies zwar besser als ein Wutausbruch, aber (wie oben angeführt) mit Nachteilen im Vergleich mit einem authentischen Emotionsausdruck verbunden. Emotionale Intelligenz ist ein weiteres Persönlichkeitsmerkmal, das dazu führt, dass Personen Interaktionen geschickter und angenehmer gestalten können. Personen mit einer hohen Ausprägung an emotionaler Intelligenz leisten weniger Surface Acting (Cheung & Tang, 2009) und leiden weniger unter den Folgen, wenn sie Emotionsarbeit ausführen (Giardini & Frese, 2006).

Abgesehen von den Charakteristika des Mitarbeiters kann der Arbeitgeber aber auch den Handlungsspielraum so gestalten (meist: erweitern), dass die Serviceinteraktionen angenehmer ablaufen. Wenn Mitarbeiter Autonomie erleben, individuell auf Kunden eingehen können und sie durch tatsächliche Handlungsalternativen anstatt nur mit freundlichen Worten zufrieden stellen können, ist Emotionsarbeit oft nicht mehr erforderlich. Gerade die Selbstbestimmung in Bezug auf Darbietungsregeln hat Einfluss darauf, wie erschöpft Personen sich nach einer Serviceinteraktion fühlen (Sideman-Goldberg & Grandey, 2007).

Was können Arbeitnehmer tun, die in ihrem Alltag bestimmten Erwartungen an ihre emotionalen Reaktionen und Gesichtsausdrücke ausgesetzt sind? Wenn ein gutes Arbeitsklima herrscht und Mitarbeiter kollegiale Unterstützung erfahren, leisten sie eher Deep als Surface Acting und berichten weniger emotionale Dissonanz (Abraham, 1999; Totterdell & Holman, 2003). Wenn Personen sich gegenüber ihren Kollegen und auch Vorgesetzten so sicher fühlen, dass sie auch negative Stimmung zeigen können, wird zunächst die begrenzte Ressource der Selbstregulation nicht gebraucht und dadurch nicht verringert. Wenn Mitarbeiter darüber hinaus bei Kollegen „Dampf ablassen“ können, nachdem sie sich dem aufgebrachten Kunden gegenüber zehn Minuten lang beherrscht haben, verschaffen sie ihren empfundenen Emotionen Ausdruck und beheben somit die emotionale Dissonanz.

Falls das gute Klima unter den Kollegen nicht so einfach herzustellen ist, können Arbeitnehmer direkt bei sich selbst ansetzen: Sie können versuchen, Deep Acting statt Surface Acting-Strategien anzuwenden. Wie oben beschrieben unterscheiden sich nicht nur die Mechanismen der beiden Strategien, sondern auch die kurz- und langfristigen Folgen für Arbeitnehmer, Kunden und Arbeitgeber. In vielen Studien zeigte sich nicht nur, dass Deep Acting im Vergleich zu Surface Acting weniger mit Stress und Burnout-Symptomen assoziiert ist, sondern auch ein positiver Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Deep Acting (Bono & Vey, 2005). Zu welchem Grad die Entscheidung, mit Surface oder Deep Acting auf Darbietungsregeln zu reagieren willentlich getroffen wird, ist noch unklar. Erste Studien zu Deep Acting-Trainings (Tiffert, 2006; Richard, 2006) weisen jedoch auf Trainingserfolg hin; Teilnehmer wendeten vermehrt Deep Acting-Strategien im Arbeitsalltag an.

Vom Wert unserer Emotionen

Training hin oder her – zuletzt sollte uns bewusst sein, dass es kontraproduktiv ist, wenn Menschen regelmäßig ihre Gefühle zensieren müssen. Auch wenn bestimmte Rollen (sei es auf der Arbeit oder privat) Neutralität oder eine positive Gesinnung von uns fordern – unsere Emotionen haben doch einen Sinn (Keltner & Gross, 1999)! Der oft angeführte evolutionäre Vorteil von verschiedenen Emotionen mag nicht mehr in allen Situationen hilfreich sein – unsere Angst vor Spinnen, grundlose Eifersucht in Partnerschaften oder Futterneid unter Geschwistern sind Beispiele heutzutage unangemessener Gefühle. Dennoch sorgen negative Emotionen auch dafür, dass wir für uns und unsere Bedürfnisse einstehen und unser Leben und das der Angehörigen schützen. Außerdem motivieren sie unser Handeln, um Missstände zu beseitigen. Anstatt von Mitarbeitern zu fordern, sich gewohnheitsmäßig ihrer Emotionen zu entfremden, dient uns vielleicht ein Umdenken in unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft – an der wir ja alle teilnehmen. Was wäre so schlimm daran, wenn eine Call-Center-Agentin uns freundlich sagt, sie wolle nicht in diesem Ton mit uns diskutieren; wenn wir über unsere Systemprobleme reden wollten, sollen wir uns bitte beruhigen? Ist es nicht vollkommen nachvollziehbar, dass die Supermarktkassiererin kurz vor 22 Uhr nur noch ein müdes Lächeln für mich übrig hat und die Geduld verliert, wenn ich minutenlang nach Kleingeld krame? Während ich die Kosten für flächendeckende Betriebs- Burnout-Interventionen überschlage, lasse ich mich dankbar von einer schmollenden Angestellten bedienen – und freue mich über mein eigenes Recht auf schlechte Laune am Arbeitsplatz.

 

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