RUMMS oder pling – Wie schnell war das Auto beim Unfall?
Viele Menschen gehen nicht nur davon aus, dass ihr Gedächtnis und ihre Fähigkeit zur Kommunikation mittels Sprache besonders ausdifferenziert sind und somit Alleinstellungsmerkmale des Menschen in der Tierwelt darstellen. Eine weit verbreitete Ansicht ist zudem, dass das menschliche Gedächtnis Erlebtes hervorragend so abspeichert und wir es daher nach Belieben über bewusste Erinnerungen wieder hervorholen können.
Aufmerksame Leserinnen und Leser von In-Mind werden mittlerweile wissen, dass unser Gedächtnis keineswegs wie eine Videokamera funktioniert, die neben Sicht- und Hörbarem auch Eindrücke der anderen Sinne aufzeichnen kann. Vielmehr unterliegt das menschliche Gedächtnis sozialen Konstruktionen, die unter anderem durch Unterschiede in der Sprache gesteuert werden können. In einer in der wissenschaftlichen Psychologie mittlerweile schon als klassisch geltenden Veröffentlichung aus dem Jahr 1974 beschreiben Elizabeth Loftus und John Palmer mehrere Experimente, in denen sie einen Einfluss von sehr geringen Änderungen in der Sprache auf eine Aussage zu einem zuvor wahrgenommenen Ereignis aufzeigen konnten. Konkret zeigten sie Versuchspersonen ein Video, in dem mehrere Autos in einen Unfall verwickelt waren, nachdem sie frontal aufeinander zugefahren waren. Die Versuchspersonen sollten zunächst das Gesehene mit eigenen Worten nacherzählen. Anschließend wurden die Teilnehmenden an der Untersuchung um ihre Einschätzung der Geschwindigkeit der beteiligten Autos gebeten. Einzig das Verb in einer Frage, die die Versuchspersonen beantworten sollten, war dabei die zentrale Manipulation. Davon gab es insgesamt fünf Versionen: Einige Versuchsteilnehmende sollten beantworten, wie schnell die Autos waren, als sie sich kontaktierten (contacted). Andere wiederum wurden gefragt, wie schnell die Autos waren, als sie miteinander kollidierten (collided with), aufeinander stießen (bumped into) oder sich streiften (hit). Den Personen der fünften Gruppe wurde schließlich die Frage gestellt, wie schnell die Autos waren, als sieineinander krachten (smashed into).
Ein Vergleich der Geschwindigkeitseinschätzungen der Gruppen, die die Verben kontaktieren und ineinander krachen erhielten, zeigten durchschnittliche Schätzungen von 31.8 Meilen pro Stunde („kontaktierten“) im Vergleich zu 40.8 Meilen pro Stunde („ineinander krachten“) statistisch bedeutsame Unterschiede auf.
Auch wenn manche Replikationsversuche dieser Studien offenbar nicht die ursprünglichen Ergebnisse eindeutig bestätigen konnten, besitzen Schlussfolgerungen aus der Studie von Loftus und Palmer aus meiner Sicht zumindest vorerst weiterhin ihre Gültigkeit: Insbesondere bei der Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen sollte Sprache sorgsam gewählt werden, damit Aussagen nicht allzu sehr durch die Art der Fragestellung verzerrt werden.
Quelle:
Loftus, E., & Palmer, J. C. (1974). Reconstruction of automobile destruction: An example of the interaction between language and memory. Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, 13, 585-589.
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