Editorial zur Themenausgabe Rechtspsychologie – Rechtspsychologie beleuchtet in Film und Medien

Die Rechtspsychologie befasst sich mit psychologischen Phänomenen, die Relevanz für das Rechtssystem haben. Sie ist bestrebt, Antworten auf Fragen zu finden, wie: Wann und warum irren sich AugenzeugInnen?, Wie können wir LügnerInnen enttarnen? oder Was lässt Menschen mit psychopathischen Persönlichkeitszügen zu Kriminellen werden? Diese und andere rechtspsychologische Themen finden in Filmen und Unterhaltungsserien seit jeher viel Aufmerksamkeit. Der Hitchcock Klassiker Der falsche Mann basiert auf der wahren Geschichte des Musikers Christopher Emmanuel Balestrero. Balestrero wurde in den 1950er Jahren für den Raub in einer Versicherungsgesellschaft angeklagt. Mehrere ZeugInnen identifizierten ihn als den Täter. Als der wahre Täter bei einem erneuten Raub festgenommen wurdRoyal Broil via flickr (https://www.flickr.com/photos/royal_broil/13730171414/in/photolist-mVhHBm-7iNkp9-3nKGyi-smMsGv-qsWSB6-hscTyS-CHAge-foSsGn-dUdUA6-s5dMuE-8RY69x-qsWV8P-7pGPg-7hk6cJ-4TN9ZF-7be69Q-gx8YaG-dpqVTu-7hkms5-p77LFw-cnX48f-6Jdk8n-87xmzS-dBgfdn-9srXQq-8MwUve-USYL4t-qRKw1f-9soWAZ-pi3f3o-hPYrWy-V5hJ57-bffb6P-856amh-pi3d4U-z5HAY-oa1r4G-igRacY-rqqaKH-nFWYeg-7hgoPp-ppFA2w-74eanJ-RoVaq-qHcdB-8RYSLN-6uaSFd-9EAubH-F7JLcG-conrr3, CC:https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)Royal Broil via flickr (https://www.flickr.com/photos/royal_broil/13730171414/in/photolist-mVhHBm-7iNkp9-3nKGyi-smMsGv-qsWSB6-hscTyS-CHAge-foSsGn-dUdUA6-s5dMuE-8RY69x-qsWV8P-7pGPg-7hk6cJ-4TN9ZF-7be69Q-gx8YaG-dpqVTu-7hkms5-p77LFw-cnX48f-6Jdk8n-87xmzS-dBgfdn-9srXQq-8MwUve-USYL4t-qRKw1f-9soWAZ-pi3f3o-hPYrWy-V5hJ57-bffb6P-856amh-pi3d4U-z5HAY-oa1r4G-igRacY-rqqaKH-nFWYeg-7hgoPp-ppFA2w-74eanJ-RoVaq-qHcdB-8RYSLN-6uaSFd-9EAubH-F7JLcG-conrr3, CC:https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)e, fiel die große Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern auf. Diese Ähnlichkeit war Balestrero zum Verhängnis geworden. Doch auch andere Faktoren können dazu führen, dass AugenzeugInnen Fehler unterlaufen. Mit diesen Thema befasst sich der Artikel von Tupper und KollegInnen. Dabei geht es um die Fragen, ob und wann AugenzeugInnen (un)zuverlässig sind, ob die Konstanz von Augenzeugenberichten Informationen über deren Zuverlässigkeit gibt, und darum, ob mehrere ZeugInnen besser sind als eine/-r.

Obwohl Balestrero nie verurteilt wurde, bedeutete die Anklage und die damit einhergehende Untersuchungshaft einen schicksalhaften Einschnitt in sein Leben, für ihn selbst und auch seine Frau, die in der Folge längere Zeit in einem Sanatorium behandelt wurde (Lumenick, 2016). Der aktuelle Film Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz behandelt einen bekannten deutschen Justizirrtum. Wörz wurde 1998 wegen versuchten Totschlags an seiner Ex-Frau verurteilt, obwohl eigentlich keine Beweise gegen ihn vorlagen. Viereinhalb Jahre verbrachte er unschuldig in Haft, der Freispruch erfolgte 13 Jahre später (Friedrichsen, 2014). Welche Folgen hatte diese Falschverurteilung für sein Leben? In Interviews berichtet Wörz von Schlafstörungen, er ist misstrauisch und ängstlich sowie berufsunfähig (Lakotta, 2012; Röhn, 2014). Seinen Sohn hat er seit Jahren nicht gesehen; dieser wünscht keinen Kontakt (Röhn, 2014). Wie ergeht es Opfern von Justizirrtümern in Deutschland? Welche Folgen hat das Erlebte für sie? Wie geht die deutsche Justiz mit ihnen um? Hierüber berichtet der Artikel von Schell-Leugers und Schneider.

Die TV-Serie Hannibal – die zeitlich vor dem bekannten Film Das Schweigen der Lämmer spielt – gewährt Einblicke in die Persönlichkeit von psychopathischen Menschen. Der Protagonist Hannibal Lecter wird einerseits als scharfsinniger Kollege und zuvorkommender Gastgeber portraitiert, andererseits als skrupelloser und manipulativer Serienmörder. Doch sind alle Menschen mit psychopathischen Persönlichkeitszügen Kriminelle oder gar Serienmörder? Das sind sie nicht. Es scheint sogar so zu sein, dass psychopathische Persönlichkeitszüge im Alltag auch Vorteile mit sich bringen können. Mit der Frage, was sogenannte erfolgreiche PsychopathInnen ausmachen und was wir von Menschen mit psychopathischen Persönlichkeitszügen lernen können, befasst sich der Beitrag von Rettenberger.

Viel Aufmerksamkeit erhält auch alles, was mit der Enttarnung von LügnerInnen und BetrügerInnen zusammenhängt. Sendungen wie Lie to me oder der Film Meine Braut, ihr Vater und ich suggerieren, dass es Methoden, wie beispielsweise den Polygraphen (s. hier für ein anschauliches Beispiel aus dem Film) oder die Analyse von sogenannten Mikroexpressionen gibt, mit deren Hilfe man Lügen eindeutig als solche identifizieren kann. Tatsächlich ist die Unterscheidung von Lüge und Wahrheit ein mühsames Geschäft. Der Artikel von Boeger räumt mit Missverständnissen auf und beschreibt, über welche Fähigkeiten erfolgreiche LügnerInnen verfügen.

Artikel zum Thema Rechtspsychologie in früheren Ausgaben behandeln die Frage, warum unschuldige Menschen Verbrechen gestehen, die sie nicht begangen haben (Schell & Merckelbach, 2011), Fehlerquellen von Zeugenaussagen (Krix & Sauerland, 2011), und was Sie wissen sollten, wenn Sie jemanden in einer Gegenüberstellung identifizieren sollen (Sauerland & Krix, 2017). Blogs zum Thema finden Sie hier.

Literaturverzeichnis

Boeger, M. (2018). Lug und Trug - welche Fähigkeiten beherrschen raffinierte LügnerInnen? In-Mind. Abgerufen von http://de.in-mind.org/article/lug-und-trug-welche-faehigkeiten-beherrschen-raffinierte-luegnerinnen

Friedrichsen, G. (2014, 25. Juli). Harry Wörz klagt auf weitere Entschädigung. Der Spiegel. Abgerufen unter http://www.spiegel.de/panorama/justiz/justizopfer-harry-woerz-verklagt-b...

Krix, A. C., & Sauerland, M. (2011). Im Zweifel für den Angeklagten: Über Fehlerquellen von Zeugenaussagen. In-Mind. Abgerufen von http://de.in-mind.org/article/im-zweifel-fuer-den-angeklagten-ueber-fehl...

Lakotta. B. (2012, 14. Mai). „Ich will mein Leben zurück“. Der Spiegel. Abgerufen von http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-85734066.html

Lumenick, L. (2016, 7. Februar). A case of mistaken identity ruined this man’s life – and inspired Hitchcock. New York Post. Abgerufen unter https://nypost.com/2016/02/07/a-case-of-mistaken-identity-ruined-this-ma...

Rettenberger, M. (2018). Psychopathie zwischen Kriminalität und Kompetenz oder was wir von Psychopathen lernen können. In-Mind. Abgerufen von http://de.in-mind.org/article/psychopathie-zwischen-kriminalitaet-und-kompetenz-oder-was-wir-von-psychopathen-lernen

Röhn, T. (2014, 29. Januar). Harry Wörz ist selbst fernsehen zu riskant. Die Welt. Abgerufen unter https://www.welt.de/vermischtes/article124328738/Harry-Woerz-ist-selbst-...

Sauerland, M., & Krix, A. C. (2017). Würden Sie den Täter wiedererkennen? – Was sollten Sie wissen, wenn Sie jemanden in einer Gegenüberstellung identifizieren sollen. In-Mind. Abgerufen von http://de.in-mind.org/article/wuerden-sie-den-taeter-wiedererkennen-was-...

Schell, J. M. & Merckelbach, H. (2011). Falsche Geständnisse: Warum unschuldige Menschen Verbrechen gestehen, die sie nicht begangen haben. In-Mind. Abgerufen von http://de.in-mind.org/article/falsche-gestaendnisse-warum-unschuldige-me...

Schell-Leugers, J. M., & Schneider, T. (2018). Die Macht des Irrtums: Über die Ursachen und Auswirkungen von gerichtlichen Fehlurteilen. In-Mind. Abgerufen von http://de.in-mind.org/article/die-macht-des-irrtums-ueber-die-ursachen-und-auswirkungen-von-gerichtlichen-fehlurteilen#overlay-context=article/die-macht-des-irrtums-ueber-die-ursachen-und-auswirkungen-von-gerichtlichen-fehlurteilen

Tupper, N., Sauerland, M., Hope, L., & Merckelbach, H. (2018). Verbreitete Gerichtssaal-Mythen über das Gedächtnis von Augenzeugen. In-Mind. Abgerufen von http://de.in-mind.org/article/verbreitete-gerichtssaal-mythen-ueber-das-gedaechtnis-von-augenzeugen

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