Kann man die abschalten? Wie man mit Leuten umgeht, die immer schon die Lösung für alle gesellschaftspolitischen Probleme unserer Zeit kennen.
Wer kennt das nicht: Wir geraten in eine politische Diskussion und eine/r der Diskutant/innen weiß alles besser. Sie oder er hat eine phänomenal simple Lösung zum richtigen Umgang mit Flüchtlingen, zum Klimawandel oder gleich zur Rettung der Welt. Wie wir (die selbstverständlich eine wesentlich elaboriertere Meinung vertreten) eine möglicherweise endlose Diskussion vermeiden, lesen Sie in diesem BLOG-Beitrag.
Was tun mit den Flüchtlingen aus dem Nahen Osten? Wie den Klimawandel bekämpfen? Viele gesellschaftspolitische Probleme unserer Zeit sind komplex und erfordern die Berücksichtigung vieler unterschiedlicher Faktoren. Man sollte meinen, das wäre common sense, doch immer wieder nerven uns Leute mit intuitiv einleuchtenden, überraschend simplen Lösungen: „Flüchtlinge reinlassen, alle auf den Bau schicken, Nazis wegsperren, Deckel zu“. Selbst völlig absurde Lösungen („Alles in den San Andreas Graben werfen, hier wird der Müll dann in den Erdkern gesogen.“) für hochkomplexe Probleme (Atommüllendlagerung) werden von ihren Vertreter/innen oft aufs Bitterste verteidigt.
Bei genauerer Betrachtung stellen wir oft fest, dass den lautstarken Vertreter/innen dieser extremen Standpunkte oft die Expertise fehlt, die man irgendwie von ihnen erwartet hätte. Die Erklärung für das Paradox, dass Personen oft extreme Lösungen für politische Probleme vertreten, von denen sie vergleichsweise wenig Ahnung haben, nennt die Psychologie „illusion of explanatory depth“ (Rozenblit & Keil, 2002). Mit anderen Worten, oft glauben Leute, sie wüssten wesentlich besser Bescheid, wie man die Probleme eines Landes anpackt, als es tatsächlich der Fall ist. Das übertriebene Vertrauen in die eigene politische Expertise ist nicht weiter verwunderlich, schließlich glauben die meisten Leute auch, sie wüssten relativ gut wie Klospülungen, Zahlenschlösser und Nähmaschinen tatsächlich funktionieren (Rozenblit & Keil, 2002).
Das mag auf den ersten Blick erst einmal belustigend sein, kann bei politischen Diskussionen auf die Dauer aber ganz schön anstrengen. Doch was tun? Intuitiv würden wir möglicherweise zunächst eine Begründung für eine bestimmte Position verlangen. Wir fragen also unsere/n Diskussions-Kontrahenten/in höflich, warum er oder sie beispielsweise dafür ist, die Leistungen für Asylbewerber/innen zu kürzen. Fernbach und Kollegen (2013) zeigen, dass das vermutlich nicht funktioniert. Denn durch die intensivere Beschäftigung mit einem Thema generiert unser/e Kontrahent/in eher selektiv Argumente, die seine oder ihre Position untermauern (Ross, Lepper, Strack & Steinmetz, 1977).
Fernbach und Kollegen (2013) schlagen daher eine andere Lösung vor. Wir sollten eher fragen: „Wie soll das funktionieren?“. Denn der Versuch einer Erklärung der kausalen Wirkungsweise einer politischen Maßnahme sollte für unsere/n Kontrahenten/in äußerst erhellend sein. Sie oder er wird ihr/sein mangelndes Verständnis des Themas begreifen, was wiederum dazu führen sollte, einen moderateren Ton bei dem Thema anzuschlagen. Die Autoren testeten diese Hypothese und konnten zeigen, dass die Erklärung der Wirkungsweise einer politischen Maßnahme nicht nur zu einem geringeren wahrgenommenen eigenen Verständnis der Lösungswege führt, sondern auch zu einer moderateren Einstellung gegenüber der politischen Maßnahme. Besonders interessant: Die Proband/innen waren auch weitaus zögerlicher, Lobbygruppen, die ihr Anliegen eigentlich befürworteten, finanziell zu unterstützen, wenn sie erklären mussten, wie die Maßnahme genau funktioniert.
Halten wir also fest: Wenn wir das nächste Mal wieder in einer Diskussion festhängen, besser mal nach dem „wie“ statt nach dem „warum“ fragen... oder natürlich einfach gehen.
Literatur
Ross, L. D., Lepper, M. R., Strack, F. & Steinmetz, J. (1977). Social explanation and social expectation: Effects of real and hypothetical explanations on subjective likelihood. Journal of Personality and Social Psychology, 35, 817-829. doi: 10.1037/0022-3514.35.11.817
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