Was (nicht) sagen bei einem politischen Skandal? Was PolitikerInnen vom Abruf-induzierten Vergessen lernen können
Kaum eine Legislaturperiode kommt ohne sie aus: Skandale. Seien es die Rednerhonorare von Steinbrück, die Pädophiliedebatte der Grünen oder das Drohnendesaster von CDU-Verteidigungsminister de Maizière. Wie sollten PolitikerInnen damit umgehen?
Der erste Impuls scheint zu sein, erst einmal gar nichts zu sagen: Kein Kommentar. Schweigen führt jedoch selten dazu, dass die Öffentlichkeit die Sache einfach vergisst. Die Zeitungen bringen weiterhin Berichte und ReporterInnen stellen weiter ihre Fragen. Irgendwann können PolitikerInnen der Debatte nicht mehr aus dem Weg gehen. Was aber sagen?
Die Antwort liefert ein auf den ersten Blick recht sperriges Phänomen: Das Abruf-induzierte Vergessen (retrieval-induced forgetting; Anderson, Bjork & Bjork, 1994). Es bezeichnet den Umstand, dass das Erinnern von Informationen, das Vergessen von anderen, verwandten Informationen nach sich ziehen kann. In Studien, die sich diesem Phänomen widmen, lernen ProbandInnen Wortlisten mit Kategorie-Exemplar Paaren, wie zum Beispiel Frucht-Banane, Frucht-Birne, Frucht-Apfel, Frucht-Erdbeere und so weiter. Nach der Lernphase wird die Hälfte der Liste den ProbandInnen partiell zum üben präsentiert (z.B. Frucht-Ba____, Frucht-Erdb____). Danach werden sie gebeten, alle Begriffe der Kategorie (z.B. Früchte) zu erinnern. Hier zeigt sich nun der Effekt der Übungsphase: Der vorherige Abruf von der geübten Wörter führt zum Vergessen der ungeübten. Oder um beim Namen des Effekts zu bleiben: Der Abruf von Banane und Erdbeere induziert das vergessen von Apfel und Birne!
Äpfel oder Birnen? Sie fragen sich jetzt bestimmt, was das mit Politik zu tun hat. Das faszinierende beim Abruf-induzierten Vergessen ist, dass es auch in normaler Konversation auftritt (Cuc, Koppel & Hirst, 2006). Nicht nur SprecherInnen vergessen unerwähnte, verwandte Informationen, sondern auch die ZuhörerInnen! Erzählt uns also jemand Teile einer Geschichte, dann beeinflusst dies unser Gedächtnis für die unerwähnten Teile.
PolitikerInnen, die von einem Skandal betroffen sind, können den Effekt also nutzen, indem sie so viele relevante Informationen wie möglich preisgeben, ohne dabei direkt auf Details des Skandals einzugehen. Zum Beispiel hat die CDU die absolute Mehrheit nur knapp verpasst. Hätte de Maizière weniger konkret über Drohnen und mehr über andere Rüstungsprogramme gesprochen, hätte es vielleicht gereicht...
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